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hinnerk Juni/Juli 2019

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14 KULTUR<br />

INTERVIEW<br />

FOTO: KOZYCK<br />

WELTPREMIERE:<br />

TRANSPARÊNCIA<br />

Der Entwurf zur Reform des<br />

Transsexuellengesetzes<br />

wurde vorerst gestoppt, die Probleme<br />

von Transpersonen bleiben.<br />

Im Kulturbereich, besonders beim<br />

Tanztheater, stehen Nonbinäre und<br />

Transidente besonderen Herausforderungen<br />

gegenüber, weshalb sich<br />

2016 in Hamburg das Transparence<br />

Theater (TSP) gründete, das im <strong>Juni</strong><br />

sein erstes Stück ans Theater Lüneburg<br />

(wir verlosen Karten auf www.<br />

<strong>hinnerk</strong>.de) bringt. <strong>hinnerk</strong> traf sich<br />

mit Wallace Jones (Choreograf) und<br />

Kolja Schallenberg (Regisseur und<br />

Produzent), zwei der drei Gründer<br />

des Projektes.<br />

Aline de Oliveira ist die dritte<br />

Gründerin und Trans*. Könnt ihr<br />

bitte an ihrem Beispiel erklären, was<br />

eigentlich das Problem für transsexuelle<br />

Tanzende ist?<br />

Kolja: Aline ist als klassischer männlicher<br />

Balletttänzer ausgebildet worden. Sie hat<br />

auch als solcher gearbeitet. Nach ihren<br />

geschlechtsangleichenden Maßnahmen<br />

haben die Theater und künstlerischen Leiter<br />

sie nicht mehr gebucht. Das hieß dann<br />

einhellig: „Nein, wir wollen einen Mann<br />

haben, der als Mann tanzt, und nicht eine<br />

Frau, die als Mann tanzt.“<br />

Wallace: In genau dieser Zeit hatte ich<br />

Aline nach langer Zeit – über zehn Jahren<br />

– in Hamburg wiedergetroffen. Es war<br />

wirklich ein Tiefpunkt für sie. Eigentlich<br />

gerade endlich mit ihrem Körper im Reinen<br />

und dann der totale Absturz, was Engagements<br />

angeht. Gerade der klassische<br />

Tanz ist aber strikt in Zweigeschlechtlichkeit<br />

geteilt. Es gibt männliche und es gibt<br />

weibliche Tanzschritte. Du kannst nicht<br />

einfach mal wechseln. Was wir hier tun, ist<br />

tatsächlich noch niemals gemacht worden<br />

– nie. So reifte die Idee, es einfach zu tun.<br />

Wie seid ihr bei der Konzeption<br />

vorgegangen?<br />

Kolja: Wallace kam auf mich zu und hatte<br />

die Idee, verschiedengeschlechtliche<br />

Bezeichnungen in unterschiedlichen Sprachen<br />

zu nutzen, um sich künstlerisch zu<br />

nähern. Beispiel: Sonne und Mond, die im<br />

Deutschen die und der sind, im Französischen<br />

umgekehrt der und die. Aus dieser<br />

Idee ist bei einem ersten Treffen zwischen<br />

uns dreien dann in einer langen Nacht der<br />

Wille entstanden, nicht nur eine kleine<br />

Choreografie zu machen, die bei irgendeinem<br />

Tanzfestival im Nebenprogramm läuft,<br />

sondern eine Trans*-Theaterproduktion.<br />

Es hat danach über zwei Jahre gedauert<br />

zu planen und vor allem überhaupt ein<br />

Theater zu finden, das mitmacht – zum<br />

Glück hat das Theater Lüneburg mitgemacht<br />

und uns vollständige künstlerische<br />

Freiheit gelassen. Seit Januar ist dann alles<br />

auf einmal sehr schnell gegangen: Wir<br />

haben mit der Zweiten Bürgermeisterin von<br />

Hamburg, Katharina Fegebank, eine großartige<br />

Schirmherrin gefunden und werden<br />

sogar im Rathaus beim Senatsempfang zur<br />

Pride-Woche spielen.<br />

„Eine komplette<br />

Transition live auf<br />

der Bühne“<br />

Vorher gibt’s aber die große Premiere<br />

in Lüneburg. Was erwartet uns?<br />

Wallace: Ich habe einen großen Teil der<br />

Transition von Aline miterlebt. Wir haben<br />

uns gedacht, warum nicht genau das<br />

erzählen: die Hormone, die Gefühle, die<br />

Operation. Das Stück ist sozusagen eine<br />

komplette Transition live auf der Bühne,<br />

das Schlüsselthema dabei ist Selbstakzeptanz<br />

und die Suche nach der eigenen<br />

Identität. Es ist ja nicht so, dass du eines<br />

Morgens aufwachst und sagst: „Ab heute<br />

bin ich ein anderes Geschlecht.“ Du<br />

schmeißt – wie eben erzählt – dein komplettes<br />

altes Leben hin und fängst von<br />

vorne an. Es war eine Herausforderung,<br />

als Choreograf mit den vorherrschenden<br />

beiden Stilen Mann und Frau zu brechen<br />

und zu einer neuen Art der Bewegung zu<br />

kommen.<br />

Wie setzt ihr das um?<br />

Kolja: Wir haben ja keinen Vergleich. Es<br />

gab so was noch nicht. Es wird verschiedene<br />

Abschnitte geben, viel Tanz,<br />

Erzählungen ... Ich kann es kaum erklären,<br />

weil man sich nicht vorstellen kann, wie<br />

anders die Ausdrucksweisen von transsexuellen<br />

Tänzern und Tänzerinnen auf<br />

der Bühne sind, als wenn du einen jungen<br />

klassisch ausgebildeten Balletttänzer<br />

oder eine Tänzerin siehst. Ich glaube, das<br />

wird wirklich einen Impact in der Kulturszene<br />

haben.<br />

*Interview: Christian Knuth<br />

14. – 17., 25. + 26.6., Transparência,<br />

Theater Lüneburg, An den Reeperbahnen<br />

3, Lüneburg, 20 Uhr.<br />

www.transparencetheatre.com

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