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Drachenpost 113

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Düsseldorfer Drachenpost – Ausgabe 113 (1/2020) 39. Jahrgang

Reisebericht

Eine traditionelle Hochzeit in Xinjiang

Bernd Zingsem

Kashgar, Turfan, die Wüste Taklamakan und die

Wüste Gobi, das alles sind Namen, die ich schon

sehr früh mit abenteuerlichen Expeditionen

durch Asien verbinde. Schon in meiner Kindheit

begeisterten mich die Reiseberichte von Sven Hedin,

später kamen die faszinierenden Darstellungen

einer gemeinsamen Reise von Beijing nach

Kashgar im Jahr 1935 hinzu, die Peter Fleming

in seinem Buch „Tataren-Nachrichten“ und Ella

K. Maillart in „Verbotene Reise“ lebendig werden

lassen.

So lässt sich meine Begeisterung leicht erklären,

als meine frühere Chinesisch Lehrerin

Yating mich zu ihrer Hochzeit mit ihrem englischen

Bräutigam Alfie nach Aksu einlud. Aksu?,

ein Blick auf Google Maps zeigt eine mittelgroße

Stadt ganz im Westen Xinjiangs, im Osten an die

Taklamakan, im Westen an Kirgisistan grenzend.

Dort steigen die Berge des Tianshan-Gebirges

auf, deren schneebedeckte 7.000er Gipfel man bei

gutem Wetter von Aksu aus sehen kann.

Meine erste Reaktion war dennoch: völlig

verrückt, für nur wenige Tage eine solche Strecke

fliegen zu wollen. Doch schnell überwog die

Das Brautpaar und der Autor

Erkenntnis, dass sich die Gelegenheit, eine traditionelle

Hochzeit in Xinjiang erleben zu können,

wahrscheinlich kein zweites Mal bieten würde.

Schnell fand ich heraus, dass es zweimal wöchentlich

eine gute Direktverbindung von Wien nach

Ürümqi gibt, und buchte für mich und unsere

erwachsene Tochter die Flüge. Da sich jedoch

die Ausstellung unserer Visa aus unerfindlichen

Gründen verzögerte und sich der Flug nach Wien

nicht mehr umbuchen ließ, flogen wir wie geplant

dienstags nach Wien und verbrachten dort zwei

schöne sonnige Tage. Die am Mittwoch fertiggestellten

Pässe bekamen wir per Expressbrief ins

Hotel geliefert. Statt zwei Tage Basar und Oasenstimmung

in Kashgar gab es also Zauberflöte, Fiaker

und Wiener Schnitzel in der Donaumetropole.

Am Donnerstagabend ging es dann pünktlich

von Wien nach Ürümqi und von dort aus direkt

nach Aksu, wo wir Freitagnachmittag am Flughafen

von der jungen Braut abgeholt wurden. Zuvor

mussten wir uns allerdings sowohl auf dem

Flughafen von Ürümqi wie auch bei der Ankunft

in Aksu mit freundlichen Polizeibeamten auseinandersetzen,

die uns mit den verschärften Sicherheitsvorschriften

in Xinjiang bekannt

machten.

Am Samstagvormittag begann um

09.00 Uhr der weniger ernste Teil der

Hochzeitsfeier, mehr an einen Polterabend

oder Junggesellenabschied erinnernd.

In einer Kolonne von sechs

weißen Geländewagen fuhren der Bräutigam,

seine englische Familie und einige

chinesische Verwandte und Freunde

zur Wohnung der Großmutter, wo sich

die Braut mit ihren Freundinnen und

anderen, überwiegend weiblichen Verwandten

“verbarrikadiert“ hatten. Nach

heftigem Klopfen wechselten kleine

rote Geldumschläge den Besitzer, der

Bräutigam musste vor der Türe singen,

wir alle mussten gut gefüllte Gläser mit

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