Christian Jenewein, Wir Kinder vom 64er O-Dorf Leseprobe
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<strong>Christian</strong> <strong>Jenewein</strong><br />
<strong>64er</strong><br />
<strong>Wir</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>vom</strong><br />
<strong>64er</strong><br />
<strong>Wir</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>vom</strong><br />
O-<strong>Dorf</strong><br />
Erinnerungen an die Jugend im<br />
„ersten“ Olympischen <strong>Dorf</strong> in Innsbruck<br />
O-<strong>Dorf</strong><br />
– 1 –
Alle Rechte vorbehalten<br />
© 2019<br />
Berenkamp KG, Buch- und Kunstverlag<br />
Wattens<br />
www.berenkamp-verlag.at<br />
ISBN 978-3-85093-390-2<br />
Bildnachweis:<br />
Umschlag Stadtarchiv Innsbruck<br />
Sammlung Risch-Lau, Vorarlberger Landesbibliothek (S. 124, 132);<br />
Wikipedia (S. 6), Bildarchiv SAGEN.at (S. 35)<br />
alle anderen Archiv <strong>Christian</strong> <strong>Jenewein</strong><br />
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek<br />
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in<br />
der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische<br />
Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.<br />
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<strong>Christian</strong> <strong>Jenewein</strong><br />
<strong>64er</strong><br />
<strong>Wir</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>vom</strong><br />
O-<strong>Dorf</strong><br />
Erinnerungen an die Jugend im<br />
„ersten“ Olympischen <strong>Dorf</strong> in Innsbruck<br />
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– 4 –
Eine Anmerkung voraus<br />
Ich bin so „unverfroren“, den Gendervorschriften oder – wie ich<br />
da-zu sage – dem aktuellen Genderwahnsinn nicht zu entsprechen,<br />
sondern ausschließlich in der „männlichen Form“ zu schreiben;<br />
zumal ich selbst ein Mann bin. Ich bin nämlich der Meinung, dass<br />
meine Geschichten lesbar sein sollten, ohne dass vollständige oder<br />
verkürzte Paarformen, Zusammenziehungen mit Schrägstrich, Binnen-I,<br />
Unterstrich oder Sternchen ständig <strong>vom</strong> Inhalt ablenken. Möge<br />
mich die geschätzte Damenwelt dafür auch rügen.<br />
Ich erlaube mir jedoch, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass ich<br />
zeitlebens alles Weibliche mindestens genauso wertschätze.<br />
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– 6 –
Ich sitze vor dem eingeheizten Ofen in meinem Einfamilienhaus<br />
nahe Innsbruck, von dem aus ich fast direkt aufs Olympische<br />
<strong>Dorf</strong> hinunterschauen kann. Ich denke darüber nach, wie es<br />
wirklich war damals, ein „O-Dörfler“ gewesen zu sein, und beschließe,<br />
Erlebnisse und Geschichten aus dem „alten <strong>64er</strong>-O-<strong>Dorf</strong>“ niederzuschreiben,<br />
ohne zu sehr auf historische Daten einzugehen – von denen<br />
gibt es im Internet Beschreibungen zuhauf. Wohl aber sollen ein paar<br />
Fotos die Stimmung dieser Zeit im Kontrast zu heute ahnen lassen.<br />
Als Kind eben dieses <strong>64er</strong>-O-<strong>Dorf</strong>s besuche ich oft meine Mutter; sie<br />
ist Jahrgang 1937 und bewohnt in der zweiten Etage des zehnstöckigen<br />
Hauses An-der-Lan-Straße 39 immer noch jene 85-m 2 -Wohnung, in die<br />
ich als kleines Kind mit Eltern und zwei Geschwistern 1964 einzog. Ich<br />
war das jüngste von uns drei <strong>Kinder</strong>n, bis 1965 meine „kleine“ Schwester<br />
folgte – für meinen Vater in der idealen Reihenfolge: Bub, Mädchen,<br />
Lausbub, Mädchen.<br />
So also waren wir damals eine sechsköpfige Familie in einer dieser<br />
typischen neuen städtischen Wohnungen des Olympischen <strong>Dorf</strong>s<br />
von 1964: mit kleinem Abstellkammerl, Küche, Bad, WC, drei Zimmern<br />
und hofseitigem Westbalkon (ganze sechs Quadratmeter). Eine<br />
Wohnung mit fließendem Wasser, Bad und WC galt in der damaligen<br />
Zeit als relativ modern. Vor allem aber war sie leistbar – und der Mietvertrag<br />
unbefristet, weil die Vergabe der Wohnungen durch die Stadt<br />
Innsbruck erfolgte. Ein echter Segen für die Familien, die damals aus<br />
