Taxi Times Berlin - November / Dezember 2019
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
ANTRIEB<br />
Unterflur-Wechselmechanik<br />
Batteriewechselstation mit BAIC EU 220<br />
Bernd Stumpf, Projektleiter<br />
ENERGIEWENDE GANZ EINFACH<br />
MIT BATTERIEWECHSEL<br />
An jedem besseren Akku-Schrauber kann man den leeren Akku durch<br />
einen geladenen austauschen und so ohne Ladepause weiterarbeiten.<br />
Warum soll das nicht mit Elektroautos gehen? Es geht!<br />
FOTOS: Wilfried Hochfeld, Axel Rühle / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
In zahlreichen Städten sind einige<br />
tausend Elektrotaxis mit Wechselbatterien<br />
im Einsatz, die nach Gebrauch<br />
an automatischen Ladestationen in rund<br />
drei Minuten gegen volle ausgetauscht<br />
werden können. Hört sich phantastisch an<br />
und würde in Deutschland alle Probleme<br />
lösen, die das hiesige <strong>Taxi</strong>gewerbe noch mit<br />
der Elektromobilität hat. Leider muss man<br />
noch die weite Reise nach China antreten,<br />
um das System live im alltäglichen Einsatz<br />
zu erleben.<br />
Eine Demonstrationsanlage, also eine<br />
Batteriewechselstation mit einem passenden<br />
Auto, steht in <strong>Berlin</strong> am Westhafen.<br />
Dafür hat die INFRAMobility-Dianba<br />
GmbH <strong>Berlin</strong> gesorgt, ein deutsch-chinesisches<br />
Joint Venture, das sich bemüht, die<br />
Technologie für deutsche Firmen und Fuhrparks<br />
interessant zu machen. Projektleiter<br />
für diese Batteriewechselstation (BWS) ist<br />
der <strong>Taxi</strong>unternehmer Bernd Stumpf.<br />
Wie funktioniert die Sache? Die BWS<br />
steckt in einem Container, in dessen Mitte<br />
das Auto über Rampen ein- und ausfahren<br />
kann. Es wird mit Schienen und Rollen in<br />
die richtige Position geleitet. Seitlich fährt<br />
ein Roboterarm aus dem geschlossenen Teil<br />
des Containers, entnimmt die Batterie nach<br />
unten aus dem Auto und fährt sie zurück<br />
in die Ladestation. Anschließend wird auf<br />
dem gleichen Weg eine neue Batterie in das<br />
Auto befördert.<br />
Das Ganze geschieht automatisch auf<br />
Knopfdruck und dauert drei Minuten. Die<br />
Steuerung befindet sich in einem kleinen<br />
Büro im gläsernen Teil des Containers. Bei<br />
dem dazugehörigen Auto handelt es sich<br />
um einen BAIC EU 220 aus chinesischer<br />
Produktion. Den kann man hier weder kaufen<br />
noch zulassen. In China fährt er seit<br />
sechzehn Jahren als Standard-<strong>Taxi</strong>, eine<br />
schlichte Limousine mit Kunstledersitzen.<br />
Die BWS mit ihrer Kapazität von 28<br />
Akkus kann etwa 100 <strong>Taxi</strong>s im Mehrschichtbetrieb<br />
permanent versorgen. Durch<br />
die Trennung des Mobilitätsvorgangs<br />
vom Ladevorgang kann die Wiederaufladung<br />
des Akkus langsam und schonend<br />
erfolgen. Das erhöht seine Lebensdauer<br />
auf bis zu zwölf Jahre und entlastet das<br />
Netz. Die ankommenden Wechselbatterien<br />
werden nach jedem Wechsel geprüft und<br />
nur bei voller Funktionsfähigkeit wieder<br />
verwendet.<br />
INFRAMobility-Dianba strebt mittelfristig<br />
den Aufbau eines BWS-basierten<br />
<strong>Taxi</strong>betriebs in <strong>Berlin</strong> mit rund 70 Stationen<br />
für eine weitgehende Elektrifizierung<br />
des <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>verkehrs in acht<br />
Jahren an – und weitere technische Entwicklung<br />
für ein intelligentes Energie-<br />
System (Smart Grid).<br />
Das klingt sehr ambitioniert, ist der<br />
Verwirklichung aber näher als manches<br />
Milliarden-Projekt, das aktuell von Politikern<br />
und Wissenschaftlern auf den Weg<br />
gebracht wird. Das BWS-System braucht<br />
nur altbekannte und bewährte Komponenten.<br />
Da muss nichts erst erforscht und<br />
entwickelt werden und keine teuren Ladepunkte<br />
müssen massenhaft in der Gegend<br />
verteilt werden.<br />
Es klingt insgesamt preiswert. Mit wenigen<br />
Ladestationen, die keine große Zusatzbelastung<br />
für das Stromnetz bringen, lassen<br />
sich viele Autos versorgen. Und wenn<br />
es stimmt, dass das teuerste an einem Elektroauto<br />
der Akku ist, dürfte auch das recht<br />
preiswert ausfallen, denn der Akku gehört<br />
dem BWS-Betreiber. Nur die Nutzung und<br />
den Strom bezahlt der <strong>Taxi</strong>unternehmer.<br />
Im nächsten Frühjahr ist eine Veranstaltung<br />
geplant, bei der das Projekt interessierten<br />
<strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>unternehmern vorgestellt<br />
werden soll. Vielleicht haben bis<br />
dahin Gespräche mit deutschen Autoherstellern<br />
bereits konkrete Früchte getragen,<br />
die das Vorhaben ein bisschen weniger chinesisch<br />
erscheinen lassen. Ein deutsches<br />
Elektroauto mit Batteriewechselrahmen<br />
sollte möglich sein. Wir werden rechtzeitig<br />
berichten. <br />
wh<br />
TAXI NOVEMBER/DEZEMBER <strong>2019</strong><br />
25