Taxi Times Berlin - November / Dezember 2019
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ANTRIEB<br />
Wasserstoffplenum im alten Speicher<br />
Ministerriege beim Wasserstoffkongress<br />
WASSERSTOFF – DER<br />
KRAFTSTOFF DER ZUKUNFT<br />
Die Bundesregierung will in den kommenden Jahren 3,5 Milliarden<br />
Euro in die Brennstoffzellen-Technologie stecken. Wasserstoff wird<br />
als Meilenstein auf dem Weg zur Energiewende gefeiert.<br />
Rund 700 Fachleute aus Wirtschaft,<br />
Verwaltung und Forschung waren<br />
zu der „Stakeholder-Konferenz zur<br />
nationalen Wasserstoffstrategie“ in einem<br />
modernisierten Speicherhaus am <strong>Berlin</strong>er<br />
Westhafen zusammengekommen. Auf dem<br />
Eröffnungspodium saßen nicht weniger<br />
als drei leibhaftige Bundesminister und<br />
ein Staatssekretär, dessen Chefin gerade<br />
im Ausland weilte. Zusammen waren sie<br />
zuversichtlich, dass der „Aktionsplan Wasserstoff“<br />
noch vor Weihnachten verabschiedet<br />
wird. Die geballte Kompetenz in Sachen<br />
Wasserstoffherstellung und Anwendung<br />
konnte sich auf den Geldsegen freuen, der<br />
jetzt auf ihr Fachgebiet niedergehen wird.<br />
Die Bundesregierung sieht eine realistische<br />
Chance für die deutsche Industrie,<br />
eine Vormachtstellung zu erreichen. Hier<br />
sind, anders als in der batterieelektrischen<br />
Mobilität, die Claims noch nicht vergeben.<br />
Außerdem ist der Wasserstoff geeignet, bei<br />
der Erreichung der Klimaziele 2030 zu helfen.<br />
Im Unterschied zum Klimaziel 2020,<br />
welches klar verfehlt wird, sind die Zahlen<br />
für 2030 verbindlich festgeschrieben.<br />
Bei Nichterreichen drohen empfindliche<br />
Strafen. Es muss also etwas geschehen.<br />
Für die batterieelektrische Variante hat<br />
das Bundeskabinett gerade die Förderung<br />
für Fahrzeuge und Ladestationen erhöht.<br />
Die Verbraucher finden Klimaschutz zwar<br />
mehrheitlich toll, wollen aber nicht auf die<br />
gewohnten Eigenschaften ihres eigenen<br />
Autos verzichten und boykottieren weitgehend<br />
die Elektroautos, die das noch nicht<br />
können.<br />
Abhilfe schaffen könnten Brennstoffzellenautos.<br />
Sie fahren wirklich emissionsfrei<br />
und müssen nicht langwierig geladen<br />
werden. Sie tanken Wasserstoff und produzieren<br />
ihren Fahrstrom daraus selbst.<br />
Ihre Reichweite ist nur von der Größe des<br />
Wasserstofftanks begrenzt.<br />
Im Prinzip sind dabei alle technischen<br />
Vorgänge bekannt. Aber frei nach Radio<br />
Eriwan steckt die Tücke noch in vielen<br />
Details. Der zurzeit verfügbare Wasserstoff<br />
wird in einem energiefressenden<br />
Abscheidungsverfahren aus fossilem<br />
Erdgas gemacht.. Dies wird „schwarzer“<br />
Wasserstoff genannt, wenn das fossile CO 2<br />
einfach in die Atmosphäre entlassen wird.<br />
„Blau“ wird der Wasserstoff, wenn man das<br />
unerwünschte Nebenprodukt irgendwo klimaneutral<br />
wegdrücken oder anderweitig<br />
nutzen kann.<br />
Strom aus Wind, Sonne und Wasserkraft<br />
fällt bekanntlich auch in Zeiten an,<br />
in denen er keine Abnehmer findet. Er wird<br />
dann verschenkt, bzw. abgeschaltet. Würde<br />
man ihn zur Elektrolyse von Wasser einsetzen,<br />
bekäme man „grünen“ Wasserstoff<br />
– die echte Lösung.<br />
Wie das alles geht, ist bekannt. Anlagen<br />
mit nennenswerter Kapazität gibt es nicht.<br />
Wirtschaftlich ist bisher nichts davon. Jede<br />
Umwandlung von einem Energieträger in<br />
einen anderen (Erdgas/Methan zu Wasserstoff,<br />
Strom zu Wasserstoff und umgekehrt)<br />
kostet ihrerseits Energie und macht das<br />
Produkt teurer. Die Verteilung des Wasserstoffs<br />
ist ungeklärt. Die Betankung von<br />
Wasserstoffautos war anfangs nur geschultem<br />
Personal gestattet. Inzwischen reicht<br />
eine einmalige Einweisung, die Toyota z. B.<br />
seinen Mirai-Kunden gewährt.<br />
Mit 3,5 Milliarden Euro kann man eine<br />
Menge Probleme lösen. Was können wir<br />
als <strong>Taxi</strong>gewerbe dazu beitragen? Es gibt ja<br />
schon ein Brennstoffzellenauto zu kaufen,<br />
mit dem man durchaus <strong>Taxi</strong> fahren könnte.<br />
Mit zehn Mirai-Taxen wäre ein Feldversuch<br />
über die Praxistauglichkeit für die gewerbliche<br />
Nutzung der Wasserstofftechnologie<br />
gewissermaßen als Härtetest denkbar.<br />
Bei einem Stückpreis von 80.000 Euro<br />
würde das 800.000 Euro kosten. Mit den<br />
zehn viel fahrenden Autos könnte man<br />
womöglich die zwei <strong>Berlin</strong>er Wasserstofftankstellen<br />
der Wirtschaftlichkeit näher<br />
bringen. Eine knappe Million von 3,5 Mrd.<br />
Euro sind ein Klacks.<br />
Und es müssten nicht einmal Toyotas<br />
sein. Die Milliarden sollen schließlich die<br />
heimische Industrie befördern. Deutsche<br />
Hersteller haben längst eigene Brennstoffzellenautos<br />
in Betrieb. Sie bräuchten uns<br />
nur ein knappes Dutzend davon überlassen.<br />
Sogar einhundert Umwelttaxis hat ein<br />
<strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>unternehmer vor Jahren schon<br />
auf einen Schlag gekauft, ganz ohne staatliche<br />
Förderung. Die fuhren mit CNG (Erdgas/Methan),<br />
damals das umweltfreundlichste,<br />
was man kriegen konnte. wh<br />
FOTOS: Wilfried Hochfeld / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
26 NOVEMBER/DEZEMBER <strong>2019</strong> TAXI