EDUCATION 3.19
Dossierthema: Glück
Dossierthema: Glück
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Thema | Dossier<br />
Düfte, Wind und Wellenschlag des Meeres haben eine<br />
starke Wirkung auf die Sinne des Menschen. Die Naturerfahrung<br />
und sein eigenes Glück spiegeln sich in Camus’<br />
Werk wider. Er durchstreift die Küstenlandschaft, schwimmt,<br />
spürt die lastende Hitze und fühlt – wie er sagt – die «Umarmung<br />
von Meer und Erde». Die Natur vermittelt Ganzheit,<br />
Aufgehobensein und Einssein mit den Elementen.<br />
Die Vision vom guten Leben<br />
Wir möchten das Leben geniessen, gleichzeitig wissen<br />
wir, wie vergänglich sinnliches Erleben ist. Als Menschen<br />
sehen wir uns daher einem dauernden Dilemma ausgesetzt:<br />
Einerseits erfreuen wir uns an den sinnlichen Genüssen<br />
des Lebens, auf der anderen Seite zieht es uns<br />
auch zu geistigen Werten hin. In seiner Nikomachischen<br />
Ethik warnt Aristoteles davor, unser Leben nicht allein<br />
auf das individuelle Glücksempfinden auszurichten. Das<br />
höchste Gut für den Menschen sei «eine betrachtende<br />
Lebensführung», die durch Vernunft und geistige Betätigung<br />
geleitet sei. 7 Dies ist primär ein Weg, der nach<br />
innen führt. Die Vernunft vermittelt dem Menschen ein<br />
Wissen, wie er mit der eigenen Befindlichkeit umgehen<br />
soll. Aristoteles stellt in seiner Ethik das klassische Ideal<br />
vor, dass jeder Mensch sich seinen Anlagen entsprechend<br />
entwickeln und in einer guten Lebensführung verwirklichen<br />
soll.<br />
Innere Glücksmomente erfahren wir dann, wenn wir<br />
in einen Flow des geistigen Schaffens, des Produzierens<br />
geraten. Wir stellen ein Produkt her, verfassen einen Text,<br />
komponieren ein Musikstück oder vergessen uns in einer<br />
Tätigkeit, die unsere Leidenschaft entfacht. Leider sind<br />
diese Augenblicke viel zu flüchtig. Das Wort Glück hat<br />
wohl deswegen keinen Plural.<br />
7 Aristoteles (2016). Nikomachische Ethik. Berlin, S. 58.<br />
8 Nietzsche, Friedrich (1969): Nietzsche Werke.<br />
Kritische Gesamtausgabe, Bd. IV. Also sprach Zarathustra.<br />
Berlin, S. 314.<br />
Die kleinen Lichter des Alltags<br />
Aus pädagogisch-didaktischer Sicht ist es sinnvoll, immer<br />
die Vorstellungswelt der Kinder im Blickfeld zu behalten.<br />
Die Frage nach dem glücklichen Leben eignet sich sehr<br />
gut, um sie mit Kindern zu diskutieren. Kinder haben einen<br />
erfrischend unbelasteten Zugang zur Philosophie. Ein Gespräch<br />
dazu fördert Kinder darin, sich die Welt denkend<br />
zu erobern und sich darin zu orientieren. Gefragt, was<br />
sie unter Glück verstehen, beschreiben die Schülerinnen<br />
und Schüler der Heilpädagogischen Schule der Region<br />
Thun unmittelbare Erlebnisse (Lesen Sie den Artikel S. 15).<br />
Glücklich ist die 11-jährige Alina, wenn sie eine Bratwurst<br />
grillieren darf, oder die 12-jährige Sophie, wenn sie ein<br />
Gipfeli im Coop kauft und dieses dann isst. Björn erfährt<br />
Glück, wenn er mit seinem Lehrer malen kann.<br />
In den Augen der Kinder sind es die kleinen Lichter<br />
des Alltags, die Glücksgefühle auslösen. Alltägliches erhält<br />
aus dem Blickwinkel der Achtsamkeit einen anderen<br />
Stellenwert. Wir Erwachsene tendieren dazu, nach den<br />
hohen geistigen und materiellen Zielen im Leben zu streben,<br />
aber vergessen, im Hier und Jetzt zu leben. Vielleicht<br />
sind wir zu sehr in den Annehmlichkeiten unseres Wohlstands<br />
gefangen, als dass wir die kleinen Glücksmomente<br />
zu schätzen wissen. Nietzsche meinte dazu:<br />
«Das Wenigste gerade, das Leiseste, Leichteste,<br />
einer Eidechse Rascheln, ein Hauch,<br />
ein Husch, ein Augen-Blick — Wenig macht<br />
die Art des besten Glücks.» 8<br />
Der eingangs erwähnte Klumpen Gold erfüllt uns zwar<br />
mit einem kurzlebigen Glücksgefühl. Ob wir jedoch glücklich<br />
sind, hängt weniger davon ab, wie wir uns jetzt gerade<br />
fühlen. Es hat vielmehr damit zu tun, wie man sein<br />
Leben führt. Dies hiesse auch, gute Beziehungen zu pflegen<br />
und in ein funktionierendes soziales Netz eingebettet<br />
zu sein. Glück können wir auch erfahren, wenn wir andern<br />
einen Dienst erweisen und ihr Glück fördern.<br />
Synthèse « Le bonheur, un facteur<br />
essentiel dans une vie » Comment<br />
vivre sa vie pour être heureux ?<br />
Même si nous ne cherchons pas à<br />
tout prix à être heureux, le bonheur<br />
est une sorte de principe fondamental<br />
qui dicte nos actes et notre vie.<br />
Ce terme désigne à la fois un coup<br />
du sort favorable et un état de bienêtre<br />
et de satisfaction générale.<br />
La philosophe Annemarie Pieper<br />
écrit que le bonheur est le plus<br />
grand dénominateur commun de<br />
l’humanité : il ne fait aucun doute<br />
que tout un chacun le recherche.<br />
Chacun a sa propre conception du<br />
bonheur, sur laquelle il se fonde<br />
pour concrétiser sa vision d’une vie<br />
de qualité. Souvent, nous associons<br />
le bonheur à un objectif de vie, par<br />
exemple le succès, la richesse, le<br />
pouvoir, la santé ou l’amour. Cela<br />
va toutefois à l’encontre du caractère<br />
éphémère du bonheur. Même<br />
si nous désirons de tout cœur être<br />
heureux, nous ne parvenons pas à<br />
atteindre cet état par la force.<br />
Comme le bonheur est tellement<br />
insaisissable, nous essayons de le<br />
conserver au travers de biens matériels.<br />
Nous souhaitons profiter de<br />
la vie, tout en sachant à quel point<br />
les expériences sensorielles sont<br />
fugaces. Nous sommes donc<br />
confrontés à un dilemme perpétuel.<br />
Nous nous réjouissons des choses<br />
terrestres, tout en aspirant à des<br />
valeurs spirituelles. Mais ce sont les<br />
petits bonheurs du quotidien qui<br />
font briller les yeux des enfants.<br />
La question d’une vie heureuse se<br />
prête très bien à des discussions avec<br />
les enfants. En effet, ces derniers<br />
ont une approche rafraîchissante et<br />
naturelle de la philosophie.<br />
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