Der Mittelstand. Das Unternehmermagazin - 02/2020 | April / Mai 2020 - Bedrohter Handel
Schwerpunkt: Außenwirtschaft
Schwerpunkt: Außenwirtschaft
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2/2<strong>02</strong>0 | <strong>April</strong> / <strong>Mai</strong> 2<strong>02</strong>0 | 4,90 Euro<br />
Schwerpunkt: Außenwirtschaft<br />
<strong>Bedrohter</strong> <strong>Handel</strong><br />
Coronavirus-Pandemie: Wo Unternehmen<br />
jetzt Hilfe bekommen<br />
S. 8<br />
Umfrage: <strong>Mittelstand</strong> erwartet<br />
massive Umsatzeinbußen<br />
S. 16
300.<br />
000<br />
x<br />
Vertrauen<br />
Mit uns können Sie rechnen: Denn 300.000<br />
Geschäfts- und Firmenkunden finden bei<br />
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an der Unternehmensgröße festmacht.<br />
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DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
3<br />
<strong>Der</strong> BVMW –<br />
verlässlich an Ihrer Seite<br />
Mario Ohoven<br />
Präsident Bundesverband mittelständische<br />
Wirtschaft (BVMW) und Europäischer<br />
<strong>Mittelstand</strong>sdachverband European<br />
Entrepreneurs (CEA-PME), Herausgeber<br />
„DER <strong>Mittelstand</strong>.“<br />
Foto: © Thomas Imo<br />
gibt, wer schnell gibt“, lautet übersetzt ein lateinisches<br />
Sprichwort. So gesehen, hat die Bundesregierung<br />
„Doppelt<br />
in der Coronakrise alles richtig gemacht. Im Eiltempo<br />
wurden 750 Milliarden Euro für ein Rettungspaket mobilisiert, das<br />
auch vom Volumen her beispiellos in der deutschen Geschichte<br />
ist. Finanzspritzen, Kredite, Bürgschaften, Beteiligungen und weitere<br />
Instrumente sollen die Arbeits- und Überlehensfähigkeit der<br />
virusgeschädigten Unternehmen sichern und die Wirtschaft vor<br />
dem Absturz bewahren.<br />
Für ihr schnelles, entschlossenes <strong>Handel</strong>n verdient die Bundesregierung<br />
unsere Anerkennung, keine Frage. Dennoch sind Zweifel<br />
an der nachhaltigen Wirksamkeit des Milliardenprogramms angebracht.<br />
Und zwar aus drei Gründen: Wirtschaft ist in erster Linie<br />
Psychologie. <strong>Der</strong> Zauber der großen Zahlen verfliegt in dem Maße,<br />
wie sich im <strong>Mittelstand</strong> angesichts steigender Insolvenzen Ernüchterung<br />
breit macht und die Arbeitslosigkeit zunimmt.<br />
<strong>Der</strong> zweite Grund ist ein struktureller Mangel des Rettungspakets.<br />
Von den beschlossenen Soforthilfen im Umfang von 50 Milliarden<br />
Euro profitieren die Kleinstunternehmer und Soloselbstständigen<br />
auf der einen sowie Großunternehmen auf der anderen Seite. <strong>Der</strong><br />
klassische <strong>Mittelstand</strong>, also Unternehmen zwischen 11 bis 249 Beschäftigten,<br />
bleibt jedoch weitgehend außen vor. Hier muss die Politik<br />
dringend nachbessern.<br />
Niemand vermag heute zu sagen, das ist der dritte Grund, welche<br />
gesamtwirtschaftlichen Kosten die Pandemie verursachen wird.<br />
<strong>Das</strong> Münchner Ifo-Institut rechnet mit einem Wertschöpfungsverlust<br />
von bis zu 729 Milliarden Euro, bei einer aktuellen Wirtschaftsleistung<br />
Deutschlands von 3,44 Billionen Euro. Die Unschärfe in<br />
der Schätzung rührt auch daher, dass das Coronavirus längst die<br />
Weltwirtschaft infiziert hat.<br />
<strong>Der</strong> frühere Deutschlandchef von Goldman Sachs, Alexander Dibelius,<br />
erwartet die größte globale Rezession seit 100 Jahren. Mit<br />
fatalen Folgen für die Beschäftigung: Nach Berechnungen der Internationalen<br />
Arbeitsorganisation ILO könnte die aktuelle Weltwirtschaftskrise<br />
bis zu 25 Millionen Jobs kosten. Zum Vergleich: Nach<br />
der Finanzkrise 2008 gingen weltweit rund 22 Millionen Arbeitsplätze<br />
verloren.<br />
Umso wichtiger ist es, dass unsere heimischen Unternehmen<br />
bestmöglich vor den Folgen des Coronavirus geschützt werden.<br />
Die Soforthilfen aus dem Rettungspaket können dazu einen wichtigen<br />
Beitrag leisten. Vorausgesetzt, die Zuschüsse werden schnell<br />
und unbürokratisch ausgezahlt – und zwar an den <strong>Mittelstand</strong>. Wir<br />
werden die Bundesregierung in die Pflicht nehmen.<br />
„Keep calm and carry on“, heißt es bei den Briten. Bewahren auch<br />
Sie sich einen kühlen Kopf und unternehmerischen Mut. Wir stehen<br />
Ihnen zur Seite: mit aktuellen Informationen zur Coronakrise<br />
auf unserer Homepage, mit Musteranträgen, Webinaren und weiteren<br />
Serviceleistungen. Dazu kommt die individuelle, persönliche<br />
Betreuung durch unsere Repräsentanten vor Ort, die nur der<br />
BVMW bietet.<br />
Gerade in schwierigen Zeiten ist es gut, Teil einer starken, erfolgreichen<br />
Solidargemeinschaft zu sein. Wir bieten als Verband topaktuelle<br />
Informationen und praxisnahe Hilfen, wie Musteranträge<br />
und Webinare, damit die Unternehmen gut durch die Krise kommen.<br />
Auf unserer Homepage www.bvmw.de können Sie sich davon<br />
überzeugen. Die positive Resonanz – allein über die Sozialen<br />
Medien haben wir über zwei Millionen Nutzer erreicht – zeigt: Unsere<br />
Serviceleistungen werden gebraucht und geschätzt.<br />
Sie können sicher ein, wir werden weiterhin mit Nachdruck die für<br />
die von der Coronakrise betroffenen Unternehmen nötige Unterstützung<br />
von der Politik einfordern. Deutschland braucht heute<br />
mehr denn je einen starken <strong>Mittelstand</strong>. Dafür kämpfen wir, dafür<br />
kämpfe ich ganz persönlich.<br />
Mario Ohoven
4<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
IN DIESER AUSGABE<br />
Coronavirus: Was Arbeitgeber und Arbeit nehmer<br />
wissen müssen<br />
12<br />
32<br />
DEUTSCHLAND<br />
6 News<br />
8 Coronavirus-Pandemie:<br />
Wo Unternehmen jetzt Hilfe bekommen<br />
10 Wie der Staat Unternehmen in der Coronakrise hilft<br />
12 Coronavirus: Was Arbeitgeber und<br />
Arbeitnehmer wissen müssen<br />
14 Kühlen Kopf bewahren<br />
16 Umfrage: <strong>Mittelstand</strong> erwartet massive Umsatzeinbußen<br />
18 Inner Circle – <strong>Mittelstand</strong> im FOCUS<br />
20 Bürokratiewahnsinn in Deutschland<br />
22 Die Kassenbonpflicht – Müll für den <strong>Mittelstand</strong><br />
24 Wasserstoff – die Energie von morgen?<br />
26 Altmaier verbessert <strong>Mittelstand</strong>sprogramm<br />
28 <strong>Mittelstand</strong>spräsident im Dialog<br />
29 <strong>Der</strong> andere Gedanke: Big Data entscheidet keine Wahlen<br />
EUROPA<br />
30 News<br />
32 Paragrafenwald Brüssel?<br />
Paragrafenwald Brüssel?<br />
36<br />
SCHWERPUNKT<br />
36 Mit Förderprogrammen neue<br />
Auslandsmärkte erschließen<br />
38 Teuer und aufwendig – das neue EU-Lieferkettengesetz<br />
für Rohstoffe<br />
40 Zehn Gütezeichen für fairen <strong>Handel</strong><br />
43 Sicher am Markt mit Blockchain<br />
44 Afrikas Attraktivität auf einen Blick<br />
46 Perspektiven im Osten<br />
48 China: Vom Partner zum Wettbewerber<br />
50 Aufstrebendes Südostasien<br />
52 Im sicheren Hafen: Export als Wachstumsmotor<br />
54 Weltweit engagiert für den <strong>Mittelstand</strong><br />
57 Steuern auf den Punkt: Investitionsfreundliches Umfeld<br />
in Entwicklungsländern schaffen<br />
58 Service für deutsche Unternehmen bei<br />
Investitionen in Afrika<br />
59 Indischer Recycling-Markt und die Chancen für KMU<br />
59 Diplomatische Frühstücke – wertvolle Informationen<br />
aus erster Hand<br />
60 Außenwirtschaft in Zahlen<br />
BUNDESWIRTSCHAFTSSENAT<br />
63 „Nahezu jeder Fall ist ein besonderer“<br />
Mit Förderprogrammen neue<br />
Auslandsmärkte erschließen
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0 5<br />
SERVICE<br />
68 News<br />
70 Vorsicht: Phishing!<br />
71 Maschinelle Übersetzungen werden immer besser<br />
72 Gründerszene: Berliner Koch-App<br />
in China erfolgreich<br />
73 Gründerszene: E-Fahrzeuge nach Kundenwünschen<br />
74 Klartext: Prioritäten setzen: <strong>Das</strong> Prioritätensystem<br />
der Elemente<br />
76 Was der <strong>Mittelstand</strong> von Piloten lernen kann<br />
77 Rechtshotline: <strong>Der</strong> gute Wille zählt, aber nicht immer<br />
78 Industrie 4.0 will Finanzierung 4.0<br />
80 Finanztipp: Was Bankanalysen taugen<br />
70<br />
BVMW<br />
82 News<br />
86 Revolution im Rohr<br />
87 „Unsere Sicherheitslösungen haben Schule gemacht“<br />
88 Hightech für saubere Häfen und Meere<br />
90 Starke Frauen, starker <strong>Mittelstand</strong><br />
92 Die Denkfabriken des <strong>Mittelstand</strong>s<br />
94 Tag der Politiknetzwerker in Berlin<br />
94 Impressum<br />
95 Zukunft geht auch ohne Abi<br />
Vorsicht: Phishing!<br />
88<br />
KULTUR<br />
96 Serientipp: Die verlorene Tochter<br />
98 „Frauen müssen häufig die besseren Männer sein“<br />
100 BuchTipps<br />
101 AppTipps<br />
1<strong>02</strong> Geistesblitze<br />
Hightech für saubere Häfen und Meere<br />
Täglich gibt es neue Nachrichten zu Corona. Die vorliegende Ausgabe<br />
DER <strong>Mittelstand</strong> kann diese Dynamik der Veränderungen nur<br />
bedingt widergeben. Auf der Sonderwebseite des BVMW finden Sie<br />
jedoch tagesaktuelle Antworten auf die wichtigsten Fragen rund<br />
um das Coronavirus und dessen Auswirkungen auf die Wirtschaft<br />
sowie Serviceangebote des BVMW:<br />
www.bvmw.de/themen/coronavirus<br />
Scannen Sie diesen QR-Code mit Ihrem<br />
Smartphone und lesen Sie diese Ausgabe als<br />
PDF. In der digitalen Fassung sind sämtliche<br />
Hyperlinks aktiv.<br />
Tagesaktuelle Neuigkeiten aus dem <strong>Mittelstand</strong> finden Sie auf<br />
unserer Verbandswebseite<br />
www.bvmw.de
6 DEUTSCHLAND<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Deutschland<br />
News<br />
Teure Grundrente<br />
Die Große Koalition hat nach monatelangem Ringen die Streitigkeiten<br />
um die Grundrente beigelegt. So können ab 2<strong>02</strong>1 in etwa<br />
1,5 Millionen Rentner durch die Grundrente finanziell bessergestellt<br />
werden. Allerdings bedarf es vorher einer Einkommensprüfung. Anspruch<br />
sollen Rentner haben, die nach 33 Jahren im Erwerbsleben<br />
nur eine Rente auf dem Niveau von Hartz IV erhalten. <strong>Das</strong> Bundeskabinett<br />
rechnet dafür mit jährlichen Kosten von 1,3 Milliarden Euro.<br />
<strong>Mittelstand</strong>spräsident Mario Ohoven warnt hingegen vor Mehrausgaben<br />
in Milliardenhöhe und Unklarheiten über die Finanzierung<br />
der Grundrente. Wenn die Finanztransaktionssteuer nicht kommt,<br />
scheint ein Griff in die Rentenkassen zu Lasten der Steuerzahler unausweichlich.<br />
Förderung für Solarstrom<br />
droht das Aus<br />
<strong>Der</strong>zeit gilt ein deutschlandweites Limit zur Einspeisung von<br />
Solarenergie in Höhe von 52 Gigawatt. Sobald diese Obergrenze<br />
überschritten ist, entfällt die Einspeisevergütung nach<br />
dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG). Somit erhalten<br />
neue Nutzer von Photovoltaikanlagen für ihren überschüssigen<br />
Strom, der in das Netz eingespeist wird, keine Förderung mehr.<br />
Obwohl die Bundesregierung in ihrem Klimaschutzplan 2030<br />
die Aufhebung des 52-Gigawatt-Deckels angekündigt hat und<br />
beteuert, den Gesetzentwurf des Bundesrates zu unterstützen<br />
und die Streichung des Deckels zügig umzusetzen, scheint ein<br />
Ende der staatlichen Förderung von Solarenergie absehbar. Bei<br />
weiterer Untätigkeit der Bundesregierung ist mit wachsenden<br />
Unsicherheiten seitens der Investoren aufgrund der fehlenden<br />
Nachfolgeregelung zu rechnen. Schon jetzt zeigt sich, dass die<br />
Auftragslage bei Anlagen kleiner und mittlerer Größe seit Ende<br />
2019 zurückgeht.<br />
Altersvorsorgepflicht für<br />
Selbstständige<br />
Selbstständige scheinen aktuell in ein politisches Kreuzfeuer<br />
zu geraten. Neben der aktuell bestehenden Rechtsunsicherheit,<br />
steht nun der nächste Vorschlag der Bundesregierung für Freiberufler<br />
vor der Tür. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil plant<br />
noch im ersten Quartal dieses Jahres einen Gesetzesentwurf<br />
zur Altersvorsorgepflicht für Selbstständige vorzulegen. Da<br />
momentan keine Vorsorgepflicht für Selbstständige gilt, plant<br />
der Minister die Selbstständigen mit in die Deutsche Rentenversicherung<br />
(DRV) einzubeziehen. Bei einem solchen Gesetzentwurf<br />
muss besonders im Fokus stehen, wie Selbstständige<br />
arbeiten, welche Folgen neue Regelungen nach sich ziehen und<br />
wie ein konkreter Plan Vorteile für alle Beteiligte mit sich bringen<br />
kann. Dabei muss den Selbstständigen ein Höchstmaß an<br />
Wahlfreiheit garantiert werden.<br />
Wirtschaftsvirus<br />
Die Auswirkungen des Coronavirus werden das wirtschaftliche<br />
Wachstum in Deutschland in diesem Jahr erheblich dämpfen. Aufgrund<br />
der weltweiten Lieferverflechtungen rechnet jedes zweite<br />
deutsche Unternehmen mit Umsatzeinbußen infolge der Epidmie.<br />
Vor diesem Hintergrund fordert der BVMW wirt schaftspolitische<br />
Maßnahmen: zum einen<br />
die sofortige<br />
und voll ständige Abschaffung<br />
des Soli<br />
für alle und eine<br />
um fassende Unternehmenssteuerreform.<br />
Zudem müssen betroffene<br />
Unternehmen<br />
möglichst schnell<br />
über Hilfe, die sie in Anspruch<br />
nehmen können,<br />
informiert werden.<br />
Fotos: © Moyo Studio von www.istockphoto.com; © AndreyPopov von www.istockphoto.com; © sl-f von www.istockphoto.com; © alexsl von www.istockphoto.com
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
DEUTSCHLAND<br />
7<br />
BVMW-Erfolg:<br />
Lieferkettengesetz auf Eis<br />
Fotos: © CharlieChesvick von www.istockphoto.com; © alvarez von www.istockphoto.com; © AndreyPopov von www.istockphoto.com<br />
Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hat die Bundesregierung<br />
die Pläne der Minister Hubertus Heil und Gerd Müller für das<br />
Lieferkettengesetz (Nachhaltiges Wertschöpfungskettengesetz –<br />
NaWKG) gestoppt. <strong>Der</strong> BVMW hat frühzeitig auf drohende Nachteile<br />
für den <strong>Mittelstand</strong> aufmerksam gemacht: <strong>Der</strong> Gesetzgeber wollte<br />
mittelständische Unternehmen zwingen, vor Ort zu kontrollieren,<br />
ob ihre Zulieferer im Ausland alle deutschen Rechtsvorschriften und<br />
Standards einhalten, und im worst case für Verstöße von Subunternehmern<br />
zu haften. Dagegen hat unser Verband klar Stellung bezogen,<br />
so bei einer Anhörung im Wirtschaftsausschuss des Deutschen<br />
Bundestags.<br />
Konjunkturprogramm fürs Klima<br />
Mit dem European Green Deal stellt die Europäische Union ih re<br />
Investitionspläne für eine klimaneutrale Zukunft vor. Kern ziele<br />
dabei sind, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden<br />
und die Klimagasemissionen der EU unter den Wert von<br />
vor 1990 bringen. Durch Investitionen in grüne Technologien,<br />
nachhaltige Lösungen und neue Chancen für Unternehmen erhofft<br />
sich die EU-Kommission eine neue Wachstumsstrategie<br />
für die EU. Mit dem Maßnahmenpaket verpflichtet sich die<br />
EU, Mitgliedsstaaten in ihren Nachhaltigkeitspolitiken vor allem<br />
finanziell zu fördern. Umgesetzt werden sollen die Ziele<br />
durch einen weitreichenden Umbau von Industrie, Energieversorgung,<br />
Ver kehr und Landwirtschaft. Hierfür plant die<br />
EU-Kommis sion zahlreiche Gesetze und Programme: Neue<br />
Industriestra tegie, Importhürden für klimaschädlich produzierte<br />
Waren und eine Strategie für sauberen Verkehr, neue<br />
Emissionsgrenzwer te für Autos, <strong>Handel</strong> mit Verschmutzungsrechten<br />
auch im Schiffsverkehr.<br />
Gelockertes Kartellrecht<br />
<strong>Das</strong> Bundeswirtschaftsministerium hat den offiziellen Referentenentwurf<br />
für das „GWB-Digitali sierungsgesetz“ (GWB-RefE) vorgelegt.<br />
Ziel der geplanten Geset zesänderungen ist zum einen die<br />
Fortentwicklung des digitalen Ordnungsrahmens und zum anderen<br />
die Umsetzung europarecht licher Vorgaben für das nationale<br />
Kartellrecht. Die mit der Digitali sierung einhergehende Änderung<br />
wirtschaftlicher Machtverhältnis se stellt die Wettbewerbspolitik<br />
vor große Herausforderungen. So sieht der Entwurf auch mehr<br />
Rechtssicherheit für kleine und mit telständische Unternehmen vor.<br />
Zusammenschlüsse sollen künf tig nicht mehr untersagt werden,<br />
wenn die Gründe für eine Unter sagung nur Bagatellmärkte mit einem<br />
Volumen von bis zu 20 Millionen Euro (statt bisher 15 Millionen<br />
Euro) betreffen. Gerade in schrumpfenden Märkten erhalten<br />
damit mittelständische Unternehmen mehr Flexi bilität für Konsolidierungsmaßnahmen.<br />
Digitale Agenda des <strong>Mittelstand</strong>s<br />
Mit der neuen digitalen Agenda des <strong>Mittelstand</strong>s wurde eine<br />
Publikation veröffentlicht, welche alle BVMW-Positionen zum<br />
Thema Digitalisierung erstmals zusammenfasst. <strong>Das</strong> unter<br />
der Federführung der BVMW-Kommission Internet und Digitales<br />
ausgearbeitete Papier beinhaltet die verschiedenen digitalpolitischen<br />
Forderungen des BVMW und erläutert die wachsende<br />
Bedeutung der Digitalisierung für KMU. So reicht das<br />
Themenspektrum von ethischen Grundsatzfragen im Kontext<br />
der Digitalisierung, über Datenschutz und IT-Sicherheit<br />
bis hin zur digitalen Infrastruktur in Deutschland. Abgerundet<br />
wird die Publikation durch 13 Unternehmertestimonials. <strong>Der</strong><br />
BVMW reagiert mit der Agenda auf die voranschreitende digitale<br />
Transformation. Die Publikation soll Unternehmerinnen und<br />
Unternehmern helfen, ihre eigenen Betriebe durch die digitale<br />
Brille zu betrachten, denn bereits heute wirkt sich die Digitalisierung<br />
für mehr als 70 Prozent der Mittelständler positiv auf<br />
die Geschäfte aus.<br />
https://bvmw.info/digitale-agenda
8 DEUTSCHLAND<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Coronavirus-Pandemie:<br />
Wo Unternehmen jetzt<br />
Hilfe bekommen<br />
Die Corona-Welle trifft nahezu jeden von uns – ganz gleich, ob der Betrieb selbst von heute auf<br />
morgen seine Tätigkeit unterbrechen muss, Aufträge von Kunden zurückgezogen wurden, oder<br />
Mitarbeiter mit ihren schulpflichtigen Kindern zu Hause bleiben müssen. Die Auswirkungen<br />
dessen kennen wir nicht, aber es gilt, jetzt zu handeln. <strong>Der</strong> BVMW hilft Ihnen dabei.<br />
Die Bundesregierung hat mit den Ländern Leitlinien zum einheitlichen<br />
Vorgehen zur weiteren Beschränkung von sozialen<br />
Kontakten im öffentlichen Leben vereinbart. <strong>Der</strong> Lebensmitteleinzelhandel,<br />
Wochenmärkte und Lieferdienste, Apotheken, Drogerien,<br />
Banken, Tankstellen sowie der Großhandel bleiben davon<br />
unberührt. Bars, Clubs, Theater, Museen, Kinos, Zoos, Sporteinrichtungen<br />
und Spielplätze werden vorerst geschlossen. Darüber hinaus<br />
sind Zusammenkünfte in Vereinen, Sport- und Freizeiteinrichtungen<br />
sowie Zusammenkünfte in Kirchen, Moscheen, Synagogen und Zusammenkünfte<br />
anderer Glaubensgemeinschaften fürs Erste verboten.<br />
In den meisten Bundesländern sind mittlerweile auch jegliche<br />
Veranstaltungen, egal, ob öffentlich oder privat, verboten.<br />
Hilfestellung für den Arbeitsmarkt<br />
Die Ausbreitung des Coronavirus stellt zudem insbesondere den Arbeitsmarkt<br />
vor große Herausforderungen. Um diesen entgegenzuwirken,<br />
traten rückwirkend zum 1. März 2<strong>02</strong>0 die Neuregelungen für einen<br />
leichteren Zugang zum Kurzarbeitergeld in Kraft. Darin enthalten<br />
ist, dass auf Grund schwieriger wirtschaftlicher Entwicklungen Betriebe<br />
Kurzarbeit anmelden können, wenn mindestens zehn Prozent<br />
der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sein könnten. Diese<br />
Schwelle lag bisher bei 30 Prozent. Auch Leiharbeitnehmerinnen und<br />
Leiharbeitnehmer können künftig Kurzarbeitergeld beziehen.<br />
Negative Arbeitszeitsalden sollen vor Zahlung des Kurzarbeitergeldes,<br />
sofern in Betrieben Vereinbarungen zu Arbeitszeitschwankungen<br />
