Die Weinstraße - Septemeber 2019
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Foto: Sabine Kaufmann<br />
Bauern unter Beobachtung<br />
EGAL OB LAND- ODER BERGBAUER, SIE STEHEN JÜNGST VERMEHRT IM KREUZFEUER DER KRITIK.<br />
DER DRUCK AUF DIE BAUERN NIMMT ZU, DER UNMUT WÄCHST UND DIE FREUDE AM BERUF SCHWINDET.<br />
Hannes wollte schon als Kind Bauer<br />
werden. Eines seiner ersten Wörter war<br />
Traktor, seinen ersten Trettraktor hatte er<br />
mit zwei Jahren. Heute ist er Vollerwerbsbauer<br />
und verliert immer mehr die Freude<br />
an seinem Beruf. Hannes will nicht mit<br />
vollem Namen genannt werden, nicht weil<br />
er Angst hat, sondern weil er seine Ruhe haben<br />
will. „Wenn man beim morgendlichen<br />
Kaffee im Dorfgasthaus als Bienentöter und<br />
Giftspritzer bezeichnet wird, dann ist die<br />
Begeisterung an der täglichen Arbeit dahin“,<br />
sagt der Obstbauer aus dem Überetsch<br />
nachdenklich. Er ist kein Einzelfall, genau<br />
wie Hannes führen viele seiner Kollegen<br />
die Ausbringung der Pflanzenschutzmittel<br />
in den Apfelanlagen immer öfter nachts<br />
durch, um tagsüber den Anfeindungen<br />
zu entgehen. „Stinkefinger und wüste Beschimpfungen<br />
sind leider keine Seltenheit<br />
mehr“, sagt er. Während Hannes Blick über<br />
eine Schüssel makelloser Äpfel wandert,<br />
macht er sich Gedanken über die Gründe<br />
für die Anfeindungen: „Einerseits sollen<br />
wir einwandfreie Ware liefern, andererseits<br />
sollen wir keine Pflanzenschutzmittel<br />
verwenden.<br />
Wie aber soll das mit einer vermehrten<br />
Verbreitung von Schädlingen und den<br />
letzthin auftretenden Wetterkapriolen gehen?<br />
Der Markt stellt klare Forderungen<br />
und die Konkurrenz schläft nicht. „Zum<br />
Beispiel wird Polen, als strukturschwaches<br />
Gebiet von der EU bis zu 80 % im<br />
Obstbau gefördert“, weiß Bauernbund<br />
Direktor Siegfried Rinner. Dabei bereitet<br />
den Bauern nicht nur die Polemik rund<br />
um den Pflanzenschutz Sorgen. Problematisch<br />
sieht Landwirt Michl Oberrauch<br />
die zunehmenden EU-Auflagen und die<br />
hohen Produktionskosten bei niedrigsten<br />
Auszahlungspreisen. „Zudem kommt das<br />
Embargo keine Äpfel mehr an Russland zu<br />
exportieren, das sind extreme Absatzprobleme<br />
für unsere Äpfel“, sagt Oberrauch.<br />
FRÜHER - HEUTE<br />
Einer der diese Entwicklung seit Langem<br />
verfolgt, ist der Agronom Wolfgang Drahorad,<br />
viele Jahre lang Berater beim Südtiroler<br />
Beratungsring. Er erinnert sich an die<br />
ersten Jahre seiner Tätigkeit, eine Zeit in<br />
der der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln<br />
wesentlich höher war. 1952 waren es<br />
2600 Tonnen, mit einem Anstieg von 3900<br />
Tonnen im Jahr 1979, während 2016 „nur“<br />
mehr 1630 Tonnen zum Einsatz kamen.<br />
Tendenz weiterhin sinkend. Vergessen sind<br />
auch die Zeiten der Resistenzen durch den<br />
Einsatz von immer gleichen Insektiziden.<br />
„<strong>Die</strong> Mittel von damals kommen heute gar<br />
nicht mehr zum Einsatz und das ist gut“, bestätigt<br />
Drahorad den sanfteren Einsatz von<br />
OBSTBAU, EGAL OB<br />
INTEGRIERT ODER BIO, IST<br />
OHNE PFLANZENSCHUTZMIT-<br />
TEL NICHT MÖGLICH.<br />
Siegfried Rinner<br />
Pflanzenschutzmitteln. Viele Obstbauern<br />
setzen sich heute für eine naturnahe Produktion<br />
ein, ökologische Inseln inmitten<br />
der Apfelkulturen sind keine Seltenheit.<br />
„In den letzten Jahren hat sich vieles zum<br />
Besseren gewandelt – nur muss das auch<br />
besser kommuniziert werden. Da besteht<br />
noch großer Handlungsbedarf “, ist Drahorad<br />
überzeugt.<br />
16 // SEPTEMBER <strong>2019</strong>