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Taxi Times Berlin - November / Dezember 2019

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INKLUSION<br />

INKLUSIONS-<br />

FÖRDERUNG<br />

JETZT<br />

ABGREIFEN!<br />

Ford Tourneo Custom: Der inklusionsfähige Neunsitzer ist neuerdings<br />

auch als Plug-in-Hybrid erhältlich.<br />

Der Senat hat vorgelegt: volle Förderung für die Fahrzeugumrüstung<br />

und fünf Euro Zuschlag vom Rollifahrer im Großraumwagen. Jetzt ist<br />

das Gewerbe am Zug. Hier sind Informationen und ein Leitfaden.<br />

Dienstleistungsmentalität kann<br />

man nicht verordnen. Wem der<br />

Aufwand zu groß ist, Menschen<br />

im Rollstuhl im <strong>Taxi</strong> mitzunehmen, ist in<br />

unserer Branche falsch, denn sie ist ein<br />

Dienstleistungsgewerbe, und <strong>Taxi</strong>fahrer<br />

sind dem bestmöglichen Service verpflichtet.<br />

In Dienstleistungsberufen ist Empathie<br />

eine Voraussetzung. Vielen ist aber nicht<br />

bewusst, welche Hürden einer spontanen<br />

Mobilität gehbehinderter Menschen im<br />

Wege stehen.<br />

Fahrgäste mit körperlicher Behinderung<br />

können ein Lied davon singen, wie schwer<br />

es mit den vielen Barrieren ist, die der Alltag<br />

einem in den Weg stellt. Als Isa M. im<br />

vergangenen Sommer mit ihrem Rollstuhl<br />

auf einer Feier zu Gast war, hatte sie zur<br />

Abholung den Sonderfahrdienst zu 21 Uhr<br />

vorbestellt. Da dieser nicht kam, bedurfte<br />

es etlicher Telefonate, bis sie schließlich<br />

über zwei Stunden später abgeholt wurde<br />

und endlich nach Hause kam.<br />

Menschen wie Isa M. sind es gewohnt,<br />

Ausflüge – aber auch alltägliche Fahrten<br />

von A nach B – unerhört akribisch zu planen<br />

und dafür Recherchen anzustellen, die<br />

sich andere kaum vorstellen können. Ihre<br />

behindertengerechte Wohnung liegt nahe<br />

einer barrierefreien Buslinie zum Bahnhof<br />

Zoo. Als sie kürzlich Weimar besuchen<br />

wollte, stellte sie bei ihrer Planung fest,<br />

dass am Zoo der Aufzug zum Regionalbahnsteig<br />

außer Betrieb war und nur der<br />

zur S-Bahn funktionierte. So musste sie<br />

vom Zoo aus mit der S-Bahn nach Wannsee<br />

fahren, um dort in die Regionalbahn<br />

zu steigen, was im Voraus mit dem Bahnpersonal<br />

zu vereinbaren ist. Nun war in<br />

Wannsee der Aufzug von der S-Bahn nach<br />

unten gestört, so dass sie zum Erreichen<br />

des Nachbarbahnsteigs mit der nächsten<br />

S-Bahn zum Bahnhof Griebnitzsee fahren<br />

musste, wo alle Aufzüge funktionierten,<br />

und von dort mit einem Regionalzug<br />

zurück nach Wannsee.<br />

Solche Erlebnisse sind der normale<br />

Wahnsinn, dem behinderte Menschen ausgesetzt<br />

sind und der ihnen ihre Zeit und<br />

damit viel Lebensqualität raubt. „Solange<br />

ich es dabei mit freundlichen und hilfsbereiten<br />

Menschen zu tun habe, geht es alles<br />

noch“, so Isa M. Deshalb freue sie sich über<br />

<strong>Taxi</strong>fahrer, die bereit sind, selbst ein paar<br />

Minuten zu opfern, um ihr eine Dreiviertelstunde<br />

Zeitaufwand zu ersparen.<br />

Nachdem der Umbau oder die Anschaffung<br />

eines Inklusionstaxis bereits voll<br />

gefördert wird, ist der Senat jetzt dem<br />

Gewerbe beim neuen Tarif noch einen<br />

Schritt entgegengekommen: 1. Für die<br />

Mitnahme von Gegenständen, die ein<br />

Großraumtaxi erfordern, werden 5,– Euro<br />

Zuschlag genommen. 2. Rollstühle sind<br />

kostenlos zu befördern, soweit es die Bauart<br />

des Fahrzeugs zulässt. Durch eine<br />

Ergänzung, dass der erste Satz vom zweiten<br />

„unberührt bleibt“, wird der Widerspruch<br />

aber aufgelöst. Unter dem Strich ist<br />

das die Einführung eines Rolli-Zuschlags,<br />

aufgrund der gesetzlich verankerten Tarifpflicht<br />

für alle verbindlich. Das Gewerbe<br />

war von der Forderung eines solchen<br />

Zuschlages – trotz der Überzeugung, er<br />

sei notwendig – letztlich abgerückt, um<br />

sich nicht dem Vorwurf der Diskriminierung<br />

auszusetzen. Jetzt hat der Senat den<br />

Zuschlag verordnet.<br />

Dazu Isa M.: „Wenn wir als Behinderte<br />

einen Zuschlag bezahlen müssen, ist es<br />

mit der Inklusion doch gleich dahin. Wir<br />

können doch nichts dafür, dass wir es<br />

schwerer haben. Warum sollen wir denn<br />

mehr bezahlen als jeder andere?“ Da sie<br />

aber auch den Mehraufwand für das <strong>Taxi</strong>personal<br />

nachvollziehen kann, schlägt sie<br />

zwei Lösungen vor: Entweder, der Senat<br />

trägt den Mehraufwand im Rahmen der<br />

Daseinsvorsorge, indem er den Zuschlag<br />

bezahlt, oder er betreibt den Fuhrpark für<br />

Behindertenfahrten in Eigenregie. Dann<br />

würde das Geschäft dem <strong>Taxi</strong>gewerbe entgehen,<br />

aber: „Wer nicht will, der hat schon.“<br />

Die Verordnung ist nicht der Weisheit<br />

letzter Schluss, sollte den skeptischen <strong>Taxi</strong>unternehmern<br />

aber jetzt letzte Zweifel nehmen<br />

und sie ermutigen, den Förderantrag<br />

zu stellen und sich ein geeignetes Fahrzeug<br />

zu kaufen oder ihres umzurüsten.<br />

UMBAU ODER<br />

KOMPLETTANGEBOT?<br />

Noch bis Ende 2021 können 250 Fahrzeuge<br />

mit jeweils bis zu 15.000 Euro netto<br />

für den barrierefreien Umbau gefördert<br />

werden. Sollten Sie die Förderung nur<br />

deshalb noch nicht beantragt haben, weil<br />

Sie nicht genau wissen, welches Fahrzeug<br />

und welcher Umbau sich eignet, zeigen wir<br />

Ihnen hier Möglichkeiten und erleichtern<br />

Ihnen damit Ihre Entscheidung.<br />

Bereits 2018 stellte <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong> Ihnen die<br />

Förderrichtlinie für das Inklusionstaxi in<br />

<strong>Berlin</strong> vor und gab grundsätzliche Tipps zu<br />

FOTO: ford.de<br />

28 NOVEMBER/DEZEMBER <strong>2019</strong> TAXI

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