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2019/45 - 70 Jahre Hohenzollerische Zeitung

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26 <strong>70</strong> <strong>Jahre</strong><br />

Zur Nachfolge bereit<br />

Bonita Grupp und Wolfgang Grupp jr. über ihre Rolle bei Trigema<br />

Es ist das Jahr der Jubiläen,<br />

die HZ wird <strong>70</strong>, die Firma<br />

Trigema feiert das<br />

100-Jährige und deren Inhaber<br />

Wolfgang Grupp führt das Burladinger<br />

Familienunternehmen<br />

nun genau 50 <strong>Jahre</strong>. Er hat<br />

in dieser Zeit Trigema als Marke<br />

etabliert und den Namen<br />

deutschlandweit durch hohe<br />

Qualität, aber auch mit innovativem,<br />

cleverem, teils frechem<br />

Marketing bekannt gemacht;<br />

Fernseh-Affe Charly, um einen<br />

der Werbe-Coups zu nennen,<br />

lässt grüßen: „Hallo Fans!“<br />

Die <strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Zeitung</strong>,<br />

Burladingen und die<br />

Firma Trigema stehen durchaus<br />

in Beziehung zueinander:<br />

Burladingen gehörte von Anfang<br />

an ins Verbreitungsgebiet<br />

unserer <strong>Zeitung</strong>. Trigema wiederum<br />

steht für Burladingen,<br />

fast wie ein Synonym. Die<br />

Firma hatte hier seit der Gründung<br />

ihren Sitz. Den Verlockungen<br />

in Zeiten des Strukturwandels<br />

ins Ausland abzuwandern,<br />

um billiger produzieren zu können,<br />

hat die Unternehmensleitung<br />

widerstanden. Stattdessen<br />

baute Wolfgang Grupp seinen<br />

eigenen Vertrieb in Form der<br />

Testgeschäfte auf, machte sich<br />

vom Handel unabhängig und<br />

setzt nicht auf Masse, sondern<br />

auf Qualität und Verlässlichkeit.<br />

Doch auch Anmutung und<br />

Bewusstsein spielen eine Rolle:<br />

Trigema steht für<br />

Burladingen, ist<br />

fast ein Synonym<br />

Made in Germany, dem Standort<br />

verbunden, umweltverträglich<br />

und nachhaltig produziert<br />

– darauf achten Kunden immer<br />

mehr, darauf baut das Unternehmen.<br />

Von einst 26 Burladinger<br />

Textilfirmen, die hier produzierten,<br />

ist Trigema die einzige,<br />

die noch existiert. Trigema ist<br />

heute der größte Arbeitgeber<br />

der Stadt (1200 Beschäftigte),<br />

ist zudem durch die erwähnte<br />

Fernsehwerbung sowie durch<br />

die <strong>45</strong> Testgeschäfte, die das Unternehmen<br />

von Bayern bis zum<br />

Nordseestrand unterhält, in der<br />

ganzen Republik ein Begriff.<br />

Die Firma nimmt immer wieder<br />

breiten Raum in unserer Berichterstattung<br />

ein, insbesondere<br />

wegen politisch-unternehmerischer<br />

Aussagen des Ge-<br />

<strong>70</strong> <strong>Jahre</strong> HZ, 100 <strong>Jahre</strong> Trigema: Anlass für ein Interview mit der nächsten Generation. HZ-Redakteur Matthias<br />

Badura (rechts) wurde von Wolfgang Grupp jr. und Bonita Grupp empfangen. Foto: Julia Marquardt<br />

