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Neue Szene Augsburg 2020-02

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AUGSBÜRGER

Musiker

Farhad Jooyenda Sidiqi

Farhad Sidiqi ist 30, als er aus Angst vor Repressionen

Kabul hinter sich lässt, um über viele Umwege Asyl in Europa

zu suchen. Zu groß ist das Risiko für Musiker, deren Texte sich

- wie seine - an gesellschaftskritischen Themen reiben. Während

ihm Auftragskompositionen, Auftritte und eigene Musik(videos)

zu Popularität und solidem Auskommen verhelfen, wachsen mit

dem Bekanntheitsgrad auch die Probleme. „Die Leute in Afghanistan

hören gerne Musik, aber sie mögen keine freigeistigen

Künstler. Mit Texten, die sich gegen Rassismus und Diskriminierung

wenden und mehr Frauenrechte und persönliche Freiheit

einfordern, bringt man sich und seine Familie in große Gefahr.“

Farhad fängt 2012 in Augsburg bei Null an: in einer Flüchtlingsunterkunft,

ohne Familie und Arbeitserlaubnis, mit der ständigen

Unsicherheit über seinen Aufenthaltsstatus: „Viele sind damals

in ihrer eigenen Welt geblieben. Das war Gift für ihre Zukunft.

Mir ging es schnell darum, meine Kultur mit der neuen in Balance

zu bringen und mir ein Netzwerk als Musiker aufzubauen.“ Die

Aufgeschlossenheit zahlt sich aus. Farhad Sidiqi sucht und findet

im Grandhotel Cosmopolis Lebens-, Arbeits- und bisweilen auch

Schlafraum. Als er im Mai 2012 abgeschoben werden soll, erfährt

er aus dem Kreis seiner neuen Ersatzfamilie gelebte Solidarität.

Eine Online-Petition trägt maßgeblich dazu bei, dass sein Fall

zum Politikum wird und er nach zähem Ringen eine unbefristete

Aufenthaltserlaubnis und eine Arbeitserlaubnis erhält. Inzwischen

verdient der verheiratete Vater einer 14-monatigen Tochter seinen

Lebensunterhalt als selbständiger Sänger/Pianist – solo, im Duo, als

Teil des Quintetts Darifar – und unterrichtet Gesang, Harmonium,

Cajon sowie diverse Percussion-Instrumente. Als Musikpädagoge

bietet er zudem „Drum-Circles“ an und legt dabei ein besonderes

Augenmerk auf jene, die besonderer Förderung bedürfen. Das

Grandhotel Cosmopolis bleibt bis heute sein wichtigster Anker

in der Stadt. Farhad ist Mitgestalter des sozialen Experiments und

bereichert es durch seinen kulturellen Einfluss. Die Grandhotel-

Familie feiert fortan afghanisches Neujahrsfest und erlebt gemeinsam

die persische Yalda-Nacht, die „längste Nacht des Jahres“. Er

bringt sich in die Organisation des interkulturellen Drachenfests

ein, leitet Stadtführungen von Geflüchteten für Geflüchtete und

jobbt im Kulturcafé Neruda. Man könnte meinen, „Jooyenda“

(„der Suchende“), wie Farhad Sidiqi mit Künstlernamen heißt, ist

in Augsburg fündig geworden.

(Text & Foto: Fabian Schreyer)

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