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sortimenterbrief Juli/August 2019

Das österreichische Branchenmagazin für Buchmarkt, Buchverkauf und Buchwerbung. Ausgabe Juli-August 2019

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Aktuelle Lesetipps von Dr. Barbara Brunner<br />

Liebe Leute,<br />

dieser Herbst bringt wieder so viele<br />

bemerkenswerte Bücher, dass mir die<br />

Auswahl schwergefallen ist und ich Ihnen<br />

ausnahmsweise gleich vier, fünf Titel ans<br />

Herz legen möchte – aus den Bereichen<br />

Politik, Geschichte, Musik, Literatur und<br />

natürlich darf auch ein Thriller nicht<br />

fehlen:<br />

Paul Lendvais neues Erinnerungsbuch<br />

Die verspielte Welt – Begegnungen und<br />

Erinnerungen erscheint schon im <strong>August</strong><br />

im Ecowin Verlag, es ist ein politisches<br />

Lehrstück über die Geschichte der letzten<br />

60 Jahre der ost- und südosteuropäischen<br />

Staaten, ein Buch über Helden und<br />

Kriegsverbrecher, über Politiker<br />

und abgesetzte Könige, über mutige<br />

Journalisten und visionäre Schriftsteller.<br />

Ursprünglich wollte Paul Lendvai sein<br />

Buch Macht Mut Menschen nennen,<br />

und darum geht es auch in seinen<br />

Erinnerungen – um Macht, die zum Wohl<br />

oder zum Wehe der Menschen ausgeübt<br />

wurde und wird, um Mut, sich dieser<br />

Macht entgegenzustellen, um Mut, für<br />

das Wohl eines Landes, seiner Menschen<br />

oder seiner Ideen einzutreten und um<br />

bemerkenswerte Menschen, die Paul<br />

Lendvai im Laufe seines Lebens als scharf<br />

beobachtender Publizist kennenlernen<br />

und kritisch analysierend begleiten<br />

durfte.<br />

Ein Geschichtsbuch der anderen Art<br />

bringt Herbert Lackner bei Ueberreuter<br />

heraus: Als die Nacht sich senkte – Europas<br />

Dichter und Denker am Vorabend von<br />

Faschismus und NS-Barbarei will die<br />

Geschichte der Jahre zwischen den beiden<br />

großen Kriegen des 20. Jahrhunderts aus<br />

der Sicht der damaligen Dichter, Denker,<br />

Musiker und Wissenschaftler erzählen:<br />

Hat der Großbürger Arthur Schnitzler<br />

nicht gesehen, was da herandräut?<br />

Musste der ehemalige Revolutionär<br />

Franz Werfel, der sorglos mit dem<br />

Ständestaat-Kanzler Schuschnigg ebenso<br />

tändelte wie mit Italiens Mussolini, nicht<br />

erkennen, wohin die Reise ging? Hätte<br />

sich der weitsichtige Stefan Zweig auch<br />

den aktuellen Ereignissen und nicht nur<br />

historischen Biografien widmen müssen<br />

– gerade er, der frühzeitig erkannte, welch<br />

böse Kraft sich da zusammenballte?<br />

Warum konnten Geistesriesen wir Albert<br />

Einstein, Sigmund Freud, Hans Kelsen,<br />

Bertolt Brecht, Thomas und Heinrich<br />

Mann mit ihrem Können und ihrem<br />

Ansehen bei einem breiten Publikum<br />

nicht das Grauen verhindern?<br />

Ein Titel nicht nur für Musikbegeisterte<br />

ist die Rückschau auf das überaus reiche<br />

Musikerleben von Milan Turkovic ´<br />

Lebensklänge (Ibera Verlag): Milan<br />

Turkovic ´ ist ein begnadeter Fagottist und<br />

ein international gefragter Dirigent und<br />

Pädagoge. Er war Solofagottist bei den<br />

Wiener Symphonikern und im legendären<br />

Concentus Musicus, Gründungsmitglied<br />

beim Ensemble Wien-Berlin.<br />

Geboren in eine aristokratische Familie<br />

in Zagreb erlebte er als Kind sowohl den<br />

Faschismus in Jugoslawien als auch die<br />

Schikanen des Tito-Regimes. Wie Milan<br />

Turkovic ´ aber schlussendlich dazu kam,<br />

sich dem Fagott zuzuwenden, wie seine<br />