genutzt werden, nicht zum Einsatz kommen müssen. <strong>Das</strong> geltende<br />
Recht verlangt aktuell, dass diese auch zur Vermeidung von<br />
Kurzarbeit eingesetzt und ins Minus gefahren werden.<br />
Die Sozialversicherungsbeiträge, die Arbeitgeber normalerweise für<br />
ihre Beschäftigten zahlen müssen, sollen von der Bundesagentur für<br />
Arbeit künftig vollständig erstatten werden. Dies soll als Anreiz dienen,<br />
um die Zeiten der Kurzarbeit verstärkt für die Weiterbildung der<br />
Beschäftigten zu nutzen.<br />
BVMW hilft<br />
<strong>Das</strong> Team des BVMW bündelt auf allen Ebenen Informationen und<br />
arbeitet intensiv daran, den <strong>Mittelstand</strong> in diesen Zeiten zu unterstützen.<br />
So hat der Verband die drängendsten Fragen für Unternehmen<br />
auf einer extra Website zu Corona unter www.bvmw.de/themen/<br />
coronavirus/ zusammengefasst. Dort finden kleine und mittlere<br />
Unternehmen stets tagesaktuell aufbereitet aktuelle Regelungen<br />
und Vorgehensweisen zum Arbeitsrecht, zum Beispiel zum Bereich<br />
Home-Office oder Kitaschließungen. Ebenso aufgelistet sind<br />
alle Maßnahmen der Bundesregierung zur Unterstützung der mittelständischen<br />
Wirtschaft, von den Möglichkeiten der Steuerstundung<br />
bis hin zu den möglichen Krediten und Liquiditätshilfen. Da Deutschland<br />
ein föderales System ist, gibt es zudem eine Übersicht zu jedem<br />
Bundesland. Welche besonderen Maßnahmen wurden dort getroffen,<br />
gibt es zusätzliche Unterstützungsprogramme? Wie können<br />
diese abgerufen werden? Zudem hat der BVMW zu allen Ländern die<br />
verfügbaren Dokumente verlinkt, beispielsweise die Bescheinigungen<br />
zum Grenzübertritt für Berufspendler.<br />
Gut zu wissen<br />
Unter www.bvmw.de/themen/coronavirus finden Mittelständler<br />
tagesaktuell Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um das<br />
Coronavirus und dessen Auswirkungen auf die Wirtschaft.<br />
Diana Scholl<br />
BVMW<br />
Leiterin <strong>Mittelstand</strong>sallianz,<br />
politische Netzwerke und Strategie<br />
diana.scholl@bvmw.de<br />
Fotos: © Rawf8 von stock.adobe.com; © elenabs von www.istockphoto.com
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
DEUTSCHLAND<br />
9<br />
WIR VERBINDEN DEUTSCHLAND.<br />
Die aktuelle Coronavirus-Situation fordert uns alle heraus. Entgegen unserer Natur müssen<br />
wir räumlichen Abstand voneinander halten.<br />
Wir bei der Deutschen Telekom sorgen dafür, dass jetzt alle digital zusammenbleiben und<br />
zusammenrücken können. Unsere Netze sind sicher. Unsere Netze sind stabil. Mit über 100.000<br />
Kolleginnen und Kollegen sorgen wir dafür, dass das auch so bleibt. Damit ein sehr wichtiger Teil<br />
unseres Lebens weitergehen kann und wir mit denen in Verbindung bleiben, die uns wichtig sind.<br />
Darüber hinaus möchten wir unsere Kunden durch die folgenden Maßnahmen unterstützen:<br />
FÜR MOBILFUNK:<br />
Ab sofort bekommt jeder unserer Mobilfunk-Kunden 10 GB Datenvolumen pro Monat<br />
bis auf Weiteres geschenkt, damit man online ist, wenn es drauf ankommt.<br />
FÜR ZU HAUSE:<br />
Ab sofort gibt es den neuen Streamingdienst Disney+ bei uns für 6 Monate geschenkt,<br />
um auch in ernsten Zeiten ein wenig Ablenkung zu haben.<br />
FÜR DAS HOMEOFFICE:<br />
Ab sofort stellen wir Unternehmen für 3 Monate kostenlos Office 365 und Cisco Webex<br />
Conferencing Services zur Verfügung, um das Arbeiten im Homeoffi ce ohne Einschränkungen<br />
zu ermöglichen.<br />
FÜR SCHULEN UND LEHRER/-INNEN:<br />
Ab sofort stellen wir Schulen cloudbasierte Web Conferencing Services für<br />
3 Monate kostenlos zur Verfügung, über die sich Lehrkräfte mit ihren Schüler/-innen<br />
und Studierenden austauschen können.<br />
WIR SIND FÜR EUCH DA, DAMIT IHR FÜREINANDER DA SEIN KÖNNT.<br />
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Deutschen Telekom<br />
ALLE<br />
WEITERFÜHRENDEN<br />
INFORMATIONEN<br />
AUF TELEKOM.DE
10 DEUTSCHLAND<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Wie der Staat Unternehmen<br />
in der Coronakrise hilft<br />
<strong>Das</strong> Coronavirus wird sich nicht nur negativ auf die ohnehin schon angeschlagene Konjunktur<br />
in Deutschland auswirken – vor allem KMU haben mit den Folgen zu kämpfen. Aber welche<br />
Maßnahmen und Förderinstrumente können Unternehmen in Anspruch nehmen?<br />
Für Firmen der gewerblichen Wirtschaft und der freien Wirtschaft<br />
gibt es etablierte Förderinstrumente, damit Unternehmen<br />
auch auf kurzfristig liquide bleiben. Alle folgenden<br />
Informationen sind die offiziellen Informationen des Bundeswirtschaftsministeriums.<br />
Für Unternehmen, die noch keine fünf Jahre<br />
bestehen:<br />
Für Unternehmen, die seit mehr als fünf Jahren am Markt<br />
bestehen:<br />
KfW-Unternehmer wie auch ERP-Gründerkredite sind über Banken<br />
und Sparkassen bei der KfW zu beantragen. Informationen dazu gibt<br />
es auf der Webseite der KfW und bei allen Banken und Sparkassen.<br />
Die Hotline der KfW für gewerbliche Kredite lautet: 0800 539 9001.<br />
ERP-Gründerkredit Startgeld – Betriebsmittelförderung<br />
Die Zielgruppe sind kleine gewerbliche Unternehmen und Freiberufler<br />
bis zu 50 Beschäftigte und Jahresumsatz beziehungsweise Jahresbilanzsumme<br />
von maximal zehn Millionen Euro, die noch keine<br />
fünf Jahre bestehen.<br />
n Höchstbetrag beträgt maximal 30.000 Euro für Betriebsmittel<br />
n Laufzeit beträgt maximal zehn Jahre mit zwei Tilgungsfreijahren<br />
n Sicherheiten: Bankübliche Besicherung bei 80 Prozent Haftungsfreistellung<br />
für Hausbank<br />
ERP-Gründerkredit Universell (Betriebsmittel)<br />
Die Zielgruppe sind gewerbliche mittelständische Unternehmen und<br />
Freiberufler, die noch keine 5 Jahre bestehen und deren maximaler<br />
Gruppenumsatz 500 Millionen Euro nicht übersteigt.<br />
n Höchstbetrag beträgt 25 Millionen Euro<br />
Variante a)<br />
n Laufzeit beträgt maximal zwei Jahre (endfällig)<br />
n Sicherheiten: Betriebsmittelkredit ist banküblich zu besichern<br />
(50 prozentige Haftungsfreistellung für Hausbank möglich)<br />
Variante b)<br />
n Laufzeit beträgt maximal fünf Jahre und ein Tilgungsfreijahr<br />
n Sicherheiten: Betriebsmittelkredit ist banküblich zu besichern<br />
KfW-Unternehmerkredit<br />
Die Zielgruppe sind gewerbliche mittelständische Unternehmen und<br />
Freiberufler, die mindestens seit fünf Jahren am Markt sind und deren<br />
maximaler Gruppenumsatz 500 Millionen Euro nicht übersteigt<br />
n Höchstbetrag beträgt 25 Millionen Euro beziehungsweise fünf<br />
Millionen Euro bei Haftungsfreistellung<br />
n Laufzeit:<br />
a) bis zu zwei Jahren (endfällig) ausschließlich für kleine und<br />
mittlere Unternehmen (max. 250 Mitarbeiter, maximal Jahresumsatz<br />
50 Millionen Euro, maximal Jahresbilanzsumme von 43 Millionen<br />
Euro), Höchstbetrag: 5 Millionen Euro, 50 prozentige Haftungsfreistellung<br />
für Hausbank möglich<br />
b) bis zu fünf Jahren bei einem Tilgungsfreijahr<br />
Sicherheiten: Betriebsmittelkredit ist banküblich zu besichern beziehungsweise<br />
Haftungsfreistellung bei Variante a) möglich<br />
Die Hausbanken können bei Bedarf auch auf das Bürgschaftsinstrumentarium<br />
zurückgreifen. Es darf sich nicht um Sanierungsfälle oder<br />
Unternehmen in Schwierigkeiten handeln.<br />
Landesförderinstitute<br />
Neben den Angeboten der ERP und der KfW gibt es auch zahlreiche<br />
Förderinstitute der einzelnen Länder, die zinsgünstige Betriebsmittelfinanzierungen<br />
anbieten. Weiterführende Informationen finden<br />
Sie auf den Seiten der Förderdatenbank des Bundeswirtschaftsministeriums.<br />
Fotos: © elenabs von www.istockphoto.com
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
DEUTSCHLAND<br />
11<br />
Fotos: © elenabs von www.istockphoto.com; © terovesalainen von stock.adobe.com; © VRD von stock.adobe.com<br />
Bürgschaften<br />
Für Unternehmen, die ökonomisch gesund sind, können Bürgschaften<br />
für Betriebsmittelkredite angeboten werden. Diese werden bis zu<br />
einer Höhe von 1,25 Millionen Euro durch die Bürgschaftsbanken bearbeitet.<br />
Bei höheren Beträgen sind die Länder und deren Förderinstitute<br />
zuständig. Ab einem Bürgschaftsbetrag von 20 Millionen Euro<br />
beteiligt sich der Bund in den strukturschwachen Regionen am<br />
Bürgschaftsobligo im Verhältnis 50 zu 50. Da Bürgschaften maximal<br />
80 Prozent des Kreditrisikos abdecken können, muss die jeweilige<br />
Hausbank mindestens 20 Prozent Eigenobligo leisten.<br />
Wenn es sich um ein Unternehmen handelt, das sich nach den Rettungs-<br />
und Umstrukturierungsleitlinien der EU-Kommission in<br />
Schwierigkeiten befindet, muss der Einzelfall in der Regel notifiziert<br />
und von der Kommission bewilligt werden. <strong>Das</strong> gilt für große Unternehmen<br />
in jedem Fall. Einzelne Länder stellen auch genehmigte Programme<br />
für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen an KMU zur<br />
Verfügung, in diesen Fällen ist eine einzelne Notifizierung nicht notwendig.<br />
Eine Anfrage für ein Finanzierungsvorhaben kann schnell und kostenfrei<br />
auch über das Finanzierungsportal der Bürgschaftsbanken<br />
gestellt werden.<br />
Gut zu wissen<br />
Alle Informationen können Sie auch auf den Seiten des BMWI nachlesen:<br />
https://bvmw.info/corona-bmwi<br />
Informieren Sie sich über das Förderangebot der KfW unter<br />
https://bvmw.info/inlandsfoerderung<br />
Hier gelangen Sie zur Förderdatenbank des Bundes<br />
https://bvmw.info/foerderprogramm<br />
<strong>Das</strong> Finanzierungsportal der Bürgschaftsbanken erreichen Sie unter<br />
https://bvmw.info/finanzierungsportal<br />
Aktuelle Informationen zu Reisebeschränkungen und Grenzkontrollen:<br />
https://bvmw.info/bmi-informationen
12 DEUTSCHLAND<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Coronavirus:<br />
Was Arbeitgeber und Arbeitnehmer<br />
wissen müssen<br />
Welche Fürsorgepflichten Unternehmen haben, was bei Betriebsschließungen oder Quarantäne-<br />
Maßnahmen passiert, oder wie es mit Dienstreisen in gefährdete Gebiete aussieht – eine<br />
Zusammenfassung der wichtigsten arbeitsrechtlichen Fragen.<br />
Mit der weltweiten Ausbreitung des Coronavirus und den damit<br />
verbundenen Ansteckungsgefahren macht sich zunehmend<br />
auch eine Verunsicherung in der Arbeitswelt breit.<br />
Jedoch ist festzuhalten: <strong>Das</strong> Coronavirus setzt das gültige Arbeitsrecht<br />
nicht außer Kraft.<br />
Informationen und Schutzmaßnahmen im Betrieb<br />
n Eine erste sinnvolle Maßnahme des Arbeitgebers gegenüber den<br />
Beschäftigten ist die umfassende Information über das tatsächliche<br />
Risiko einer Infektion am Arbeitsplatz sowie die Aufklärung über konkrete<br />
Schutzmöglichkeiten. Hier gelten die allgemeinen Grundsätze<br />
des Arbeitsschutzes, wie sie in Paragraf 4 des Arbeitsschutzgesetzes<br />
definiert werden. Da der Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht gegenüber<br />
seinen Mitarbeitern hat, muss er nach Paragraf 618 des Bürgerlichen<br />
Gesetzbuches (BGB) uneingeschränkt für ein gefahrloses<br />
Arbeiten im Unternehmen sorgen: Demnach hat er „Dienstleistungen,<br />
die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen<br />
sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und<br />
Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es<br />
gestattet.“<br />
n In diesem Fall hat der Arbeitgeber präventiv für Maßnahmen zu<br />
sorgen, die Ansteckungsgefahr so weit wie möglich verhindern. Hierzu<br />
zählen zum Beispiel die Bereitstellung von Desinfektionsmitteln<br />
in den jeweiligen sanitären Anlagen und Zugängen zum Unternehmen,<br />
die Ausgabe von Mundschutzmasken oder die Planung von<br />
Homeoffice-Arbeitsplätzen. Mitarbeiter sind dabei verpflichtet, die<br />
angeordneten Schutzmaßnahmen zu befolgen. Vorgesehene Maßnahmen<br />
sind jedoch vorab mit dem Betriebsrat abzusprechen, weil<br />
diese nach Paragraf 87 des Betriebsverfassungsgesetzes dem Mitbestimmungsrecht<br />
unterliegen. Auch wenn der Verdacht einer möglichen<br />
Coronavirus-Infektion bei einem Arbeitnehmer besteht, dürfen<br />
Arbeitgeber dennoch nicht verpflichtend eine Untersuchung anordnen,<br />
weil damit das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht<br />
ausgehebelt würde.<br />
Pflichten der Beschäftigten<br />
n <strong>Der</strong> Arbeitnehmer ist im Verdachtsfall verpflichtet, sich umgehend<br />
beim Arbeitgeber krank zu melden – normalerweise ohne Angabe<br />
der Krankheitsart. Da es sich beim Coronavirus aber um eine hoch-<br />
Fotos: © DigitalGenetics von stock.adobe.com; © elenabs von www.istockphoto.com
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
DEUTSCHLAND<br />
13<br />
Prävention<br />
Regelmäßiges<br />
und gründliches<br />
Hände waschen<br />
Händeschütteln<br />
vermeiden<br />
und Abstand<br />
zu anderen<br />
Menschen halten<br />
Husten und Niesen in<br />
ein Taschentuch oder<br />
in die Armbeuge,<br />
Hände aus dem<br />
Gesicht fernhalten<br />
Im Krankheitsfall<br />
zuhause bleiben<br />
Auf Sauberkeit<br />
achten, Flächen<br />
regelmäßig<br />
desinfizieren<br />
Reisevorschriften<br />
Einreisebestimmungen<br />
beachten<br />
Mit dem Arzt<br />
Rücksprache<br />
halten<br />
Bei Symptomen<br />
Reisen<br />
vermeiden<br />
Wenn Sie während der<br />
Reise krank werden,<br />
greifen die jeweiligen<br />
Maßnahmen des<br />
Landes<br />
ansteckende Krankheit handelt, sollte sich der Arbeitnehmer im Zuge<br />
seiner arbeitsrechtlichen Treuepflicht dem Arbeitgeber öffnen,<br />
sodass entsprechende Schutzmaßnahmen getroffen werden können.<br />
Wenn sich eine Coronavirus-Infektion bei einem Arbeitnehmer<br />
als positiv herausstellt, sollte der Arbeitgeber schnellstmöglich das<br />
Gesundheitsamt kontaktieren sowie im Sinne der restlichen Mitarbeiter<br />
konkrete, umsetzbare Schutzmaßnahmen erarbeiten und diese<br />
im Unternehmen sofort umsetzen.<br />
n Allein die Furcht vor einer Ansteckung berechtigt einen Arbeitnehmer<br />
nicht dazu, zu Hause zu bleiben. Grundsätzlich gilt, an dem<br />
vertraglich vereinbarten Arbeitsort zu erscheinen und zu arbeiten –<br />
selbst dann, wenn Gäste aus China oder Italien zu Besuch sein sollten.<br />
Widersetzt sich der Arbeitnehmer, kann dies eine Abmahnung<br />
oder sogar verhaltensbedingte Kündigung zur Folge haben. Die Lage<br />
ändert sich dann, wenn ein Gast der Firma oder ein Mitarbeiter am<br />
Standort bereits infiziert wurde.<br />
n Homeoffice-Arbeit ist dann erlaubt, wenn Sondervereinbarungen<br />
mit dem Arbeitgeber getroffen worden sind, oder eine konkrete Ansteckungsgefahr<br />
vorliegt. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass ein<br />
Arbeitgeber Homeoffice-Arbeit nicht anordnen darf, sondern dies<br />
immer im gegenseitigen Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und<br />
Arbeitnehmer geschehen muss.<br />
Behördliche Betriebsschließungen und Quarantäne<br />
n Wird ein Betrieb wegen Coronavirus-Infektionen von den Behörden<br />
geschlossen, haben Beschäftigte Anspruch auf Fortzahlung ihrer<br />
Löhne für maximal sechs Wochen. Bei amtlichen Schließungen<br />
können sich die Unternehmen dieses Geld vom jeweiligen Bundesland<br />
zurückerstatten lassen. Wer körperlich in der Lage ist und zu<br />
Hause über die notwendigen Arbeitsmittel verfügt, muss weiter für<br />
das Unternehmen arbeiten – hier greift die Treuepflicht gegenüber<br />
dem Arbeitgeber.<br />
n Liegt jedoch eine behördlich angeordnete Quarantäne vor, erfolgt<br />
keine Lohnfortzahlung. In diesem Falle erhält der Arbeitnehmer<br />
vom Staat eine Entschädigungszahlung, die in Paragraf 56<br />
des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) festgelegt ist. Diese Entschädigung<br />
wird laut IfSG für sechs Wochen gezahlt, danach bekommt<br />
er Krankengeld. Selbstständige erhalten eine Entschädigungszahlung<br />
in Höhe von einem Zwölftel des Arbeitseinkommens des vorangegangenen<br />
Jahres. Zudem erhalten Selbstständige nach Paragraf<br />
56, Abs. 4, des IfSG von den zuständigen Behörden eine<br />
angemessene Unterstützung für die in dieser Ausnahmesituation<br />
weiterlaufenden Betriebskosten.<br />
Kinderbetreuung und Dienstreisen<br />
n Arbeitnehmer haben laut Paragraf 616 des BGB das Recht, zu<br />
Hause zu bleiben, wenn Schulen und Kitas aufgrund der Coronavirus-Epidemie<br />
geschlossen bleiben, und es keine anderen Betreuungsmöglichkeiten<br />
gibt – allerdings ist die Lohnfortzahlung nicht<br />
garantiert, es sei denn, aus dem Arbeits- oder Tarifvertrag geht anderes<br />
hervor.<br />
n<br />
Die Anordnung von Dienstreisen ist grundsätzlich durch die arbeitsvertragliche<br />
Weisungsbefugnis des Arbeitgebers erlaubt. <strong>Der</strong><br />
Arbeitgeber hat nach „billigem Ermessen“ zu handeln und dabei die<br />
Interessen seiner Mitarbeiter gegenüber seinen eigenen abzuwägen<br />
und zu berücksichtigen. Wenn das Auswärtige Amt allerdings Reisewarnungen<br />
für betroffene Coronavirus-Gebiete veröffentlicht hat,<br />
kann nicht mehr von „billigem Ermessen“ gesprochen werden – Arbeitnehmer<br />
können dann Reisen in Gefährdungsgebiete verweigern.<br />
Almut Friederike Kaspar<br />
Journalistin<br />
mittelstand@bvmw.de
14 DEUTSCHLAND<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Kühlen Kopf<br />
bewahren<br />
<strong>Das</strong> Coronavirus sorgt in der Bevölkerung für<br />
große Verunsicherung. Wie muss im Ernstfall<br />
reagiert werden, und wie kann man sich<br />
überhaupt schützen? Arzt und Anwalt Prof.<br />
Dr. iur. Dr. med. Alexander Ehlers beantwortet<br />
gängige Fragen rund um das Virus.<br />
DER <strong>Mittelstand</strong>.: Muss ich derzeit immer sofort zum Arzt<br />
gehen, wenn ich krank bin?<br />
Prof. Dr. iur. Dr. med. Alexander Ehlers: Nein, bei einem<br />
Kratzen im Hals oder Schnupfen und Husten sind womöglich eher<br />
Erkältungssymptome die Ursache. Wenn al lerdings zuvor Kontakt zu<br />
einer infizierten Person bestanden hat, muss gehandelt wer den.<br />
Was soll man tun, wenn man denkt, man hätte sich mit dem Virus<br />
angesteckt?<br />
Wenn Sie mit einem Corona-Infizierten Kon takt hatten und Symptome<br />
wie Husten, Schnupfen und Fieber verspüren, sollten Sie sich telefonisch<br />
an das zuständige Gesund heitsamt oder den behandelnden<br />
Hausarzt wenden. In die Sprechstunde des Hausarz tes sollte<br />
nicht gegangen werden, denn ein Besuch würde möglicherweise zur<br />
weiteren Ausbreitung des Virus führen. Bewahren Sie aber in jeder<br />
Hinsicht Ruhe.<br />
Welche Maßnahmen sollten Unternehmen aktuell treffen, um eine<br />
Ansteckung in der Belegschaft zu vermeiden?<br />
Regelmäßiges Händewaschen und eine rich tige Husten- und Niesetikette<br />
– eben alles, was man bei einer Grippewelle auch macht.<br />
Falls tatsächlich ein Ver dachtsfall innerhalb der Belegschaft besteht,<br />
sollte der betroffene Mitarbeiter zu Hause bleiben, bis durch einen<br />
entsprechenden Test geklärt ist, ob tatsächlich eine Coronavirus-Infektion<br />
vorliegt. Ein sol cher Test kann überall in Deutschland gemacht<br />
werden.<br />
Kann durch Homeoffice eine Verbreitung des Virus eingedämmt<br />
werden?<br />
<strong>Das</strong> Arbeiten aus dem Homeoffice ist mit Sicherheit eine sinnvolle<br />
Maßnahme, die eine weitere Verbreitung des Virus verhindern kann. Für<br />
die Arbeitnehmer besteht insoweit keine Gefahr, sich auf dem Arbeitsweg<br />
oder in der Arbeit selbst durch Kontakt mit unerkannt Erkrankten<br />
zu infizieren. Außerdem hilft dies die Zahl der Kon taktpersonen einzugrenzen<br />
und so die Infektionskette offenzulegen.<br />
Jedoch ist Homeoffice nicht in allen Branchen umsetzbar. Gerade in<br />
Bereichen, in denen die persönliche Anwesenheit des Arbeitnehmers<br />
zwingend erforderlich ist, scheidet die Möglichkeit, aus dem Homeoffice<br />
zu arbeiten, gänzlich aus.