allen Windrichtungen ins Olympische <strong>Dorf</strong> zogen und in den 642 (!)<br />
Neubauwohnungen ein neues Zuhause fanden.<br />
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Hochhaus, An-der-Lan-Straße 39<br />
– 8 –
Neu-Arzl<br />
Bis zum Zeitpunkt der Errichtung des Olympischen <strong>Dorf</strong>s (1961) bestand<br />
die südlich der Schützenstraße liegende und bis zum Inn reichende<br />
Fläche fast nur aus überwiegend unbewirtschafteten Sumpf- und<br />
Sauerrampfer-Wiesen. Einzig der alte Schießstand, der sich <strong>vom</strong> jetzigen<br />
China-Restaurant bis hin zum Kugelfangweg erstreckte, befand<br />
sich südlich der Schützenstraße.<br />
Das nördlich der Schützenstraße gelegene, sich bis zur Haller Straße<br />
erstreckende Wohngebiet entsprach dem Stadtteil Neu-Arzl, der als ein<br />
Ableger <strong>vom</strong> <strong>Dorf</strong> Arzl erst 1940 in die Landeshauptstadt eingemeindet<br />
wurde.<br />
Hochhäuser mit kontrastreichem Publikum<br />
Der neue, fast nur aus Hochhäusern bestehende Stadtteil, wurde<br />
vornehmlich mit kinderreichen Großfamilien besiedelt – vier und mehr<br />
<strong>Kinder</strong> waren keine Seltenheit, sondern eher (fast) die Regel. Die gesellschaftlichen<br />
Unterschiede sowie Interessen- und Bildungsniveaus<br />
konnten unterschiedlicher nicht sein. Da wohnte ein Hochschullehrer<br />
oder Tierarzt Tür an Tür mit einem Arbeiter der Müllabfuhr und dessen<br />
vier <strong>Kinder</strong>n. In der nächsten Wohnung die Musikprofessorin, die<br />
den ganzen Tag entweder Klavier spielte oder Arien trällerte, und daneben<br />
der Straßenarbeiter, der sich nach seinem Nachtdienst ausschlafen<br />
wollte.<br />
Das Zusammenleben in den olympischen Wohntürmen verlief sicher<br />
nicht immer friktionsfrei, doch war der Stadtteil, so paradox es<br />
auch klingen mag, eine Art „<strong>Dorf</strong>“ – ein <strong>Dorf</strong> von sehr vielen Menschen<br />
auf engstem Hochhaus-Raum mit all seinen Vor- und Nachteilen.<br />
Wo jeder über jeden Bescheid wusste<br />
Meistens! Aber nicht immer, denn es gab natürlich auch „<strong>Dorf</strong>bewohner“,<br />
die wohl Tür an Tür lebten, aber dennoch das ganze Leben<br />
– 9 –
eim förmlichen „Sie“ blieben und deren Begegnung sich auf die gemeinsame<br />
Liftfahrt beschränkte.<br />
Auch eine „Sitte“, die es in Bauerndörfern wohl nicht gab: Anders<br />
als in den Dörfern am Land, gab es bei Begegnungen im „O-<strong>Dorf</strong>“ im<br />
Regelfall nur das „Sie“. Insbesondere für uns <strong>Kinder</strong> war es undenkbar,<br />
einen Erwachsenen mit „Du“ anzureden. Ein Fauxpas dieser Art<br />
wurde sofort mit einer deftigen Rüge oder gar mit der Feststellung geahndet,<br />
dass man ein „Rattler“ sei. Wobei es in dieser Zeit auch dazugehörte,<br />
dass die O-Dörfler nicht selten pauschal als „Rattler“ bezeichnet<br />
wurden: „Oh mei, a O-<strong>Dorf</strong>-Rattler!“, lautete oft genug der Befund.<br />
Mit „Rattler“ bezeichnet man üblicherweise einen kleinen Hund,<br />
der als „Stallhund“ gehalten wurde, um den Bauernhof frei von Ratten<br />
und ähnlichem Getier zu halten. Klarerweise hat dieser „Rattler“ nichts<br />
mit dem O-<strong>Dorf</strong>-Rattler zu tun. Einen Menschen, der aus „schlechtem<br />
Haus“ kam, kein Benehmen hatte sowie sozial- und bildungstechnisch<br />
eher am unteren Rand der Gesellschaft angesiedelt und folglich jemand<br />
war, der mit hoher Wahrscheinlichkeit schon einmal mit der Polizei Erfahrungen<br />
gemacht hatte, bezeichnete der Volksmund als „Rattler“.<br />
Die O-Dörfler generell als Rattler zu bezeichnen, wäre ein fataler<br />
Fehler. Dass dem nicht so war und ist, geht schon daraus eindeutig<br />
hervor, dass in diesem „<strong>Dorf</strong>“ auch Familien wohnten, die Akademiker<br />
und Künstler oder schlicht Ehepaare waren, die nur ein – meist sehr<br />
„behütetes“ und damit oft isoliertes – Kind und keine Erfahrungen mit<br />
der Polizei hatten.<br />
Aufgrund der Anzahl der Vielkinderfamilien war die Möglichkeit,<br />
dass sich unter den vielen Familien auch Personen befanden, die<br />