schäftsführers Wolfgang<br />

Grupp, die allgemeinen Widerhall<br />

finden. Genauso werden<br />

wir hellhörig, wenn das Unternehmen<br />

mit einer Innovation<br />

auf den Markt kommt, wie etwa<br />

mit dem vollständig kompostierbaren<br />

T-Shirt. Ebenso berichteten<br />

wir darüber, wenn Familie<br />

Grupp, was sie mehrfach<br />

tat, der Stadt eine Spende zukommen<br />

ließ, die beispielsweise<br />

den Bau einer neuen<br />

Sporthalle ermöglichte. Und<br />

wir berichteten, dass Trigema<br />

Flüchtlingen, die im Betrieb beschäftigt<br />

sind, Sprachkurse an<br />

der Burladinger Volkshochschule<br />

bezahlt. Einzig und allen<br />

Schlagzeilen über Kurzarbeit<br />

und betriebsbedingte Entlassungen<br />

– die gab es mangels solcher<br />

Vorkommnisse noch nie.<br />

Wolfgang Grupp ist mittlerweile<br />

77 <strong>Jahre</strong> alt. Agil und profiliert<br />

wie eh und je, wird er dennoch<br />

eines Tages sein Unternehmen<br />

in jüngere Hände geben.<br />

Antreten soll die Nachfolge eines<br />

seiner beiden Kinder, Bonita<br />

oder Wolfgang jr. Eine Doppelführung,<br />

das hat der Patriarch<br />

oft und ausreichend betont,<br />

kommt nicht in Frage, das<br />

Unternehmen soll auch in vierter<br />

Generation in der Familie<br />

und in einer Hand bleiben.<br />

Viele Medien, seriöse wie windige,<br />

spekulieren schon lange<br />

und immer wieder aufs neue,<br />

wer von beiden das Rennen<br />

wohl machen wird: Ist die Nachfolge<br />

schon beschlossen, wann<br />

wird sie ausgerufen, gibt es unter<br />

den Geschwistern womöglich<br />

interne Machtkämpfe?<br />

Auch bei der großen Jubiläumsfeier<br />

zum 100-Jährigen, die im<br />

Oktober stattfand, lauerten<br />

viele im Journalistentross darauf,<br />

dass beim Festakt ein<br />

Name verkündet würde. Sie warten<br />

noch immer.<br />

Abseits dieser aufgeregten<br />

Debatte gehen zwei ganz gelassen<br />

mit dem Thema um: Bonita<br />

Grupp (30) und Wolfgang<br />

Grupp jr. (29). „Wir werden immer<br />

gefragt, wie hoch ist der<br />

Druck? Als ob der eine versucht,<br />

dem anderen eine Falle<br />

zu stellen“, so Wolfgang Grupp<br />

jr. in einem Interview, dass er<br />

der HZ zusammen mit seiner<br />

Schwester gab. „Dieser Konkurrenzkampf<br />

wird von den Medien<br />

gespielt und ist so nicht<br />

Bonita Grupp:<br />

Es gibt keinen<br />

Konkurrenzkampf<br />

existent.“ Bonita Grupp erläutert<br />

dazu: „Mein Vater möchte,<br />

dass nur ein Kind die Firma bekommt,<br />

wir können aber beide<br />

darin arbeiten. Deshalb ist der<br />

Druck für uns nicht so groß.“<br />

Man werde die Entscheidung<br />

des Familienoberhauptes auf jeden<br />

Fall respektieren, so wiederum<br />

der Sohn: „Wenn der<br />

Zeitpunkt gekommen ist, finden<br />

wir eine gute Lösung, weil<br />

wir andere Probleme auch<br />

schon gemeistert haben.“ Seine<br />

Schwester stellt noch einmal<br />

klar, was man ihr ohne Bedenken<br />

glaubt: „Mein Bruder und<br />

ich verstehen uns sehr gut, und<br />

wir haben keinerlei Konkurrenzkampf.“<br />

Es wird also nicht so<br />

sein, dass einer von beiden die<br />

Firma nach der Übergabe verlassen<br />

muss. Die Vorstellung,<br />

dasjenige Kind, das nicht bedacht<br />

wurde, müsse in die<br />

Fremde auswandern, amüsiert<br />

die Grupps ebenso wie die Idee,<br />

der Vater werde dann im „Austragshäusle“<br />

aufs Altenteil gesetzt.<br />

Nein, betonen beide, man<br />

brauche den Rat und die Erfahrung<br />

des Vaters ebenso wie den<br />

der Mutter Elisabeth Grupp, die<br />

vor allem für die Testgeschäfte<br />

zuständig ist. „Sie bieten uns<br />

