EGTA-Journal 04-2019
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Carlo Domeniconi<br />
Und was habt ihr bei euren Treffen<br />
gemacht?<br />
Wir haben gesoffen, wie die Löcher<br />
gesoffen. Ja, das ist eine ganz lange<br />
Geschichte...meine Besuche bei Behrend.<br />
Er versuchte mir zu helfen. Ich war<br />
noch jung und dachte: „Mensch...eigentlich<br />
gar nicht schlecht..!“ Aber irgendwie<br />
wollte ich nicht zu seiner Gilde gehören.<br />
Trotzdem hat er mich kurz vor seinem<br />
Tod noch grüßen lassen.<br />
Er ist 1990 gestorben.<br />
Ja, mit 56. Er hat praktisch die<br />
ganze Gitarrenliteratur im SFB<br />
aufgenommen, einfach so, die Noten<br />
mitgenommen, los Aufnahme. Ob Fehler,<br />
ob verstimmte Gitarre oder nicht, das<br />
war ihm egal. Und was er alles bei Bote<br />
& Bock verlegt hatte, diese ganzen Bearbeitungen,<br />
diese Stücke für Anfänger<br />
und weiß der Geier was. Richtig Geld haben<br />
die mit ihm gemacht und er mit ihnen.<br />
Und wie war das mit deinem<br />
Kompositionsunterricht? Du<br />
hattest bei Hartig?<br />
Ja, damals spielte ich ein Stück von ihm<br />
-Thema mit Variationen.<br />
Es hatte mich, ohne zu wissen, dass er an<br />
der Berliner Hochschule für Musik lehrte,<br />
interessiert.<br />
Ich sah auf dem Lehrplan, dass ein „Hartig“<br />
am Haus war, und dachte, „Kann es<br />
sein, dass er das ist?“ Ich bekam rote Flecken<br />
im Gesicht vor Aufregung und<br />
versuchte sofort, mich bei ihm einzuschleichen.<br />
Ich fragte ihn, ob er das sei,<br />
der diese drei Stücke für Gitarre komponiert<br />
hatte, was er bejahte. Ich wollte von<br />
ihm dann gerne Kompositionsunterricht<br />
nehmen und er hat mir später auch ein<br />
Stück geschrieben.<br />
Wie hieß das?<br />
„Reflexe“ für<br />
Gitarre und<br />
Cembalo, das bei Bote &<br />
Bock erschienen ist.<br />
Und ihr habt auch<br />
zusammen gearbeitet?<br />
Ja, er war ein guter Lehrer,<br />
das muss ich schon sagen.<br />
Sein System bestand aus<br />
einer Art von Gleichspannung,<br />
die in den Stimmverläufen<br />
herrschen musste,<br />
d. h. es musste immer<br />
ein bestimmter Dissonanzgrad<br />
gewährleistet werden,<br />
damit eine bestimmte<br />
Spannung nicht abfällt.<br />
Er war ein sehr aufmerksamer<br />
Lehrer, das muss ich<br />
sagen. Neben Boris Blacher,<br />
zu meiner Zeit Direktor der Hochschule,<br />
war er einer der wichtigen Komponisten<br />
Deutschlands. Er war ein sehr<br />
willensstarker Mensch. Ich erinnere mich<br />
noch sehr lebhaft, dass er ohne Krücken<br />
2 Treppen hoch ging, obwohl er ab den<br />
Waden Beinprothesen hatte.<br />
Aber es waren höchstens 6 - 7 glückliche<br />
Stunden, die ich bekam, dann starb er. Es<br />
gab ein Memorationskonzert mit Musikern<br />
aus dem Philharmonischen Orchester,<br />
bei dem ich mitgewirkt habe.<br />
Wie sah dein Studienalltag<br />
aus? Du hattest Unterricht<br />
bei Bürger und hast die üblichen<br />
Fächer Theorie, Musikgeschichte<br />
usw. gehabt?<br />
Ja, klar.<br />
Wie viele Jahre hast du studiert?<br />
Vier Jahre bestimmt, denn es<br />
war sehr angenehm. Ich wohnte in der<br />
Nähe. Dort gab es auch ein Gambenbauer-Atelier,<br />
was passte, denn damals<br />
liebte ich sehr die Alte Musik. „Vielleicht<br />
baut der auch Lauten?“, dachte ich mir. Da<br />
ich damals auch Laute spielte, haben wir,<br />
der Sänger aus meinen Jugendtagen,<br />
Axel Reichhardt, mein Studienkollege<br />
Klaus-Michael Krause und der Gambenbauer,<br />
Ingo Muthesius und andere, ein<br />
Ensemble gegründet. Das zeige ich Dir<br />
jetzt mal.<br />
Carlo Domeniconi, Guitarre.<br />
Ja Guitarre, mein Sängerfreund<br />
bestand darauf. Er meinte, Gitarre<br />
klänge so peinlich.<br />
30 <strong>EGTA</strong>-<strong>Journal</strong>