dem „Rattler“-Klischee tatsächlich entsprachen oder diesem zumindest<br />
nahe kamen, zumindest gegeben. Trotzdem: In Wahrheit war das<br />
„O-<strong>Dorf</strong>“ ein „<strong>Dorf</strong>“, dessen Einwohner kaum wirklich mit Kriminalität<br />
zu tun hatten. Das beweist schon die Zahl der Polizeibeamten in der<br />
Wache „O-<strong>Dorf</strong>“, die damals im ganzen Tag (24 Stunden) mit vier bis<br />
fünf Polizisten besetzt war.<br />
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass ich in den folgenden<br />
Erzählungen die Beteiligten nur mit Vornamen nenne. Das findet seine<br />
– 10 –
Pontlatzerstraße, Blickrichtung Osten<br />
Begründung darin, dass niemand außer den „dabei gewesenen“ Lesern<br />
erkennen soll und darf, um wen es sich handelt.<br />
Nach Beendigung der Olympischen Winterspiele 1964 vergab die<br />
Stadt Innsbruck die Wohnungen, die zuvor den Athleten aus aller Welt<br />
als Unterkünfte gedient hatten, insbesondere als Mietwohnungen an<br />
wohnungsuchende junge Familien.<br />
Nördlich der Schützenstraße<br />
In diesem Neu-Arzl befanden sich im Wesentlichen kleine Einfamilienhäuschen<br />
mit Gärten in einem durchschnittlichen Ausmaß von 500<br />
bis 800 m 2 Grundfläche sowie seit 1933 eine Notkirche. Nach 1950 änderte<br />
sich in diesem Bereich durch rege Bautätigkeit sehr schnell sehr<br />
viel. In nur zehn Jahren stieg die Bevölkerungszahl von ungefähr 900<br />
auf 2.500, und im Jahr 1960 weihte Paulus Rusch, der Apostolische Administrator<br />
von Innsbruck-Feldkirch, die neu errichtete Kirche zu Ehren<br />
des hl. Papstes Pius X. In dieser Schule begann man im Jahr 1937 in<br />
– 11 –
Volksschule Neu-Arzl<br />
einem Zubau zur Notkirche in einem Klassenzimmer und einer kleinen<br />
Lesestube mit dem Unterricht von 13 ABC-Schützen. Im Jahr 1946/47<br />
wurde der ordentliche Betrieb mit zwei Klassen aufgenommen und<br />
nach Vollendung des ersten Bauabschnitts 1958/59 als „Volksschule an<br />
der Rotadlerstraße“ in Betrieb genommen.<br />
Ein kleines Lebensmittelgeschäft unweit von Volksschule und Pfarrkirche,<br />
der „Tiefenthaler“-Haus-und-Hof-Bäcker des O-<strong>Dorf</strong>s, das Gasthaus<br />
Tyrol in der Pontlatzerstraße sowie der kleine IFA-Markt an der<br />
Ecke Schützenstraße/Col-di-Lana-Straße – nach Herrn Naz, dem Betreiber,<br />
liebevoll einfach „Naz“ genannt – sicherten die Versorgung der<br />
Bevölkerung.<br />
Die Tiefenthaler Semmelen<br />
Die Bäckerei Tiefenthaler – sie ist heute noch in Betrieb – verdient besondere<br />
Erwähnung. Das dreistöckige Haus in der Pontlatzerstraße<br />
– es beherbergte im Hochparterre die Verkaufsräumlichkeiten, nach<br />
– 12 –
hinten die Backstube und in den oberen Stockwerken die Wohnräumlichkeiten<br />
– gilt nämlich als Produktionsort der besten Semmeln der<br />
Welt. Hermann Tiefenthaler übernahm die Bäckerei von seinem Vater<br />
und erfand die Semmel mit Lasur, wodurch das Backwerk zu glänzen<br />
schien. Die „Tiefenthaler-Semmelen“ waren geboren und fanden durch<br />
Jahrzehnte begeisterte Konsumenten.<br />
Wenn mich meine Mutter an besonderen Tagen beauftragte, „<strong>vom</strong><br />
Tiefenthaler“ Semmeln zu holen, war das für mich keine Aufgabe, sondern<br />
ein Erlebnis. Von dem Hochhaus, in dem wir wohnten, war die<br />
Backstube bloß fünf Gehminuten entfernt. Ich musste nur die Schützenstraße<br />
überqueren und in die Pontlatzerstraße abbiegen – schon<br />
war ich am Ziel.<br />
Vor dem Haus duftete es nach warmem Gebäck. Man konnte vor<br />
dem Haus riechen, was einem beim Betreten der Bäckerei erwartete.<br />
Man stieg von der Straße aus vier Stufen nach oben und dann rechts<br />
Die Bäckerei Tiefenthaler<br />
– 13 –
hinein in den Verkaufsladen mit der großen Vitrine, in der das ganze<br />
Gebäck in voller Pracht hinter einer Glasscheibe von mir getrennt lag.<br />
Allein der Duft im Verkaufsraum führte dazu, dass einem die oft<br />
ewige Wartezeit, bis man – vor allem an Samstagvormittagen – endlich<br />
an die Reihe kam, völlig egal war. Der Duft entschädigte für alles.<br />
Damals gab es weitum noch keinen Supermarkt, keine Backware,<br />
