Neue Szene Augsburg 2020-02
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ZOOM
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Auf einem Jahrmarkt ist für alle Generationen und Geschmäcker etwas
geboten, spiegelt sich das auch in eurem Programm wider?
Tom: Auf jeden Fall. Es wird von Theater, über Hip Hop, Gedichten und
Hörspielen bis hin zur Oper alles Mögliche geboten sein. Durch das vielseitige
Programm wollen wir verschiedene Publikums-Gruppen erreichen und
vereinen. Wir hoffen natürlich, dass dadurch ganz spontan das Interesse an
Veranstaltungen geweckt wird, die man zunächst vielleicht gar nicht so auf
dem Schirm hatte.
Das heißt am 14. und 22. Februar ist für alle Spektakel-Zeit im martini-
Park. Gibt es auch Programm-Punkte, die ihr aus den letzten Jahren
übernommen habt?
Tom: Wir haben uns dazu entschieden, fest etablierte Programmpunkte
wie „Die Lange Brechtnacht” und den „Poetry Slam” beizubehalten. Allerdings
wird „Die Lange Brechtnacht” in diesem Jahr erstmals im Kongress
am Park stattfinden. Toll ist, dass Girisha Fernando es geschafft hat, Musik-
Größen wie beispielsweise „The Notwist” und „Fatoni” zu gewinnen.
Das neue Programmheft und auch die Plakate sind übrigens optisch
ein echter Knaller! Ich habe schon ausführlich im Programm geschmökert,
viele Theaterstücke werden nur für das Brechtfestival produziert...
Tom: Wenn man ein Interesse an bestimmten Texten hat, es aber
niemanden gibt, der sich damit beschäftigt, dann muss man eben selbst
produzieren oder eigene Ideen an andere herantragen. Als Kurator kann man
nur aus dem bereits bestehenden Topf schöpfen. Da gibt es dann aber oft nur
die üblichen Verdächtigen wie „Sezuan”, „Die Dreigroschenoper” und „Mutter
Courage”. Wir haben beim diesjährigen Brechtfestival fast zu 90 Prozent
Premieren und auch einige Uraufführungen. Den Großteil von dem, was
stattfinden wird, kann man vorher nirgendwo anders sehen! Nicht einmal
wir. Und das macht es am Ende so spannend und besonders.
„Unser Ziel ist es, eine
Balance zwischen für
Augsburger und von
Augsburgern zu schaffen.”
Wie geht ihr mit der Herausforderung um, ein Brechtfestival ohne
echtes Theaterhaus auf die Beine stellen zu müssen?
Jürgen: Herausforderung würde ich das nicht nennen. Das ist scheiße.
Natürlich wäre es mit einem funktionierenden Theatergebäude viel einfacher,
ein Spektakel zu organisieren. Im martini-Park hat man mit zahlreichen
technischen Einschränkungen zu kämpfen. Das ist wirklich eine Herausforderung
und teilweise auch eine echte Behinderung, auch wenn man das jetzt
Sonderbegabung nennt. Aber das Team des Staatstheaters unterstützt uns in
all unseren Belangen ganz hervorragend.
Eine Sonderbegabung, die das Staatstheater Augsburg aber seit zweieinhalb
Jahren wunderbar meistert! Hattet ihr im Vorfeld denn Kontakt
zu eurem Vorgänger Patrick Wengenroth und konntet euch ein paar
hilfreiche Tipps holen?
Jürgen: Klar haben wir uns mit Patrick getroffen. Er war auch sehr
kollegial, und ich finde es Blödsinn und unanständig, zu versuchen, unsere
Programme gegeneinander auszuspielen. Ich fand sein Programm großartig,
wir machen nur etwas anderes!
Ihr habt vorher erwähnt, dass ihr euch nicht als Qualitäts-Kontrolleure
seht. Ergibt sich daraus eine besondere Neugierde auf bestimmte
Programm-Punkte?
Jürgen: Ich bin auf alle Sachen gespannt! Die Beiträge sind wirklich sehr,
sehr unterschiedlich. Es gibt natürlich Programm-Punkte, bei denen man
sich weniger vorstellen kann, wie es am Schluss sein wird und darauf ist man
dann natürlich ganz besonders neugierig. Das ist zum einen die Schuloper
„Der Jasager”, die vom Gymnasium bei St. Stephan performt wird oder zum
Beispiel Kathrin Angerer und die Kriegsfibel-Songs. Ich hab keine Vorstellung
davon, wie sich das anhören wird, aber ich weiß, Kathrin ist toll, die
Band ist super, das wird kein klassischer Brecht-Liederabend werden und das
finde ich total aufregend.
Neugierig geworden? Mehr Infos findet Ihr unter www.brechtfestival.de.
Das heißt, ihr versteht euch eher als Künstler und nicht als Kuratoren?
Jürgen: Naja, als Kurator fährt man mit dem Einkaufswagen durch den
kulturellen Supermarkt und packt alles, was einem so gefällt, ins Körbchen,
um dann an der Kasse dafür zu bezahlen. Das ist etwas, was mich überhaupt
nicht interessiert! Ich finde es viel spannender, produktive Situationen zu
schaffen, in denen Künstler die Chance haben, etwas Neues zu machen.
Neues, auf das es sich lohnt, neugierig zu sein. Wir mischen uns da auch
nicht als Regisseure oder Qualitäts-Kontrolleure ein, sondern haben Vertrauen,
dass die Leute, die wir angesprochen haben, großartige Künstler sind.
Wir sind auch schon gespannt wie ein Flitzebogen! Welcher Gedanke
steckt denn hinter dem Entschluss, mehr mit dem Staatstheater zusammenzuarbeiten?
Tom: Hinter dem Brechtfestival stehen zwei große Interessen. Zum
einen, dass man interessante Leute nach Augsburg holt und zum anderen,
dass Programmpunkte auch von Augsburg selbst gemacht werden. Unser
Ziel ist es eine Balance zwischen - für Augsburger und von Augsburgern - zu
schaffen.
Jürgen Kuttner und Tom Kühnel
Foto: Fabian Schreyer