EGTA-Journal 04-2019
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Heike Matthiesen<br />
Wieviele Komponistinnen für Gitarre kennen Sie eigentlich?<br />
40 Jahre Archiv Frau und Musik in Frankfurt<br />
Biografie<br />
Heike Matthiesen hat einen in der Klassikszene<br />
einzigartigen Werdegang: Als<br />
Kind einer Opernfamilie erhielt sie bereits<br />
in frühester Kindheit Klavierunterricht,<br />
wechselte erst mit 18 zur Gitarre<br />
und begann bereits ein Jahr später das<br />
Studium an der Frankfurter Musikhochschule.<br />
Weitere zwei Jahre später begann<br />
sie im Opernorchester Frankfurt zu spielen<br />
und wurde zu einer gefragten Kammermusikerin,<br />
wobei sie sich einer langjährigen<br />
Zusammenarbeit mit der Villa<br />
Musica Mainz erfreut. Nach dem Diplom<br />
wurde sie Meisterschülerin von Pepe Romero,<br />
der ihr den Weg zur Wandlung in<br />
eine Weltklassesolistin öffnete.<br />
Zeugnis ihrer musikalischen Bandbreite<br />
geben auch die 4 CDs, die sie inzwischen<br />
veröffentlichte. Ausgelöst durch<br />
ihre Recherchen für die letzte CD „Guitar<br />
Ladies“ engagiert sie sich ehrenamtlich<br />
für das Archiv Frau und Musik in Frankfurt,<br />
der weltweit größten Sammlung<br />
mit Werken von Komponistinnen.<br />
Portrait: Melissa Messerschmidt.<br />
Fotos: Andrea Späth Fotodesign<br />
Vor nunmehr 40 Jahren wurde damals<br />
noch in Kassel der Internationale<br />
Arbeitskreis Frau und Musik<br />
gegründet. Auslöser war ein Artikel in<br />
der „Emma“ der Dirigentin Mascha Blankenburg<br />
zum Fehlen von Dirigentinnen<br />
in der Welt der Klassik. Der Verein war<br />
schnell auch Sammelpunkt für Werke<br />
von Komponistinnen, da sich Blankenburg<br />
und ihre Mitgründerinnen Sigrid<br />
Ernst und Barbara Heller ebenso das Archivieren<br />
von Werken von Komponistinnen<br />
zum Ziel gesetzt hatten.<br />
Inzwischen gibt es auch in anderen Ländern<br />
ähnlich arbeitende Institutionen,<br />
die sich speziell der Förderung der Werke<br />
von Komponistinnen widmen.<br />
Heute umfasst unsere inzwischen in<br />
Frankfurt beheimatete Sammlung über<br />
25 000 Medieneinheiten von circa 2000<br />
Komponistinnen aus aller Welt. Es werden<br />
Noten, Aufnahmen aller Art, Bücher,<br />
Dissertationen, Fachartikel und sogenannte<br />
„Graue Literatur“ gesammelt, also<br />
auch Briefwechsel und natürlich komplette<br />
Nach- und Vorlässe. Als Präsenzbibliothek<br />
ist das Archiv für Forscher,<br />
Musiker, Veranstalter, Schulklassen und<br />
Studierende zugänglich und es schlummern<br />
noch Themen für unzählige Doktor-<br />
und Examensarbeiten in den Regalen.<br />
Seit vielen Jahren war ich Mitglied im<br />
Verein, hatte aber nie Anlässe gehabt,<br />
mich ernsthafter mit den Gitarrenbeständen<br />
zu beschäftigen.<br />
Dank meines Auftrittes beim Gitarrenland-Festival<br />
von Wolfgang Weigel, der<br />
mich bat, für ihn zwei Konzerte von Sylvie<br />
Bodorova zu lernen, fing ich an, neugierig<br />
zu werden!<br />
Vorher kannte ich wie jeder Teuchert<br />
Schüler natürlich Maria Linnemann und<br />
hatte Stücke von Obrovska, Peyrot und<br />
Giuliani gehört, aber weitere Stücke<br />
von Komponistinnen tauchten im typischen<br />
erweiterten Kanon der Stücke, die<br />
man als zukünftiger Profi spielte, in den<br />
1990ern noch nicht auf.<br />
Ich begann, für mich selbst zu sammeln<br />
und habe mein Konzertprogramm mit<br />
„schönen“ Stücken angereichert sowie<br />
auf Anregung des Archives tatsächlich<br />
eine CD nur mit Musik von Komponistinnen<br />
aufgenommen.<br />
Seit 2017 bin ich im Vorstand und zuständig<br />
für das Gitarrenrepertoire. Wir<br />
haben zur Zeit etwa 500 Titel in unseren<br />
Regalen, Noten, Aufnahmen etc., davon<br />
circa 150 Kompositionen für Gitarre solo.<br />
Es gibt nur wenig Sekundärliteratur zum<br />
Thema, deswegen ein kurzer Überblick:<br />
In Zeiten vor der Klassik gab es vor allem<br />
die Sängerin mit Zupfinstrument, die<br />
sich selbst begleitete, es ist jedoch nur<br />
extrem überschaubare Literatur überliefert.<br />
Das Grundproblem dabei war<br />
44 <strong>EGTA</strong>-<strong>Journal</strong>