die aus Holland über Tausende Kilometer angeliefert und bei uns zehn<br />
Minuten lang aufgebacken wurde, um dann als „frisch“ verkauft zu<br />
werden. „Der“ Tiefenthaler war noch ein Bäcker, der die Backstube um<br />
ein Uhr nachts betrat und seine köstliche Ware produzierte, die man ab<br />
sechs (!) Uhr morgens im Laden kaufen konnte. Genau jene Samstage<br />
waren es, die es notwendig machten, um sieben Uhr bis vor das Haus<br />
hinaus anzustehen, um endlich die heißbegehrten weltbesten Semmeln<br />
oder das nicht minder köstliche Tiefenthaler Schwarzbrot zu erhalten.<br />
An Samstagen tat man gut daran, nicht allzu spät aus den Federn zu<br />
kriechen, denn es konnte durchaus passieren, dass um zehn Uhr vor-<br />
Die Backstube<br />
– 14 –
mittags beim Tiefenthaler alles ausverkauft war. Da hieß es dann: Pech<br />
gehabt!<br />
Hermann Tiefenthaler hatte, meines Wissens, zwei Söhne. Sie übernahmen<br />
die Bäckerei leider nicht. Das lag wohl auch daran, dass zumindest<br />
einer der Söhne als Arzt seine „Brötchen“ an einer Klinik der<br />
Medizinuniversität Innsbruck bäckt und inzwischen schon als „Herr<br />
Professor“ an besagter Universitätsklinik reüssiert.<br />
Viel später erfuhr ich, dass Stefan, einer meiner Freunde, der sehr<br />
lang als Bäcker dort gearbeitet hatte, den Betrieb aus wirtschaftlichen<br />
Überlegungen nicht übernehmen hatte können, obwohl es sein Herzensberuf<br />
gewesen war; die notwendigen Investitionen hätten seine<br />
finanziellen Möglichkeiten bei Weitem überschritten.<br />
Stefan, der in der Schützenstraße wohnte, hatte wohl nur zwei Minuten<br />
Gehzeit zu „seiner“ Bäckerei, musste sich aber jahrelang schon<br />
um ein Uhr nachts auf den Weg machen, sodass er an den „Abenteuern“<br />
in unserer Teenagerzeit nicht mehr sehr oft teilnehmen konnte. Da<br />
er aber auch bei der Freiwilligen Feuerwehr Neu-Arzl war, kam es nicht<br />
selten vor, dass er von Feuerwehreinsätzen direkt in „seine“ Bäckerei<br />
ging.<br />
Der große Vorteil für uns war, dass sowohl Hermann Tiefenthaler<br />
als Mitglied des Feuerwehrvorstands und Freund Stefan als Feuerwehrmann<br />
dafür sorgten, dass bei jeder Feuerwehrfeier die Tiefenthaler-Semmeln<br />
in ausreichenden Mengen vorhanden waren. Ein Paar<br />
Frankfurter Würstel mit Tiefenthaler Semmel war damals wirklich etwas,<br />
auf das man sich noch freute.<br />
Die Freiwillige Feuerwehr Neu Arzl<br />
Im Jänner 1934 erfolgte die Gründung der Freiwilligen Feuerwehr<br />
Neu-Arzl. Nur acht Monate später wurde das neue Feuerwehrspritzenhaus<br />
in der Monte-Piano-Straße, das die Feuerwehrmitglieder in Eigeninitiative<br />
errichtet hatten, eingeweiht. Laut Chronik erlebte die „FF<br />
Arzl 2. Zug“, wie die örtliche Feuerwehr damals hieß, ihre Feuertaufe<br />
am 8. September 1935 beim Großbrand in Mühlau, als die angebaute<br />
Tenne des Gasthofs Koreth in Flammen stand. Vor den olympischen<br />
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Winterspielen 1964 übersiedelte die Feuerwehr in die neuen Räumlichkeiten<br />
in der Schützenstraße. Die Feuerwehr befand sich am Ende der<br />
Schützenstraße Richtung Osten und war generell ein Ort, der viele Jugendliche<br />
begeisterte. In weiterer Folge gab sie diesen als freiwillige<br />
Feuerwehrmänner eine besondere Aufgabe und zeichnete bei vielen<br />
Jungs dafür verantwortlich, dass sie in einem tollen Team lernten, was<br />
Gemeinschaft und Einsatz für das Wohl aller bedeuteten.<br />
Nicht zuletzt lag dies wohl auch am Langzeitkommandanten Kurt<br />
Schmarl, der es wie kein anderer verstand, die Jugend so zu führen und<br />
zu begeistern, dass sie sehr rasch begriffen, um was es wirklich ging.<br />
Seine entschiedene Strenge und gleichzeitig geduldige Nachsicht weckten<br />
bei vielen Burschen richtige Begeisterung „für ihren Kurt“. Dass seine<br />
beiden eigenen Söhne, Elmar und Jürgen, auch in etwa in unserem<br />
Alter waren, trug natürlich auch dazu bei, dass nicht wenige Kurt ein<br />
bisschen als „Ersatzvater“ wahrnahmen. Er verstand es einfach zu begeistern!<br />
Wie weit das Verständnis von Kurt reichte, spiegelt meine kurze<br />
