2019/45 - 70 Jahre Hohenzollerische Zeitung
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<strong>70</strong> <strong>Jahre</strong><br />
15<br />
Mit Bindereif und Speidel führten<br />
zwei ausgewiesene Verwaltungsbeamte<br />
die Geschäfte des<br />
Kreises und der Kreisstadt Hechingen.<br />
Und dort hatte sich<br />
das Leben in der Tat in der<br />
Folge der Währungsreform<br />
1948 in hoffnungsfrohe Bahnen<br />
gelenkt. Die Zwangsbewirtschaftung<br />
von Lebensmitteln,<br />
Heizmaterial, Textilien, Schuhen<br />
etc. verbesserte sich schlagartig,<br />
und 1949 war mit wenigen<br />
Ausnahmen die Kontingentierung<br />
aufgelöst.<br />
Schon 116 Vereine<br />
sorgen für<br />
kulturelles Leben<br />
Märchenhochzeit<br />
auf Burg<br />
Hohenzollern<br />
Die Ecke Marktplatz/Goldschmiedstraße mit der Hofkonditorei Röcker um 1949.<br />
Auch die Produktion in den<br />
Fabriken konnte wieder mit voller<br />
Kraft angegangen werden.<br />
Die größten Betriebe waren die<br />
Textilfirmen Maute in Bisingen<br />
mit 650 Arbeitern, Gebrüder<br />
Mayer – die heutige Trigema –<br />
in Burladingen mit 600 Arbeitern<br />
und die Schuhfabrik Wolf<br />
und Co. in Stetten bei Hechingen<br />
mit 675 Arbeitern. Der Zuwachs<br />
an Arbeitsplätzen war<br />
bitter notwendig, denn schließlich<br />
wuchs Hechingen durch<br />
die Flüchtlinge ganz enorm.<br />
Bei Kriegsbeginn hatte Hechingen<br />
56<strong>70</strong> Einwohner, zum Ende<br />
des <strong>Jahre</strong>s 1949 waren es bereits<br />
<strong>70</strong>20, rund 1500 waren<br />
Flüchtlinge, die in Lagern, unter<br />
anderem im Weiher, untergebracht<br />
wurden. Und es sollten<br />
noch mehr werden, denn<br />
erst Mitte 1949 war die Verteilung<br />
der Ost-Flüchtlinge aus<br />
den Lagern in Norddeutschland<br />
richtig angelaufen. Dagegen<br />
waren 1949 immer noch<br />
rund 50 Hechinger in Kriegsgefangenschaft.<br />
Das Bevölkerungswachstum<br />
stellte die Städte und Gemeinden<br />
natürlich vor ein Hauptproblem:<br />
Wo sollten alle wohnen?<br />
Auch hier wurden 1949 die Weichen<br />
gestellt: Im April wurde<br />
die Kreisbaugenossenschaft gegründet,<br />
die Stadt erwarb vom<br />
Sigmaringer Fürst Gelände im<br />
Weiher, wo in den Folgejahren<br />
eine der ersten Neubausiedlungen<br />
Hechingens entstand. Im<br />
Gegensatz zur Versorgung mit<br />
Lebensmitteln und Dingen des<br />
täglichen Bedarfs war das kulturelle<br />
Leben bereits unmittelbar<br />
nach Kriegsende wieder erwacht,<br />
und im Spätjahr 1949<br />
gab es im Kreis Hechingen bereits<br />
wieder 116 Vereine, rund<br />
Foto: Stadtarchiv Hechingen<br />
die Hälfte waren Gesang-, Musik-<br />
und Theatervereine. Diese<br />
sorgten für ein reges Kulturprogramm,<br />
regelmäßig waren professionelle<br />
Sängerinnen und<br />
Sänger zu Gast in Hechingen.<br />
Die großen Feste Hechingens<br />
kamen etwas langsamer<br />
in Fahrt. Die Fasnet war in den<br />
ersten Nachkriegsjahren auf<br />
die Kinderfasnet beschränkt,<br />
der erste Fasnetsumzug fand<br />
1950 statt, 1949 wurde allerdings<br />
auch schon närrisch und<br />
groß gefeiert – unter dem<br />
Motto „Hechingen dreht den<br />
Großfilm ‚Der meschuggene<br />
Gansfuß’." Heute ist nur<br />
schwer nachvollziehbar, wie<br />
nur wenige <strong>Jahre</strong> nach dem Holocaust<br />
gerade ein jiddisch-hebräisches<br />
Lehnwort das Motto<br />
für die Fasnet bestimmte.<br />
Der festliche Höhepunkt<br />
1949 war aber mit Sicherheit<br />
das Kinderfest, das am 23./24.<br />
Juli gefeiert wurde. Die Hechinger<br />
warfen sich schwer ins<br />
Zeug mit der Ausrichtung, unter<br />
anderem wurde in der Neustraße<br />
ein Seifenkistenrennen<br />
veranstaltet, gefeiert wurde<br />
noch auf dem Festplatz auf der<br />
Lichtenau beim Gymnasium.<br />
Und – ebenfalls Folge des<br />
Krieges – Hechingen wurde wieder<br />
zum Wohnsitz des Adels.<br />
Der letzte deutsche Kronprinz,<br />
Wilhelm, logierte in der Fürstenstraße.<br />
Er musste sich täglich<br />
bei der Militärregierung<br />
melden, was zu einer Freundschaft<br />
mit dem französischen<br />
Gouverneur führte.<br />
In die Silberburg war Prinz<br />
Franz Joseph von Hohenzollern<br />
aus der Sigmaringer Linie<br />
eingezogen, und am 21. Juni<br />
1949 gab es auf der Burg Hohenzollern<br />
eine echte Märchenhochzeit:<br />
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