K O L U M N E Thilo Mischke BEGEGNUNGEN ABSEITS <strong>DE</strong>S ALLTÄGLICHEN Er ist 200 Tage im Jahr unterwegs, Jetlag ist bei Korrespondent und Reisereporter Thilo Mischke (TV-Dokureihe „Uncovered“) ein Dauerzustand. Auf seinen Expedi tionen trifft der 38-jährige Berliner immer wieder Menschen, die ihn faszi nieren. Dieses Mal: Sandro, einen Brasilianer, der im Amazonas vom Urwald fürs Leben lernt. Da stehen wir beide auf einem Holzschiff, das sich durch das schwarze Wasser des Rio Negro in Brasilien kämpft, flussaufwärts, langsam zieht die Landschaft an uns vorbei. Eine Landschaft, die Sandro und mir viel bedeutet. Kaimane rutschen träge ins Wasser, Vögel schreien, und Kinder schwimmen hier. Wir fahren durch den Amazonas, durch den Regenwald, suchen für eine Fernsehreportage das Kokain, das hier über die Flussarme geschmuggelt wird. Aber eigentlich interessiert mich diese dumme Droge nicht, die Nasen und Natur zerstört. Ich interessiere mich nur für diesen Wald. Kann nicht aufhören, hineinzublicken in dieses endlose Grün. Ich starre, bis die Augen brennen. Der Amazonas bedeutet mir viel – als Kind in der DDR wollte ich hier immer hin. Ich wusste noch nicht, was Freiheit wirklich ist. Aber unter diesen Bäumen, im Mulch, zwischen Tieren und Pflanzen, da dachte ich, läge diese Freiheit, die ein Mensch braucht. Ich habe so viel über den Urwald gelesen, jedes Buch, das es gab. Jedes Mal, wenn ich im Amazonas bin, wenn ich Früchte probiere, die nicht gut aussehen, aber nach Käsekuchen schmecken, wenn ich mich zusammen mit Indigenen von Ameisen stechen lasse, wenn ich nachts mit Naturschützern durch den Wald robbe, um illegale Goldgräber zu verjagen, fühle ich die Freiheit, die ich als Kind geahnt habe. Sandro ist hier groß geworden. Er ist ein kleiner Mann mit kleinen Händen, einem kleinen Kopf. Würden wir uns umarmen, könnte ich mein Kinn in seinem Haar ablegen. Er besteht hauptsächlich aus Muskeln und funktionaler Kleidung. Sein Blick ist wissend, ein Blick, der giftige Schlangen und Pflanzen erkennt. Er hat von diesem Wald vieles gelernt. Vielleicht sogar alles, was im Leben wichtig ist. Vor allem eins: Wenn der Wald geht, „Der Wald, er hätte mich umbringen können. Aber er hat mich am Leben gelassen.“ Einst erlebte Guide Sandro die Güte der Natur. Heute fürchtet er ihren Zorn darüber, dass wir sie zerstören. ist auch unsere Zeit auf der Erde vorbei. Weil wir dann bewiesen haben, wie egoistisch wir sind. Wie dumm. „Ich bin durch den Amazonas gelaufen, damals in den Acht zigern. Ich bin hier groß geworden. Aber ich wollte die Natur begreifen“, sagt er, als ich ihn frage, wie er diese Natur verstehen konnte. Heute begleitet er ausländische Journalisten in diesen Wald, will ihnen zeigen, was er gelernt hat. Diese Fläche, so groß wie Europa – grün, feucht und tödlich. „Ich habe die Menschen, die mit dem Wald leben, kennengelernt.“ Er meint die Indigenen, die hier noch so leben, als gäbe es keine Handelskriege, keine Umweltverschmutzung. „Sie haben mich aufgenommen“, sagt er, „und mir alles beigebracht.“ Der Wald wird licht, während wir fahren. Obwohl er es hier nicht sein dürfte. Flächen, so groß wie ganze Bundesländer in Deutschland, stehen in Flammen. „Es tut weh, wenn ich das sehe“, sagt er. Der Nachmittag kommt schnell, die Sonne verschwindet, das Licht wird erträglicher. „Das Verrückte ist, dass wir etwas zer stören, was Millionen von Lebensformen beherbergt. Wir zerstören etwas, was Nahrung, Heimat und Geburtsstätte ist. Das ergibt doch keinen Sinn, oder?“ Aber die Welt, sie will Gold, Uran, Drogen, Holz, Essen, sie will Rindfleisch und Kokosöl. Und ich kann es der Welt nicht mal vorwerfen. Wir haben es uns bequem gemacht. Diese Bequemlichkeit aufzu geben wird schwierig. Vielleicht müssten die Menschen der Welt hierherkommen, müssten sich ansehen, was wir zerstören für unseren Luxus. „Einmal, da ging es nur ums Überleben, ich hatte mich verirrt“, erzählt Sandro. „Der Wald, er hätte mich umbringen können, aber er hat mich am Leben gelassen. Mit seinen Früchten, dem frischen Wasser, mit allem.“ Dort habe er gemerkt, wie unbedeutend wir sind. Wir machen alles kaputt, weil wir wissen, dass wir schwach sind. Wir wollen die Natur beherrschen, weil wir ahnen, dass wir gegen sie keine Chance hätten. Sandro schlägt mit den Händen auf die Reling des Schiffes. „Ich konnte noch lernen, weil der Wald existierte, aber jetzt verschwindet er, und die Konsequenzen werden unsere Kinder spüren.“ Weil das Wetter wütend werden wird, weil wir verstehen werden: Nicht nur Tiere und Pflanzen kommen aus diesem Wald, sondern auch der gute Wille der Natur. MICHAEL TERHORST BLAGOVESTA BAKARDJIEVA THILO MISCHKE 20 THE RED BULLETIN
F U N D S T Ü C K 50 Jahre Mondlandung <strong>DE</strong>R GRIFF NACH <strong>DE</strong>N STERNEN Diesen Handschuh trug Neil Armstrong, als er am 20. Juli 1969 als erster Mensch den Mond betrat. Die Smithsonian Institution hat Armstrongs Anzug um eine halbe Million Dollar restaurieren lassen, um der Nachwelt den Glanz des Ereignisses noch einmal vor Augen zu führen. Die berühmteste Funktionswäsche der Welt, Modell A7L, Seriennummer 056, wurde von Hand zusammengenäht und kostete damals 100.000 Dollar. DAN WINTERS, NASA Pionier: US-Astronaut und Apollo-11- Kommandant Neil Armstrong 1969 beim NASA-Foto-Shooting THE RED BULLETIN 21
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