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Life Channel Magazin Januar 2020

Ersehnt und abgelehnt. Abschied und Neuanfang. Ruhe und Aktion. Abbruch und Aufbruch. Freud und Leid. Altes und Neues. Sicherheit und Unsicherheit. Kaum ein Wort beinhaltet mehr Gegensätze als das Wort «Pensionierung». Wir haben bei drei Personen nachgefragt, was die Pensionierung bei ihnen bewirkt hat.

Ersehnt und abgelehnt. Abschied und Neuanfang. Ruhe und Aktion. Abbruch und Aufbruch. Freud und Leid. Altes und Neues. Sicherheit und Unsicherheit. Kaum ein Wort beinhaltet mehr Gegensätze als das Wort «Pensionierung». Wir haben bei drei Personen nachgefragt, was die Pensionierung bei ihnen bewirkt hat.

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| PORTRÄT<br />

Der Suizid ihrer Freundin trifft Sabrina Müller wie ein Hammerschlag<br />

«Sie versprach mir, sich nichts anzutun»<br />

TV-TIPP<br />

FENSTER ZUM SONNTAG-TALK<br />

Suizid! Warum wolltest du nicht leben?<br />

Sa, 18. <strong>Januar</strong> 16.40 Uhr<br />

18.30 Uhr<br />

So, 19. <strong>Januar</strong> 08.35 Uhr<br />

17.45 Uhr<br />

Sabrina Müller teilt ihre persönliche Geschichte und Gedanken zum Tabuthema Suizid seit 2016<br />

in einem Blog.<br />

wieder von der überwältigenden Trauer<br />

eingeholt, bis sie selbst nicht mehr Leben<br />

mag. Ein Jahr nach dem Suizid kämpft sich<br />

Sabrina langsam zurück ins Leben. Sie<br />

entscheidet sich, ihr Theologiestudium<br />

abzuschliessen – und findet wieder in ihren<br />

Alltag zurück. Zehn Jahre nach dem Suizid<br />

schliesst Sabrina den Trauerprozess an dem<br />

Ort ab, wo er einst begonnen hat – am Bryce<br />

Canyon.<br />

VON ANJA LAUWINER<br />

Als sich Sabrina auf dem Weg in die USA<br />

am Flughafen von ihrer engsten Freundin<br />

verabschiedet, ahnt sie nicht, dass dies<br />

das letzte Treffen war. Sie braucht fast<br />

10 Jahre, bis sie den Suizid ihrer Freundin<br />

verarbeiten kann. Heute ist sie Theologin<br />

und hat ein Buch zum Thema geschrieben,<br />

das andere Menschen im Trauerprozess<br />

unterstützen soll.<br />

Sabrina und Angelika studieren zusammen<br />

Theologie und werden einander die beste<br />

Freundin und engste Bezugsperson. Angelika<br />

ist gegen aussen fröhlich, aber innen<br />

traurig. Sie ist mit sich und dem Leben<br />

überfordert, will nicht mehr leben. Eine<br />

der wenigen, die von Angelikas Suizidgedanken<br />

weiss, ist Sabrina.<br />

Unzertrennlich?!<br />

Doch dann geht Sabrina 2006 mit ihrem<br />

Mann auf Hochzeitsreise. Dort verpasst sie<br />

während einer Wanderung am Bryce Canyon<br />

einen Anruf von Angelikas Vater. Nach<br />

etlichen verzweifelten Versuchen, ihn zu<br />

erreichen, knackt es plötzlich in der Leitung.<br />

«Mein Herz begann zu rasen und<br />

meine Hände waren schweissnass. Er teilte<br />

mir mit, dass Angelika tot sei.» Sabrina ist<br />

fassungslos. Denn Angelika versprach ihr<br />

vor der Abreise, sich nicht das Leben zu<br />

nehmen.<br />

In den kommenden Wochen in den USA<br />

fühlt Sabrina nur noch totale Leere. «Ich<br />

quälte mich am Morgen aus dem Bett,<br />

nur um mich durch den Tag zu schleppen<br />

und am Abend wieder wach im Bett zu<br />

liegen und an die Decke zu starren.»<br />

Die Bruchlandung<br />

«Was für die anderen Passagiere ein ruhiger<br />

Flug war, endete für mich als Bruchlandung.»<br />

Zurück in der Schweiz hat Sabrina<br />

keine Lebenskraft mehr. Sie bricht ihr<br />

Theologiestudium ab und meidet alle Orte<br />

und Gegenstände, die sie an ihre engste<br />

Freundin erinnern. Trotzdem wird sie immer<br />

Loslassen<br />

Im August 2016 startet Sabrina einen Blog,<br />

auf dem sie ihre persönliche Geschichte und<br />

Gedanken zum Tabuthema Suizid teilt. Sie<br />

will damit ihr eigenes Schweigen brechen<br />

und andere Hinterbliebene ermutigen, über<br />

ihre Gefühle und Erfahrungen zu sprechen.<br />

2018 erscheint dann ihr Buch «Totsächlich»,<br />

das Trauernden und Menschen in begleitender<br />

Funktion eine wichtige Hilfestellung ist.<br />

Sabrina Müller ist heute die Theologische<br />

Geschäftsführerin des Zentrums für Kirchenentwicklung<br />

und Lehrbeauftragte für<br />

Praktische Theologie an der Universität<br />

Zürich, wo sie einst studierte. Die Universität,<br />

die sie nicht mehr betreten wollte, ist<br />

nun Sabrinas Arbeitsplatz. Und die Gegenstände,<br />

die sie zuvor so gemieden hatte,<br />

stehen in ihrem Wohnzimmer. Sie sieht den<br />

Verlust von Angelika nicht mehr als eine<br />

offene und unheilbare Wunde. Aber: «Eine<br />

Leerstelle wird bleiben, und vielleicht ist das<br />

gut so.»<br />

Mouse-Po godthoughts.ch<br />

<strong>Life</strong> <strong>Channel</strong> <strong>Magazin</strong> | <strong>Januar</strong> <strong>2020</strong> | 15

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