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
DEUTSCHLAND<br />
15<br />
Wie tödlich ist das Virus überhaupt?<br />
Alle Daten, die wir weltweit haben, werden hierfür zusammengeführt.<br />
Es zeigt sich da bei, dass das Virus tödlicher ist als ein Grippevirus.<br />
Wir gehen allerdings davon aus, dass es viele Infizierte gibt,<br />
die überhaupt keine oder nur sehr geringe Symptome ha ben. Wenn<br />
diese Betroffenen mit in die Be rechnung einbezogen werden, ist die<br />
Sterb lichkeit sehr viel niedriger und liegt in etwa bei 0,5 – 1 auf 100<br />
Personen.<br />
Warum hat sich die Bundesregierung für diese drastischen Maßnahmen<br />
mit Schul-, Kita-, und Eventlocation-Schließungen entschieden?<br />
Die Maßnahmen liegen in der Kompetenz der Länder. Die Bundesregierung<br />
gibt diesbezüglich Empfehlungen ab und koordiniert das gemeinsame<br />
Vorgehen der Länder. Diese Maßnahmen sind ein wichtiger<br />
und sinnvoller Schritt, um die weitere Ausbreitung des Virus zu<br />
verhindern. Besonders in den genannten Bereichen kommen viele<br />
Menschen auf engem Raum zusammen, haben Körperkontakt und<br />
können den nötigen Sicherheitsabstand nicht immer wahren. Durch<br />
diese Maßnahme wird in jedem Fall einer potentiellen Möglichkeit zur<br />
Virusübertragung entgegengetreten.<br />
Es gibt viele unterschiedliche Informati onen über das Virus in der<br />
Öffentlichkeit, darunter auch in den Sozialen Medien. Wo ran sollte<br />
man sich orientieren?<br />
Viele Informationen sorgen für Verwirrung und erzeugen dadurch<br />
Angst. Es gibt zwei Websites, die zu empfehlen sind: Zum einen<br />
die Seite des Robert Koch-Instituts und zum anderen natürlich die<br />
Homepage des Bundesgesundheitsministeriums. Dort findet man<br />
auch aktuelle Informationen über die Ausbreitung des Virus. Informationen<br />
in den Sozialen Medien führen hingegen nur zu Verunsicherung.<br />
Foto: © IrenaV von www.istockphoto.com; © elenabs von www.istockphoto.com<br />
Gut zu wissen<br />
Tagesaktuelle Informationen unter:<br />
n Robert-Koch-Institut: www.rki.de<br />
n Bundesgesundheitsministerium:<br />
www.bundesgesundheitsministerium.de<br />
Prof. Dr. iur. Dr. med. Alexander Ehlers<br />
Ehlers, Ehlers & Partner<br />
Rechtsanwaltsgesellschaft mbB<br />
Mitglied des Bundeswirtschaftssenats<br />
www.ehlers-ehlers-und-partner.de
16 DEUTSCHLAND<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Umfrage: <strong>Mittelstand</strong> erwartet<br />
massive Umsatzeinbußen<br />
Die Coronavirus-Pandemie stellt den deutschen <strong>Mittelstand</strong> vor nie geahnte Herausforderungen.<br />
Es drohen erhebliche Umsatzverluste. Jeder zweite Unternehmer benötigt direkte Finanzhilfen.<br />
Waren zu Beginn der Epidemie vor allem<br />
die Bereiche Automotive, Maschinenbau<br />
und Textil wirtschaftlich<br />
betroffen, bekommen inzwischen nahezu alle<br />
Branchen die Auswirkungen des Coronavirus<br />
voll zu spüren. Insbesondere für den <strong>Mittelstand</strong>,<br />
der hochgradig international vernetzt und<br />
von den globalen Lieferketten abhängig ist, geht<br />
es an die Substanz.<br />
Ja<br />
Nein<br />
Hilft Ihnen der Staat in der Coronakrise in<br />
ausreichendem Maße?<br />
23.69 %<br />
76.31 %<br />
BVMW-Umfrage zeigt Notsituation<br />
Eine repräsentative Umfrage des BVMW unter<br />
rund 2.500 Mitgliedern zeigt nachdrücklich, in<br />
welch großer Notsituation sich die kleinen und<br />
mittleren Betriebe hierzulande befinden. Demnach<br />
erwartet der <strong>Mittelstand</strong> in Folge der Corona-Krise<br />
massive Umsatzverluste. Über 40<br />
Prozent der Mittelständler befürchten Umsatzrückgänge<br />
von bis zu 30 Prozent, knapp 45 Prozent<br />
rechnen sogar mit mehr als 60 Prozent<br />
Umsatzverlust. Über Kredite und Steuerstundungen<br />
hinaus benötigen zudem mehr als die<br />
Hälfte (53,5 %) der Klein- und Mittelbetriebe direkte<br />
Finanzhilfen.<br />
Viele Betriebe haben auf die Krise reagiert und<br />
Kurzarbeit angemeldet. Doch auch die Einführung<br />
von Homeoffice ist eine der häufigsten<br />
Maßnahmen, die zum Schutz der Mitarbeiter ergriffen<br />
werden.<br />
Zu wenig staatliche Hilfe<br />
Auch wenn die Bundesregierung bereits einige<br />
Instrumente zur Unterstützung von Unternehmen,<br />
die von der Coronakrise betroffen sind,<br />
eingeführt hat, so reichen diese aus Sicht der<br />
Unternehmer bei weitem nicht aus. Mehr als<br />
drei Viertel der befragten Unternehmen (76,3 %)<br />
schätzen die staatliche Unterstützung als nicht<br />
ausreichend ein. <strong>Der</strong> Hauptgrund hierfür liegt<br />
vor allem in der schleppenden Umsetzung der<br />
Maßnahmen. Wenn diese negativen Erwartungen<br />
Wirklichkeit werden, steht Deutschland vor<br />
einer schweren Rezession. <strong>Der</strong> Staat muss deshalb<br />
den betroffenen Unternehmen so schnell<br />
und unbürokratisch wie möglich helfen. <strong>Der</strong><br />
BVMW bietet als größter freiwillig organisierter<br />
<strong>Mittelstand</strong>sverband dabei seine Hilfe an.<br />
Ja<br />
Nein<br />
Gar nicht<br />
bis 10 Prozent<br />
bis 30 Prozent<br />
mehr als<br />
60 Prozent<br />
0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % 100 %<br />
Brauchen Sie über Kredite und<br />
Steuerstundungen hinaus direkte Finanzhilfen?<br />
53.47 %<br />
0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % 100 %<br />
In welchem Ausmaß befürchten Sie<br />
Umsatzeinbußen durch das Coronavirus?<br />
4.17 %<br />
10.91 %<br />
46.53 %<br />
40.34 %<br />
44.59 %<br />
0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % 100 %
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
DEUTSCHLAND<br />
17<br />
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18 DEUTSCHLAND<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Inner Circle –<br />
<strong>Mittelstand</strong> im FOCUS<br />
Eine Debatte im Schatten der Coronakrise: BVMW und FOCUS starten eine hochkarätige<br />
Veranstaltungsreihe zum <strong>Mittelstand</strong> und seinen Herausforderungen in Gegenwart und Zukunft.<br />
Glanzvolle Premiere für ein neues Kapitel in der Medienpartnerschaft<br />
des BVMW mit dem Magazin FOCUS: Am 10. März<br />
startete hoch über den Dächern von Düsseldorf im Forty<br />
Four das neue Format „Inner Circle – <strong>Mittelstand</strong> im FOCUS“. Auf<br />
Einladung unseres Verbandes und der FOCUS-Redaktion versammelten<br />
sich dort annähernd 200 Gäste aus <strong>Mittelstand</strong>, Kultur und<br />
Gesellschaft. Sie erlebten eine ebenso spannende wie unterhaltsame<br />
Diskussion über die Sorgen und Nöte des <strong>Mittelstand</strong>s in Zeiten<br />
von Corona.<br />
<strong>Der</strong> Veranstaltung in Düsseldorf werden weitere im ganzen Land<br />
folgen – sobald die Corona-Ketten der Versammlungsfreiheit gesprengt<br />
sind. Denn die Aufgabe, dem <strong>Mittelstand</strong> die ihm gebührende<br />
Aufmerksamkeit zu verschaffen, bleibt über den Tag hinaus.<br />
Unter der erprobten Leitung von FOCUS-Chefkorrespondent Daniel<br />
Goffart diskutierten BVMW-Vizepräsident Dr. Michael Pott, BVMW-<br />
Vorstandsmitglied und geschäftsführende Gesellschafterin der<br />
Westfälischen Drahtindustrie (WDI), Katja Pampus, der TV-bekannte<br />
Philosoph Prof. Dr. Richard David Precht und NRW-Ministerpräsident<br />
Armin Laschet ein breites Themen-Spektrum.<br />
Eröffnet hatte den Abend eine Begrüßungsrede von <strong>Mittelstand</strong>spräsident<br />
Mario Ohoven. Für seine Mahnung, angesichts von Corona<br />
nicht in Panik und Hysterie zu verfallen, sowie für seine Forderung<br />
nach einer Stärkung des <strong>Mittelstand</strong>s durch Steuer- und Abgabensenkungen<br />
erhielt er den nachhaltigen Beifall des Publikums. Zugleich<br />
warnte der Präsident vor einer durch das Coronavirus ausgelösten<br />
„Krisenspirale“. Anders als bei der Finanzkrise gehe „die Gefahr<br />
dieses Mal nicht von der den Banken aus, sondern von der Realwirtschaft“.<br />
Komme sie zum Erliegen, werde sie „die Börsen in die Tiefe<br />
ziehen“. Dies könne wiederum eine neue Finanzkrise auslösen.<br />
Auch Ministerpräsident Armin Laschet betonte den Ernst der Lage:<br />
„Wir befinden uns in einer dramatischen Situation“, so der aussichtsreiche<br />
Kandidat für den CDU-Vorsitz. Neben der Corona-Krise wurden<br />
auch die Herausforderungen der Klimawende und Digitalisierung<br />
für den <strong>Mittelstand</strong> diskutiert: „Für die Mittelständler wäre es<br />
wichtig, dass wir in Deutschland pragmatischer an diese Dinge herangehen“,<br />
so Familienunternehmerin und BVMW-Vorstandsmitglied<br />
Katja Pampus. BVMW-Vizepräsident Dr. Hans-Michael Pott stellte<br />
fest: „Die steuerlichen Defizite in Deutschland sind groß, und die Umweltregeln<br />
werden bald komplizierter als das Steuerrecht.“<br />
Michael Backhaus<br />
Journalist<br />
BVMW Berater Medien<br />
mittelstand@bvmw.de<br />
Daniel Goffart, FOCUS-Chefkorrespondent, moderierte die Gesprächsrunde mit<br />
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, Prof. Dr. Richard David Precht, Katja<br />
Pampus und Dr. Michael Pott (v. li.).<br />
<strong>Mittelstand</strong>spräsident Mario Ohoven<br />
bei seiner Begrüßungsrede.<br />
Landesvater NRW: Armin Laschet.<br />
Rund 200 Gäste kamen zum Inner Circle in das Forty Four in Düsseldorf.<br />
Fotos: © Dominik Asbach und Sebastian Drüen für Hubert Burda Media; Sebastian Drüen für Hubert Burda Medien
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
DEUTSCHLAND<br />
19<br />
V. li.: Director Strategy FOCUS Sebastian Doedems, Mario Ohoven und Markus Jerger<br />
(BVMW Bundesgeschäftsführer).<br />
<strong>Der</strong> Stahl-Unternehmer Hermann Wegener (li.) und<br />
Jürgen Lechner (Atos).<br />
Treffpunkt FOCUS<br />
Wo Zukunft debattiert<br />
wird: Zum ersten Mal<br />
brachte der Inner Circle<br />
Gäste aus Politik, Wirtschaft<br />
und Kultur in Düsseldorf zusammen.<br />
Constanze Krieger (Coroplast) mit Unternehmer Thomas Loesche und Eva Loesche (v. li.).<br />
BVMW Vorstandsmitglied Katja Pampus (WDI) mit Sohn Lukas (li.) und Michael Backhaus<br />
(BVMW Berater Medien).<br />
Hotelier Otto Lindner, Modeunternehmerin Evelyn<br />
Hammerström und Immobilienentwickler Udo<br />
Hensgen (v. li.).<br />
Philosoph Prof. Dr. Richard David Precht (li.) und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet.
20 DEUTSCHLAND<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Bürokratiewahnsinn<br />
in Deutschland<br />
Bürokratiebelastung und Bürokratieabbau: wenige Schlagwörter dürften stärkere<br />
Emotionen innerhalb der Unternehmerschaft hervorrufen. Eine BVMW-Umfrage<br />
dokumentiert erstmals die Bürokratielast der Bundesländer und sammelt<br />
Lösungsansätze zur Entlastung von der Bürokratie.<br />
Während die Bürokratiebelastung konstant und regelmäßig<br />
negative Reaktionen auslöst – „zu hoch, realitätsfern, diese<br />
Bürokraten“ – ist der Bürokratieabbau mit der immerwährenden<br />
Hoffnung an die Politik verknüpft, endlich Besserung in<br />
die „Bürokratiehölle“ Deutschland zu bringen.<br />
Die Bürokratie, die durch die<br />
16 deutschen Bundesländer<br />
entstanden ist, scheint noch nicht<br />
Gegenstand weiterführender<br />
Untersuchungen gewesen zu sein.<br />
Bundesregierung agiert am <strong>Mittelstand</strong> vorbei<br />
Niemand soll der Bundesregierung vorwerfen, sie würde sich nicht<br />
ausreichend mit dem Thema beschäftigen. Wurde nicht im November<br />
2019 das Bürokratieentlastungsgesetz III verabschiedet? Wird<br />
nicht in jeder politischen Sonntagsrede von der bestimmt bald kommenden<br />
und selbstverständlich auch umfangreichsten Bürokratieentlastung<br />
für das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, den <strong>Mittelstand</strong>,<br />
fabuliert? Rühmt man sich etwa nicht mit ersten Erfolgen, wie<br />
der jetzt möglichen elektronischen Arbeitsunfähigkeitsmeldung oder<br />
einer erheblich einfacheren Archivierung von Steuerdokumenten?<br />
Leider muss man häufig konstatieren, dass die gut gemeinten Lösungsvorschläge<br />
nur in seltenen Fällen ihr Ziel erreichen. Die andauernde<br />
Kontroverse um die Bonpflicht hat dies zum Anfang des<br />
Jahres erneut eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Vielleicht wird die<br />
Bonpflicht im Bürokratieentlastungsgesetz IV wieder abgeschafft.<br />
An diesem, so erzählen es sich gut informierte Kreise, arbeite das<br />
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie bereits emsig.<br />
Woran aber liegt es, dass die Bundesregierung anscheinend immer<br />
öfter an den Wünschen und Nöten von Mittelständlern vorbeiagiert?<br />
Sind es mangelnde Erkenntnis und fehlende Evidenz? Auf den ersten<br />
Blick erscheint diese Erklärung unzureichend. Zahlreiche Studien<br />
und Aufsätze haben aktuelle Probleme und Herausforderungen aus-<br />
führlich skizziert. Allerdings beziehen sich die genannten Untersuchungen<br />
beinah ausnahmslos auf die Bundesebene. Teilweise werden<br />
in Bürokratiestudien auch noch die durch die Europäische Union<br />
entstandenen Belastungen miteinbezogen. Die Bürokratie allerdings,<br />
die durch die 16 deutschen Bundesländer entstanden ist, scheint<br />
noch nicht Gegenstand weiterführender Untersuchungen gewesen<br />
zu sein.<br />
Bundesländer-Bürokratie-Ranking<br />
Genau an diesem Punkt will der Bundesverband mittelständische<br />
Wirtschaft ansetzen und Licht ins Dunkel bringen. Im föderalen Wettbewerb<br />
hätte ein Bundesländer-Bürokratie-Ranking einen besonderen<br />
Charme. Bundesländer wären wesentlich besser miteinander<br />
vergleichbar, Positivbeispiele würden gegebenenfalls übernommen.<br />
Gründerinnen und Gründer könnten die reale Bürokratiebelastung<br />
an ihrem gewünschten Standort deutlich besser antizipieren und so<br />
die Bundesländer zu neuen Höchstleistungen anspornen. Nicht umsonst<br />
stellt Artikel 91 d des Grundgesetzes fest: „Bund und Länder<br />
können zur Feststellung und Förderung der Leistungsfähigkeit ihrer<br />
Verwaltungen Vergleichsstudien durchführen und die Ergebnisse<br />
veröffentlichen.“<br />
Teilnahme an der BVMW-Umfrage ist noch möglich<br />
Was im Bereich der Bildung schon lange Standard ist, nämlich ein<br />
länderübergreifender Performancevergleich, muss auch für das<br />
Thema Bürokratie möglich sein. Aus diesem Grund hat der BVMW<br />
in den vergangenen Wochen seine Mitglieder mit der Bitte kontaktiert,<br />
Beispiele für Bürokratiebelastung in ihren Bundesländern zu<br />
schildern. Diese werden nun gesichtet und in konkrete Lösungsvorschläge<br />
überführt, um sie anschließend den Entscheidern sowohl<br />
auf Bundes- als auch auf Länderebene vorzustellen. An dieser Stelle<br />
möchten wir uns bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Umfrage<br />
ausdrücklich bedanken! Wer noch nicht die Zeit gefunden hat,<br />
die Umfrage auszufüllen, kann dies noch tun. <strong>Der</strong> BVMW freut sich<br />
über jede weitere Zusendung und wird diese in den anstehenden Prozess<br />
aufnehmen.<br />
Zur Umfrage: https://www.surveymonkey.de/r/Y2XHWRF
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
DEUTSCHLAND<br />
21<br />
Gut zu wissen<br />
Foto: © Bet_Noire von www.istockphoto.com<br />
n Die Bundesregierung arbeitet bereits am Bürokratieentlastungsgesetz<br />
IV, dieses wird voraussichtlich erst<br />
in der nächsten Legislaturperiode verabschiedet<br />
n Beteiligen Sie sich noch heute an der BVMW-Umfrage zum<br />
Bürokratieabbau auf Länderebene<br />
n Unterstützen Sie uns beim nachhaltigen Abbau der Bürokratie in<br />
Deutschland, auf Bundes- und auf Länderebene<br />
Anfragen an: matthias.schenk@bvmw.de<br />
Matthias Schenk<br />
BVMW Referent Public Affairs<br />
matthias.schenk@bvmw.de<br />
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22 DEUTSCHLAND<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Weit über tausend Kassenquittungen als dekorativer Protest in einem Restaurant in Karlsruhe.<br />
Die Kassenbonpflicht –<br />
Müll für den <strong>Mittelstand</strong><br />
Die Bonpflicht erschüttert seit Beginn des Jahres den stationären Einzelhandel. Was die<br />
Probleme sind, und wie Mittelständler damit umgehen.<br />
Bonpflicht nun für jeden Verkauf<br />
Zum Jahreswechsel trat die „Beleg-Ausgabepflicht“ für sämtliche<br />
Verkäufe (auch Kleinstbeträge) in Kraft. Diese wurde<br />
bereits 2016 durch den damaligen Finanzminister Wolfgang<br />
Schäuble gesetzlich erlassen und soll zur Vermeidung von Steuerhinterziehung<br />
beitragen. <strong>Der</strong> Bundesrechnungshof geht davon aus,<br />
dass in Deutschland jährlich zehn Milliarden Euro Steuern hinterzogen<br />
werden, da vor allem Kleinstbeträge in Bäckereien oder Kiosken<br />
nicht vollständig abgerechnet werden.<br />
In den EU-Nachbarländern Standard<br />
In vielen Nachbarländern ist die Bonpflicht allerdings bereits Standard.<br />
Gerade in Ländern, welche mit höheren Beträgen der Steuerhinterziehungen<br />
zu kämpfen haben (wie Italien oder Portugal), setzt<br />
der Gesetzgeber auf teils noch stärkere Kontrollmechanismen. In<br />
Italien wurde zu Beginn des Jahres das Anschaffen eines hochmodernen<br />
Kassensystems, welches Umsätze direkt an das Finanzamt<br />
übermittelt, für alle umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen obligatorisch.<br />
<strong>Der</strong> BVMW fordert, dass der Gesetzgeber<br />
den Unternehmen wieder mehr<br />
Vertrauen entgegenbringt und diese<br />
von der unsinnigen Belastung befreit.<br />
Gegenwind aus der Opposition<br />
Die <strong>Mittelstand</strong>ssprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis<br />
90/Grünen, Claudia Müller, fokussiert besonders die gestiegene Umweltbelastung<br />
durch den stark erhöhten Bon-Druck auf nicht-recy-<br />
Foto: © picture alliance/Christoph Schmidt/dpa
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
DEUTSCHLAND<br />
23<br />
Lottoannahmestelle im Karstadt Magdeburg: Inhaber Stephan Papenbreer<br />
und Mitarbeiterin Sigrid Kley.<br />
Bonpflicht und die Erfahrungen<br />
aus der Praxis<br />
Foto: © Peter Martini<br />
clebarem Thermopapier. Dieses Papier enthält zusätzlich oft den<br />
hochgiftigen Stoff Bisphenol-A und sollte daher nicht mit Lebensmitteln<br />
in Kontakt kommen. Hingegen kritisiert Reinhard Houben,<br />
wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP im Bundestag, die fehlende<br />
Digitalisierung und das Ansteigen der „Zettelwirtschaft“.<br />
Unternehmen sind empört<br />
Kleine und mittlere Unternehmen sind durch die starke Zusatzbelastung<br />
besonders betroffen. <strong>Der</strong> hohe Verbrauch von Papier und der<br />
Zusatzaufwand der Beschäftigten ist besonders für Kleinstbeträge<br />
unverhältnismäßig belastend. Daher sieht der BVMW es als notwendig<br />
an, dass der Gesetzgeber den Unternehmen wieder mehr<br />
Vertrauen entgegenbringt und diese von der unsinnigen Belastung<br />
befreit. <strong>Der</strong> kürzlich eingebrachte Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister<br />
Altmaier, Geschäfte des täglichen Lebens, die einen Wert<br />
von zehn Euro nicht übersteigen, von der Bonpflicht auszunehmen,<br />
ist daher zu begrüßen. <strong>Der</strong> Bürokratieaufwand ist besonders für diese<br />
Kleinstbeträge nicht tragbar, insbesondere da der <strong>Mittelstand</strong><br />
schon lange einen Abbau des unnötigen Dokumentierens von Geschäftsvorgängen<br />
fordert. Durch den weiteren Ausbau der Digitalisierung<br />
setzen sich in der Zukunft hoffentlich auch alternative Quittierungssysteme<br />
durch, welche die physische Abrechnung zeitnah<br />
ersetzen können. Dies wäre eine erhebliche Erleichterung – sowohl<br />
für die Unternehmen, die Kunden als auch für die Umwelt.<br />
Zusammen mit meiner Frau betreibe ich einen Kiosk mit Lottoannahmestelle<br />
im Karstadt Kaufhaus in Magdeburg. Geöffnet hat der Kiosk<br />
Montag bis Samstag jeweils zehn Stunden. Zu Spitzenzeiten werden pro<br />
Stunde bis zu 70 Kunden bedient. <strong>Das</strong> preiswerteste Produkt, eine Zeitschrift,<br />
kostet 69 Cent. Für jeden einzelnen Kunden sind wir verpflichtet,<br />
einen Kassenbon auszugeben. So die Gesetzeslage. Hochgerechnet<br />
müssten in der Verkaufsstelle im Monat 12.000 Belege gedruckt werden.<br />
Doch nur drei Prozent der Kunden wollen einen Bon. Für uns kommen<br />
noch weitere Aspekte hinzu: Die Kasse registriert jede Einnahme und<br />
jede Ausgabe, zudem entstehen Kosten für das Spezialpapier der<br />
Bonrollen und schlussendlich die Entsorgung als Sondermüll. Wozu<br />
also, frage ich mich, muss dieser zweite Nachweis sein? Es ist alles<br />
bereits registriert, kann jederzeit ausgelesen werden und ist vor allem<br />
für die Lottoannahme fälschungssicher. Mein Vorschlag: Erst ab einem<br />
Mindestumsatz von zehn Euro sollte es eine Bonpflicht geben.<br />
Stephan Papenbreer<br />
Inhaber Lotto im Karstadt Magdeburg<br />
BVMW-Mitglied<br />
Amelie Heindl<br />
BVMW Referentin für Arbeit, Soziales<br />
und Gesundheit<br />
amelie.heindl@bvmw.de
24 DEUTSCHLAND<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Wasserstoff –<br />
die Energie von morgen?<br />
Nachdem das vergangene Jahrzehnt mit großen Fortschritten im Bereich der wiederaufladbaren<br />
Batterien ganz im Zeichen von privaten Elektrofahrzeugen stand, rufen Experten nun das Zeitalter<br />
des Wasserstoffs aus.<br />
In den unvorstellbaren Weiten des Weltalls ist Wasserstoff jenes<br />
Element, das bei Weitem am häufigsten vorkommt. Mit Hilfe einer<br />
Brennstoffzelle lässt sich aus diesem unendlichen Rohstoff Energie<br />
erzeugen. Allerdings ist dies keine Erkenntnis der Neuzeit. Bereits<br />
1875 schrieb Jules Verne in seinem Buch „Die geheimnisvolle Insel“:<br />
„<strong>Das</strong> Wasser ist die Kohle der Zukunft. Die Energie von morgen ist<br />
Wasser, das durch elektrischen Strom zerlegt worden ist. Die so zerlegten<br />
Elemente des Wassers, Wasserstoff und Sauerstoff, werden<br />
auf unabsehbare Zeit hinaus die Energieversorgung der Erde sichern.“<br />
Vorreiter aus Asien<br />
Doch erst seit circa fünf Jahren werden Brennstoffzellenfahrzeuge<br />
erfolgreich in Serie hergestellt – in Südkorea und Japan. Tatsächlich<br />
haben vor allem diese beiden rohstoffarmen Staaten nach dem<br />
atomaren GAU in Fukushima erkannt, welches Potential Wasserstoff<br />
besitzt. In einer Brennstoffzelle reagieren Sauerstoff- mit Wasserstoffmolekülen<br />
und erzeugen dabei Strom. Bei dieser sogenannten<br />
„kalten Verbrennung“ entsteht als Abfallprodukt H 2<br />
0 – also reines<br />
Wasser.
