Drachenpost 113
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Düsseldorfer Drachenpost – Ausgabe 113 (1/2020) 39. Jahrgang
Dr. Renate Birkenhauer (Vizepräsidentin des EÜK) und
Prof. Dr. Han Ruixiang
Zum Übersetzen wurde ich in den 90-
er Jahren motiviert. Ich habe mich damals
über manche „Mistübersetzung“ von
deutscher Literatur ins Chinesische geärgert.
Ich begann daher selbst zu übersetzen.
Als Professor muss ich aber auch wissenschaftliche
Arbeiten schreiben und habe nicht soviel
Zeit zum Übersetzen. In den letzten 20 Jahren
habe ich daher an der Uni Übersetzergruppen
bei meinen Studenten organisiert. Daraus wächst
inzwischen guter Nachwuchs für das Übersetzen
deutschsprachiger Literatur bei uns heran.
Die schwierige chinesische Schrift und Sprache
erschweren den geistigen Austausch mit anderen
Kulturen. Glauben Sie, dass China dadurch
von der Weltliteratur ziemlich isoliert ist?
Nein, überhaupt nicht. China ist sehr offen gegenüber
der Weltliteratur.
In den letzten 20 Jahren rückte bei uns die
deutschsprachige Literatur immer mehr nach
vorne. Viele Verlage geben deutsche Bücher heraus.
Im letzten Jahr hat China 1500 Lizenzen zum
Übersetzen deutschsprachiger Bücher erworben.
Damit liegt Deutschland bei weitem an der Spitze,
vor Russland mit 600 Lizenzen an zweiter
Stelle.
Ich möchte dazu einige Beispiele geben: Seit
fünf Jahren arbeitet ein großes Übersetzerteam an
der Übersetzung von Goethes gesamten Werken.
Ich übersetze dabei Goethes „Ästhetische Schriften“.
Es wird an einer Gesamtausgabe von Hölderlin
und Nietzsche gearbeitet. Alle Werke von Herta
Müller sind ins Chinesische übersetzt worden,
es gibt also keine inhaltlichen Beschränkungen.
In den letzten Jahren ist bereits von einer Anzahl
deutschsprachiger Schriftsteller eine breite
Auswahl aus ihrem Gesamtwerk erschienen,
so zum Beispiel von Dürrenmatt mit 4 Bänden,
Kafka (3), Braun (1), Schnitzler (3), Handke (9)
und Bachmann (1). Meine Aufgabe als Herausgeber
war dabei die Zusammenstellung der
Übersetzerteams, die Auswahl der zu übersetzenden
Texte und das Korrekturlesen. Außerdem
habe ich natürlich auch selbst übersetzt.
Sie sehen an diesen Beispielen: China isoliert sich
überhaupt nicht von der Weltliteratur.
Die Welt ändert sich: Können Google und Übersetzungsprogramme
Ihnen beim Übersetzen von
Literatur helfen?
Nein, Übersetzungsprogramme helfen uns
nicht. Das Übersetzen von Literatur ist eben
keine 1:1- Kopie. Man muss eine Botschaft
übertragen, das ist das eigentliche Problem.
Das Wesentliche muss herauskommen. Literaturübersetzer
bemühen sich zumeist auch
wichtige Aspekte wie Lautmalerei, Rhythmus,
Satzlänge des Autors beim Übersetzen mit zu
berücksichtigen. Man muss einen Literaturtext
also auch einmal hören. Solche Aspekte
lassen Übersetzungsprogramme außer Acht.
Manchmal ergeben sich beim Übersetzen Sachfragen,
weil wir die Bedeutung eines Begriffes
nicht genau kennen. Die Artikel dazu im Internet
hängen dann oft davon ab, wer sie geschrieben
hat und sie können Fehler enthalten. Da helfen
uns die Übersetzerbibliothek oder das direkte
Gespräch mit den Autoren hier am EÜK Straelen
mehr.
Eine Frage zum Schluss: Welche chinesischen
Schriftsteller empfehlen Sie uns?
Wir haben sehr viele gute Schriftsteller. Ich möchte
da vor allem Jia Pingua, Chen Zhongshi und
Lu Yao nennen – aber leider sind von denen fast
alle wichtigen Werke noch gar nicht ins Deutsche
übersetzt worden. Mehr übersetzt worden ist bereits
von Yan Lianke, Li Er und Xu Zechen, die
ich sehr empfehlen kann, und natürlich von Mo
Yan und Yu Hua.
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