Reisen als junger Musiker durch Afrika<br />

und später auf der ganzen Welt vonstatten<br />

gingen, wie sich die Arbeit mit Nikolaus<br />

Harnoncourt gestaltete, wie es früher<br />

bei CD-Aufnahmen zuging und wie es<br />

sich als Ensemblemitglied in Orchestern<br />

lebt, das sind nur einige der zum Teil<br />

auch sehr erheiternden Geschichten<br />

in diesem Buch. Seine Begegnungen<br />

mit Musikerkollegen und Größen des<br />

Jazz liest sich wie ein Who-is-Who der<br />

internationalen Künstlerszene.<br />

Auch auf dem Gebiet der Literatur<br />

ist in diesem Herbst Spannendes zu<br />

erwarten, so z. B. der neue Roman<br />

von Irmgard Klemm Hippocampus<br />

(Kremayr & Scheriau), ein Buch, das<br />

den Literaturbetrieb, aber auch den<br />

Umgang des offiziellen Österreich mit<br />

Künstlerinnen ebenso witzig wie böse<br />

aufs Korn nimmt.<br />

Worum es geht: Erst als die vergessene<br />

Autorin der feministischen Avantgarde<br />

tot ist, wird sie als Kandidatin für<br />

den Deutschen Buchpreis gehandelt.<br />

Ihre Freundin Elvira Katzenschlager<br />

soll den Nachlass sortieren und<br />

findet sich unversehens in einer<br />

Marketingmaschinerie voll Gier, Neid und<br />

Sensationsgeilheit wieder. Empört bricht<br />

sie ein großes Nachruf-Interview ab und<br />

buchrezensionen<br />

begibt sich mit<br />

dem wesentlich<br />

jüngeren Kameramann<br />

Adrian<br />

auf einen Roadtrip<br />

durch Österreich,<br />

um die verzerrte Biografie<br />

ihrer Freundin richtigzustellen.<br />

Was als origineller Rachefeldzug beginnt,<br />

wird immer mehr zum Kreuzzug gegen<br />

Bigotterie und Sexismus. Sie verkleiden<br />

Heldenstatuen, demontieren Bildstöcke<br />

und stören Preisverleihungen. Immer<br />

atemloser, immer krimineller werden die<br />

Regelbrüche der beiden auf ihrem Weg<br />

nach Neapel, wo die letzte Aktion geplant<br />

ist.<br />

Auch einen Thriller will ich Ihnen ans<br />

Herz legen: Leibnitz (Gmeiner Verlag)<br />

den Erstlingsroman des Schauspielers<br />

und Drehbuchautors Andreas Kiendl,<br />

über den Josef Hader sagt: „Zwei<br />

Menschen suchen ihr Glück und finden<br />

nichts als die abgrundtiefe Hölle der<br />

Kleinstadt. Andreas Kiendl kriecht in<br />

diese Existenzen förmlich hinein, bis in<br />

die bitterste Jämmerlichkeit. – Georges<br />

Simenon in der Südsteiermark!“ Dabei<br />

beginnt es ganz harmlos: Claudia und<br />

Christian leben mit ihren beiden Kindern<br />

im steirischen Leibnitz, das Singen in<br />

einem Laienchor ist ihnen als einzige<br />

gemeinsame Leidenschaft geblieben.<br />

Schon seit einiger Zeit hat das Paar<br />

Probleme, aber beide bemühen sich, mit<br />

dem engen Leben zurechtzukommen.<br />

Als Claudia erfährt, dass ihre Mutter und<br />

ihr Stiefvater nach Kanada auswandern,<br />

treibt sie das noch stärker in die<br />

Abhängigkeit von Christian und dessen<br />

Eltern, mit denen sie eine freudlose<br />

Hausgemeinschaft bilden. Dass Christian<br />

immer mehr dem Alkohol verfällt, wird<br />

erst bei einem von ihm verursachten<br />

Autounfall manifest und verändert das<br />

Leben der Familie von Grund auf .<br />

Von da an werden die Abhängigkeiten<br />

immer extremer, die Familie steuert<br />

unerbittlich auf den Abgrund zu.<br />

Ausweglosigkeit bis zum überraschenden<br />

Showdown.<br />

Ich wünsche Ihnen einen wunderbaren<br />

Sommer. Herzlich,<br />

Barbara Brunner<br />

<strong>sortimenterbrief</strong> 7-8/19 67

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