eine sichere Basis und Rückhalt“,<br />

sagt Bonita Grupp. „Wir<br />

sind der Meinung, dass es die<br />

Chance gibt, dass alle vier im<br />

Unternehmen bleiben, auch<br />

wenn die Entscheidung der<br />

Übergabe fällt.“ Momentan betreut<br />

die Tochter in der Firmenleitung<br />

die Bereiche E-Commerce<br />

und Personal, ihr Bruder<br />

deckt IT und Verkauf ab.<br />

Freilich, räumen die Geschwister<br />

ein, könnte sich bei<br />

ihnen beiden theoretisch durch<br />

die Partnerwahl die persönliche<br />

Situation verändern, und<br />

was die wirtschaftliche Zukunft<br />

in Zeiten der rasant fortschreitenden<br />

Globalisierung und Digitalisierung<br />

bringe – das könne<br />

niemand mit letzter Sicherheit<br />

sagen. Fest steht jedoch der Entschluss,<br />

das Unternehmen am<br />

jetzigen Standort unter der Regie<br />

der Familie weiterzuführen.<br />

Wolfgang junior: „Es gibt keine<br />

Diskussion, Burladingen wird<br />

immer unsere Heimat bleiben.“<br />

Seine Schwester pflichtet bei:<br />

„Die Firma ist hier, und sie wird<br />

auch in Zukunft hier sein.“<br />

Die beiden schauen grundsätzlich<br />

nach vorn. Im Ausland<br />

zur Schule gegangen und dort<br />

auch studiert, sind sie in der<br />

Welt der modernen Kommunikation<br />

daheim, internationales<br />

Parkett ist ihnen vertraut. Und<br />

zugleich fühlen sie sich der Vergangenheit<br />

verbunden. Sie sehen<br />

darin keinen Widerspruch:<br />

Wenn man auf eine 100-jährige<br />

Firmengeschichte zurückblicken<br />

könne, fühle man sich<br />

„selbstverständlich“ der Vergangenheit<br />

verpflichtet. Und<br />

ebenso der Leistung, die in dieser<br />

langen Zeit von der Firmenleitung<br />

genauso erbracht<br />

wurde wie von den Mitarbeitern:<br />

„Ich glaube es wäre unschön,<br />

wenn man sagen würde,<br />

an der nächsten Generation<br />

scheitert’s, weil diese Genera-<br />

„Die Firma wird<br />

auch in Zukunft<br />

hier sein.“<br />

tion es nicht mehr machen<br />

möchte oder keine Lust drauf<br />

hat“, so der Sohn.<br />

Also doch ein Druck, der auf<br />

den potentiellen Nachfolgern<br />

lastet? Beide verneinen: „Es ist<br />

eine Verpflichtung, aber es ist<br />

eine schöne Verpflichtung, mit<br />

der wir aufgewachsen sind und<br />

an der wir Freude haben.“<br />

Was die Zukunft angeht, sehen<br />

sie angesichts der Globalisierung<br />

Veränderungen und Herausforderungen<br />

in ihrer ohnedies<br />

„schwierigen“ Branche auf<br />

sich zukommen. „Aber wir sind<br />

weiterhin der Meinung, dass<br />

eine Texilproduktion auch in<br />

Deutschland machbar sein<br />

muss, sonst hätten meine<br />

Schwester und ich uns nicht<br />

entscheiden, in die Firma einzutreten,<br />

sonst ginge man ja einer<br />

Einbahnstraße entgegen“, sagt<br />

Wolfgang Grupp jr. Er fügt<br />

hinzu: „Ob wir es schaffen, werden<br />

wir sehen.“ Doch das klingt<br />

nicht verzagt, sondern zuversichtlich,<br />

selbstbewusst.<br />

Böte die Globalisierung andererseits<br />

nicht die Chance, die<br />

Marke Trigema international<br />

zu etablieren? Dank Internet<br />

könnte das heute leichter gelingen<br />

als in früheren Zeiten, weiß<br />

Bonita Grupp, die als Verantwortliche<br />

im E-Commerce Zuwachs<br />

und Absatz im Auge hat.<br />

Doch das allein reiche nicht<br />

aus. Um im Ausland Fuß fassen<br />

zu können, benötige man „gute<br />

Partner“ vor Ort und müsse<br />

enorm viel investieren, um<br />

dem Druck der einheimischen<br />

oder internationalen Mitbewerber<br />

Paroli bieten zu können.

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