Drachenpost 113
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Düsseldorfer Drachenpost – Ausgabe 113 (1/2020) 39. Jahrgang
Warum ich Mitglied in der GDCF bin
von Tobias Witte
Tobias Witte (6. von links) gemeinsam mit dem Siemens
Projektteam in Chengdu
Worauf habe ich mich da bloß eingelassen? Das
war mein erster und einziger Gedanke in den
ersten Tagen in Chengdu. Die Luft in der Millionenmetropole
schnürte mir den Hals zu. Im Straßenverkehr
herrschte Anarchie. Es war laut. Und
kein Mensch verstand mich.
Aber genau das wollte ich doch. Ich wollte nicht
direkt nach meinem Masterabschluss ins Berufsleben
einsteigen. Ich suchte lieber noch ein kleines
Abenteuer. Im Ausland. Warum nicht China? Die
haben doch so leckeres Essen und diese tolle asiatische
Architektur, dachte ich mir. Okay, im Grunde
wusste ich gar nichts über das Land. Ich ließ mich
überraschen.
Ich bekam die Chance und durfte für fünf
Monate ein Praktikum bei Siemens in Chengdu
absolvieren. Auf dem Gelände eines namhaften
Automobilherstellers bauten wir eine neue Montagelinie.
Der Projektleiter kam ebenfalls aus
Deutschland, das Team überwiegend aus China.
Ich wurde von Anfang an herzlich im Projektteam
aufgenommen. Die Zusammenarbeit machte mir
Spaß. Von meinem Gehalt bezahlte ich eine möblierte
2-Zimmer-Wohnung in der City und konnte
auch sonst gut davon leben.
Zugegeben, ich war nicht völlig unvorbereitet
nach China gekommen: An der Leibniz Universität
in Hannover hatte ich zuvor neben meinem
Hauptfach einen chinesischen Sprachkurs besucht.
In Chengdu reichten meine Kenntnisse für
das Nötigste. Ich wollte aber mehr lernen. Unterstützung
fand ich schnell. Egal ob in der Metro, im
Fitnessstudio oder auf der Straße - immer wieder
haben mich vor allem junge Chinesen direkt angesprochen.
Sie wollten ihr Englisch verbessern, ich
mein Chinesisch. Also traf man sich regelmäßig
zum Lernen, zum Essen oder einfach zum Reden.
Ich verbesserte so nicht nur meine Sprachkenntnisse,
sondern erfuhr auch viel über das Leben
in China. Natürlich lernte ich dabei auch die
hervorragende Küche der Provinz Sichuan kennen.
Und ich erfuhr außerdem, welche sensiblen
Themen ich besser vermied. Tibet und Politik waren
absolut tabu.
Langsam gefiel es mir in Chengdu. Jeder Tag
war in irgendeiner Form aufregend. Und als Westeuropäer
mit einer Körpergröße von über 1,90
Metern fiel ich natürlich auf. Nahezu täglich blickten
mich Einheimische mit großen Augen und
einem erstaunten „hěn gāo“ (sehr groß) an. Viele
machten Fotos mit oder von mir, manchmal auch
versteckt in der U-Bahn. Mich störte das nicht. Ich
mochte die fröhliche, manchmal auch ungenierte
Art der Chinesen. Besonders gefallen hat mir das
Treiben im People’s Park. Vor allem an den Wochenenden
trafen sich hier viele Einheimische
zum Tanzen und Singen, für Aerobic und Kunst
oder einfach auf eine Kanne Tee. Das Leben spielte
sich draußen ab. Großartig!
Natürlich nutzte ich die Zeit in China auch
zum Reisen. Ich lief auf der Großen Mauer, sah die
Terrakotta Armee in Xian und bestaunte die Skyline
von Shanghai. Mir war bewusst, dass das Land
noch sehr viel mehr zu bieten hatte, doch die Zeit
reichte nur für die Highlights.
Ich kam zurück nach Deutschland. Mein Praktikum
war beendet und mein Berufseinstieg stand
bevor. Den Vertrag hatte ich bereits vor meinem
Auslandsaufenthalt unterschrieben, ebenfalls bei
Siemens, allerdings in einem anderen Unternehmensbereich
und dieses Mal in Nordrhein-Westfalen.
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