Mitgliedschaft bei der FF wider. Ich war erst kurz zuvor als Probefeuerwehrmann<br />
aufgenommen worden und verbrachte mit Begeisterung<br />
viel Zeit bei der Feuerwehr. Eines Tages bat mich ein schon älterer<br />
Kamerad, der keinen Führerschein besaß und – aus heutiger Sicht –<br />
nicht ganz hell im Kopf war, ihn mit dem Kommandofahrzeug zum<br />
Einkaufen zu chauffieren. Klar, dass ich der Aufforderung gern folgte:<br />
ich mit einem Range Rover mit Blaulicht am Dach! Irgendwann während<br />
der Fahrt forderte er mich auf, das Blaulicht einzuschalten. Auch<br />
das brauchte er mir nicht zweimal zu sagen. Er betätigte den Einschaltknopf<br />
für das Blaulicht – und ich demgemäß das Gaspedal. <strong>Wir</strong> rasten<br />
– vollkommen sinnlos – mit Blaulicht quer durch die Stadt. Und es<br />
kam, wie es kommen musste. Prompt begegneten wir dem damaligen<br />
Kommandanten der Berufsfeuerwehr Innsbruck, BR Angermayr, der<br />
in seinem Dienstfahrzeug unterwegs war. Sofort forderte er uns über<br />
Funk auf, ihm zu berichten, was denn los sei und warum wir mit Blaulicht<br />
fuhren. Sowohl ich als auch der „ältere Feuerwehrmann“ waren<br />
plötzlich hilflos und stumm. Keine Antwort von uns, schon gar nicht<br />
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über Funk. <strong>Wir</strong> machten auf der Stelle kehrt und beeilten uns in die<br />
Wache O-<strong>Dorf</strong>, wo ich das Fahrzeug parkte.<br />
Es dauerte genau 30 Minuten, bis „unser Kurt“ davon erfuhr. Bei der<br />
nächsten Feuerwehrprobe nahm er uns zur Seite und las uns gehörig<br />
die Leviten. Was heute zu strafrechtlichen Konsequenzen führen würde,<br />
ahndete Kurt mit sechs Monaten Fahrverbot und dem Versprechen,<br />
dass wir, sollte dies noch einmal vorkommen, „bis zum Ende unserer<br />
Tage nur mehr Feuerwehrautos reinigen würden“.<br />
Das saß! Ich jedenfalls verstand, was er meinte.<br />
Dass Kurt und seine Frau Inge nicht unweit der Feuerwache in Neu-<br />
Rum ein Spengler- und Lackierunternehmen führten, in dem wir uns<br />
später in unserer „Autozeit“ mit „Elli“ und „Jürgele“ gern aufhielten,<br />
beschreibe ich gern etwas später.<br />
„Gemma zum ,NAZ’?“<br />
Jener kleine IFA-Markt, den wir nach dem Besitzer, Herrn Naz, einfach<br />
„NAZ“ nannten, war nicht größer als 120 Quadratmeter. Man<br />
könnte ihn als ganz kleinen Vorläufer eines Supermarkts, besser aber<br />
als Zwitter zwischen Supermarkt und Kramerladen bezeichnen.<br />
Jedenfalls gab es in diesem Geschäft schon „Einkaufswägen“, die<br />
man selbstständig Waren sammelnd durch den Laden schieben durfte<br />
und die Lebensmittel an der Wursttheke mit Bedienung vorbei zur<br />
Kasse brachte. Im Laden werkelten damals neben Herrn Naz selbst<br />
vielleicht zwei oder drei Angestellte. An der Wursttheke, sofern man<br />
diese so vornehm bezeichnen will, regierte eine Angestellte, die jeden<br />
mit Namen begrüßte.<br />
<strong>Wir</strong>klich gar jeden! – Und das war allemal eine besondere Leistung,<br />
immerhin kauften beim Naz fast das ganze O-<strong>Dorf</strong> und manche Tagespendler<br />
ein. Jedes Blatt Wurst wurde frisch heruntergeschnitten, begleitet<br />
von netten Worten der Verkäuferin – auch uns „jungen Kunden“<br />
gegenüber.<br />
Die seltene Extra-Wurstsemmel mit Gurke, natürlich Tiefenthaler<br />
Semmel: einfach ein Genuss. Allerdings war es bei Weitem nicht so,<br />
dass wir zu Hause statt des schlichten, von Mutter zubereiteten Wurst-<br />
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ots das Geld für eine „echte“ Extrawurstsemmel mit süßsaurer Gurke<br />
beim Naz bekamen.<br />
Jedenfalls gingen wir zum NAZ „einkaufen“ und konnten dort für<br />
unsere Groschen noch die Stollwerck (heute noch Synonym für die<br />
Ware des Produzenten Stollwerck) und den Bazzoka-Kaugummi stückweise<br />
und sogar einzeln kaufen. Ein kleines Stück unseres damaligen<br />
Glücks – für ein paar Groschen.<br />
Ja! Auch wenn es erst knapp 50 Jahre her ist: Der Bazzoka-Kaugummi<br />
war damals ein Kaugummi, den wir zwei- bis drei Tage im Mund<br />