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
DEUTSCHLAND<br />
25<br />
Vor allem Japan hat ehrgeizige Pläne und plant bis 2030 rund<br />
800.000 Brennstoffzellenautos und fünf Millionen Brennstoffzellen<br />
für Eigenheime auf dem Markt. Dabei setzt das Land derzeit noch<br />
auf schmutzigen Wasserstoff, der überwiegend aus Erdgas gewonnen<br />
wird. <strong>Das</strong> dient zwar im Moment nicht dem Einhalten der Ziele<br />
des Pariser Klimaabkommens, allerdings wird so eine Infrastruktur<br />
geschaffen, die absolut klimaneutral sein kann – sobald grüner Wasserstoff<br />
verwendet wird.<br />
Kraftstoffe verarbeitet werden. Dieses einfache Beispiel zeigt den<br />
Vorteil des neuen Energiespeichers auf. Im Gegensatz zu Batterien<br />
benötigt man bei dieser Methode keinerlei Rohstoffe wie Lithium<br />
oder Kobalt. <strong>Der</strong> Rohstoff, der hier verlangt wird, ist „Know-how“. Daher<br />
ist nun die Politik gefordert, Hindernisse abzubauen und Innovationen<br />
zu fördern.<br />
Foto: © malp von stock.adobe.com<br />
<strong>Das</strong> Wasser ist die Kohle der Zukunft.<br />
Energieüberschuss nutzen<br />
An diesem Hebel kann auch in Deutschland angesetzt werden. Vergangenen<br />
Februar sorgte Orkan Sabine für Rekorde: Noch nie konnte<br />
in vergleichbarer Zeit so viel Energie durch Windkraft gewonnen<br />
werden. Leider wurde ein Großteil dieser Energie nicht genutzt oder<br />
gar ins Ausland verschenkt, da sonst eine Netzüberlastung die Folge<br />
gewesen wäre. <strong>Das</strong> BVMW-Mitglied Apex-Energy aus Mecklenburg-Vorpommern<br />
bietet hierfür eine Lösung: <strong>Der</strong> überschüssige<br />
Strom wird genutzt, um mit einer Elektrolyse Wasser in seine Bestandteile<br />
Wasser- und Sauerstoff zu spalten. <strong>Der</strong> gewonnene Wasserstoff<br />
kann anschließend gespeichert, durch vorhandene Pipelines<br />
durch Deutschland transportiert und verheizt oder in synthetische<br />
Gut zu wissen<br />
n Mit Hilfe einer Brennstoffzelle lässt sich aus Wasserstoff Energie<br />
erzeugen<br />
n In Deutschland wird überproduzierte Energie nicht genutzt, um<br />
Netzüberlastungen zu vermeiden<br />
n <strong>Das</strong> BVMW-Mitglied Apex-Energy (apex-group.de) hat eine innovative<br />
Lösung zur Nutzung überschüssiger Energie entwickelt<br />
Kilian Harbauer<br />
BVMW<br />
Referent für Energie, Nachhaltigkeit,<br />
Mobilität und Logistik<br />
kilian.harbauer@bvmw.de
26 DEUTSCHLAND<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Altmaier verbessert<br />
<strong>Mittelstand</strong>sprogramm<br />
<strong>Das</strong> Zentrale Innovationsprogramm <strong>Mittelstand</strong><br />
(ZIM) wird noch mittelstandsfreundlicher. Mit<br />
jährlich über 3.000 neuen Technologieentwicklungsprojekten<br />
ist es das größte Programm der<br />
Bundesregierung zur Förderung des innovativen<br />
<strong>Mittelstand</strong>s. Neue Anträge können erst<br />
wieder nach Abschluss der Projektträgersuche<br />
gestellt werden.<br />
<strong>Der</strong> Gesetzgeber hat auf Initiative von Bundeswirtschaftsminister<br />
Peter Altmaier am 20. Januar 2<strong>02</strong>0 die neue ZIM-Richtlinie<br />
vorgestellt. Schon jetzt gilt das ZIM als Musterbeispiel<br />
für ein bürokratiearmes Förderprogramm. Zukünftig werden innovative<br />
Mittelständler noch besser und passgenauer gefördert. Laut<br />
Altmaier stehen im Jahr 2<strong>02</strong>0 Haushaltsmittel in Höhe von 555 Millionen<br />
Euro zur Verfügung. Davon sollen insbesondere innovative<br />
junge und kleine Unternehmen profitieren und der Wissenstransfer<br />
intensiviert werden. <strong>Das</strong> neue ZIM optimiert das bewährte Programm<br />
an zahlreichen Stellen. Junge und Kleinstunternehmen<br />
sowie Erstinnovatoren erhalten zukünftig bessere Unterstützungsmöglichkeiten<br />
für anspruchsvolle Forschungs- und Entwicklungsprojekte.<br />
Kleine Unternehmen aus allen strukturschwachen Regionen<br />
profitieren zudem zukünftig von erhöhten Fördersätzen. Auch<br />
der nationale und internationale Wissenstransfer sowie der Transfer<br />
der Forschungsergebnisse in die Praxis werden intensiviert. <strong>Das</strong><br />
ZIM unterstützt mit Hilfe von Zuschüssen marktorientierte technische<br />
Forschungs- und Entwicklungsprojekte von Mittelständlern<br />
und kooperierenden Forschungseinrichtungen sowie das Management<br />
von Innovationsnetzwerken. Die Unternehmen bestimmen<br />
im ZIM selbst, wie, wann und mit wem sie ihre Projekte realisieren.<br />
Etwa 75 Prozent der geförderten Unternehmen haben weniger als<br />
50 Beschäftigte. <strong>Der</strong> überwiegende Teil der geförderten Projekte<br />
sind Kooperationen mit Forschungseinrichtungen.<br />
Wesentliche Änderungen des neuen ZIM<br />
Erstbewilligungsempfänger und junge Unternehmen, deren Gründung<br />
nicht länger als zehn Jahre zurückliegt, können Durchführbarkeitsstudien<br />
fördern lassen, um ihnen den Zugang zu anspruchsvollen<br />
Forschungs- und Entwicklungsprojekten zu erleichtern. Die<br />
Fördersätze für kleine junge Unternehmen werden unabhängig von<br />
der Region erhöht. Um den nationalen wie internationalen Knowhow-Transfer<br />
zu intensivieren, öffnet sich das ZIM für mittelständische<br />
Unternehmen mit bis zu 1.000 Mitarbeitern (zuvor lag die Grenze<br />
bei 500 Mitarbeitern), sofern diese mit mindestens einem KMU<br />
kooperieren. Die Förderung internationaler ZIM-Innovationsnetzwerke<br />
kann nach einem erfolgreichen Pilotvorhaben verstetigt wer-
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
DEUTSCHLAND<br />
27<br />
Foto: © Seventyfour von stock.adobe.com<br />
den, um den Wissenstransfer noch effektiver zu unterstützen und internationale<br />
Märkte zu erschließen. Zu den verbesserten Leistungen<br />
zur Markteinführung zählen Innovationsberatungen, innovationsunterstützende<br />
Dienstleistungen, Messeauftritte sowie Beratungen zu<br />
Produktdesign und Vermarktung.<br />
Höhere Fördersummen<br />
In strukturschwachen Regionen werden die zuwendungsfähigen<br />
Kosten bei allen Fördermodulen erhöht, um größere Innovationsvorhaben<br />
zu ermöglichen und zum Ausgleich gestiegener Personal-<br />
und Overheadkosten. Bei Einzelprojekten steigt das Volumen<br />
von 380.000 auf 550.000 Euro. Insbesondere Erstbewilligungsempfängern<br />
nutzt diese Projektform. Sie ist von besonderer Bedeutung,<br />
um Unternehmen an Forschung und Entwicklung heranzuführen. Bei<br />
Kooperationsprojekten steigt die Summe von 380.000 auf 450.000<br />
Euro pro Unternehmen und von 190.000 auf 220.000 Euro für kooperierende<br />
Forschungseinrichtungen. Die maximal mögliche Fördersumme<br />
für ein Gesamtprojekt steigt von 2 auf 2,3 Millionen Euro.<br />
Bei nationalen ZIM-Innovationsnetzwerken steigt die maximale<br />
Fördersumme von 380.000 auf 420.000 Euro und bei internationalen<br />
Netzwerken von 450.000 auf 520.000 Euro. Die Erhöhung der Fördersätze<br />
für kleine Unternehmen aus strukturschwachen Regionen<br />
trägt dem neuen gesamtdeutschen Fördersystem Rechnung: Zuvor<br />
erhielten im ZIM kleine Unternehmen aus den neuen Bundesländern<br />
einen erhöhten Fördersatz, jetzt ist nur noch die Strukturschwäche<br />
der Region entscheidend.<br />
BVMW für Aufstockung<br />
Minister Altmaier ist mit dem neuen ZIM ein wichtiger Schritt in<br />
die richtige Richtung gelungen. Dennoch besteht weiter Verbesserungsbedarf.<br />
So strebt der BVMW mittelfristig eine schrittweise Erhöhung<br />
des Programmvolumens auf jährlich eine Milliarde Euro an.<br />
Zu diesem Zweck wurden bereits mit den zuständigen Mitgliedern<br />
der Fraktionen des Deutschen Bundestags Gespräche geführt. <strong>Der</strong><br />
BVMW hält die Aufstockung des nachweislich sehr erfolgreichen ZIM<br />
für sinnvoller als Experimente mit neuen, unausgereiften Förderprogrammen.<br />
Gut zu wissen<br />
<strong>Das</strong> neue ZIM ersetzt die bisherige Förderrichtlinie, die am 31. Dezember<br />
2019 ausgelaufen ist. Auch die ZIM-Projektträgerschaft wird neu<br />
ausgeschrieben. Dies soll bis Ende März abgeschlossen sein. Ab<br />
dann ist eine Antragstellung unter den neuen ZIM-Förderbedingungen<br />
möglich. Förderanträge auf Grundlage der alten ZIM-Richtlinie, die bis<br />
31. Dezember 2019 eingegangen sind, werden weiter von den bisherigen<br />
Projektträgern bearbeitet. Seitdem können noch keine neuen Anträge<br />
gestellt werden.<br />
Dr. Hans-Jürgen Völz<br />
BVMW Chefvolkswirt<br />
hans-juergen.voelz@bvmw.de<br />
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DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
öffnet Mario Ohoven im In- und Ausland Türen für den unternehmerischen<br />
<strong>Mittelstand</strong>. Hier eine kleine Auswahl hochrangiger<br />
Treffen:<br />
Mario Ohoven (Mitte), Diana Scholl (BVMW Leiterin politische Netzwerke und<br />
Strategie) und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer …<br />
Treffen mit Bundesverkehrsminister<br />
Andreas Scheuer<br />
Mario Ohoven und die <strong>Mittelstand</strong>sallianz haben sich zu einem gemeinsamen<br />
Austausch im Bundesverkehrsministerium getroffen.<br />
Dabei wurden Themen diskutiert, die den <strong>Mittelstand</strong> im Bereich<br />
der Infrastrukturpolitik besonders bewegen: der schleppende<br />
Breitbandausbau und Klimaschutzmaßnahmen, die generell zu<br />
begrüßen seien, aber nicht zulasten mittelständischer Unternehmen<br />
gehen dürften.<br />
Ein Arbeitstag von Mario Ohoven:<br />
… beim Treffen mit dem spanischen Botschafter, S. E. Ricardo Martínez …<br />
<strong>Handel</strong> mit Spanien<br />
Die spanische Wirtschaft befindet sich dank zahlreicher Reformen<br />
unter der Regierung von Premierminister Mariano Rajoy in<br />
einem robusten Aufschwung. Aber wie können kleine und mittlere<br />
Unternehmen hierzulande von diesem Aufschwung profitieren?<br />
Bei einem Botschafterfrühstück in der BVMW-Bundeszentrale mit<br />
dem spanischen Botschafter, S. E. Ricardo Martínez und mit dem<br />
Wirtschaftsattaché der Botschaft wurden Kooperationsmöglichkeiten<br />
und <strong>Handel</strong>sbeziehungen mit mittelständischen Unternehmern<br />
aus Spanien ausgelotet.<br />
… und beim Meeting mit mehr als 40 Botschaftern im Ambassadors Club<br />
in Berlin.<br />
Brückenschlag in 40 Länder<br />
Bei einem exklusiven Mittagessen im Ambassadors Club in<br />
Berlin hat Mario Ohoven die Keynote gehalten. Vor mehr als<br />
40 Botschaftern aus aller Welt unterstrich er die Bedeutung der<br />
mittelständischen Unternehmen für die deutsche Wirtschaft.<br />
Viele Botschafter haben danach großes Interesse gezeigt, ein<br />
Unternehmerfrühstück in der BVMW-Zentrale durchzuführen.
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3/2019 | Juni / Juli 2019 Themenschwerpunkt: <strong>Mittelstand</strong> und Steuern<br />
<strong>Der</strong> gierige Steuerstaat<br />
Jeder Politiker weiß aus eigener Anschauung:<br />
Wichtiger als seine Taten<br />
selbst sind die Berichte über seine Taten.<br />
Dies gilt – so die weit verbreitete Meinung<br />
– um so mehr in den Zeiten von Big<br />
Data und der grenzenlosen Individualisierung<br />
von Kommunikation in den sozialen Netzwerken.<br />
Wundersame Kräfte werden den<br />
Herrschern über unsere Daten zugesprochen;<br />
so sollen sie – Stichwort Cambridge<br />
Analytica – sogar die letzten US-Präsidentschaftswahlen<br />
zugunsten Donald Trumps<br />
entschieden haben.<br />
Ein aktuelles Beispiel ist die Kampagne des<br />
New Yorker Milliardärs Michael Bloomberg<br />
zur Erringung der Präsidentschaftskandidatur<br />
der Demokraten. Bloomberg war erst zum<br />
Super-Tuesday in den Wahlkampf gegen Biden<br />
und Sanders eingestiegen, weil er sich<br />
auf seine Daten-Hexenküche namens Hawkfish<br />
glaubte verlassen zu können. Wie schon<br />
bei Cambridge Analytica verspricht Hawkfish,<br />
an die Wähler individuell zugeschnittene politische<br />
Botschaften mundgerecht zu vermitteln<br />
und damit unvergleichlich erfolgreich zu<br />
sein. Dazu wurden nicht nur riesige Datensätze<br />
aufbereitet, sondern auch jede Menge Influencer<br />
eingekauft, um auch junge Zielgruppen<br />
zu erreichen, sowie massenhaft Filmchen<br />
über den Kandidaten-Kandidat Bloomberg bei<br />
Social-Media-Kanälen eingespeist.<br />
Angesichts eines schier unerschöpflichen<br />
Wahlkampfetats wurde Bloomberg vorgeworfen,<br />
er wolle sich mit seinen Milliarden<br />
den Wahlsieg kaufen. <strong>Das</strong> ist falsch, Bloomberg<br />
hat sich für Millionen Dollar Daten verschafft,<br />
mit deren Hilfe er die Wahl gewinnen<br />
wollte. <strong>Das</strong> Beruhigende daran: Es ist gründlich<br />
schief gegangen. Am Tag nach dem Super-Tuesday<br />
gab Bloomberg auf und stellte<br />
sich hinter Joe Biden – den Bewerber um die<br />
Präsidentschaftskandidatur mit dem im Vergleich<br />
zu Sanders oder Bloomberg kleinsten<br />
Wahlkampfbudget.<br />
Welche Lehren kann man aus all dem ziehen?<br />
Ja, Daten, also Informationen über<br />
Wähler, sind wichtig. Deswegen gibt es ja<br />
schon lange Wählerumfragen. Und ja, Social<br />
Media werden für Wahlkämpfe immer wichtiger,<br />
da viele Wähler sich aus den klassischen<br />
Medien ausgeklinkt haben.<br />
<strong>Der</strong> Voodoo-Glaube von Politikern und Medien<br />
an die Macht der Daten vernachlässigt<br />
den menschlichen Faktor. Wichtiger als das<br />
Medium ist die politische Botschaft eines<br />
Bewerbers und sein Charisma. Trump hat die<br />
Wahl gewonnen, weil er mit seinen zentralen<br />
Botschaften – America First, Rückbesinnung<br />
auf klassische Industrien, Schutz der<br />
eigenen Märkte durch Zölle, Rückzug aus der<br />
Rolle des Weltpolizisten – einen Nerv bei vielen<br />
Wählern traf. Ihm trauten sie zu, sich mit<br />
seinem Programm gegen das Washingtoner<br />
Establishment durchzusetzen – gerade<br />
wegen seiner auf viele Europäer ungehobelt<br />
wirkenden Sprache. Für seine Wähler klingt<br />
sie vor allem glaubwürdig.<br />
DAS ist für mich die Lehre aus dem spektakulären<br />
Scheitern des Michael Bloomberg:<br />
Daten und Medienkanäle ersetzen nicht einen<br />
starken Charakter und gute Ideen für die<br />
Zukunft eines Landes. An Daten-Hexenküchen<br />
wie Hawkfisch und Cambridge Analytica<br />
glauben vor allem schwache Kandidaten.<br />
Michael Backhaus<br />
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Europa<br />
News<br />
KMU-Strategie wird konterkariert<br />
Anfang März hat die EU-Kommission ihre neue KMU-Strategie vorgelegt.<br />
(<strong>Das</strong> Ergebnis war bis Redaktionsschluss nicht bekannt.) Im<br />
Vorfeld hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigt,<br />
die mittelständischen Unternehmen „als Rückgrat unserer<br />
Volkswirtschaft“ zu stärken, den Verwaltungsaufwand für diese Betriebe<br />
zu reduzieren und den Marktzugang zu erleichtern. Doch das<br />
reicht vielen nicht. Die Europaabgeordneten Markus Pieper und Markus<br />
Ferber fordern „einen zentralen <strong>Mittelstand</strong>s-Ansprechpartner<br />
als Stabsstelle bei der Kommissionspräsidentin“. Auch die KMU-Definition<br />
müsse überarbeitet werden, Midcaps (eigentümergeführte<br />
mittelgroße Unternehmen) sollten einbezogen werden. Konterkariert<br />
wird die KMU-Strategie ohnehin durch den Aktionsplan „Soziales Europa“<br />
inklusive einer Initiative für Mindestlöhne. Europas Arbeitgeber<br />
sehen darin eine eindeutige Kompetenzüberschreitung, denn „die<br />
Verträge schließen ausdrücklich eine EU-Zuständigkeit für Lohnfragen<br />
aus“. Davon lässt sich der verantwortliche EU-Kommissar Nicolas<br />
Schmit nicht beirren und hat einen dreimonatigen Konsultationsprozess<br />
mit Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften begonnen.<br />
Schon im Sommer soll der EU-Richtlinienentwurf zum Mindestlohn<br />
folgen. (Siehe weitere Meldung!)<br />
www.foerderinfo.bund.de kmu-definition<br />
Weniger Falschgeld<br />
Die Zahl der gefälschten Euro-Banknoten ist im zurückliegenden<br />
Jahr europaweit gesunken. 559.000 falsche Euro-Scheine<br />
zogen Polizei, <strong>Handel</strong> und Banken nach Angaben der Europäischen<br />
Zentralbank (EZB) aus dem Verkehr. Damit sank die Zahl<br />
der „Blüten“ im Vergleich zum Vorjahr um 4.000 Stück. <strong>Das</strong><br />
ist der niedrigste Stand seit 2013 (670.000 Fälschungen). <strong>Der</strong><br />
Schaden lag im Jahr 2019 bei 29,2 Millionen Euro – nach<br />
31,4 Millionen Euro im Jahr davor. Auch in Deutschland verringerte<br />
sich die Zahl der gefälschten Noten um immerhin fünf<br />
Prozent. 50er- und 20er-Scheine machen 80 Prozent der Fälschungen<br />
aus.<br />
www.ecb.europa.eu<br />
Kleine Münzen vor dem Aus?<br />
In Irland, Italien, Belgien und den Niederlanden wird an der<br />
Kasse bei Barzahlung auf Fünf- oder Zehn-Cent-Beträge gerundet.<br />
Mitgliedstaaten und Händler können so Kosten sparen.<br />
Gilt das demnächst in allen Euroländern? Die EU-Kommission<br />
will in einem ersten Schritt zur Abschaffung der<br />
kleinsten Kupfermünzen einheitliche Rundungsregeln vorschlagen.<br />
In Deutschland stoßen solche Pläne auf unterschiedliche<br />
Reaktionen. <strong>Der</strong> CSU-Europaabgeordnete Markus<br />
Ferber wittert einen Anschlag aus Brüssel auf das Zahlen<br />
mit Bargeld. Dagegen befürwortet der finanzpolitische Sprecher<br />
der FDP-Bundestagsfraktion Florian Toncar die Brüsseler<br />
Vorschläge. Die Herstellungskosten dieser Münzen sind<br />
höher als ihr Wert. Beim Eurobarometer 2017 haben sich in<br />
fast allen Mitgliedstaaten die Bürger mehrheitlich für eine Abschaffung<br />
der kleinen Münzen ausgesprochen.<br />
www.markus-ferber.de<br />
www.toncar.de<br />
EU-Mindestlohn umstritten<br />
Zurzeit reichen die festgeschriebenen<br />
Mindestlöhne von 11,97 Euro in Luxemburg<br />
bis zu einem Stundenlohn von<br />
1,72 Euro in Bulgarien. In Deutschland<br />
wurde der Mindestlohn zu Beginn des<br />
Jahres auf 9,35 Euro pro Stunde angehoben.<br />
Die EU-Staaten Dänemark,<br />
Schweden, Finnland sowie Italien, Österreich<br />
und Zypern haben keine gesetzlich festgelegten Mindestlöhne.<br />
In den skandinavischen Ländern mit einem relativ hohen Lohnniveau<br />
lehnen die Gewerkschaften eine Lohnuntergrenze ab, weil sie darin<br />
einen Eingriff in die Tarifautonomie sehen. Für den Sommer plant<br />
Brüssel einen Richtlinienentwurf. In Kommissionskreisen wird ausdrücklich<br />
betont, dass ein Einheitslohn nicht geplant sei, die Untergrenze<br />
könnte bei 60 Prozent des nationalen mittleren Einkommens<br />
liegen, um das Existenzminimum abzudecken.<br />
www.arbeitsrechte.de > mindestlohn-europa<br />
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DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0 EUROPA 31<br />
EU-Gegner kassiert ab<br />
Fotos: © https://de.wikipedia.org/Gage Skidmore; © Mistervlad von stock.adobe.com; © koya979 von stock.adobe.com<br />
<strong>Der</strong> Anführer der Brexit-Partei,<br />
Nigel Farage,<br />
der 20 Jahre für die UK Independence<br />
Party (UKIP)<br />
im Europaparlament saß<br />
und die EU mit Hohn und<br />
Spott überzog, hat Anspruch<br />
auf Übergangsgeld<br />
in Höhe von insgesamt<br />
178.657,20 Euro.<br />
20 Monate lang werden<br />
ihm die Diäten in Höhe<br />
von 8.932,86 Euro weitergezahlt.<br />
Außerdem steht<br />
dem 55-Jährigen ab Vollendung<br />
des 63. Lebensjahrs<br />
eine Rente in Höhe<br />
von monatlich 6.253 Euro zu. Darüber hinaus wird er Geld aus<br />
dem Pensionsfonds der EU beziehen.<br />
www.ukip.org<br />
Konferenzen zur Rolle Europas<br />
<strong>Der</strong> politische und institutionelle Stillstand Europas soll durch einen<br />
großen Bürgerdialog aufgebrochen werden. <strong>Das</strong>s dafür Bedarf<br />
besteht, ist Konsens zwischen EU-Kommission, Europaparlament<br />
und Nationalstaaten. Noch ist unklar, wie dieser Prozess genau organisiert<br />
wird. Sicher ist aber, dass die Bürger in themenbezogenen<br />
„Agorai“ mit bis zu 300 Teilnehmern direkt beteiligt werden. Es wird<br />
um die großen Fragen gehen, auch jene, bei denen die EU zuletzt an<br />
ihre Grenzen gestoßen ist: Europas Rolle in der Welt, Migration, Klimaschutz,<br />
aber auch soziale Ungleichheit. Die Debatten kann jeder<br />
live im Netz verfolgen. Einbezogen in politische Entscheidungsprozesse<br />
werden die Bürger bereits durch die Europäische Bürgerinitiative<br />
(EBI), die mit dem Vertrag von Lissabon als neues direktdemokratisches<br />
Instrument eingeführt wurde.<br />
www.ec.europa.eu/germany eu-buergerdialog.de<br />
Kein Singapur an der Themse<br />
Die Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien werden<br />
komplizierter als erwartet. „Die EU kann ein Singapur an der Themse<br />
nicht zulassen“, sagte der SPD-Abgeordnete Markus Töns in<br />
der Brexit-Debatte des Deutschen Bundestages. Auch andere Redner<br />
äußerten den Verdacht, die Briten wollten „eine Steueroase vor<br />
Europas Küsten schaffen“. Schon zuvor hatte Boris Johnson erklärt,<br />
dass man sich auf die Einhaltung von EU-Standards bei Wirtschaftshilfen,<br />
Arbeitnehmerrechten oder Umweltschutz nicht festlegen<br />
wolle. Dagegen verlangten eine Resolution des EU-Parlaments<br />
und eine Mehrheit im Bundestag sogar eine „dynamische Anpassung“<br />
an EU-Standards, auch künftige Regeländerungen müssten<br />
übernommen werden. Bis Ende Oktober sollen die Verhandlungen<br />
abgeschlossen sein. Wegen des großen Zeitdrucks befürworten die<br />
Bundestagsfraktionen von CDU/CSU, SPD und Grünen ein reines<br />
EU-Abkommen („EU-only“), das nur von EU-Parlament und Rat ratifiziert<br />
werden muss – und nicht von den nationalen Parlamenten.<br />
Die Befürchtung ist groß, dass die EU am Ende ohne Abkommen<br />
dasteht.<br />
www.consilium.europa.eu/de<br />
Europäische Union stärkt KMU<br />
Mit der vor kurzem vorgelegten KMU-Strategie im Rahmen<br />
der neuen Industriestrategie will die Europäische Kommission<br />
kleine und mittlere Unternehmen in Europa für den Wettbewerb<br />
zukunftssicher machen. Die Strategie der Kommission<br />
zielt darauf ab, mittelständische Unternehmen bei grenzüberschreitenden<br />
Geschäftstätigkeiten in Europa zu unterstützen.<br />
Insbesondere sollen unnötige Bürokratie abgebaut, KMU bei<br />
der digitalen Transformation unterstützt und nachhaltige Wirtschaftsformen<br />
aktiv gefördert werden. Kleine und mittlere Unternehmen<br />
sollen nach den Vorstellungen der Europäischen<br />
Kommission so zukünftig eine Vorreiterrolle beim digitalen und<br />
ökologischen Wandel übernehmen. Mit der Umsetzung der Ziele<br />
der Strategie wird zukünftig ein KMU-Beauftragter der EU<br />
betraut sein. Wer die Position übernimmt, steht aktuell allerdings<br />
noch nicht fest. <strong>Der</strong> BVMW begrüßt ausdrücklich, dass<br />
der einseitigen Dominanz der Interessen von Großkonzernen<br />
mit der KMU-Strategie der EU aktiv begegnet wird, und wird die<br />
EU-Kommission bei ihrem Vorhaben aktiv unterstützen.
