Die Weinstraße - Septemeber 2019
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BRENNPUNKT<br />
„Oft sieht man alles nur<br />
schwarz oder weiß“<br />
DIE SCHWARZE FLAGGE VON LEGAMBIENTE UND DIE NEUE REGELUNG ZUR ABDRIFT SIND DIE JÜNGSTEN SORGENKINDER VON<br />
LANDESRAT ARNOLD SCHULER. „DIE WEINSTRASSE“ HAT MIT IHM ÜBER DAS IMAGEPROBLEM DER BAUERN GESPROCHEN<br />
UND VERSUCHT HERAUSZUFINDEN, WARUM EINE ÖFFENTLICHE DISKUSSION NÖTIG IST, UM LÖSUNGSWEGE ZU FINDEN.<br />
<strong>Die</strong> Bauern haben ein Imageproblem<br />
in der Bevölkerung. Wie empfinden Sie<br />
diese Negativentwicklung?<br />
Arnold Schuler: Umfragen haben<br />
bestätigt, dass die Bauern immer noch<br />
durchaus ein positives Image haben. Vermehrt<br />
kommt es aber auch zu Kritiken,<br />
denen wir Rechnung tragen und entgegenwirken<br />
müssen.<br />
<strong>Die</strong> Bauern gelten immer noch als privilegierte<br />
Bevölkerungsschicht. Stimmt<br />
das?<br />
Arnold Schuler: Man muss hier das Gesamtbild<br />
sehen. Das Ziel der europäischen<br />
Agrarpolitik war es, eine flächendeckende<br />
Landwirtschaft sowie niedrige Preise für<br />
die Grundnahrungsmittel zu ermöglichen.<br />
<strong>Die</strong>ses Ziel wurde erreicht: Noch<br />
nie waren Lebensmittel so günstig wie<br />
heute. <strong>Die</strong>s ist auch den Förderungen der<br />
öffentlichen Hand zu verdanken, die die<br />
Bauern unterstützt haben. Auch die unterschiedliche<br />
Regelung der Besteuerung<br />
der Landwirtschaft – nicht nur in Italien,<br />
sondern auch in den meisten EU-Ländern<br />
– hat dazu beigetragen, dass die Lebensmittelpreise<br />
wesentlich gesunken sind.<br />
Durch Ihre Arbeit tragen unsere Bauern<br />
wesentlich zur Ernährung der Bevölkerung<br />
bei, indem sie eine Vielfalt an<br />
Lebensmitteln in hoher Qualität vor Ort<br />
produzieren und das Landschaftsbild<br />
pflegen, von dem unser Tourismus lebt.<br />
Warum dann diese öffentliche Hetzerei?<br />
Arnold Schuler: <strong>Die</strong> Distanz zwischen<br />
Landwirtschaft und Konsumenten ist<br />
zunehmend größer geworden. Nur sehr<br />
wenige sind noch in der Landwirtschaft<br />
tätig, europaweit nur noch zwischen 2<br />
und 3 % der Bevölkerung. In Südtirol ist<br />
der Prozentsatz noch deutlich höher, ist<br />
aber doch auch stark zurückgegangen.<br />
In den 50er Jahren waren noch 70 % der<br />
deutschsprachigen Bevölkerung in der<br />
Landwirtschaft tätig, heute ist es nur noch<br />
ein Bruchteil davon. <strong>Die</strong>s hat auch zur<br />
Distanz beigetragen. Heute müssen die<br />
Regale immer voll sein, ganz abgesehen<br />
von der Jahreszeit und davon, ob die Witterungsverhältnisse<br />
oder die Produktionsbedingungen<br />
für die Landwirtschaft<br />
gut oder schlecht sind. Man vergisst, dass<br />
jemand diese Lebensmittel auch produzieren<br />
muss. Das moderne Konsumverhalten<br />
hat eine intensive Landwirtschaft<br />
zur Folge, die viele wiederum nicht haben<br />
wollen. Jeder müsste überlegen, was er an<br />
einem Tag konsumiert und ob das damit<br />
zusammenpasst, wie er sich die Landwirtschaft<br />
vorstellt.<br />
Hat die Politik hier Fehler gemacht?<br />
Arnold Schuler: Sicherlich hat die Politik<br />
nicht mit dieser Kritik gerechnet.<br />
Bei den Produktionsweisen, sowohl der<br />
integrierten als auch der Bioproduktion,<br />
haben wir europaweit und auch weltweit<br />
eine Vorreiterrolle. Man hat die landwirtschaftliche<br />
Entwicklung aber zweifelsohne<br />
unterschätzt, vor allem hier in Südtirol,<br />
wo Landwirtschaft und Lebensraum auf so<br />
engem Raum miteinander verknüpft sind.<br />
Sie peilen eine Neuausrichtung der<br />
Landwirtschaft an. Was erhoffen Sie<br />
sich davon? Mehr Akzeptanz?<br />
Arnold Schuler: Ja, natürlich auch. Es<br />
war und ist wichtig, die Landwirtschaft<br />
weiterzuentwickeln. <strong>Die</strong> Landwirtschaft<br />
ist nie stehengeblieben, sie hat sich immer<br />
weiterentwickelt. <strong>Die</strong> Südtiroler Familienbetriebe<br />
produzieren nachhaltig, die<br />
Höfe werden über Generationen weitervererbt<br />
und jeder ist daran interessiert,<br />
die Höfe im besten Zustand zu erhalten.<br />
<strong>Die</strong> Neuausrichtung bedeutet, dass man<br />
ˆ<br />
Arnold Schuler, Landesrat für Landwirtschaft<br />
Foto: Ressort für Landwirtschaft<br />
den neuen Erkenntnissen Rechnung trägt.<br />
<strong>Die</strong> Gesellschaft setzt immer größeren<br />
Wert auf Ökologisierung, darin sollten<br />
wir eine Chance sehen, um uns besser<br />
positionieren zu können, nicht nur der<br />
Gesellschaft gegenüber, sondern auch auf<br />
dem Markt.<br />
Warum dann immer mehr Auflagen?<br />
Arnold Schuler: Auflagen sind notwendig.<br />
<strong>Die</strong> fast 18.000 Betriebe in Südtirol<br />
müssen bestimmte Grundregeln einhalten,<br />
denn einige wenige können das Image<br />
vieler anderer schädigen.<br />
<strong>Die</strong> schwarze Flagge von Legambiente<br />
hat die Kritiker bestätigt. Was sagen<br />
Sie dazu?<br />
Arnold Schuler: <strong>Die</strong> schwarze Flagge<br />
haben wir zu Unrecht erhalten. Man sieht,<br />
20 // SEPTEMBER <strong>2019</strong>