hatten und nicht – wie heute – nach zehn Minuten achtlos ausspuckten.<br />
<strong>Wir</strong> legten ihn abends auf dem Nachttisch ab; am nächsten Tag wurde<br />
kurz der Staub der Nacht weggeblasen – und das gute Stück wieder in<br />
den Mund gesteckt.<br />
Oder die Stollwerck, die uns mitunter schmerzhaft darauf aufmerksam<br />
machten, dass eine Zahnplombe zu locker gesessen und beim Kauen<br />
plötzlich mitsamt dem „Stolli“ verschluckt worden war. Daher trägt<br />
das beliebte Kau- und Lutschzuckerl aus Wien vielleicht noch heute<br />
den Beinamen „Plombenzieher“.<br />
Erst viele Jahre später öffnete in der An-der-Lan-Straße der erste<br />
Konsum-Markt seine Pforten und machte dem „NAZ“ mehr oder weniger<br />
den Garaus.<br />
Südlich der Schützenstraße<br />
Wenn man über die „Grenobler Brücke“, die in den 1960er-Jahren<br />
noch „Reichenauer Brücke“ hieß, in Richtung Norden fährt und gleich<br />
darauf rechts abbiegt, befindet man sich in der Schützenstraße, die sich<br />
bis zum Kugelfangweg erstreckt und auf Neu-Rumer „Hoheitsgebiet“<br />
als Serlesstraße ostwärts strebt.<br />
Ich glaube, das allererste richtige Hochhaus von ganz Innsbruck –<br />
dem sogenannten „Hochhaus“ in der Salurner Straße fehlen zum Wolkenkratzer<br />
ja doch einige Stockwerke – ist das Haus Schützenstraße 10<br />
gleich nach der Brücke im O-<strong>Dorf</strong>. Irgendwie aber kam uns vor, dass<br />
die Bewohner dieses Hochhauses nicht „richtig“ zum O-<strong>Dorf</strong> gehörten<br />
– obwohl es klarerweise so ist.<br />
– 18 –
Sei es, dass dort keine oder nur wenige <strong>Kinder</strong> wohnten, die in unserem<br />
Alter waren und mit denen wir „im Hof“ oder in der Schule zusammen<br />
waren. Aber zutreffend ist, dass das Gebäude doch eher am<br />
Rand des echten O-<strong>Dorf</strong>s steht.<br />
Einzige Ausnahmen waren Max und Irmi.<br />
Max war in meinem Alter und auch weitum bekannt wie ein bunter<br />
Hund. Er war aber nicht nur ein „bunter“, er war auch ein „wilder<br />
Hund“, der alle Schandtaten mitmachte und überall dabei war, „wo<br />
der blaue Rauch“ (damals eine Redewendung, wenn irgendwo „Aktion“<br />
angesagt war) aufging.<br />
Vor wenigen Wochen habe ich ihn durch Zufall wieder getroffen,<br />
und er hat mir erzählt, schon „ewig“ selbstständig zu sein und im Oberland<br />
eine eigene Kfz-Werkstätte zu betreiben. Als wir bei diesem Zufallstreffen<br />
auch über unsere Jugendzeit und Schandtaten geredet und<br />
gelacht haben, ist in seinen Augen sofort wieder das Funkeln des „wilden<br />
Hunds“ zu sehen gewesen – ganz so, als hätte er gleich fragen wollen:<br />
„Wo ist was los? Wo gibt’s was Interessantes? Ich bin dabei!“<br />
Und Irmi? Ein braves Mädchen mit gelockten Haaren, die später in<br />
derselben Schulklasse hockte wie ich. Leise war sie, immer hilfsbereit<br />
und in sich gekehrt – solang alles passte. Aber wehe, wenn nicht! Sie<br />
konnte bissig werden wie ein Dobermann, und mancher Bub holte sich<br />
bei ihr ein blaues Auge oder ein zerkratztes Gesicht und sah aus, als<br />
wäre er von einem Tiger angefallen worden.<br />
Renate, Irmis beste Freundin, wohnte im Haus Schützenstraße 13<br />
schräg gegenüber <strong>vom</strong> 10er-Hochhaus. Die groß gewachsene Blondine<br />
hatte das Lächeln eines Engels und war schüchterner als die Jungfrau<br />
Maria persönlich. Sie war das Einzelkind einer alleinerziehenden<br />
Krankenschwester und saß mit uns in derselben Klasse. Mann, war ich<br />
damals in Renate verschossen, hatte aber nie die geringste Chance –<br />
obwohl wir vier Jahre gemeinsam in derselben Klasse saßen und ich<br />
bestimmt genug Versuche der Annäherung wagte. Aber nicht einmal<br />
Händchenhalten war jemals drin.<br />
Jahre später hatte auch Renate einen Freund – einen, den viele<br />
durchaus als echten „Rattler“ bezeichneten. Den wollte sie! Mich, den<br />
– 19 –
„braven Buben“ nicht! Ich habe es nie<br />
verstanden und verstehe es auch heute<br />
nicht.<br />
Weiter auf der Schützenstraße Richtung<br />
Osten ordinierte im Haus Nr. 17<br />
der Allgemeinmediziner Dr. Josef Seeber<br />
– im zweiten Stock. Damals gab es<br />