32 EUROPA<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Paragrafenwald Brüssel?<br />
Zehn Tage drehten sich Kräne und Bagger,<br />
dann war das Notfallkrankenhaus in Wuhan<br />
vollendet. Was in China geht, scheint in<br />
Europa undenkbar. <strong>Das</strong> liegt jedoch entgegen<br />
gängiger Kritik nicht unbedingt an Brüssel.<br />
Fakten und Fake-News aus dem europäischen<br />
Paragrafenwald.<br />
Fasziniert und fassungslos konnten wir in den abendlichen<br />
TV-Nachrichten beobachten, mit welcher Geschwindigkeit in<br />
der chinesischen Millionenstadt Wuhan ein Notfallkrankenhaus<br />
für coronainfizierte Patienten emporwuchs. Wäre so etwas in<br />
Europa möglich? Unvorstellbar, in Deutschland schon gar nicht! Bauordnungsrecht,<br />
Bauplanungsrecht, Vergabevorschriften, arbeitsrechtliche<br />
Gesetze, die Einhaltung von Honorarordnungen und vieles<br />
mehr stehen solchen Eilbauten entgegen. Obendrein müssen noch<br />
die EU-Richtlinie für Umweltverträglichkeitsprüfungen oder die europäische<br />
Ökodesign-Verordnung bei der Auswahl der Lichtquellen<br />
beachtet werden. Andererseits möchte wohl niemand in einem totalitären<br />
Regime wie China leben.<br />
Europa soll ausbremsen<br />
Maß und Mitte zu finden, ist bei dieser Problematik schwierig. Absurd<br />
lange Genehmigungsverfahren für Bauprojekte will die Bundesregierung<br />
nun unter anderem durch zwei Gesetze zur Planungsbeschleunigung<br />
vermeiden. Ausgewählte Vorhaben im Schienen- und<br />
Foto: © bluedesign von stock.adobe.com
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0 EUROPA 33<br />
Wasserstraßenbau sollen damit vorangetrieben werden. Bei den Beratungen<br />
im Bundestag argumentieren die Gegner, das wäre „ein<br />
eklatanter Verstoß gegen europäisches Recht und gegen die Aarhus-Konvention<br />
der EU, die den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten<br />
sicherstellt“. Man werde damit vor dem Europäischen<br />
Gerichtshof (EuGH) scheitern, prognostizierten die Grünen. So ist das<br />
im politischen Geschäft: An einem Tag werden mehr Investitionen zur<br />
Verbesserung der Infrastruktur gefordert, keine 24 Stunden später<br />
wird Europa in Stellung gebracht, um solche Projekte zu verhindern.<br />
Kritik des <strong>Mittelstand</strong>s<br />
In der Regel verläuft die Debatte aber in umgekehrter Richtung. Für<br />
nationale Politiker haben häufig „die Bürokraten in Brüssel“ die Schuld;<br />
sie werden für Beschlüsse verantwortlich gemacht, die in Wahrheit<br />
sie selbst gefasst haben. So kommt es, dass der Vorwurf, die EU sei<br />
ein Bürokratiemonster, unzertrennlich mit Brüssel verbunden ist. Eine<br />
Beurteilung, die man nicht völlig von der Hand weisen kann.<br />
Aus Sicht der mittelständischen Wirtschaft gab es – und gibt es –<br />
massive Kritik an einigen EU-Richtlinien. Zu nennen sind beispielsweise<br />
die Entsenderichtlinie, die Datenschutzgrundverordnung, die<br />
Ökodesign-Richtlinie, die Chemikalienrichtlinie, die aktuell umstrittene<br />
UTP-Richtlinie gegen unfaire <strong>Handel</strong>spraktiken (Unfair Trading<br />
Practices) oder die geplanten Richtlinien zum europäischen Mindestlohn<br />
und zur Arbeitslosenversicherung. Absichten, die im <strong>Mittelstand</strong><br />
höchste Besorgnis auslösen. Bürokratie steigernd wirkt auch<br />
die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, wie das Urteil<br />
zur Arbeitszeiterfassung zeigt.<br />
Oft sind es die im Europaparlament ausgehandelten Kompromisse<br />
und nicht die ursprünglichen Kommissionsvorlagen, die für bürokratische<br />
Auswüchse bei EU-Richtlinien sorgen. Die Abgeordneten neigten<br />
dazu, die Entwürfe zu perfektionieren und damit zu verschlimmbessern,<br />
hört man häufig. Und aus der EVP-Fraktion wird moniert,<br />
dass in vielen Fällen eine rot-grün-liberale Koalition Ursache für wirtschaftsferne<br />
und praxisfremde Richtlinien gewesen sei. Zugegeben,<br />
es ist schwierig, einen akzeptablen Ausgleich zwischen Wirtschaftsinteressen<br />
und Verbraucherwünschen zu finden. Und meist arrangiert<br />
man sich irgendwann mit den politischen Vorgaben. So hat sich<br />
inzwischen herumgesprochen, dass Ökodesign-Normen die Elektrogeräte<br />
effizienter und sparsamer machen.<br />
Verschlankungsversuche<br />
Vielfältig waren die Versuche, die EU vom Image als Bürokratieproduzent<br />
zu befreien. Die Barroso-Kommission (2004 – 2014) setzte<br />
die Stoiber-Expertengruppe mit dem Ziel ein, die EU-Bürokratie<br />
schlanker zu machen. Im Abschlussbericht behauptete sie, mit ihrem<br />
Maßnahmenkatalog ließen sich 33 Milliarden Euro einsparen. Eine<br />
gigantische Zahl, deren Grundlage argwöhnisch betrachtet wurde.<br />
Als wichtigste Errungenschaft nannte Stoiber damals, dass Finanzämter<br />
von Unternehmen statt Rechnungen in Papierform auch digitale<br />
Belege bei der Umsatzsteuer akzeptieren. Ein Befreiungsschlag<br />
war das nicht. <strong>Der</strong> 2019 ausgeschiedene Kommissionschef Juncker<br />
prahlte damit, er habe 75 Prozent weniger Gesetze eingebracht<br />
als seine Vorgänger. 134 Initiativen habe man unter seiner Führung<br />
zurückgezogen, dazu viele Vorschriften vereinfacht. <strong>Das</strong> klang<br />
schon überzeugender, und man kann nur hoffen, dass die von-der-<br />
Leyen-Kommission diesen Kurs fortsetzt.<br />
Politischer Kampfbegriff<br />
Bei den letzten Europawahlen wurde das Wort Bürokratie zunehmend<br />
als Kampfbegriff genutzt. Parteien der politischen Ränder<br />
verwenden ihn gern, wohl wissend, dass ihre Bürokratierhetorik viel<br />
Zustimmung erfährt. Worum es konkret geht, bleibt unklar. In einer<br />
stark emotionalisierten Gesellschaft funktioniert das gut. Dabei sollte<br />
es niemanden überraschen, dass in einer immer komplizierteren<br />
Welt, die von einer Innovation zur nächsten eilt, die Regelungsdichte<br />
höher wird. Die Verantwortung dafür zu verschieben oder zu verschleiern,<br />
hilft aber nicht weiter.<br />
Gut zu wissen<br />
In der EU sind 32.000 Kommissionsbeamte für 450 Millionen Einwohner<br />
beschäftigt. Zum Vergleich: Eine deutsche Millionenstadt wird von<br />
17.000 Beamten und Angestellten verwaltet.<br />
Laut Kommission werden sechs Prozent des EU-Budgets für die Verwaltung<br />
aufgewendet, von 2014 – 20 wurden jährlich 1,5 Milliarden Euro<br />
eingespart.<br />
Rotger Kindermann<br />
Journalist<br />
mittelstand@bvmw.de
34 SCHWERPUNKT<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
SCHWERPUNKT<br />
35<br />
Schwerpunkt<br />
Außenwirtschaft<br />
und <strong>Mittelstand</strong><br />
<strong>Das</strong> Coronavirus hat die Weltwirtschaft fest im Griff. Trotz<br />
allem gilt es, den Außenhandel langfristig als elementare<br />
Säule des <strong>Mittelstand</strong>s zu erhalten und weiter auszubauen.<br />
In unserem Themenschwerpunkt lesen Sie, wie<br />
der traditionell exportorientierte <strong>Mittelstand</strong> Zugang zum<br />
attraktiven Außenhandelsmarkt Südostasien gewinnt und<br />
warum afrikanische Länder deutschen Firmen vielversprechende<br />
Geschäftsmöglichkeiten bieten. Wir erläutern,<br />
wieso Blockchains für den internationalen Außenhandel<br />
immer relevanter werden, stellen Ihnen Förderprogramme<br />
sowie die Arbeit unserer Auslandsbüros vor.<br />
Foto: © OnBlast von www.istockphoto.com
36 SCHWERPUNKT<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Mit Förderprogrammen neue<br />
Auslandsmärkte erschließen<br />
Die Erschließung von weltweiten Wachstumsmärkten wird für mittelständische Unternehmen<br />
immer wichtiger, und die Instrumente der Außenwirtschaftsförderung des Bundes und der<br />
Länder sind mehr denn je gefragt. Durch eine breite Palette an Angeboten unterstützen sie die<br />
Aktivitäten deutscher Unternehmen, ausländische Märkte zu erschließen und zu sichern. Hier<br />
eine Auswahl an Förderprogrammen:<br />
1. Exportinitiativen und Markterschließungsprogramm<br />
Unter der neuen Dachmarke <strong>Mittelstand</strong> Global bündelt das<br />
Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) seine Angebote zur<br />
Exportförderung und unterstützt vor allem kleine und mittlere<br />
Unternehmen bei der Erschließung von Auslandsmärkten.<br />
Aufeinander abgestimmte Module ermöglichen Unternehmen die<br />
Wahl individuell passender Maßnahmen. Dabei werden mit dem<br />
Markterschließungsprogramm (MEP) branchenübergreifend Mittelständler<br />
adressiert, während sich die Exportinitiativen (Energie,<br />
Umwelttechnologie, Gesundheitswirtschaft, zivile Sicherheitstechnologien)<br />
auf bestimmte Branchen fokussieren. Seit 2019 wurde das<br />
MEP durch das Wirtschaftsnetzwerk Afrika erweitert, dessen Förderprojekte<br />
auf die Unterstützung von KMU gerade beim Eintritt in<br />
neue und schwierige Märkte in Afrika abzielen.<br />
Seit 2019 ist der BVMW Partner und Durchführer des BMWi MEP<br />
und Wirtschaftsnetzwerks Afrika. Mit diesen Initiativen stärkt der<br />
Bereich Außenwirtschaft seine Kompetenzen und das Serviceangebot<br />
im Bereich Außenwirtschaftsförderung für BVMW Mitglieder.<br />
n Markterschließungsprogramm:<br />
https://bvmw.info/markterschliessungsprogramm<br />
n Wirtschaftsnetzwerk Afrika:<br />
https://bvmw.info/africa-business-guide<br />
2. Auslandsmesseprogramm<br />
Mit dem Auslandsmesseprogramm beteiligt sich der Bund jährlich<br />
an mehr als 250 ausgewählten Messen und Fachausstellungen. Als<br />
Aussteller auf dem deutschen Firmengemeinschaftsstand können<br />
Unternehmen mit der Übernahme von Teilkosten zur Präsentation<br />
sowie flankierenden Maßnahmen (wie PR/Marketingmaßnahmen<br />
und Rahmenprogrammen) rechnen. Mit dem Internetportal German<br />
Pavilion werden darüber hinaus digitale Vermarktungs- und Kontaktinstrumente<br />
für potenzielle Kunden der deutschen Aussteller angeboten.<br />
n Auslandsmesseprogramm: www.auma.de/de<br />
n German Pavilion: www.german-pavilion.com/portal/de/home<br />
3. Messeprogramm junge innovative Unternehmen<br />
Seit 2018 fördert das BMWi mit einem neuen Förderangebot die<br />
Teilnahme junger innovativer Unternehmen an internationalen Leitmessen<br />
in Deutschland. Unternehmen, die beispielsweise jünger als<br />
zehn Jahre alt sind, haben hier die Chance, 60 Prozent der vom Messe-Veranstalter<br />
in Rechnung gestellten Kosten für Standmiete und<br />
Standbau bei den ersten zwei Teilnahmen und 50 Prozent ab der dritten<br />
Beteiligung durch den Bund finanziert zu bekommen.<br />
n Messeprogramm junge innovative Unternehmen:<br />
https://bvmw.info/messeprogramm<br />
4. Germany Trade and Invest<br />
Germany Trade and Invest (GTAI) ist für die Außenwirtschaftsförderung,<br />
das Standortmarketing und die Beratung von ausländischen<br />
Investoren bei der Ansiedelung in Deutschland zuständig. Mit ihrem<br />
weltweiten Auslandsnetzwerk von Mitarbeitern in über 120 Ländern<br />
bietet die GTAI vor allem für den exportorientieren <strong>Mittelstand</strong> Informationen<br />
über Zielmärkte und Branchen, Rechtsvorschrif ten, Zollregelungen<br />
und vieles mehr an.<br />
Über das GTAI Portal stehen sämtliche Informationsangebote zum<br />
Download zur Verfügung.<br />
n www.gtai.de/gtai-de<br />
5. Exportkreditgarantien (Hermesdeckungen) und Investitionsgarantien<br />
Exportkreditgarantien des Bundes schützen Exporteure und Banken<br />
vor wirtschaftlich und politisch bedingten Forderungsausfällen<br />
im Zusammenhang mit auslandsbezogenen Transaktionen. Mit<br />
Hilfe der Exportkreditgarantien, der Hermesdeckung, die in vielfältigen<br />
Produktvarianten zur Verfügung stehen, übernimmt der Bund zu<br />
einem großen Teil das Risiko eines Zahlungsausfalls. 2018 wurden<br />
deutsche Exporte in Höhe von 19,8 Milliarden Euro abgesichert, im<br />
Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg von 17 Prozent.<br />
Zusätzlich zur Hermesdeckung übernimmt der Bund auch Garantien<br />
für Investitionen im Ausland zur Absicherung politischer Risiken. Voraussetzung<br />
ist, dass das betreffende Unternehmen seinen Sitz in<br />
Deutschland hat und die Investitionen in den betreffenden Ländern<br />
einen ausreichenden Rechtsschutz genießen.
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
SCHWERPUNKT<br />
37<br />
Foto: © mrPliskin von www.istockphoto.com<br />
n Exportabsicherung: www.agaportal.de<br />
n Absicherung von Auslandsinvestitionen:<br />
www.investitionsgarantien.de<br />
6. Außenwirtschaftsförderangebote der Bundesländer<br />
Neben dem Bund kann der <strong>Mittelstand</strong> zusätzlich auf attraktive Förderangebote<br />
durch die jeweiligen Wirtschaftsfördergesellschaften in<br />
den Bundesländern setzen. Beispiele hierfür sind:<br />
Thüringen International (TI) unterstützt Unternehmen bei der internationalen<br />
Geschäftsentwicklung beispielsweise mit einem Netzwerk<br />
von TI-Auslandsbeauftragten in den Ländern China, Indien, Israel,<br />
Russland, Südafrika und Vietnam.<br />
Weitere Informationen: www.thueringen-international.de<br />
Die Außenwirtschaftsfördergesellschaft NRW.International bietet<br />
neben dem offiziellen Auslandsmesseprogramm gerade KMU über<br />
die sogenannte Kleingruppenförderung ein zusätzliches und flexibles<br />
Messe-Förderinstrument an.<br />
n Weitere Informationen: www.nrw-international.de<br />
Bayern International unterstützt Marketing- und Vertriebsaktivitäten<br />
bayerischer Unternehmen zusätzlich über das Förderprogramm<br />
„Bayern – Fit for Partnership“. Dabei werden internationale Fachund<br />
Führungskräfte aus Wirtschaft und Verwaltung nach Bayern zur<br />
Geschäftsentwicklung und Vernetzung eingeladen.<br />
n Weitere Informationen: www.bayern-international.de<br />
Dorothea Mertes<br />
BVMW Geschäftsbereichsleiterin<br />
Internationale Märkte<br />
dorothea.mertes@bvmw.de<br />
Gut zu wissen<br />
Informationen zu den einzelnen Förderangeboten erhalten Sie von<br />
Dorothea Mertes<br />
dorothea.mertes@bvmw.de
38 SCHWERPUNKT<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Teuer und aufwendig –<br />
das neue EU-Lieferkettengesetz<br />
für Rohstoffe<br />
Die Europäische Union wird ein einheitliches System für die Erfüllung von Sorgfaltspflichten<br />
in der Lieferkette einführen. Dies betrifft Rohstoffe wie Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erze und<br />
Gold aus Konflikt- und Hochrisikogebieten. Ziel dieses Systems ist es, der Finanzierung<br />
bewaffneter Gruppen durch den Mineralienabbau und Mineralienhandel in diesen Regionen<br />
entgegenzuwirken. Für mittelständische Unternehmen bedeutet das Gesetz zusätzliche Kosten.<br />
<strong>Das</strong> Ziel der verantwortungsvollen Beschaffung von Mineralien<br />
soll von mittelständischen Unternehmen, die in dieser Lieferkette<br />
tätig sind, unterstützt werden. Ungeachtet der Bedeutung<br />
dieses Zieles gilt es dennoch darauf zu achten, dass das<br />
Umsetzungsgesetz der Verordnung der Europäischen Union den<br />
<strong>Mittelstand</strong> nicht unnötig belastet.<br />
Kontrolle globaler Lieferketten nicht zulasten der KMU<br />
Bereits im EU-Gesetzgebungsverfahren wurde auf die schwierige<br />
Kontrolle von langen und komplexen Lieferketten eingegangen. Globale<br />
Lieferketten der weltweiten deutschen Metall- und Elektroindustrie<br />
bestehen im Normalfall aus mindestens 15 Zulieferern. Eine<br />
vollständige Überwachung der gesamten Lieferkette mit zahlreichen<br />
Vorlieferanten ist, wenn überhaupt, nur unter hohen Kosten zu erreichen.<br />
Dies ist wenig mittelstandsfreundlich.<br />
Deutsche Unternehmen müssen laut Durchsetzungsgesetz der<br />
EU-Verordnung außerdem die strafrechtlich bewehrte Verantwortung<br />
für Zulieferungen aus den Ursprungsländern übernehmen. Dies<br />
wird bei vielen deutschen Unternehmen, insbesondere bei KMU, zu<br />
Überforderung führen. Aus verfassungsrechtlicher Perspektive bedeutet<br />
dies zudem eine nicht gestattete Veränderung der strafrechtlichen<br />
Kausalitätsregeln für Täterschaft und Verschulden. Es besteht<br />
die Gefahr einer Überbürdung von strafrechtlicher Haftung deutscher<br />
Unternehmen für das Verhalten Dritter im Ausland.<br />
Foto: © Alexey Dozmorov von www.istockphoto.com
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
SCHWERPUNKT<br />
39<br />
Doppelte Prüfungen vermeiden<br />
<strong>Das</strong> Umsetzungsgesetz sieht die jährliche Überprüfung von Unternehmen<br />
durch die Bundesanstalt für Geowissenschaften und<br />
Rohstoffe (BGR) vor. Nicht berücksichtigt wird dabei, dass es Unternehmen<br />
gibt, die bereits über andere, von der OECD und der EU<br />
anerkannte Systeme zertifiziert sind. Sie können hierdurch belegen,<br />
dass die Vorgaben der OECD sowie der EU vollumfänglich erfüllt werden.<br />
Es stellt sich die Frage, ob eine Prüfung durch die BGR hier noch<br />
sinnvoll ist. Eine zusätzliche Überprüfung würde zu einem zusätzlichen<br />
Mehraufwand für die BGR und die Unternehmen führen. Jährliche<br />
Prüfungen sind nur für Unternehmen sinnvoll, die noch nicht zertifiziert<br />
wurden.<br />
Planungssicherheit gewähren und Kosten minimieren<br />
Um Planungssicherheit für die betroffenen Unternehmen zu gewährleisten,<br />
muss der auf EU-Ebene bestehende Grenzwert von 100 Kilogramm<br />
pro Jahr und Importeur baldmöglichst entfallen. Außerdem<br />
müssen Konflikt- und Hochrisikogebiete detailliert festgelegt werden.<br />
Zudem sollte die geeignete technische Unterstützung für den<br />
Informationsaustausch geliefert werden. Die Selbstzertifizierung<br />
der EU-Importeure ist laut EU-Folgenabschätzung freiwillig. Die Folgen,<br />
wenn sich Einführer nicht selbst zertifizieren, sind unklar. Ebenso<br />
fehlt bisher eine aussagekräftige Quantifizierung der Kosten für<br />
die Wirtschaft.<br />
Gut zu wissen<br />
n <strong>Der</strong> BVMW war durch seinen Chefvolkswirt Dr. Hans-Jürgen Völz<br />
als Sachverständiger bei der Anhörung zum Gesetzentwurf der<br />
Bundesregierung zur Konfliktmineralienverordnung im Deutschen<br />
Bundestag geladen<br />
n In Kraft tritt die Durchführung der Verordnung in Deutschland zum<br />
01. Januar 2<strong>02</strong>1. Deutschland fertigt wie alle Länder der EU einen<br />
jährlichen Bericht zur nationalen Umsetzung der Verordnung an<br />
n Die Europäische Kommission überprüft erstmals zum 01. Januar<br />
2<strong>02</strong>3 und danach alle drei Jahre die Wirksamkeit der Verordnung<br />
Katharina Golland<br />
BVMW Referentin Steuern und Finanzen<br />
katharina.golland@bvmw.de<br />
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40 SCHWERPUNKT<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Zehn Gütezeichen<br />
für fairen <strong>Handel</strong><br />
Spezielle Siegel und Logos sollen Verbrauchern signalisieren, dass sie umweltverträglich<br />
hergestellte und fair gehandelte Produkte erwerben. Davon profitieren auch engagierte<br />
Unternehmen, die den fairen <strong>Handel</strong> mit ihren internationalen Zulieferern sicherstellen.<br />
<strong>Das</strong> Interesse an Nachhaltigkeit und Ökologie ist in der Wirtschaft<br />
so hoch wie nie. Mit dem Erwerb fair gehandelter Produkte<br />
unterstützen Verbraucher nicht nur faire <strong>Handel</strong>spraktiken,<br />
sondern auch die Arbeits- und Lebensbedingungen von Arbeitern,<br />
Bauern und deren Familien sowie die umweltverträgliche Produktion.<br />
Weil man dafür bereit ist, mehr Geld zu zahlen, hat sich auch die Anzahl<br />
der entsprechenden Logos und Siegel für fair gehandelte Produkte<br />
inflationär erhöht. Dabei bleibt es nicht aus, dass sich unter diese<br />
Zertifizierungen auch unseriöse Siegel gemischt haben, die dem Konsumenten<br />
mehr versprechen als sie tatsächlich hergeben.<br />
Auch mittelständische Unternehmen erhoffen sich mit der Kennzeichnung<br />
ihrer Waren einen Wettbewerbsvorteil und Imagegewinn,<br />
der dazu beitragen soll, auf die Qualität und Einzigartigkeit ihrer Produktlinien<br />
hinzuweisen. Firmen, die solche Gütesiegel als reine Marketinginstrumente<br />
betrachten, aber im eigenen Betrieb die Themen<br />
Nachhaltigkeit und soziales Engagement vernachlässigen, werden<br />
langfristig für den Verbraucher unglaubwürdig. Sie sollten ihren Kunden<br />
überzeugend darstellen können, mit welchen Standards sie den<br />
fairen <strong>Handel</strong> ermöglichen.<br />
Foto: © pixelfusion3d von www.istockphoto.com
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
SCHWERPUNKT<br />
41<br />
<strong>Das</strong> Fairtrade-Siegel des Vereins Trans<br />
Fair mit 35 Mitgliedsorganisationen ist das<br />
bekannteste des fairen <strong>Handel</strong>s und kennzeichnet<br />
fair angebaute und gehandelte<br />
Produkte, bei denen es eine 100-prozentige<br />
Garantie gibt, dass unter Fair-Trade-Bedingungen<br />
angebaut oder produziert wird –<br />
sämtliche Anbau- oder Produktionsschritte<br />
sind physisch rückverfolgbar.<br />
<strong>Der</strong> Grüne Knopf ist ein staatliches Siegel<br />
für nachhaltige Textilien und steht für sozial<br />
und ökologisch produzierte Kleidung.<br />
<strong>Das</strong> staatliche Textilsiegel schafft beim Verbraucher<br />
Vertrauen, stellt es doch verbindliche<br />
Anforderungen, um Mensch und Umwelt<br />
