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TITELTHEMA // RADABENTEUER<br />

London in Künstlerkreisen. Ihre<br />

eigentliche Leidenschaft aber gilt<br />

dem Radfahren: „Es gibt keine<br />

größere körperliche Freude als<br />

die, mit guter Geschwindigkeit<br />

und aus eigener Anstrengung<br />

heraus eine Straße entlangzufahren“,<br />

schreibt sie. Mit ihrem Mann<br />

hat sie bereits mehrere Reisen<br />

auf dem Rad unternommen, ihre<br />

Berichte darüber werden zu Bestsellern.<br />

Kein Wunder, das Fahrrad<br />

erlebt gegen Ende des 19. Jahrhunderts<br />

einen Boom. Jeder fährt<br />

Rad – vom einfachen Arbeiter bis<br />

zum reichen Bürger, an jeder Ecke<br />

gibt es Reparaturläden, eine Infrastruktur,<br />

die später das dichte<br />

Tankstellennetz überhaupt erst<br />

möglich macht.<br />

MEHR ALS NUR EIN<br />

TRANSPORTMITTEL<br />

Schon damals ist das Rad nicht<br />

nur ein Transportmittel. Pennells<br />

Reise macht das mehr als deutlich:<br />

Sie bewegt sich zwar ausschließlich<br />

auf den teils von Napoleon gut<br />

ausgebauten Passstraßen, diese<br />

sind jedoch weit entfernt von heutigen<br />

Standards. Staub, Schlamm,<br />

Schlaglöcher und unwegsames<br />

Gelände sind an der Tagesordnung.<br />

Und so ist es auch für die Pionierin<br />

ein Stück weit der Nervenkitzel,<br />

der sie in die Berge führt.<br />

Ihre ersten Fahrversuche auf<br />

den holprigen Pisten entpuppen<br />

sich als Herausforderung: „Am<br />

Anfang fiel es mir schwer, ich landete<br />

im Straßengraben und in den<br />

Büschen. Aber nach einem halben<br />

Dutzend Kurven (…) gelang es mir,<br />

immer früher einzulenken und ich<br />

hatte schließlich den Dreh raus.“<br />

Und an Aufgeben ist nicht zu denken:<br />

„Selbst wenn man mir eine<br />

Kutsche mit Sechsergespann zur<br />

Verfügung gestellt hätte, ich hätte<br />

mich geweigert, einzusteigen.“<br />

AM ANFANG FIEL ES MIR SCHWER,<br />

ICH LANDETE IM STRASSENGRABEN UND<br />

IN DEN BÜSCHEN. ABER NACH EINEM<br />

HALBEN DUTZEND KURVEN HATTE ICH<br />

SCHLIESSLICH DEN DREH RAUS.<br />

2 Pässe, Pässe,<br />

Pässe – auch über<br />

sie lernt man in<br />

Over the Alps eine<br />

ganze Menge. Zum<br />

Beispiel, dass die<br />

Schweizer damals<br />

den Ruf hatten, miserable<br />

Straßen zu<br />

bauen. Das kann<br />

man heute nicht<br />

mehr behaupten.<br />

2<br />

Elizabeth fährt ein Fahrrad der<br />

Marke Rover, ein sogenanntes Safety<br />

Cycle. Anders als die damals<br />

geläufigen Hochräder mit ihrem<br />

überdimensionierten Vorderrad<br />

verfügen diese erstmals über<br />

zwei gleich große Räder, was die<br />

häufigen und gefährlichen Stürze<br />

über den Lenker verhindern<br />

soll. Was damals noch niemand<br />

weiß – und von der Radindustrie<br />

viel zu spät erkannt wird –, ist<br />

die Durchsetzungskraft des neumodischen<br />

Rahmens. Heute erinnern<br />

selbst unsere modernen<br />

Mountainbikes noch an den diamantförmigen<br />

Rahmen der Marke<br />

Rover und stehen damit in einer<br />

direkten Entwicklungslinie zu dem<br />

Modell, mit dem die Pennells vor<br />

118 Jahren durch die Alpen kurven.<br />

Elizabeths Rad wiegt um die<br />

14 Kilogramm, hat nur einen Gang<br />

und wahrscheinlich keinen Freilauf.<br />

Neuester Standard ist eine<br />

„pneumatische Bremse“, eine kleine<br />

Sensation an den bislang nur<br />

durch Blockieren der Kurbelarme<br />

zu bremsenden Zweirädern.<br />

So kommt es, dass die beiden<br />

die Anstiege überwiegend<br />

schieben und bei den Abfahrten<br />

den Bremshebel mit einem Lederriemen<br />

am Lenker fixieren,<br />

um die Hände zu entlasten. Ihre<br />

pneumatischen Bremsen werden<br />

überall neugierig beäugt: auf dem<br />

Gotthardpass von einem Deutschen,<br />

der dieser neuen Technik<br />

nicht traut und sich zum Verzögern<br />

lieber ein Holzpaddel ans Fahrrad<br />

bindet – und sich damit eine spöttische<br />

Beschreibung in Elizabeths<br />

Werk sichert.<br />

SINGLETRAIL-TIPPS VON<br />

DER URGROSSMUTTER<br />

Ich bin überzeugt: Wenn Elizabeth<br />

heute leben würde, wäre<br />

sie Mountainbikerin. Ihr Buch liest<br />

sich fast genauso wie ein Reisebericht<br />

von heute. Ausführlich<br />

beschreibt sie die Schönheit der<br />

Natur, kommentiert detailliert die<br />

Beschaffenheit der Wege und verliert<br />

sich in Schwärmereien über<br />

das Fahren selbst: „Ich ließ mein<br />

Fahrrad schneller als je zuvor fahren<br />

(…). Die ganze Abfahrt war so<br />

schnell vorbei, dass ich sie nur als<br />

einen einzigen Flug wahrnahm,<br />

durch Berge, die sich mit Licht-<br />

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