weit und breit noch keine Vorschrift,<br />
dass eine Ordination behindertengerecht<br />
zugänglich sein müsste. Ich glaube,<br />
dass er im ganzen O-<strong>Dorf</strong> damals<br />
der einzige Hausarzt war. Jeder mochte<br />
ihn und seine Frau, die elegante,<br />
schlanke, sehr ruhige und noble Dame,<br />
die ihren Mann als Sprechstundenhilfe<br />
unterstützte. Wenn sich der Doktor<br />
oder die Sprechstundenhilfe oder gar<br />
beide im Wartezimmer sehen ließen,<br />
Pension Prantner<br />
wirkte das auf uns, als wären wir beim<br />
Bundespräsidenten zu Gast.<br />
Damals war ein Akademiker von Haus aus schon „etwas Besseres“.<br />
Geschweige denn, ein Arzt.<br />
Quietschen oder quengeln im Warteraum gab es nicht. Maximal leises<br />
Flüstern war erlaubt – und absolute Ruhe, wenn Frau Seeber oder<br />
der Herr Doktor den Raum betrat. Die beiden hatten zwei Söhne, die<br />
in etwa in unserem Alter oder in dem meines älteren Bruders (geboren<br />
1957) waren.<br />
Einer hieß praktischerweise wie sein Vater. <strong>Wir</strong> nannten ihn kurz<br />
„Seppi“; er studierte später auch Medizin und übernahm irgendwann<br />
die Ordination von seinem Vater, die er auch heute noch betreibt. Gern<br />
erinnere ich mich an die Zeit, als ich während meines „militärischen<br />
Ausflugs“ in der Hochgebirgsausbildung Seppi als Militärarzt-Grundwehrdiener<br />
– Mann, was für ein Wortungetüm! – wiedertraf und mit<br />
ihm einige Tage im Hochlager Wattener Lizum zubrachte.<br />
– 20 –
Ziemlich genau gegenüber der Ordination befand (und befindet)<br />
sich nahe der Straßengabelung zwischen Schützenstraße und An-der-<br />
Lan-Straße die Pension Prantner. Eine Pension für Reisende, die kein<br />
Fünf-Sterne-Quartier brauchen. Das von den Familienmitgliedern gut<br />
geführte Unternehmen, das – trotz der heute überbordenden Konkurrenz<br />
– heute noch besteht, hat durchaus seinen Charme. Elisabeth, eine<br />
Tochter des Hauses, ging auch mit mir im O-<strong>Dorf</strong> zur Schule – no na,<br />
die Volksschule stand ja praktisch vor ihrer Haustür; sie hätte sogar im<br />
Pyjama dorthin gehen können. Sie musste nur die Straße überqueren,<br />
und schon stand sie (fast) im Klassenzimmer.<br />
Elisabeth war ein „starkes Persönchen“. Sie war stärker und größer<br />
gewachsen als alle anderen Klassenkameraden; sie hatte auch innere<br />
Stärke – wenn es sein musste. Auch Elisabeth war nett, hilfsbereit und<br />
ein Mädchen von der eher sehr ruhigen Sorte – bis zu dem Zeitpunkt,<br />
wenn man sie zu sehr hänselte und sie sich auf den Arm genommen<br />
fühlte. Dann galt es, schnelle Beine zu haben oder in Deckung zu gehen.<br />
Ich glaube, sie hätte jedem Buben mit einem Streich den Kopf abgerissen;<br />
und das wäre ganz bestimmt auch kein besonders angenehmes<br />
Gefühl gewesen. Leider habe ich Elisabeth seit der Schulzeit nie<br />
mehr gesehen.<br />
Weiter geht’s in der Schützenstraße zum Schützenheim, das der Straße<br />
den Namen gegeben hat – genauer gesagt: jenes Schützenheim, das<br />
ursprünglich dort stand und sich bis zum sogenannten Kugelfangweg<br />
erstreckte, wo seinerzeit die Kugeln aufgefangen worden waren. Schützen<br />
sucht man heute in dem (neuen) Gebäude vergeblich, schon seit<br />
sehr langer Zeit bietet darin ein China-Restaurant (wow!) seine Dienste<br />
an.<br />
Das perfekte Baumhaus<br />
Im Bereich irgendeiner Deckungsmauer eben dieses alten Schießstands<br />
stand ein wunderschöner, großer Baum. Nein! Er war der Baum<br />
der Bäume – riesig, stark, mit derart ausladenden Ästen, dass man darauf<br />
(jedenfalls aus <strong>Kinder</strong>augen) einen Elefanten aufhängen hätte können.<br />
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Der Zufall wollte es, dass just zu diesem Zeitpunkt die „Sternhochhäuser“<br />
südlich der An-der-Lan-Straße errichtet wurden. Da man beim<br />
Betonieren Schalbretter und Nägel benötigte, kam mancher Lausbub –<br />
so auch ich – auf die Idee, dass der Prachtbaum und die zahllosen<br />
Schalbretter rundum dazu drängten, nach allen Regeln der kindlichen<br />
Baukunst ein Baumhaus zu bauen. Was die Folge war, lag klar auf der<br />