zu schützen. Insgesamt 46 Sozial- und<br />
Umweltstandards müssen eingehalten werden:<br />
von A wie Abwassergrenze bis Z wie<br />
Zwangsarbeitsverbot.<br />
IGEP stand ursprünglich für „Indo German<br />
Export Promotion“ und war bis 2005 ein gemeinsames<br />
Projekt der deutschen und indischen<br />
Regierung. Seit 2005 wird IGEP unabhängig<br />
als privates Beratungsunternehmen<br />
weitergeführt und setzt sich unverändert<br />
für die Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit<br />
zwischen indischen und<br />
deutschen Unternehmen ein. <strong>Das</strong> Ziel des<br />
Siegels ist es, Kinderarbeit in der Natursteinindustrie<br />
zu verhindern und die Eignung für<br />
den europäischen Markt zu gewährleisten.<br />
XertifiX ist eine NGO und setzt sich für humane<br />
Arbeitsbedingungen und den Umweltschutz<br />
im asiatischen Steinsektor ein. XertifiX<br />
führt regelmäßig Kontrollen in Fabriken<br />
und Steinbrüchen in Indien, China und Vietnam<br />
durch. <strong>Das</strong> Siegel steht für die Respektierung<br />
der wichtigsten Arbeitsnormen der<br />
Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) im<br />
problematischen Bereich der Natursteingewinnung<br />
und -verarbeitung.<br />
<strong>Das</strong> Siegel Biokreis – regional & fair steht<br />
für ökologischen Landbau und wird vom<br />
Biokreis-Verband vergeben. Hauptanliegen<br />
von Biokreis e. V. ist die Förderung der Kontakte<br />
zwischen wirtschaftenden Landwirten<br />
und verarbeitenden Betrieben. Zudem ist es<br />
ein weiteres Ziel von Biokreis, die bäuerliche<br />
Landwirtschaft im Sinne einer Kreislaufwirtschaft<br />
zu gestalten. <strong>Das</strong> Siegel folgt den<br />
Kriterien der EU-Öko-Verordnung und ist<br />
beispielsweise auf Fleisch- und Milchprodukten,<br />
Backwaren, Imkerei- oder Getreideprodukten<br />
und Getränken zu finden.<br />
<strong>Das</strong> 1992 freiwillig eingeführte EU Ecola bel<br />
ist ein in allen europäischen Mitglied staaten<br />
inklusive Liechtenstein, Norwegen und Island<br />
anerkanntes EU-Umweltzeichen und<br />
wird von der RAL GmbH im Auftrag der Europäischen<br />
Kommissi on vergeben. Mit seinen<br />
Kriterien trägt das EU Ecolabel zum Klimaund<br />
Umweltschutz und zur Ressourceneffizienz<br />
bei. Mit dem EU Ecolabel können Reinigungsprodukte,<br />
Elektrogeräte, Textilien,<br />
Farben, Lacke oder Beherbergungsbetriebe<br />
und Campingplätze gekennzeichnet werden.<br />
<strong>Das</strong> Umweltzeichen Blauer Engel steht<br />
seit mehr als vierzig Jahren als Kompass<br />
für umweltfreundliche Produkte und<br />
ist das Umweltzeichen der Bundesregierung<br />
zum Schutz von Mensch und Umwelt.<br />
Über 12.000 umweltfreundliche Produkte<br />
und Dienstleistungen sind bislang von rund<br />
1.600 Unternehmen mit dem Blauen Engel<br />
ausgezeichnet worden.<br />
UTZ Certified wird von der niederländischen<br />
Stiftung UTZ vergeben, die sich für einen<br />
transparenten <strong>Handel</strong> sozial- und umweltverträglicher<br />
Produkte wie Kaffee, Tee oder<br />
Kakao engagiert. Im Blickfeld steht hierbei<br />
ein Nachhaltigkeitsprogramm, in dem<br />
alle Transaktionen zwischen Produzenten<br />
und Verkäufern über eine Online-Datenbank<br />
(Good Inside Portal) erfasst werden. Diese<br />
Informationen können dem Endverbraucher<br />
online zur Verfügung gestellt werden.<br />
<strong>Das</strong> RAL-Gütezeichen Möbel steht für die<br />
Verbesserung in der Qualität, der Funktionalität<br />
und der Gesundheitsverträglichkeit<br />
von Möbeln. Zeicheninhaber ist die Deutsche<br />
Gütegemeinschaft Möbel e. V., in der<br />
vorwiegend Hersteller und Anbieter zusammengeschlossen<br />
sind. RAL Gütezeichen<br />
werden in Deutschland seit 1925 von RAL<br />
Deutsches Institut für Gütesicherung und<br />
Kennzeichnung e. V. anerkannt. Aktuell gibt<br />
es etwa 150 verschiedene RAL Gütezeichen,<br />
die aufgrund von Eigen- und Fremdkontrollen<br />
als besonders vertrauenswürdig und sicher<br />
gelten.<br />
Die GEPA ist die größte Fair-Trade-Organisation<br />
in Europa. GEPA zählt seit 1975 zu<br />
den Pionieren im fairen <strong>Handel</strong> und zielt<br />
langfristig auf die Etablierung eines international<br />
gerechten Weltwirtschaftssystems<br />
ab. <strong>Handel</strong>spartner sind rund 160 Genossenschaften,<br />
Vermarktungsorganisationen<br />
und Privatbetriebe in über 40 Ländern Afrikas,<br />
Asiens und Lateinamerikas.<br />
Almut Friederike<br />
Kaspar<br />
Journalistin<br />
mittelstand@<br />
bvmw.de
42 SCHWERPUNKT<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Foto: © Yuuji von www.istockphoto.com
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
SCHWERPUNKT<br />
43<br />
Sicher am Markt mit Blockchain<br />
Blockchains werden die Wirtschaft schon bald ebenso heftig umkrempeln wie das Internet. Nicht<br />
nur finanzielle, sondern alle Arten von Transaktionen und das Management von Daten werden<br />
davon erfasst. Vor allem für den internationalen Außenhandel werden Blockchains relevant.<br />
Wer sich schon einmal mit Bitcoin beschäftigt oder vielleicht<br />
sogar selbst in Kryptowährungen investiert hat, weiß meist<br />
auch, was es mit der Blockchain auf sich hat. Für viele andere<br />
ist die Technologie noch ein Rätsel, ein Trend für Digitalpioniere<br />
oder besonders findige Finanzspekulanten. Doch der Blockchain<br />
wird von Kennern sehr viel mehr, nämlich ein revolutionäres Potenzial<br />
für Unternehmen zugeschrieben: Wer diese Währungen versteht<br />
und richtig einsetzt, kann zum Beispiel seine gesamte Wertschöpfungskette<br />
im internationalen <strong>Handel</strong> optimieren – und sich gleichzeitig<br />
vor Betrug schützen.<br />
Anwender bezeichnen Blockchains auch als digitale, dezentral verteilte<br />
Kassenbücher, in denen jeder Tausch von Geldern, Frachtbriefen<br />
oder Zertifikaten für ein Netzwerk aus Partnern dauerhaft dokumentiert<br />
ist. Dabei übernehmen bestimmte Beteiligte oder automatische<br />
Prozesse die Aufgabe, einzelne Transaktionen zu verifizieren, in Datensätzen<br />
– sogenannten „Blöcken“ – zusammenzufassen und durch<br />
Codes aneinanderzuketten. Jeder Block enthält neben dem eigentlichen<br />
Inhalt, der sich auch verschlüsseln lässt, einen Zeitstempel und<br />
überprüfbare Werte des vorherigen Blocks. Dadurch entsteht eine<br />
nachvollziehbare Kette, die auf allen beteiligten Rechnern gespeichert<br />
ist und in Echtzeit aktualisiert wird. Versucht jemand, eine einzelne<br />
Transaktion zu manipulieren, wird die Codierung der gesamten Kette<br />
fehlerhaft und das Netzwerk sofort aufmerksam.<br />
Intelligent verknüpfte Daten, sicherer <strong>Handel</strong><br />
Dieses transparente und sichere Verfahren hat inzwischen auch im<br />
globalen <strong>Handel</strong> Anhänger gefunden, nicht zuletzt, weil das Management<br />
von Liefer- und Wertschöpfungsketten immer vernetzter und<br />
digitaler wird. Viele Unternehmen arbeiten daran, Prozesse stärker zu<br />
automatisieren, gleichzeitig aber auch im Detail einsehen zu können.<br />
ERP, IoT und RFID-Systeme liefern dafür schon heute die nötigen internen<br />
Schnittstellen. In Zukunft wird die eigene Datenproduktion<br />
während der Herstellung und auf Lieferwegen mit Geschäftspartnern<br />
im internationalen Austausch verkoppelt.<br />
Blockchains sind hierfür eine ideale Lösung. Verifizierte Angaben<br />
über die Entstehung eines Produktes machen die Rückverfolgbarkeit<br />
der gesamten Lieferkette in Echtzeit möglich. Alle wichtigen InInformationen<br />
über bezogene Rohstoffe und enthaltene Chemikalien,<br />
Zustand oder Standort, können autorisierte Empfänger in der Blockchain<br />
bis zum Erhalt der Ware einsehen. Kein Drittanbieter liest oder<br />
kassiert mit. Zudem erlaubt die Technologie eine hocheffiziente Optimierung<br />
des Zahlungsablaufs. So können Partner für jeden Knotenpunkt<br />
der Lieferkette einen neuen Block bilden, der an einen Smart<br />
Contract gebunden ist. Bestätigt zum Beispiel ein Logistiker am Hafen<br />
die Ankunft der Ware, wird dieser Vertrag wirksam, und die Zahlung<br />
wird automatisch ausgeführt.<br />
Aus den Kinderschuhen auf den Markt<br />
Schon heute verwalten und synchronisieren Unternehmen, vor allem<br />
in der Automobilindustrie, blockchainbasierte Lieferketten. Mit moderner<br />
Sensorik können Produktmängel oder problematische Umgebungseinflüsse<br />
beim Transport frühzeitig entdeckt und zurückverfolgt<br />
werden. Ein Start-up experimentiert sogar beim Fischfang<br />
damit, Messdaten vom Boot bis zum Endkunden zu sammeln und in<br />
der Blockchain zu speichern. So lässt sich mit Hilfe von GPS-Tracking<br />
der Fangboote, RFID-Chips in jedem Fisch und QR-Codes auf<br />
den Verpackungen der zerteilten Filets genau überprüfen, auf welchen<br />
Wegen die Ware an ihr Ziel gelangt. Diese Qualitätskontrolle<br />
schafft Vertrauen und neue Kunden, wovon auch kleine und mittlere<br />
Unternehmen profitieren können.<br />
Zwar steckt die Blockchain-Technik noch in den Kinderschuhen. Es<br />
mangelt zum Beispiel noch stark an Skalierbarkeit, und der Betrieb<br />
der Datenkette verbraucht schon mit wenigen Partnern extrem viel<br />
Rechenleistung – und somit Strom. Auch lässt sich eine Blockchain<br />
noch nicht ohne Aufwand in die bestehende IT-Landschaft integrieren,<br />
die Infrastruktur muss passen, eine Standardisierung fehlt noch<br />
gänzlich. Auch rechtliche Fragen wie Eigentums- und Datenschutz<br />
sind noch nicht abschließend geklärt. Zudem wollen manche Unternehmen<br />
nicht alle Prozesse offenlegen. Will man den Befürwortern<br />
aber Glauben schenken, ist es nur eine Frage der Zeit, bis diese Hürden<br />
aus dem Weg geräumt werden und Blockchain die Wertschöpfungsprozesse<br />
der Zukunft bestimmt.<br />
Gut zu wissen<br />
n Die Blockchain kann als Transaktionskette zu den modernen digitalen<br />
Finanz- und <strong>Handel</strong>sinstrumenten gezählt werden<br />
n Mehr über die sogenannten FinTechs und ihre Vorteile für kleine<br />
und mittlere Unternehmen erfahren Sie auf der _Gemeinsam digital<br />
FinTech Roadshow in diesem Jahr sowie unter:<br />
www.gemeinsam-digital.de/fintech<br />
Julian Koller<br />
BVMW Referent Förderprojekte<br />
julian.koller@bvmw.de
44 SCHWERPUNKT<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Afrikas Attraktivität<br />
auf einen Blick<br />
Ob im Bereich Flughafenbau, Energie oder Maschinenbau – afrikanische Länder bieten deutschen<br />
Firmen vielversprechende Geschäftsmöglichkeiten. Ein neu entwickelter Index hilft Mittelständlern<br />
jetzt, die geschäftliche Attraktivität von 34 afrikanischen Staaten zu erkennen.<br />
Warum sollte man in Afrika Geschäfte<br />
machen?<br />
Afrika ist der zweitgrößte Kontinent der Erde.<br />
In seinen 54 Staaten werden 2050 mehr<br />
als zwei Milliarden Konsumenten leben. Und<br />
es ist ein Kontinent, der deutschen Firmen<br />
– vor allem auch kleinen und mittleren Unternehmen<br />
– schon heute viele Möglichkeiten<br />
bietet, erfolgreich zu investieren und profitable<br />
Geschäfte zu machen, allen aktuellen<br />
Risiken und Problemen zum Trotz. Die Bundesregierung<br />
hat dies erkannt und unter anderem<br />
einen Entwicklungsinvestitions fonds<br />
für den <strong>Mittelstand</strong> mit einer Milliarde Euro<br />
ausgestattet.<br />
Die steigende Kaufkraft in den afrikanischen<br />
Ländern macht den afrikanischen<br />
Markt für deutsche Mittelständler<br />
zunehmend interessant. Bisher<br />
jedoch ist das Engagement der deutschen<br />
Wirtschaft in Afrika sehr bescheiden. So<br />
stellt das Institut für <strong>Mittelstand</strong>sforschung<br />
in seiner Studie „Subsahara-Afrika als Zielregion<br />
außenwirtschaftlicher Aktivitäten von<br />
kleinen und mittleren Unternehmen“ von<br />
2018 fest: „<strong>Das</strong> außenwirtschaftliche Engagement<br />
deutscher Unternehmen insgesamt<br />
und der klein- und mittelständischen Unternehmen<br />
im Besonderen ist in der Region<br />
Subsahara-Afrika schwach entwickelt, sowohl<br />
verglichen mit dem <strong>Handel</strong> mit anderen<br />
Ländern als auch mit dem Engagement anderer<br />
europäischer Länder.“<br />
Um Vorurteile abzubauen, Mittelständler über<br />
Potenziale in einzelnen Ländern zu informieren<br />
und ihnen bei Problemen zu helfen, hat<br />
das BRS Institut für Internationale Studien<br />
an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg zusammen<br />
mit dem BVMW und weiteren Partnern<br />
den <strong>Mittelstand</strong>sindex Afrika entwickelt.<br />
Was ist der <strong>Mittelstand</strong>sindex Afrika?<br />
<strong>Der</strong> <strong>Mittelstand</strong>index Afrika stellt Unternehmen<br />
ein Länderrating für 34 afrikanische<br />
Länder zur Verfügung, das dem Mittelständler<br />
einen schnellen Überblick über die<br />
geschäftliche Attraktivität des Landes erlaubt.<br />
In 16 Indikatoren werden für Mittelständler<br />
wichtige Faktoren wie Verfügbarkeit<br />
von Partnern, Zugang zu Informationen,<br />
logistischer Zugang zu Märkten, tarifäre und<br />
nichttarifäre <strong>Handel</strong>shemmnisse geprüft<br />
und zu einem Rating für jedes Land zusammengefasst.<br />
Dies hilft Mittelständlern, früh die richtigen<br />
Entscheidungen zu treffen, um Ressourcen<br />
zu bündeln und sie auf die für sie interessanten<br />
Länder zu fokussieren.<br />
Wie kann man den <strong>Mittelstand</strong>sindex<br />
Afrika nutzen?<br />
<strong>Der</strong> <strong>Mittelstand</strong>sindex Afrika ist nach einfacher<br />
Registrierung kostenlos zugänglich<br />
auf www.mittelstandsindex-afrika.de. Gerne<br />
unterstützt das BRS Institut für Internationale<br />
Studien auch bei der Anwendung und<br />
Anpassung des <strong>Mittelstand</strong>sindex Afrika an<br />
Unternehmen oder Branchen. Als Förderer<br />
des Index haben Unternehmen und Institutionen<br />
die Möglichkeit, ihr Interesse an diesem<br />
spannenden Markt öffentlich zu machen.
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
SCHWERPUNKT<br />
45<br />
Nachdem die richtigen Märkte ausgewählt wurden, können Mittelständler<br />
mithilfe von Partnern in Deutschland und vor Ort den<br />
Schritt nach Afrika schaffen und von den großen Potenzialen im<br />
Zielland profitieren. Hier bietet der BVMW mit seiner <strong>Mittelstand</strong>sallianz<br />
Afrika praxisnahe Unterstützung.<br />
Die <strong>Mittelstand</strong>sallianz Afrika des BVMW begleitet als deutsch-afrikanisches<br />
Unternehmernetzwerk Unternehmen in Deutschland und<br />
Afrika beim Eintritt in den jeweiligen Zielmarkt und bietet als starker<br />
Partner und Türöffner eine Plattform für das Knüpfen von Geschäftskontakten.<br />
Marokko<br />
Ägypten<br />
Südafrika<br />
Kenia<br />
Nigeria<br />
Mauritius<br />
Ghana<br />
Algerien<br />
Tunesien<br />
Elfenbeinküste<br />
Tansania<br />
Äthiopien<br />
Botswana<br />
Angola<br />
Ruanda<br />
Namibia<br />
Senegal<br />
Sambia<br />
Uganda<br />
Togo<br />
Kamerun<br />
Mali<br />
Mosambik<br />
Benin<br />
Burkina Faso<br />
Sudan<br />
Zimbabwe<br />
DR Kongo<br />
Gabun<br />
Guinea<br />
Madagaskar<br />
Mauritanien<br />
Repuplik Kongo<br />
Äquatorialguinea<br />
2,48<br />
2,44<br />
2,44<br />
2,25<br />
2,25<br />
2,14<br />
2,10<br />
2,07<br />
2,06<br />
2,03<br />
2,<strong>02</strong><br />
1,98<br />
1,97<br />
1,93<br />
1,92<br />
1,89<br />
1,81<br />
1,79<br />
1,77<br />
1,76<br />
1,74<br />
1,67<br />
1,67<br />
1,67<br />
1,63<br />
1,63<br />
1,62<br />
1,62<br />
1,55<br />
1,53<br />
1,47<br />
1,46<br />
1,45<br />
1,45<br />
Top Performer<br />
Business Opportunity<br />
Development Potential<br />
Difficult States<br />
Gut zu wissen<br />
n <strong>Der</strong> <strong>Mittelstand</strong>sindex Afrika und viele weitere Informationen<br />
können nach einfacher Registrierung kostenlos auf<br />
www.mittelstandsindex-afrika.de eingesehen werden<br />
n Die <strong>Mittelstand</strong>sallianz Afrika (MAA) veranstaltet am 13. <strong>Mai</strong> 2<strong>02</strong>0<br />
in Halle eine Podiumsdiskussion zum Thema Zukunftsmarkt Afrika:<br />
Geschäftsmöglichkeiten für den deutschen <strong>Mittelstand</strong> aus Sachsen-Anhalt<br />
Mor Diop<br />
BVMW Referent Außenwirtschaft<br />
mor.diop@bvmw.de<br />
Jan Koetsier<br />
BRS Institut für Internationale Studien<br />
<strong>Mittelstand</strong>sindex Afrika<br />
Weitere Informationen: bienvenue.angui@bvmw.de<br />
jan.koetsier@brs-iis.de
46 SCHWERPUNKT<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Perspektiven im Osten<br />
Unter den Mitgliedern des BVMW ist das Interesse an Russland und den Ländern Osteuropas<br />
groß. Um die Chancen der dynamischen Entwicklung dieser Länder zu nutzen, wurde in der<br />
Berliner Bundeszentrale der neue Bereich Russland, Zentralasien und Osteuropa geschaffen.<br />
Europa und Asien bilden gemeinsam die größte zusammenhängende<br />
Landmasse der Erde – einen Superkontinent. Historisch<br />
und kulturell bedingt ist die europäische Mentalität bis<br />
nach Wladiwostok verbreitet. Nach Südosten gibt es bis zum Kaukasus<br />
und Bosporus eine starke politische und wirtschaftliche Orientierung<br />
an der Europäischen Union. In allen Ländern Osteuropas<br />
trifft man auf eine sehr hohe Wertschätzung deutscher Produkte,<br />
deutscher Unternehmen und deutscher Qualität, Zuverlässigkeit und<br />
Standards. Für den <strong>Mittelstand</strong> ergeben sich große Chancen in den<br />
Bereichen <strong>Handel</strong>, Landwirtschaft, Infrastruktur, Maschinen und Anlagen,<br />
aber auch im Gesundheitswesen, der Energieeffizienz und anderen<br />
Geschäftsfeldern.<br />
Reformen und solide Rahmenbedingungen in Russland<br />
Mit 144 Millionen Einwohnern ist Russland der größte europäische<br />
Einzelmarkt. Bei einer Verschuldung von 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts<br />
steht Russland an neunter Stelle in der Welt, mit<br />
542 Milliarden US-Dollar Währungsreserven gelangt es auf Platz<br />
vier. Im Doing Business Report der Weltbank rangiert Russland auf<br />
Rang 28, knapp hinter Deutschland (22), vor China (31), Indien (63)<br />
und Brasilien (124), aber auch vor den EU-Staaten Italien (58) und<br />
Griechenland (79). Im Jahr 2012 war Russland noch auf Rang 112.<br />
Russland bietet solide makroökonomische Rahmenbedingungen für<br />
<strong>Handel</strong>sgeschäfte und Direktinvestitionen: eine verlässliche Zentralbank,<br />
einen stabilen Rubelkurs und eine niedrige Inflationsrate von<br />
<strong>Der</strong> neue Geschäftsbereich in der Bundeszentrale verstärkt die Beziehungen des BVMW<br />
zu den Ländern Mittel-, Süd- und Osteuropas sowie Zentralasiens.<br />
Estland<br />
Lettland<br />
Russland<br />
Litauen<br />
Weißrussland<br />
Polen<br />
Tschechien<br />
Slowenien<br />
Slowakei<br />
Ungarn<br />
Rumänien<br />
Moldawien<br />
Ukraine<br />
Kasachstan<br />
Kroatien<br />
Bosnien und Herzegowina<br />
Montenegro<br />
Serbien<br />
Kosovo<br />
Bulgarien<br />
Mazedonien<br />
Albanien<br />
Georgien<br />
Armenien<br />
Aserbaidschan<br />
Turkmenistan<br />
Usbekistan
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
SCHWERPUNKT<br />
47<br />
Moskau, Russland<br />
unter fünf Prozent. Laut dem Investitionsklimabericht von Germany<br />
Trade & Invest (GTAI) liegen die Löhne in Russland deutlich unter dem<br />
Niveau von China.<br />
Große deutsche Unternehmen haben die Chancen erkannt und investieren<br />
in Produktion, Montage und Vertrieb, darunter: Volkswagen,<br />
Mercedes, BMW, Henkel, Bayer, Bosch, Knauf, Siemens und Claas. In<br />
den letzten vier Jahren sind laut Angaben der Deutschen Bundesbank<br />
zehn Milliarden Euro Direktinvestitionen<br />
aus Deutschland nach Russland geflossen.<br />
Eines haben diese Unternehmen gemeinsam:<br />
Sie suchen händeringend lokale Zulieferer auf<br />
Weltmarktniveau.<br />
Tadschikistan<br />
Kirgisistan<br />
Fotos: © Designed by Freepik; © Yongyuan Dai von www.istockphoto.com<br />
Usbekistan – boomendes Wirtschaftszentrum<br />
Mit einem stabilen Wachstum und einem großen<br />
wirtschaftlichen Potenzial hat sich Usbekistan<br />
seit der Unabhängigkeit 1991 zu<br />
einem bedeutenden regionalen Wirtschaftszentrum<br />
mit einer breit gefächerten Industrieund<br />
Dienstleistungsstruktur entwickelt, das<br />
große Chancen gerade für den deutschen <strong>Mittelstand</strong><br />
bietet.<br />
Die Republik Usbekistan ist mit 32 Millionen Einwohnern<br />
der zweitbevölkerungsreichste Markt<br />
in Mittelasien. Die politische Führung des Landes<br />
strebt eine Öffnung der Wirtschaft und investitionsfreundliche<br />
Rahmenbedingungen für<br />
ausländische Partner an. Mit Erfolg: So verbesserte<br />
sich Usbekistan im Doing Business Report<br />
der Weltbank von Rang 141 (von 190 Ländern)<br />
im Jahr 2015 auf Rang 69 im Jahr 2<strong>02</strong>0.<br />
Bei seinem ersten Auslandsauftritt in München<br />
im November 2017 warb der usbekische Premierminister<br />
Abdulla Aripov gezielt für ein stärkeres Engagement deutscher<br />
Unternehmen.<br />
Niedrige geschäftliche Hürden<br />
Auch die anderen Staaten Mittel-, Süd- und Osteuropas sowie Zentralasiens<br />
