The Jaguar NR 06/2019 – DE
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DESIGN
Unten: Sagmeister mit Jaguar
Designdirektor Ian Callum bei
der neuen Sagmeister-
Ausstellung Beauty
Haus der Familie überall geschnitzte Holztafeln gab, auf denen
weise Worte in Blattgold eingraviert waren. „Vieles der Weisheit
dieser Welt ist sehr alt“, sagt er. „Das Beste, was ich mir erhoffen
kann, ist, einen Weg zu finden, etwas so auszudrücken, wie
es zuvor nicht gesagt wurde, damit es wieder bemerkt wird.“
Walsh kam 2010 zum Studio hinzu und wurde zwei Jahre
später im Alter von 25 Jahren Partner im umbenannten
Sagmeister & Walsh. Das neue Unternehmen wurde von den
Partnern mit einem weiteren Nacktbild angekündigt, um zu
schockieren und zu begeistern. Das Duo hat ein Gespür dafür,
persönliche Arbeit in sein Design für Kunden zu integrieren.
Seine Werbung für die Modemarke Milly
mit Schwerpunkt auf Haut, Körper und
Transformation spiegelt die farbenreiche
Substanz seiner Poster Take It On für die
School of Visual Arts wider. Doch auch
wenn sie zurückhaltender sein müssen,
wie im Identitätsdesign für das Jüdische
Museum in New York, sind sie ebenso
effektiv.
Das nächste große, selbst initiierte
Projekt von Sagmeister nahm das Thema
Glück auf. The Happy Show war in Museen
in den USA und Europa zu sehen. Der ursprünglich zusammen
mit dem begabten Designer und Regisseur Hillman Curtis
produzierte The Happy Film steht in der Tradition von Filmen
wie Super Size Me, jedoch mit zusätzlichem grafischem Flair.
Als Designprojekt „entwirft“ Sagmeister „seine Persönlichkeit
neu“. Er wird zum Versuchskaninchen und versucht, mit
Meditation, Therapie und Medikamenten glücklicher zu sein, mit
gemischten Ergebnissen.
„The Happy Film war produktionstechnisch ein Albtraum“,
gibt Sagmeister zu. „Als wir damit begannen, ging es mir
supergut. Aber ein halbes Jahr später trennte ich mich nach 11
Jahren von meiner Freundin. Nach einem Jahr starb meine
Mutter. Und nach dreieinhalb Jahren starb Curtis an Krebs.“
Sagmeister vollendete schließlich den Film und das Ergebnis
ist abwechselnd lustig, peinlich und schmerzhaft ehrlich.
„ SIE WURDEN
GENERVT
UND DAZU
VERFÜHRT,
ÜBER SCHÖNHEIT
NACHZUDENKEN“
Er schwört jedoch, nie wieder einen Film zu produzieren.
„Es war sehr schwierig und ich konnte es nicht gut“, sagt er.
„Design ist nicht das Gleiche wie Filmemachen.“
Er besteht auch darauf, dass er kein Künstler ist. In einem
öffentlichen Gespräch im MAK mit dem Designdirektor von
Jaguar Ian Callum zitierte Sagmeister die Definition von
Donald Judds: „Design muss funktionieren, Kunst nicht!“ Man
kann dem Persönlichen – seinem Körper, seinem Leben – im
Werk von Sagmeister jedoch nicht ausweichen. Das macht
seine Konferenzgespräche – wie visuelle Stand-ups – so
überzeugend. „Ich probiere viele Dinge aus, um zu sehen, wie
sie mit einem Publikum funktionieren. Es
ist wie ein Prototyping-Medium“, sagt er.
Doch trotz seines Erzähltalents steht er
der beliebten Behauptung, dass Design
Geschichten erzählen soll, höchst
skeptisch gegenüber. Er sagte einmal:
„Die Leute in unserem Umfeld [Design]
nahmen die Rolle des Schwachsinns an.
Jetzt ist jeder ein Geschichtenerzähler.“
Beauty ist zwar eine spektakuläre
und polemische Ausstellung, eher aber
ein Gespräch als eine Geschichte. Bis Sie
sie verlassen, wurden Sie genervt, bedrängt und dazu
verführt, über die Bedeutung von „Schönheit“
nachzudenken, ob sie im Schwanz eines Pfauen zu sehen ist,
das Deckenmuster des Museums ist, ein Kronleuchter aus
Abfallstoffen oder ein Fahrzeug – das Buch der Ausstellung
enthält das Foto eines Jaguar E, den Enzo Ferrari als
schönstes Auto aller Zeiten bezeichnet. Schönheit, erklärt
Sagmeister, liegt nicht nur im Auge des Betrachters.
Und die Ausstellung ist wie der Mann selbst: Stefan
Sagmeister zu begegnen, heißt, in eine Welt gezogen zu
werden, die intensiver, visuell fokussierter, lustiger als der
Alltag ist.
Die Ausstellung „Beauty“, die im Wiener MAK begann, wird jetzt bis zum
15. September 2019 in Frankfurt fortgesetzt, weitere Orte folgen.
FOTOS: SAGMEISTER & WALSH (3); JAGUAR LAND ROVER; ALEXANDER SEGER
22 THE JAGUAR