Neue Szene Augsburg 2020-02
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GERILLTES
THE PROPER ORNAMENTS
Mission Bells
(Tapete Records/Indigo)
Ihr famoses Album „Six Lenins”, das
letztes Jahr auf Tapete Records erschien,
klingt immer noch in meinen
Ohren. Bereits neun Monate später
treiben mich die Briten nach dem ersten
Durchlauf von einem Deja-Vu-Trip
zum nächsten. Während der Vorgänger
noch als kompakter Gitarren-Pop aus
England durchgegangen wäre, ist das
Nachfolgewerk wesentlich komplexer
angelegt. Zwischen sprödem Pop, waberndem
Psychedelic und einzelnen
Krautrock-Fetzen bahnt sich „Mission
Bells” seinen Weg durch die Rillen.
Hier schlummert der Geist von Acts wie
Spiritualized, Velvet Underground oder
Neu. Alles in einem feinen 90er-Jahre-
Fond serviert. „Mission Bells” muss man
entdecken. (ws)
TAME IMPALA
The Slow Rush
(Caroline)
Wenn Kevin Parker „you’re not as young
as you used to be” ins Mikro näselt,
stoßen wir inhaltlich kaum auf neue
Erkenntnisse, doch angetrieben von der
Rolltreppendynamik unaufhaltbaren
Grooves gelingt dennoch der Absprung
in Höhenlagen – mit der Macht der
Nostalgie. Fast fünf Jahre ohne neues
Studiomaterial ließen die Impala-Herde
bereits nervös mit den Hufen scharren,
doch der König der psychedelischen
Soundsteppe weiß sich kraft neuer
Single überzeugend ‚Patience‘ zu verschaffen.
Mit der Zentrifugalkraft
vergangener Disco-Klassiker rotiert
‚The Slow Rush‘ sonnenstichig durch
Synthiesandwüsten - eine hypnotisch
heitere Lichtquelle für attraktive Oberflächenbräunungen.
(ah)
2RAUMWOHNUNG
20 Jahre 2Raumwohnung
(It Sounds/Rough Trade)
Kaum zu fassen, aber zwei Jahrzehnte
sind Inga Humpe und Tommi Eckart
nun schon 2Raumwohnung und damit
mit die wichtigsten Protagonisten des
deutschsprachigen Elektropops - wenn
nicht sogar das Aushängeschild dieses
Genres. Nun blickt das gemischte
Doppel mit einer Werkschau auf die
Erfolge der letzten beiden Dekaden zurück.
Neben Hits wie „Ich und Elaine“,
„Wir werden sehen“, „2 von Millionen
von Sternen“ oder „36 Grad“ enthält
das Album auch zwei neue Songs und
liefert besonders mit „Das ist nicht das
Ende Baby” eine Synthi-Pop Hymne
ab, durch die schon ab dem ersten Takt
sämtliche Erinnerungen der Jahrtausendwende
im Kopf explodieren. Schön
ist das! (max)
SONS OF APOLLO
MMXX
(Insideout Music)
Wie der Name schon vermuten lässt,
stehen die Sons of Apollo unter der
Schutzherrschaft des griechischen
Gottes der Künste. Zentnerschwere
Hardrock-Bodenhaftung mischt sich
mit progressivem Olympstreben et
voilà: Der leistungsstarke Motor eines
echten Heldenepos‘ ist geboren. Das
zweite Abenteuer der Supergroup
bringt mit Schnellzündern wie ‚Wither
to black‘ und ‚Goodbye Divinity‘ einige
„Höher, schneller, weiter”-Hymnen in
Anschlag – doch auch eine klavierverspielte
Ballade wie ‚Desolate July‘
schwingt sich mit Pelikanflügeln überzeugend
zum Hammondorgelhimmel
auf. Wer hätte weniger erwartet von
jener mythischen Chimärkreatur mit
ihren beiden unverkennbaren Dream
Theater-Köpfen? (ah)
ALBUM DES MONATS
LIEBLINGS MUSIK
Toundra
Das Cabinet des Dr. Caligari
(Insideout Music)
Ein expressionistischer Filmklassiker aus Deutschland und eine aufstrebende Post-Rock-Formation aus Spaniens
Hauptstadt – Kunst bringt zusammen, was durch gut anderthalbtausend Kilometer und ein rundes
Jahrhundert bislang getrennt war. Den düsteren Tonlagen von Robert Wienes ‚Das Cabinet des Dr. Caligari‘
mit seinen Pappkulissen voller künstlicher Schatten stellen Toundra mithilfe ihrer altbewährten Gitarren,
aber auch Synthesizern und Klavierpassagen ein Musikspiel der besonderen Art zur Seite. Über monumentale
siebzig Minuten hinweg begleitet uns das Echo eines filigranen Motivs, das sich mit hypnotischer Unfehlbarkeit
immer wieder aus dem Untergrund hervorspielt und Anfang und Ende des Albums zu einem
Möbiusknoten verschlingt. Zwischenzeitlich arbeiten Saiten und Drums mit vereinten Kräften daran, die
Spannung in die Ecken enger Gassen und schiefer Räume zu treiben, doch kein explosiver Ausbruch, kein
brachialer Riffritt bricht uns diesmal den Weg hinaus in die Freiheit. Dem aggressiv um sich greifenden
Wahnsinn eines Tyrannen wie Dr. Caligari stellen Toundra die leisen, eindringlichen Töne gegenüber. In
Zeiten der Brüllkultur wird daraus ein Plädoyer: Für die Macht einer neuen Sensibilität. (ah)
KVELERTAK
SPLID
(RISE RECORDS)
„Classic Rock, Punk,
und ein Schluck pure
Heavy Metal-Energie – mit
diesem norwegischen
Hausmittel wachsen Bärte
bis zum Boden.” (ah)
CASSIA
SMALL SPACES
(DISTILLER RECORDS LLP)
„Das hat schon letztes Jahr
funktioniert. Weg mit Grau
und Vitamin-D-Mangel.
Das Trio aus Manchester
ersetzt Pillen, Sonnenbank
und das in nur 4 Minuten.”
(cs)
HOTEL HOTEL
HEAVEN`S WILL
(APOLLON RECORDS / THE
ORCHARD)
„Larmoyanter Folk-
Slowcore aus Norwegen
treibt selbst robustesten
Holzfällern das Fjordwasser
in die Augen.” (max)
DIVES
TEENAGE YEARS
ARE OVER
(SILUH/CARGO)
„Wunderbarer Surf-
Garage-Pop aus Wien.
Serviert von drei Damen
mit Engelsstimmen. Am
05.02. live in der Soho
Stage!“ (ws)