haben in den letzten Jahrzehnten und Jahren signifikante<br />
Entwicklungen hinter sich gebracht, die sie im Doing Business Rang<br />
sogar teilweise vor Deutschland geschoben haben: Georgien (7), Litauen<br />
(11), Estland (18), Lettland (19), Kasachstan (25), aber auch Polen,<br />
Serbien und die Ukraine.<br />
Besonders für den <strong>Mittelstand</strong> sind aufgrund der geografischen und<br />
kulturellen Nähe die geschäftlichen Hürden zum europäischen Osten<br />
am geringsten. Mit dem neu geschaffenen Bereich öffnet der BVMW<br />
die Türen und hilft dabei, neue Geschäftsfelder zu erschließen.<br />
Gut zu wissen<br />
n Russland ist, zusammen mit Kasachstan, Belarus, Armenien<br />
und Kirgisien, Teil der Eurasischen Wirtschaftsunion mit einem<br />
Binnenmarkt von 182,6 Millionen Einwohnern und einem BIP von<br />
3.915,7 Milliarden USD<br />
n Zwischen Usbekistan und der EU besteht seit 1999 ein Partnerschafts-<br />
und Kooperationsabkommen über handelspolitische<br />
Rahmenbedingungen. Aufgrund der positiven Entwicklungen im<br />
Reformprozess ist ein neues Abkommen zwischen der EU und<br />
Usbekistan in Planung<br />
Reinhold von Ungern-Sternberg<br />
BVMW Geschäftsbereichsleiter<br />
Außenwirtschaft, Schwerpunkt Russland,<br />
Zentralasien, Osteuropa<br />
reinhold.ungern@bvmw.de
48 SCHWERPUNKT<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
China: Vom<br />
Partner zum<br />
Wettbewerber<br />
Mit dem internationalen <strong>Handel</strong>snetzwerk<br />
„Neue Seidenstraße“, das Asien, Afrika und<br />
Europa verbinden soll, und dem Hightech-<br />
Masterplan „Made in China 2<strong>02</strong>5“ will die<br />
Volksrepublik zur technologischen Supermacht<br />
aufsteigen. Wie kann Chinas wichtigster<br />
<strong>Handel</strong>spartner Deutschland und sein<br />
<strong>Mittelstand</strong> davon profitieren?<br />
In der Antike und im Mittelalter war die Seidenstraße – ein Netz<br />
von Karawanenstraßen mit einer 6.400 Kilometer langen Hauptroute<br />
– die wichtigste Verbindung zwischen China und Europa.<br />
Gen Westen wurden auf der Seidenstraße nicht nur Seide, sondern<br />
auch Gewürze, Glas oder Porzellan gehandelt, gen Osten vor allem<br />
Gold, Silber und Wolle. Wenn die Kaufleute ihre Waren, transportiert<br />
zumeist auf Kamelen, nicht bereits unterwegs an Zwischenhändler<br />
weiterverkauften, brauchte eine Karawane über die gesamte Strecke<br />
bis zu zwei Jahre.<br />
<strong>Der</strong> deutsche <strong>Mittelstand</strong> ist<br />
die tragende Kraft in dieser<br />
<strong>Handel</strong>sbeziehung.<br />
Wenhai Wang, BVMW China<br />
Mit dem Jahrhundert-Projekt Belt and Road Initiative will China, wo<br />
die Anzahl der Corona-Neuinfizierten schon wieder massiv zurückgeht,<br />
nun mit einer Neuen Seidenstraße ein gigantisches <strong>Handel</strong>snetzwerk<br />
zwischen Asien, Afrika und Europa spannen, investiert<br />
massiv in neue Häfen, Flughäfen, Bahnstrecken und Straßen. Finanziert<br />
werden diese Infrastrukturprojekte – Gesamtvolumen: rund eine<br />
Billion US-Dollar – vor allem durch Kredite chinesischer Staatsbanken,<br />
weshalb bis zu 90 Prozent aller Seidenstraßen-Projekte an<br />
Unternehmen aus China gehen. Gleichzeitig will die Volksrepublik<br />
mit dem Hightech-Masterplan „Made in China 2<strong>02</strong>5“ zu den stärksten<br />
Wirtschaftsmächten der Welt aufschließen und zum Vorreiter der<br />
nächsten industriellen Revolution werden – und spätestens bis 2049,<br />
dem 100. Geburtstag der Volksrepublik China, soll das Land mit seinen<br />
1,4 Milliarden Einwohnern zur technologischen Supermacht aufgestiegen<br />
sein.<br />
China als Konkurrent<br />
Diese gewaltige Kraftanstrengung hat für ausländische Unternehmen,<br />
Verbände und Regierungen die Sicht auf China verändert. Denn<br />
nun gilt das bevölkerungsreichste Land der Erde nicht länger nur als<br />
Partner, sondern zunehmend auch als Konkurrent und Wettbewerber.<br />
Zentraler Bestandteil der chinesischen Industriestrategie ist die<br />
intelligente und automatisierte Fertigung, und dazu braucht China<br />
vorerst noch umfangreiche Technologie-, Industrie- und Innovationskooperationen.<br />
Angesichts des von den USA angezettelten Zollund<br />
<strong>Handel</strong>skrieges mit China beurteilen mittlerweile 30 Prozent der<br />
deutschen Mittelständler China als „verlässlichen“ oder „sehr verlässlichen“<br />
Geschäftspartner, nur 17 Prozent sprechen diese Vertrauenswürdigkeit<br />
den USA zu. <strong>Das</strong> ist eines der Ergebnisse einer<br />
Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstituts forsa im Auftrag<br />
der Commerzbank. Befragt wurden zwischen November 2018<br />
und Februar 2019 rund 2.000 Eigentümer und Manager der ersten<br />
Führungsebene aus mittelständischen Unternehmen aller Größenklassen<br />
und Branchen.<br />
Prosperierende Partnerschaft<br />
Im Jahr 2018 betrug der Wert deutscher Importe aus China 106 Milliarden<br />
Euro und der Wert deutscher Exporte nach China 93 Milliarden<br />
Euro. Zehn Jahre zuvor waren es noch Importe im Wert von fast 61<br />
Milliarden und Exporte im Wert von 34 Milliarden. Damit bleibt China<br />
– Exporte und Importe zusammengenommen – das dritte Jahr in<br />
Folge der wichtigste <strong>Handel</strong>spartner für Deutschland. Mein Kollege<br />
Foto: © chungking von stock.adobe.com
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
SCHWERPUNKT<br />
49<br />
Shanghai, China<br />
Wenhai Wang, BVMW-Beauftragter für die Auslandsrepräsentanz<br />
China, ist überzeugt, dass Deutschland auch weiterhin ein wichtiger<br />
<strong>Handel</strong>spartner bleiben wird – und zwar mit zunehmender Bedeutung.<br />
Neben Anlagen, Maschinen, Autos und, im Konsumbereich,<br />
hochwertigen Produkten wie beispielsweise Marken-Messer<br />
oder -Armaturen werde auch der Export von Nahrungsmitteln und<br />
Nahrungsergänzungsmitteln steigen, die einer hohen und konstanten<br />
Qualitätskontrolle unterliegen.<br />
Shenzen wenden, die lokal mit darauf spezialisierten Kanzleien verbunden<br />
sind.<br />
Im Rahmen seiner Innovationsoffensive ist China aber auch selbst<br />
darauf bedacht, seine Erfindungen zu schützen: Allein 2018 wurden<br />
1,54 Millionen Patente angemeldet – mehr als in den USA, Japan,<br />
Korea und der EU zusammen.<br />
Deutscher <strong>Mittelstand</strong> gut aufgestellt<br />
„<strong>Der</strong> deutsche <strong>Mittelstand</strong> ist die tragende Kraft in dieser <strong>Handel</strong>sbeziehung“,<br />
sagt Wenhai Wang. Schon vor Jahren hat der BVMW<br />
begonnen, Infrastrukturstützpunkte in China aufzubauen – Ansprechpartner<br />
für deutsche Mittelständler, die den Markteintritt<br />
planen oder ihre Geschäfte ausweiten wollen. Zudem sind nicht<br />
nur in der BVMW-Zentrale in Berlin, sondern auch in den großen<br />
chinesischen Städten mit den meisten Verbrauchern wie Shanghai,<br />
Changzhou, Chengdu oder Shenzen Kompetenzcenter errichtet<br />
worden. Die Kollegen vor Ort arbeiten dort mit der lokalen<br />
Wirtschaftsförderung zusammen und sind bestens vernetzt mit<br />
Politik, Justiz, Finanzbehörden und Unternehmensverbänden. Wer<br />
sich Sorge um den Schutz einer deutschen Erfindung oder Technologie<br />
macht, kann sich an die BVMW-Kollegen in Shanghai und<br />
Gut zu wissen<br />
Chinas Bruttoinlandsprodukt erreichte im Jahr 2018 mit rund 13 Billionen<br />
US-Dollar einen neuen Rekordwert. Damit hat sich die Wirtschaftsleistung<br />
der Volksrepublik innerhalb von zehn Jahren nahezu verdreifacht.<br />
China ist somit die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt.<br />
Markus Jerger<br />
BVMW Bundesgeschäftsführer<br />
mittelstand@bvmw.de
50 SCHWERPUNKT<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Zentral-Jakarta, Indonesien<br />
Aufstrebendes<br />
Südostasien<br />
<strong>Der</strong> traditionell exportorientierte <strong>Mittelstand</strong><br />
richtet den Blick auf Ost- und Südostasien als<br />
attraktiven Außenhandelsmarkt. Doch man<br />
sollte sehr genau hinschauen. Ein Überblick.<br />
Unternehmen, die sich im „asiatischen Wirtschaftsmotor“ engagieren<br />
wollen, müssen lernen zu differenzieren: Asien ist eine<br />
heterogene Region und besteht nicht nur aus China, obwohl<br />
das Reich der Mitte fraglos der größte Global Player der Region<br />
ist. Viele kleinere Länder Südostasiens haben sich zum Staaten- und<br />
Wirtschaftsverband ASEAN zusammengeschlossen.<br />
ASEAN – ein hochdiversifizierter Markt<br />
ASEAN besteht aus Brunei, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia,<br />
Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam. Markus<br />
Schlüter ist Rechtsanwalt und Partner der multidisziplinären Beratungsgesellschaft<br />
Rödl & Partner, die deutsche Mittelständler in<br />
Rechts- und Wirtschaftsfragen berät (ein Mitgliedsunternehmen des<br />
BVMW). Mit zahlreichen Niederlassungen im asiatischen Raum ist<br />
Rödl & Partner dort gut vernetzt. Daher weiß Markus Schlüter: „Asien<br />
ist erstmal nur ein geographischer Begriff. Wir reden hier über Dutzende<br />
von Ländern mit zahlreichen unterschiedlichen Märkten.“ Die<br />
ASEAN-Länder unterscheiden sich stark hinsichtlich religiöser, kultureller<br />
und politischer Rahmenbedingungen. Auch der Wohlstand<br />
ist ungleich verteilt — Singapur ist eines der reichsten Länder der<br />
Welt, Laos eines der ärmsten. Insgesamt aber bietet ASEAN mit über<br />
600 Millionen Einwohnern einen starken und wachsenden Absatzmarkt,<br />
es herrschen weitgehend Zollfreiheit und freier Güterverkehr.<br />
Gleichwohl versuchen die Einzelstaaten, die Kontrolle über den Warenverkehr<br />
durch Einfuhr- und Sicherheitszertifikate zu wahren, der<br />
Wettbewerb mit der heimischen Wirtschaft wird durch Joint-Venture-<br />
Vorgaben, Investitionsbeschränkungen und hohe Kapitalvorgaben<br />
reguliert. Schlüter mahnt: „Unternehmer müssen je nach Branche<br />
und Zielvorgaben die lokalen Investitionsgesetze analysieren, bevor<br />
sie dort etwa eine Gesellschaft gründen wollen.“<br />
China – der Riese mit Schwächen<br />
China verzeichnete in den letzten Dekaden ein enormes Wachstum<br />
und ist heute ein dynamischer Markt, der zunehmend interna<br />
Foto: © NicolasMcComber von www.istockphoto.com
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
SCHWERPUNKT<br />
51<br />
tional verflochten und durch Freihandelsabkommen auch mit der<br />
ASEAN Region verbunden ist. Zwar hat die zunehmende marktwirtschaftliche<br />
Orientierung zu einer wirtschaftlichen Öffnung des Landes<br />
geführt, gleichwohl bestehen immer noch zahlreiche Investitionshemmnisse.<br />
Von einer freien Marktwirtschaft kann keine Rede<br />
sein. Noch immer existiert die „Negativliste“, die aufführt, in welchen<br />
Branchen ausländische Unternehmen tätig werden dürfen. Sie enthält<br />
48 Beschränkungen für ausländische Investitionen. <strong>Das</strong> „Social<br />
Credit System“, das die Bevölkerung zu wünschenswertem Verhalten<br />
erziehen will, soll zukünftig auch auf Unternehmen ausgeweitet werden.<br />
Markus Schlüter rät zu individuellen Strategien: „Manche Unternehmen<br />
produzieren in anderen Ländern, um dann Freihandelsabkommen<br />
zu nutzen und Produkte zu Präferenzzöllen nach China zu<br />
verschiffen. Andere kaufen Rohstoffe oder Vorkomponenten in China,<br />
um sie dann an ihren Standorten in der ASEAN Region zu verarbeiten.<br />
Wer sich in China engagiert, sollte Strategien entwickeln, die<br />
neben der Bearbeitung des enormen Binnenmarktes auch die anderen<br />
Märkte Südostasiens oder Indiens einschließen.“<br />
Straßen, Schienen, Maschinen<br />
Ost- und Südostasien sind für den deutschen <strong>Mittelstand</strong> attraktiv,<br />
der Bedarf ist vor allem im Bereich des Infrastrukturausbaus hoch:<br />
Brückenbau, Hoch- und Tiefbau, Schienenverkehr, der Drang nach<br />
Mobilität ist ungebrochen. <strong>Der</strong> Bedarf an Maschinen für die heimische<br />
Industrie ist hoch, ebenso wie für Anlagen aller Art. Vom Förderband<br />
über die Brauereianlage bis zur Landebahnbeleuchtung:<br />
Die Produkte deutscher Anlagen- und Maschinenbauer sind gefragt.<br />
Gleiches gilt für Waren der Konsumgüterindustrie und der Chemiebranche.<br />
Thailand hat sich mit seiner starken Autoindustrie bereits<br />
als Standort für Elektromobilität und Erneuerbare Energien etabliert.<br />
Insgesamt sollten deutsche Unternehmen auch aus attraktiven<br />
Branchen individuelle Strategien entwickeln: „Häufig schreiben die<br />
lokalen Vergaberichtlinien eine heimische Firma als Hauptunternehmer<br />
vor, sodass deutsche Unternehmen als Subunternehmer Einsatz<br />
finden“, sagt Schlüter.<br />
Wohin steuert die Region?<br />
Chinas <strong>Handel</strong>sstreit mit den USA, das Corona-Virus, Marktliberalisierung,<br />
Islamisierung oder Säkularisierung: Die Dynamik der wirtschaftlichen,<br />
politischen und kulturellen Entwicklung der Region<br />
macht Ost- und Südostasien unternehmerisch so spannend wie unvorhersehbar.<br />
So erwartet Michael Schlüter für die entwickelten und<br />
etablierten Staaten wie Japan und Südkorea keine Wachstumsüberraschungen.<br />
ASEAN hingegen zeigt sich wachstumsstark, Verhandlungen<br />
über multilaterale Markteintrittsabkommen wecken Hoffnung<br />
auf eine Öffnung für ausländische Unternehmen. Indien plant<br />
eine regulatorische Anpassung an internationale Standards und<br />
setzt seinen Wachstumskurs fort.<br />
Es gibt also keine valide Vorhersage, außer einer: Ost- und Südostasien<br />
sind für deutsche Mittelständler attraktive Außenhandelsmärkte –<br />
wenn man sie genau beobachtet.<br />
Bernd Ratmeyer<br />
Journalist<br />
mittelstand@bvmw.de<br />
Anteil deutscher Exporte und Importe nach Asien (gesamt) 2018:<br />
20,0 % Importe<br />
Anteil deutscher Exporte nach China:<br />
2018: 7,1 %<br />
Anteil Chinas an deutschen Importen:<br />
2018: 9,8 %<br />
Gut zu wissen<br />
14,6 % Exporte<br />
2000: 1,6 %<br />
2000: 3,4 %<br />
Exporte der Bundesrepublik Deutschland (2018) nach Asien in<br />
Milliarden Dollar<br />
1. Volksrepublik China 93,1<br />
2. Japan 20,4<br />
3. Indien 12,5<br />
4. Singapur 8,0<br />
5. Hongkong 6,0<br />
6. Malaysia 5,2<br />
7. Thailand 5,0<br />
8. Vietnam 4,1<br />
9. Indonesien 2,9<br />
10. Philippinen 2,6<br />
11. Bangladesch 0,82<br />
12. Sri Lanka 0,35<br />
n ASEAN: zehn Länder, 600 Millionen Einwohner. Attraktiver Absatzmarkt.<br />
Freihandelsabkommen nicht nur der Staaten untereinander,<br />
sondern auch mit China<br />
n China: zahlreiche Investitionshemmnisse. Unternehmer sollten individuelle<br />
Strategien entwickeln, um <strong>Handel</strong>s-, Steuer- und Zollabkommen<br />
zwischen China und anderen asiatischen Märkten zu nutzen<br />
n In Südostasien nachgefragte Produkte und Branchen: Maschinenbau,<br />
Anlagenbau, Infrastrukturausbau, Chemie/Pharmazie,<br />
Konsumgüter, Autoindustrie/Elektromobilität, Erneuerbare Energien/<br />
Umwelttechnik
52 SCHWERPUNKT DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Im sicheren Hafen:<br />
Export als Wachstumsmotor<br />
<strong>Das</strong> Auslandsgeschäft bietet viele Chancen. Je höher aber die Chancen, desto höher in der Regel<br />
auch die Risiken. Und die sind beim Auslandshandel breit gestreut.<br />
Ein großer Teil des <strong>Handel</strong>s wird unter den Bedingungen des<br />
Welthandelsabkommens Gatt oder bilateraler <strong>Handel</strong>sabkommen<br />
abgewickelt. Darüber hinaus haben es Unternehmen im<br />
Auslandsgeschäft aber auch mit anderen Sprachen, Rechtssystemen<br />
oder <strong>Handel</strong>sbräuchen, mit instabilen wirtschaftlichen und politischen<br />
Verhältnissen, mit schwankenden Wechselkursen und nicht<br />
zuletzt meistens mit viel größeren Entfernungen zu tun.<br />
Trotz Unwägbarkeiten sicher handeln<br />
<strong>Das</strong> wiederum bringt kaufmännische Unwägbarkeiten mit sich. Häufig<br />
vergehen zum Beispiel Monate, bis ein Kunde zahlt. <strong>Der</strong> Exporteur<br />
muss in Vorleistung gehen und Möglichkeiten für die Refinanzierung<br />
suchen; schließlich hat er Aufwendungen für Mitarbeiter und Zulieferer.<br />
Kommt ein Kunde dann in finanzielle Schwierigkeiten und kann<br />
nicht mehr zahlen, nimmt das eigene Unternehmen schneller als gedacht<br />
nachhaltig Schaden. <strong>Das</strong> gilt natürlich besonders bei größeren<br />
Aufträgen.<br />
Bonitätsauskünfte über eigene Kunden und <strong>Handel</strong>spartner. Gerade<br />
für kleinere Unternehmen ist es schwierig, sich die nötigen Informationen<br />
über die Geschäftspartner selbst zu besorgen. Dabei sind sie<br />
besonders gefährdet, denn ein größerer Forderungsausfall kann im<br />
schlimmsten Fall die Existenz bedrohen.<br />
Außerdem gibt es die staatliche Exportkreditversicherung, auch<br />
„Hermesdeckung“ genannt. Insbesondere der <strong>Mittelstand</strong> profitiert<br />
davon, denn rund 75 Prozent nehmen kleinere und mittlere Betriebe<br />
in Anspruch.<br />
Um die Chancen des Auslandsgeschäfts nutzen zu können, ist es<br />
wichtig, sich vorher umfassend zu informieren und mögliche Risiken<br />
frühzeitig zu kennen und zu vermeiden. Nur so kann Wachstum im<br />
Ausland nachhaltig gelingen.<br />
Um sich abzusichern gibt es vielfältige Möglichkeiten, von der privaten<br />
Kreditversicherung bis zur staatlichen Deckung und die verschiedensten<br />
Möglichkeiten der Finanzierung – auf den individuellen<br />
Fall zugeschnitten, von den Fristen bis zur Art des Geschäftes. Mit<br />
der Komplexität der Anforderungen sind gerade kleinere und mittlere<br />
Unternehmen jedoch oft überfordert, wenn sie keine Spezialisten<br />
haben, die sich um jedes Detail kümmern können. Daher ist es vor<br />
allem für Export-Neueinsteiger sinnvoll, sich von Experten beraten<br />
zu lassen und die Absicherung der eigenen Geschäfte outzusourcen.<br />
<strong>Der</strong> richtige Schutz vor Schäden und Forderungsausfällen<br />
Umfassenden Schutz vor Forderungsausfall bietet zum Beispiel eine<br />
private Kreditversicherung; nicht zu verwechseln mit den staatlichen<br />
Angeboten, auch in den wichtigsten Exportmärkten der deutschen<br />
Unternehmen. Die Kreditversicherung umfasst in der Regel auch<br />
Gut zu wissen<br />
n Zahlungsmoral, Bonität, Abweichungen von Rechtssystemen:<br />
Je mehr Informationen, desto geringer die Risiken<br />
n Absicherung der eigenen Geschäfte kann outgesourced werden<br />
n Euler Hermes bietet Beratung und Absicherungslösungen<br />
für Exporteure<br />
Michael Pahl<br />
Euler Hermes<br />
www.eulerhermes.de<br />
Foto: © AvigatorPhotographer von www.istockphoto.com
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
53<br />
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54 SCHWERPUNKT<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Weltweit engagiert<br />
für den <strong>Mittelstand</strong><br />
Auslandsmärkte bieten für mittelständische Unternehmen attraktive<br />
Geschäftspotenziale. In Deutschland exportieren<br />
11 Prozent aller Unternehmen ins Ausland, 97 Prozent davon<br />
sind KMU. Wachstumsmärkte in Asien und Afrika, aber auch in Europa,<br />
bieten neben Geschäftschancen nach wie vor aber auch Risiken.<br />
Um hier erfolgreich zu sein, sind nicht nur Informationen über<br />
die Marktbedingungen vor Ort notwendig, sondern auch die Unterstützung<br />
durch kompetente Partner und das richtige Netzwerk.<br />
Als einziger Verband in Deutschland verfügt der BVMW neben seinem<br />
bundesweiten Beratungsnetzwerk von rund 300 regionalen Repräsentanten<br />
über ein weltweites Netzwerk an Auslandsbüros mit<br />
über 30 Repräsentanten in zentralen Wachstumsmärkten für den<br />
<strong>Mittelstand</strong>. Als Brücke zwischen Deutschland und dem jeweiligen<br />
Auslandsmarkt unterstützen die Auslandsrepräsentanten mit einem<br />
attraktiven Beratungs- und Serviceangebot BVMW-Mitglieder beim<br />
Auf- und Ausbau ihrer Geschäftstätigkeiten im Ausland und bieten<br />
Netzwerke mit zentralen Akteuren aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.<br />
Flankiert wird die Arbeit durch Kooperationsabkommen<br />
mit BVMW-Partnerverbänden in ausgewählten Ländern. Gleichzeitig<br />
vertritt der BVMW erfolgreich die politischen Interessen seiner<br />
Mitglieder, wo sonst niemand seine Stimme für den <strong>Mittelstand</strong> erhebt:<br />
in Berlin, Brüssel und weltweit.<br />
Die Repräsentanten der BVMW Auslandsbüros:<br />
Europa (Nord-, West-, Südeuropa)<br />
Italien Fabrizio Bianchi Schierholz n fabrizio-bianchi.schierholz@bvmw.de<br />
n italien@bvmw.de<br />
Italien Massimiliano Dott. Pifferi n massimiliano.pifferi@bvmw.de<br />
n italien@bvmw.de<br />
Luxemburg Martin Drescher n martin.drescher@bvmw.de<br />
n luxemburg@bvmw.de<br />
Schweiz Michael Schönberg n michael.schoenberg@bvmw.de<br />
n schweiz@bvmw.de<br />
Skandinavien Benny Egholm Sørensen n benny.soerensen@bvmw.de<br />
n skandinavien@bvmw.de<br />
Spanien/Portugal Ilídio César Ferreira n ilidio.ferreira@bvmw.de<br />
n spanien@bvmw.de<br />
n portugal@bvmw.de<br />
Türkei Wolfgang Wanja n wolfgang.wanja@bvmw.de<br />
n tuerkei@bvmw.de<br />
Foto: © Fourleaflover von www.istockphoto.com