Hand. <strong>Wir</strong>, das waren <strong>Christian</strong> („der Lange“), der in meinem Haus im<br />
zehnten Stock wohnte, Stefan, der im selben Haus im neunten Stock<br />
„residierte“, und – ich glaube – Georg, der im zweiten Stock desselben<br />
Hauses, aber im zweiten Eingang, daheim war, sowie natürlich ich begannen<br />
unser Baumhaus zu bauen.<br />
Heimlich, still und leise schlichen wir nach 17 Uhr auf die Baustelle<br />
und begannen, die schönsten Schalbretter und die größten Nägel „zu<br />
ordern“ und zum Baum zu schleppen. „Zufällig“ war bei dem Bund<br />
Nägel auch ein passender Hammer dabei. Mit ebenfalls an der Baustelle<br />
„beschlagnahmten“ Seilen zogen wir die Bretter auf den passenden<br />
Ast und begannen mit dem Bau des Baumhauses. Dass bei derart perfekten<br />
„Zutaten“ in den folgenden Wochen ein recht passables Baumhaus<br />
entstand und unsere geheime „Burg“ wurde, ist nachvollziehbar.<br />
Rechts im Bild: eines der Stern-Hochhäuser<br />
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Ein Neubau (links) und ein bis heute erhaltener Altbau rechts<br />
Zumindest bis zu jenem Zeitpunkt, als die Bauarbeiter bemerkten, dass<br />
wir ihre Schalbretter für unser Baumhaus geklaut hatten und sie selbige<br />
wieder für sich und ihre Baustelle beanspruchten. Diese unnötigen<br />
Räuber zerstörten brutal unsere Burg! Und das auch noch auf besonders<br />
hinterhältige Art, indem sie warteten, bis wir hehren Ritter in der<br />
Schule saßen und unsere Burg nicht einmal verteidigen konnten!<br />
Wobei wir natürlich froh waren, den Händen der Bauarbeiter, die<br />
wie Schraubstöcke aussahen, nicht wirklich je untergekommen zu sein.<br />
Zu dieser Zeit hätten wir uns damit abfinden müssen, eine gescheuert<br />
zu bekommen, dass es uns aus den Schuhen gehoben hätte. Dann<br />
weinend nach Hause zu laufen und dies den Eltern zu erzählen, wäre<br />
nicht nur sinnlos gewesen, sondern hätte für so manchen eine „Draufgabe“<br />
aus Mutter- oder/und Vaterhand gegeben. Vom nachfolgenden<br />
Hausarrest als Strafverschärfung ganz zu schweigen. Oder es hätte womöglich<br />
gar eine künftige „elterliche Begleitung“ auf dem „ordentlichen“<br />
Schulweg gegeben, was den völligen Gesichtsverlust bei Gleichgesinnten<br />
bedeutet hätte.<br />
Das Wegziehen aus dem O-<strong>Dorf</strong> wäre unvermeidbar gewesen. So<br />
zumindest unsere damalige Ansicht als Kind.<br />
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4er<br />
Das Buch beschreibt, wie es einem Kind und Jugendlichen im damaligen<br />
Olympischen <strong>Dorf</strong> von 1964 erging und was es bzw. er dort alles erleben<br />
durfte. Die Vor- und Nachteile einer Vielkinderfamilie, verbunden mit den<br />
Vor- und Nachteilen eines dicht bevölkerten Stadtteils, der in kürzester Zeit<br />
entstanden und gewachsen ist. Geschichten einer wunderschönen Kindheit,<br />
die heute so nicht mehr möglich wären und ausdrücklich dem Ruf begegnen,<br />
wie schlimm doch dieser Stadtteil mit den „Arbeiterregalen“ – so nannte die<br />
vermeintlich „bessere“ Gesellschaft damals die Hochhäuser – gewesen wäre<br />
und dass es dort nur asoziale Verhältnisse gegeben hätte und immer noch<br />
schlimme Verhältnisse herrschen würden.<br />
<strong>Christian</strong> <strong>Jenewein</strong>, 1964 in Innsbruck als drittes<br />
von vier <strong>Kinder</strong>n geboren, ist im Stadtteil Olympisches<br />
<strong>Dorf</strong> aufgewachsen. Nach den Pflichtschuljahren<br />
absolvierte er die Lehre zum Stuckateur.<br />
Während er 20 Jahre lang als „Freiwilliger“ Sanitäter-<br />
und Einsatzleiter Dienste versah, wechselte<br />
er in die Selbstständigkeit und war Versicherungsmakler<br />
in Hall. Heute ist er als Immobilienmakler<br />
in Ampass tätig, wo er auch wohnt. Er ist in einer<br />
Patchworkfamilie verheiratet und stolzer Vater<br />
von zwei erwachsenen Söhnen und einer Stieftochter<br />
sowie stolzer Opa von vier Enkelkindern.<br />
ISBN: 978-3-85093-390-2<br />
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www.berenkamp-verlag.at<br />
www.kraftplatzl.com