2019/45 - 70 Jahre Hohenzollerische Zeitung
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36 <strong>70</strong> <strong>Jahre</strong><br />
Mit dem Schlössle auf Zeitreise<br />
Wie es ein 600 <strong>Jahre</strong> altes Gebäude schafft, bis heute Schlagzeilen zu schreiben<br />
Durch diese Räume wandelten<br />
einst adelige<br />
Fräuleins. Hier standen<br />
die Türen offen, hier war Licht<br />
im Dunkeln, klirrten die Gläser<br />
unter fröhlichem Gelächter,<br />
klapperten Teller und Töpfe. An<br />
diesen Tischen wurden Händel<br />
ausgefochten und Heiratsanträge<br />
gemacht. Genau an dieser<br />
Stelle bekam ein Bub von zwölf<br />
<strong>Jahre</strong>n voller Stolz sein „Bierdiplom“<br />
ausgehändigt.<br />
„Ich kenne niemanden, der<br />
keine Geschichte vom Haigerlocher<br />
Schlössle erzählen kann“,<br />
sagt Stefan Beuter. Er ist der<br />
junge Bursche von damals. Den<br />
Moment, als ihm Brauereibesitzer<br />
Franz-Josef Zöhrlaut vor 25<br />
<strong>Jahre</strong>n das Bierdiplom überreichte,<br />
wird er im Leben nicht<br />
vergessen.<br />
Heute ist Stefan Beuter Architekt<br />
von Beruf und als solcher<br />
ist er an den Ort des Geschehens<br />
zurückgekehrt. Sein Auftrag:<br />
das altehrwürdige<br />
„Schlössle“ in eine neue Zukunft<br />
zu führen.<br />
Über 600 <strong>Jahre</strong> hat das Haigerlocher<br />
Schlössle schon auf<br />
dem Buckel. In Anbetracht dessen<br />
nimmt sich der <strong>70</strong>. Geburtstag<br />
der <strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Zeitung</strong><br />
freilich recht bescheiden<br />
aus. Und doch verbinden<br />
beide, die HZ und das<br />
Schlössle, ein ganzes Stück Geschichte<br />
und vor allem viele<br />
spannende Geschichten. Viele<br />
Male in den vergangenen <strong>70</strong> <strong>Jahre</strong>n<br />
stand das stolze Gebäude<br />
nämlich in den Schlagzeilen.<br />
„Einen Goldschatz<br />
haben wir leider<br />
nicht gefunden“<br />
Vergangenheit, Gegenwart,<br />
Zukunft – der im <strong>Jahre</strong> 1413 erstmals<br />
urkundlich erwähnte<br />
Wohnsitz von Adelsfamilien in<br />
Haigerloch, aus dem später ein<br />
herrschaftliches Brauereihaus<br />
wurde, hat alles drei zu bieten.<br />
Momentan ist die Zukunft in<br />
aller Munde. Denn nach langem<br />
Hin und Her wurde das<br />
Schlössle an eine Investorengesellschaft<br />
verkauft. Die Tinte<br />
auf dem Kaufvertrag ist fast<br />
kaum getrocknet, so neu sind<br />
die neuesten Entwicklungen in<br />
dem uralten Gemäuer. Und es<br />
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Architekt Stefan Beuter hat von den neuen Besitzern des Schlössle eine<br />
zukunftsweisende Aufgabe übertragen bekommen: In das über 600<br />
<strong>Jahre</strong> alte, denkmalgeschützte Gebäude werden elf barrierefreie Wohneinheiten<br />
eingebaut.<br />
Foto: Andrea Spatzal<br />
die neuen Besitzer planen: urbanes,<br />
barrierefreies Wohnen<br />
in der Jahrhunderte alten Bausubstanz,<br />
direkt an den Auen<br />
der renaturierten, sich an den<br />
schroffen Felsen entlang schlängelnden<br />
Eyach. Hört sich gut<br />
an? Tja, die Altvorderen hatten<br />
in Sachen Architektur und<br />
Standortwahl offenbar ein<br />
glückliches Händchen.<br />
1413 wurde die „untere<br />
Burg“ erstmals urkundlich erwähnt.<br />
Vermutlich wurde sie<br />
schon 1378 vom damaligen<br />
Vogt von Oberhaigerloch, Marquard<br />
von Bubenhofen, errichtet.<br />
Die diente als eine Art Vorburg<br />
und war Teil der Stadtbefestigung.<br />
Im 15. Jahrhundert<br />
gehörte das Schlössle zuerst<br />
den Herren von Weitingen, später<br />
dann den Herren von<br />
Thumb. Daher auch der Name:<br />
„Thumbsches Schlössle“. 1612<br />
ging das Schlössle in Zollerischen<br />
Besitz über und wurde<br />
als herrschaftliches Brauereihaus<br />
eingerichtet.<br />
Im 30-jährigen Krieg wurde<br />
es zwar durch einen Brand zerstört,<br />
aber um das Jahr 16<strong>70</strong> auf<br />
den alten Grundmauern und<br />
unter Verwendung verbliebener<br />
Bausubstanz in seiner heutigen<br />
Form wieder aufgebaut.<br />
Nun aber zurück in die Gegenwart:<br />
Was die Bauarbeiter<br />
seit Tagen aus den Eingeweiden<br />
des Schlössle holen, füllt gut 50<br />
Container. Viel hat sich angesammelt<br />
in den vielen Jahrzehnten.<br />
„Einen Goldschatz haben<br />
wir leider nicht gefunden“, sagt<br />
Stefan Beuter über die Entrümpelung<br />
und lacht. Aber auf einen<br />
Aktenschrank voller technischer<br />
Brauerei-Unterlagen sei<br />
man gestoßen. Die wurden der<br />
Universität Hohenheim übergeben.<br />
Am Ende der Arbeiten wird<br />
nur die Außenhülle des Gebäudes<br />
stehen bleiben. Jeder weitere<br />
Handschlag wird streng<br />
vom Denkmalamt überwacht.<br />
Ein paar Zugeständnisse werden<br />
freilich gemacht. Zum Beispiel<br />
dürfen an der Nordseite<br />
die Fensteröffnungen vergrößert<br />
und Balkone angebaut werden,<br />
aber auch nur, weil es sich<br />
Aus der Vogelperspektive: Auf dem ehemaligen Brauereiareal am renaturierten<br />
Eyachufer steht nur noch das Schlössle. Foto: Stadt Haigerloch