Griaß di' Magazin Frühjahr/Sommer 2020
Das Magazin für Memmingen/Unterallgäu und Württembergisches Illertal
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.............................................................................................................................................. <strong>Griaß</strong> di , WALDBADEN | 5 .............................................................................................................................................<br />
©Martin Nagel - stock.adobe.com<br />
Abschalten<br />
zwischen Bäumen<br />
Mit dem Duft von Fichtennadeln an meinen Fingern gehe ich vorsichtig<br />
hinter Rosa Maria Reuther über den weichen, unebenen Boden. Bis auf<br />
das Rascheln und Knacken unter meinen Füßen ist es still. Ein paar<br />
Stunden zwischen den Bäumen fühlen sich an, als wäre die Zeit stehen<br />
geblieben. Warum Waldbaden mehr ist als nur ein neuer Trend.<br />
............................................................................. Text von Jana Pfeiffer, Fotos: Jana Pfeiffer<br />
Heutzutage geht es bei vielen Trends darum, den stressigen Alltag zu<br />
entschleunigen: ob Yoga, Detox oder Handy-Fasten. Aber das Einfachste,<br />
um abzuschalten von der immer hektischer werdenden Welt, ist, bewusst<br />
in die Natur zu gehen. Seit einiger Zeit ist das „Waldbaden“ zum<br />
einem Trend avanciert, der aus Japan zu uns herübergeschwappt ist.<br />
„Shinrin Yoku“, nennt man es dort, was so viel bedeutet wie: „Baden in<br />
der Waldluft“. Natürlich braucht man einem einfachen Spaziergang im<br />
Forst keinen neumodischen Namen geben, damit er erholsam wird. Aber<br />
es ist sehr spannend, den Naturraum Wald mit Unterstützung einmal<br />
ganz bewusst und mit allen Sinnen zu erleben.<br />
Ich treffe mich mit Rosa Maria Reuther an der Umweltstation Legau. Die<br />
Lautracherin bietet seit einiger Zeit als Naturtherapeutin Exist Kurse im<br />
Waldbaden an. Wir fahren ein Stück mit dem Auto, bis in ein kleines<br />
Waldstück an der Iller. Reuther ist Gartenbau-Lehrerin und arbeitete<br />
zuvor als Gärtnerin im Berufszweig Baumschule. Heute ist sie im Lindengarten<br />
in Legau tätig. Der Lindengarten ist eine sozialtherapeutische<br />
Einrichtung mit Jugendhilfe und Wohngruppen für Erwachsene mit Hilfebedarf.<br />
Auch mit ihrer Gruppe dort geht sie wöchentlich in den Wald<br />
und merkt, dass diese Zeit vielen sehr guttut. Verirrt hat sich auch bei<br />
den Streifzügen im Alleingang noch niemand. „Es geht darum, Vertrauen<br />
zu haben und zu vermitteln“, betont Reuther.<br />
Jeder Waldbesuch bringt neue Entdeckungen mit sich. In der Nacht zuvor<br />
muss hier ein Biber am Werk gewesen sein.<br />
Im Wald hilft mir Reuther meine Umgebung mit all meinen Sinnen bewusst<br />
und intensiv wahrzunehmen. Den Boden, der für meine Füße so<br />
viel angenehmer ist, als die betonierte Zufahrtsstraße. Die Baumwipfel<br />
hoch über unseren Köpfen. Die kleinen Details wie pechschwarzes, totes<br />
Holz, über dem die Rinde abblättert, holzige Pilze oder saftig grünes<br />
Moos. Am Ufer der Iller finden wir einen angenagten Baum. „Das ist<br />
noch ganz frisch. Der Biber muss heute Nacht hier am Werk gewesen<br />
sein“, bemerkt Reuther. Reiher und Schwäne sind kleine weiße Flecken<br />
auf dem breiten Fluss, der hier eher wirkt wie ein See. Von einer ausgeblichenen<br />
roten Bank haben wir eine wunderbare Aussicht. „Das ist<br />
für mich wie Kanada. Ich muss gar nicht weit weg in den Urlaub fahren.“