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
SCHWERPUNKT<br />
55<br />
GUS/Südosteuropa/Osteuropa/Baltikum<br />
Albanien Stefan Wings n stefan.wings@bvmw.de<br />
n albanien@bvmw.de<br />
Estland Peter Voecks n peter.voecks@bvmw.de<br />
n estland@bvmw.de<br />
Rumänien Adina Utes n adina.utes@bvmw.de<br />
n rumaenien@bvmw.de<br />
Russland Elena Harrer n elena.harrer@bvmw.de<br />
n russland@bvmw.de<br />
Tschechien/<br />
Slowakei<br />
Martin Felenda<br />
n martin.felenda@bvmw.de<br />
n tschechien@bvmw.de<br />
n slowakei@bvmw.de<br />
Nord- und Südamerika<br />
Brasilien Ilka von Borries-Harwardt n ilka.vonborries-harwardt@bvmw.de<br />
n brasilien@bvmw.de<br />
Mexiko Thomas Wagner n thomas.wagner@bvmw.de<br />
n mexiko@bvmw.de<br />
USA Marion Dr. Bartels n marion.Bartels@bvmw.de<br />
n usa@bvmw.de<br />
Asien/Pazifik/Australien<br />
China Wenhai Wang n wenhai.wang@bvmw.de<br />
n china@bvmw.de<br />
Indien Daniel Raja n daniel.Raja@bvmw.de<br />
n indien@bvmw.de<br />
Indien Manoj Barve n manoj.barve@bvmw.de<br />
n indien@bvmw.de<br />
Indonesien Volker Bromund n volker.bromund@bvmw.de<br />
n indonesien@bvmw.de
56 SCHWERPUNKT<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Indonesien Jochen Sautter n jochen.sautter@bvmw.de<br />
n indonesien@bvmw.de<br />
Japan Michael A. Müller n michael.mueller@bvmw.de<br />
n japan@bvmw.de<br />
Malaysia Niels Strohkirch n niels.Strohkirch@bvmw.de<br />
n malaysia@bvmw.de<br />
Südkorea Hwaseo Park n hwaseo.park@bvmw.de<br />
n korea@bvmw.de<br />
Arabischer Raum/Nahost<br />
Iran Alireza Dr. Azimzadeh n alireza.azimzadeh@bvmw.de<br />
n iran@bvmw.de<br />
Katar Alexander Hildebrand n alexander.hildebrand@bvmw.de<br />
n katar@bvmw.de<br />
Afrika<br />
Kamerun, Gambia<br />
und Länder der<br />
CEMAC-Region<br />
Joseph Lwanga<br />
Nguefack-Sonkoue<br />
n joseph.sonkoue@bvmw.de<br />
n kamerun@bvmw.de<br />
Kenia, Mauritius,<br />
Ruanda<br />
Torsten Töllner<br />
n torsten.toellner@bvmw.de<br />
n kenia@bvmw.de<br />
n mauritius@bvmw.de<br />
Marokko Rachid Eddouks n rachid.eddouks@bvmw.de<br />
n marokko@bvmw.de<br />
Nigeria, Tansania,<br />
Ghana<br />
Marc-Peter Zander<br />
n marc-peter.zander@bvmw.de<br />
n nigeria@bvmw.de<br />
n tansania@bvmw.de<br />
n ghana@bvmw.de<br />
Gut zu wissen<br />
Weitere Infos zu den Auslandsbüros unter:<br />
https://bvmw.info/auslandsbüros
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
SCHWERPUNKT<br />
57<br />
STEUERN AUF DEN PUNKT<br />
Investitionsfreundliches Umfeld<br />
in Entwicklungsländern schaffen<br />
Die Entwicklungsländer stehen vor großen finanziellen Herausforderungen,<br />
um die umfassenden Ziele der Agenda 2030<br />
der Vereinten Nationen erreichen zu können. Finanztransfers<br />
der Entwicklungszusammenarbeit werden diese Lücke nicht schließen<br />
können. Daher spielen Eigeneinnahmen und Privatinvestitionen<br />
in den Partnerländern eine immer größere Rolle, eingebettet in eine<br />
nachhaltige Finanzpolitik. Dies basiert auf der Annahme, dass Investitionen<br />
zu mehr Wachstum und Beschäftigung und zeitversetzt<br />
auch zu höheren Steuereinnahmen führen. <strong>Das</strong> Thema ist prominent<br />
im BMZ-Marshallplan mit Afrika und den Compacts with Africa der<br />
G20 verankert.<br />
Auch die Europäische Kommission möchte durch ihren „External Investment<br />
Plan“ Eigeneinnahmen und Investitionen in Partnerländern<br />
stärken. Als eine Voraussetzung für Investitionen von deutschen<br />
Unter nehmen in Entwicklungs- und Schwellenländern gilt ein<br />
investi tionsfreundliches Umfeld. Hierzu zählen mehr Rechts- und<br />
Pla nungssicherheit in der Besteuerung, Steuervergünstigungen und<br />
Steueranreize.<br />
Steuerliche Hürden für Unternehmen<br />
Unter dem Motto „Besteuerung von deutschen Unternehmen in Entwicklungsländern<br />
– welche Rahmenbedingungen fördern Investitionen<br />
und schützen die Steuerbasis?“ fand vor kurzem ein Steuerworkshop<br />
in der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit<br />
(GIZ) in Zusammenarbeit mit dem BVMW in Eschborn statt.<br />
In der internationalen Steuer- und Entwicklungsdiskussion stellen<br />
sich folgende Fragen, die im Workshop diskutiert wurden:<br />
n Helfen einheitliche Standards bei der internationalen Unternehmensbesteuerung,<br />
einen verlässlichen Rahmen für Investoren zu<br />
schaffen?<br />
n Verfügen die Entwicklungsländer über ausreichende Kapazitäten,<br />
die geforderten Mindeststandards wirklich zu erfüllen?<br />
n Wie sind die aktuell auf der OECD-Ebene diskutierten Regeln<br />
der internationalen Digitalbesteuerung zu bewerten? Eröffnen<br />
sich hier Chancen für neue oder höhere Einnahmen in den Entwicklungs-<br />
und Schwellenländern?<br />
n Welche steuerlichen Hürden gibt es, und wie könnten sie überwunden<br />
werden?<br />
n Wie berechtigt ist die Furcht von Unternehmen vor Doppelbesteuerung?<br />
<strong>Der</strong> BVMW war im Steuerworkshop durch Experten gut vertreten: So<br />
nahm der stellvertretende Vorsitzende der Steuerkommission des<br />
BVMW Dr. Sebastian Krauß an der Paneldiskussion neben Vertretern<br />
der Robert Bosch GmbH, Boehringer, Merck, Knauf und der Deutschen<br />
Telekom teil.<br />
Gut zu wissen<br />
n <strong>Der</strong> BVMW erstellt eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse<br />
und Ergebnisse des Workshops, die in den nächsten Wochen<br />
für alle BVMW-Mitglieder erhältlich sein soll<br />
n <strong>Der</strong> Autor steht den Mitgliedern des BVMW gerne für Rückfragen zur<br />
Verfügung (E-<strong>Mai</strong>l: matthias.lefarth@bvmw.de)<br />
Matthias Lefarth<br />
BVMW Berater für Wissenschaft,<br />
Studien und Programme<br />
matthias.lefarth@bvmw.de
58 SCHWERPUNKT<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Service für deutsche Unternehmen<br />
bei Investitionen in Afrika<br />
Die Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung<br />
(United Nations Industrial Development Organization,<br />
UNIDO ITPO) ist eine Sonderorganisation der Vereinten<br />
Nationen, die integrative und nachhaltige industrielle Entwicklung<br />
fördert und beschleunigt, um absolute Armut zu beenden.<br />
Die UNIDO ITPO fördert nachhaltige Investitionen und den Technologietransfer<br />
deutscher Firmen in Entwicklungs- und Schwellenländern<br />
in folgenden Sektoren:<br />
n Energie- und Energieeffizienz<br />
n Agrobusiness<br />
n Infrastruktur<br />
n Moderne Produktion<br />
n Gesundheitswirtschaft<br />
Services für deutsche Unternehmen<br />
Vernetzung mit potenziellen Geschäftspartnern, Behörden, Beratern<br />
und professionellen Dienstleistern in Entwicklungs- und Schwellenländern,<br />
UNIDO ITPO Messe-Gemeinschaftsstände für deutsche<br />
Technologieanbieter auf Fachmessen in Deutschland und im Ausland,<br />
Beratung zu deutschen und internationalen Finanzierungsangeboten<br />
und Vernetzung mit privaten und öffentlichen Investoren.<br />
Services für Unternehmen aus Entwicklungsländern<br />
Vernetzung von Unternehmen und Vermarktung ihrer Investitionsprojekte<br />
bei deutschen Investoren und Technologieanbietern, B2B<br />
Meetings, Messe- und Firmenbesuche zur Förderung von Investitionen<br />
und Technologietransfer.<br />
Capacity Building für Partner in Entwicklungsländern<br />
Förderung von Markt- und Investitionsmöglichkeiten des jeweiligen<br />
Landes in Deutschland, strategische Partnerschaften mit Investitionsförderungsagenturen,<br />
Verbänden und anderen Wirtschaftsförderorganisationen,<br />
Trainings und Seminare zur Investitionsförderung, Messebeteiligungen<br />
und Firmenbesuche (ITPO Delegate Programme).<br />
Gut zu wissen<br />
Kontakt: UNIDO Investment and Technology Promotion Office (ITPO)<br />
Germany, Platz der Vereinten Nationen 1, 53113 Bonn, Deutschland<br />
Tel.: <strong>02</strong>28 / 815-0550<br />
itpo.germany@unido.org<br />
Foto: © KRISS75 von www.istockphoto.com<br />
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DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
SCHWERPUNKT<br />
59<br />
Indischer Recycling-Markt und<br />
die Chancen für KMU<br />
<strong>Der</strong> aufstrebende indische Abfall- und Recycling-Markt bietet<br />
für deutsche KMU der Recycling- und Entsorgungsbranche<br />
großes Potenzial. Dies wurde auf einer Informationsveranstaltung<br />
deutlich, die der BVMW im Auftrag des Bundesministeriums<br />
für Wirtschaft und Energie mit dem bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe<br />
und Entsorgung durchgeführt hat. Auf der Veranstaltung<br />
gab Konsulin Ruby Jaspret den Vertretern mittelständischer<br />
Unternehmen einen Überblick zu den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen<br />
in Indien. bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock<br />
machte deutlich, wo die Probleme liegen und wo Lösungen<br />
ansetzen müssen. <strong>Der</strong> überwiegende Teil der gesammelten Abfälle<br />
werde nämlich deponiert. Deshalb habe die Bevölkerung mit hohen<br />
Umwelt- und Klimabelastungen und entsprechendem Gefährdungspotenzial<br />
zu kämpfen. Die Abfälle, die recycelt werden,<br />
stammen überwiegend von privaten Sammlungen in den Ballungsräumen.<br />
Im ländlichen Raum seien Entsorgungsstrukturen nach wie<br />
vor Mangelware.<br />
Bereits 2014 hat der indische Premierminister Narendra Modi die<br />
Kampagne „Swachh Bharat“ mit dem Ziel gestartet, die Infrastruktur<br />
sowie die Umwelt- und Entsorgungssituation für die Bevölkerung zu<br />
verbessern. In dem 5-Jahres-Programm sollten allein 99 Millionen<br />
Euro zum Aufbau systematischer Strukturen zur Entsorgung, Wiederverwendung<br />
und Recycling fester Siedlungsabfälle investiert werden,<br />
erläuterte Brijesh Patel, Head of Working Group India der German<br />
RETech Partnership, Berlin.<br />
Im Anschluss gingen zahlreiche Speaker auf Investitionschancen für<br />
deutsche KMU im indischen Abfall- und Recyclingmarkt ein.<br />
Freuen sich über eine gelungene gemeinsame Informationsveranstaltung<br />
v. li.: Eric Rehbock, bvse; Dorothea Mertes, BVMW; Dr. Amiya<br />
Kumar Sahu, NSWAI, Brijesh Patel, German RETech Partnership, und<br />
Daniel Raja, BVMW Indien.<br />
Michaela Ziss<br />
Pressereferentin des bvse<br />
www.bvse.de<br />
Diplomatische Frühstücke – wertvolle<br />
Informationen aus erster Hand<br />
Foto: Foto: © © NN BVMW; Annemarie Thiede/BVMW<br />
Nationale Alleingänge und politische Konflikte prägen zunehmend<br />
nicht nur die Beziehungen der internationalen Politik,<br />
sondern wirken sich auch negativ auf den Zustand der ohnehin<br />
geschwächten Weltwirtschaft aus. Umso wichtiger ist es, bestehende<br />
Bündnisse mit den Partnern der mittelständischen Wirtschaft<br />
in Europa und der Welt zu pflegen und neue Allianzen zu schmieden.<br />
Deshalb lädt der BVMW seit 2019 regelmäßig zur Veranstaltungsreihe<br />
Diplomatische Frühstücke ein. Gemeinsam mit den Botschafterinnen<br />
und Botschaftern der größten und vielversprechendsten<br />
Industrie- und Schwellenländer wird diskutiert, welche wirtschaftlichen<br />
Chancen sich für das Auslandsgeschäft kleiner und mittlerer<br />
Unternehmen ergeben und wie die bestehende Zusammenarbeit mit<br />
dem deutschen <strong>Mittelstand</strong> ausgebaut werden kann. So können die<br />
Teilnehmer aus erster Hand von den wirt schaftlichen und politischen<br />
Erfolgsrezepten der Partnerländer des BVMW erfahren und erhalten<br />
wichtige Informationen.<br />
Bisher haben Treffen mit den Botschaftern der Türkei, Südkoreas, Japans,<br />
Spaniens und der Schweiz in der BVMW-Bundeszentrale stattgefunden<br />
– weitere Gespräche, unter anderem mit dem vietname<br />
Zu Gast in der BVMW-Bundeszentrale: Paul R. Seger (re.), Schweizerischer<br />
Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland, mit Mitarbeitern.<br />
sischen und malaiischen Botschafter, werden in Kürze folgen.<br />
Bei Fragen zu den Diplomatischen Frühstücken wenden Sie sich gerne<br />
an politik@bvmw.de
60 SCHWERPUNKT<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
AUSSENWIRTSCHAFT IN ZAHLEN<br />
1.317 000 000 000<br />
Euro – darauf beliefen sich insgesamt die Exporte der deutschen Wirtschaft im Jahr 2018. Die Importe betrugen für dasselbe Jahr<br />
1.089 Milliarden. Hieraus ergibt sich ein Exportüberschuss von 229 Milliarden Euro.<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt<br />
28<br />
68<br />
Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland sind direkt und/oder<br />
indirekt abhän gig vom Außenhandel, 56 Prozent sind es gar im<br />
Verarbeitenden Gewerbe.<br />
Quelle: BMWi<br />
Prozent der deutschen Exporte gingen in die europäischen Nachbarländer.<br />
<strong>Der</strong> gleiche Wert gilt auch für die Importe aus dem<br />
EU-Ausland.<br />
Quelle: BMWi<br />
230,51<br />
Milliarden Euro – damit machen Kraftwagen<br />
und Kraftwagenteile die größten<br />
Exporte der deutschen Wirtschaft aus.<br />
Mit 195,09 Milliarden Euro folgen Maschinen<br />
und chemische Erzeugnisse mit<br />
118,46 Milliarden.<br />
Quelle: statista<br />
1.560,82<br />
Prozent ihrer Vorleistungen beziehen mittelständische<br />
Unternehmen des Verarbeitenden<br />
Gewerbes aus dem Ausland (gesamtes Verarbeitendes<br />
Gewerbe 30,1 Prozent). Bei den<br />
mittelständischen unternehmensnahen Dienstleistern<br />
liegt dies bei 12,2 Prozent (gesamte<br />
unternehmensnahe Dienstleister 13,3 Prozent).<br />
Quelle: kfw<br />
19,2<br />
Milliarden US-Dollar – damit liegt Deutschland auf Platz 3 der<br />
größten Exportländer. Angeführt wird diese Liste von China<br />
(2.487,05 Milliarden US-Dollar), gefolgt von den USA (1.664,09<br />
Milliarden US-Dollar).<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt<br />
82,9<br />
Prozent<br />
der mittelständischen Industrieunternehmen<br />
verfügen über Kunden oder<br />
Lieferanten im europäischen Ausland<br />
(bei den unternehmensnahen Dienstleistern<br />
liegt dieser Anteil immerhin noch bei<br />
49,9 Prozent). Bei 72 Prozent der Unternehmen<br />
liegen vor allem Kundenbeziehungen<br />
nach Westeuropa vor.<br />
Quelle: kfw<br />
11<br />
Prozent aller deutschen Unternehmen exportieren,<br />
davon sind 97 Prozent kleine und mittlere<br />
Unternehmen.<br />
Quelle: BMWi
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
BWS<br />
61<br />
Bundeswirtschaftssenat<br />
Bundeswirtschaftssenat<br />
<strong>Der</strong> <strong>Der</strong> Bundeswirtschaftssenat ist das ist Spitzengremium das Spitzengremium des BVMW.<br />
Ihm gehören des 230 BVMW. herausragende Ihm gehören Unternehmerpersönlichkeiten 230 herausragende an,<br />
Unternehmerpersönlichkeiten an, darunter vier deutsche<br />
darunter vier deutsche Nobelpreisträger und zahlreiche<br />
Nobelpreisträger und zahlreiche Marktführer.<br />
Marktführer. Die inhabergeführten Die inhabergeführten Unternehmen Unternehmen stehen stehen für einen für einen<br />
Jahresumsatz von circa von circa 100 Milliarden 100 Milliarden Euro und Euro rund und 1 Million rund<br />
eine Million Arbeitsplätze. Arbeitsplätze.<br />
In dieser Ausgabe von „<strong>Der</strong> Bundeswirtschaftssenat im Dialog“<br />
erzählt Martin Billhardt, In Vorstandvorsitzender dieser Ausgabe von der Pfisterer Holding AG,<br />
„<strong>Der</strong> Bundeswirtschaftssenat im Dialog“:<br />
wie die traditionsreiche Firma mit dem steten Wandel in der<br />
Energiebranche umgeht.<br />
Dr. Ralph Bartmuß, Geschäftsführer der<br />
Steuerberatungsgesellschaft euroes GmbH, weiß,<br />
Stephan wie Frigge, steuerberaterliche Geschäftsführer Tätigkeit von Phoenix mit Contact, struktureller erläutert,<br />
vor Unternehmensberatung welchen Herausforderungen in einem der Weltmarktführer Unternehmen im erfolgreich<br />
Bereich der<br />
Elektrotechnik steht verbunden stellt werden die Arbeitskultur kann. in seinem<br />
Unternehmen vor.
62 BWS<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
DR. RALPH BARTMUSS<br />
eureos gmbh steuerberatungsgesellschaft<br />
rechtsanwaltsgesellschaft<br />
Foto: © NN
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
BWS<br />
63<br />
„Nahezu jeder Fall ist<br />
ein besonderer“<br />
Vor gut zehn Jahren als Beratungsunternehmen von Rechtsanwälten, Steuerberatern und<br />
Wirtschaftsprüfern gegründet, ist eureos längst in der Beratungsbranche etabliert. <strong>Der</strong> Schlüssel<br />
zum Erfolg liegt dabei in der individuellen Beratung der Mandanten, weiß Geschäftsführer<br />
Dr. Ralph Bartmuß.<br />
Foto: © eureos GmbH<br />
Prof. Dr. Jo Groebel: Herr Dr. Bartmuß, Sie haben mit Ihrer Rechtsund<br />
Steuerberatungsgesellschaft eureos ein großes Portfolio, ein<br />
großes Spektrum von Leistungen und das für viele Branchen. Haben<br />
Sie einen besonderen Schwerpunkt?<br />
Dr. Ralph Bartmuß: Wir sind natürlich im Kern als Rechts- und Steuerberater<br />
mit dem Schwerpunkt Unternehmen tätig und als solcher<br />
selbst eine Art kleiner Konzern. Ich selbst habe einen juristischen<br />
Hintergrund mit Studium unter anderem in Halle und Berlin, bin aber<br />
inzwischen auch sehr stark spezialisiert auf alles, was die Steuer rund<br />
um die Öffentliche Hand und verwandte Themen angeht, so Krankenhäuser,<br />
Hochschulen, Pflegeheime.<br />
Spielt in diesem Zusammenhang auch das eine Zeitlang sehr intensiv<br />
propagierte Prinzip von Private-Public-Partnership eine Rolle?<br />
Private-Public-Partnerships, also öffentlich-private Partnerschaften,<br />
waren zum Zeitpunkt unserer Gründung vor rund zehn Jahren, als ich<br />
von Ernst & Young kam, hier in der Region rund um Dresden definitiv<br />
ein Thema. Damals ging es darum, massiv private Investitionen im<br />
öffentlichen Interesse zu fördern und einzuwerben, um die Haushalte<br />
kurzfristig zu entlasten. Heute ist dieses Thema eher vom Tisch.<br />
Faszinierend finde ich in Ihrer Firma die Verbindung aus Steuer-,<br />
Rechts- und struktureller Unternehmensberatung. Wie viele Mitarbeiter<br />
sind bei Ihnen mit all diesen Fragen befasst?<br />
Knapp 120 Mitarbeiter wirken unter unserem Unternehmensdach,<br />
davon etwa ein Drittel Berufsträger mit entsprechenden steuer- oder<br />
rechtsberatenden Abschlüssen. Im Schnitt sieht bei anderen die Relation<br />
eher eins zu zehn aus, wir haben also einen besonders hohen<br />
akademischen Fachanteil unter den Kollegen. Zusammen erzielen wir<br />
einen Jahresumsatz von etwa zehn Millionen Euro.<br />
Bei aller bundesweiten und internationalen Aktivität haben Sie auch<br />
einen starken Fokus auf die Region, besonders in Sachsen …<br />
Die Mischung aus Überregional und Regional hängt sicherlich mit der<br />
Tatsache zusammen, dass viele unserer Partner von den Big Four<br />
stammen, so KPMG oder in meinem Fall Ernst & Young, also eine länderübergreifende<br />
Ausrichtung gewohnt waren. Heute sprechen wir<br />
über ein Verhältnis von rund 50 Prozent regionaler und 50 Prozent<br />
überregionaler Tätigkeit. Es hängt sehr stark von der jeweiligen von<br />
uns beratenen Branche ab. Wichtig ist uns in jedem Fall der direkte<br />
Kontakt, die geographische Nähe zum Mandanten wo irgend möglich.<br />
Wie spiegelt sich das in Ihren Dependancen wider?<br />
Ausgangspunkt waren Dresden und Leipzig. Inzwischen sind wir auch<br />
in Chemnitz und Magdeburg vertreten, sondieren zugleich, wo weitere<br />
Gründungen sinnvoll sein könnten, zum Beispiel in Erfurt, Jena oder<br />
Berlin. Es geht immer auch um das Finden geeigneter und persönlich<br />
passender Kollegen vor Ort.<br />
Stimmen Ihrer Meinung nach die oft behaupteten Unterschiede zwischen<br />
Ost und West, nicht zuletzt hinsichtlich der Unternehmenskulturen<br />
beim <strong>Mittelstand</strong> und bei Unternehmensnachfolge?<br />
In Westdeutschland hatte es seit vielen Jahrzehnten kaum politische<br />
Brüche bei der Fortführung eines Unternehmens gegeben. In Ostdeutschland<br />
konnte diese mögliche Tradition von Familienunternehmen<br />
erst wieder vor 30 Jahren beginnen beziehungsweise aufleben.<br />
Zugleich hat sich aber auch die Gesamtkultur verändert, die Kinder<br />
steigen nicht mehr selbstverständlich ins elterliche Unternehmen ein.<br />
Also gibt es hier aus mehreren Gründen immer noch einen deutlichen<br />
Unterschied in den Familientraditionen. Im Osten fällt der Nachfolgegeneration<br />
das Beschreiten eines eigenen Weges und zum Beispiel<br />
ein Firmenverkauf noch leichter als im Westen. Nicht unbedingt<br />
schön für Kontinuität und die Beratung rund um solide Strukturen.<br />
Auch deshalb mangelt es in der Region an der selbstverständlichen<br />
Ansiedlung von Hauptsitzen großer Mittelständler.<br />
Immerhin entstanden nach der Vereinigung vor Ort zahlreiche Unternehmungen,<br />
die man heute als Start-ups bezeichnen würde. Wie<br />
sieht Ihr eigenes persönliches Metier aus, eher Kontinuität oder<br />
ständige Brüche?<br />
Nehmen wir meinen Schwerpunkt, die Öffentliche Hand. Da sprechen<br />
wir bei aller Veränderungsoffenheit doch eher von einer ziemlich kontinuierlichen<br />
Ausgangsstruktur und Weiterentwicklung. Insgesamt<br />
also ein sicherer Hafen. Selbstverständlich schließt das immer wieder<br />
neue Herausforderungen mit ein. So war vor mehr als zehn Jahren<br />
das Thema Körperschaftsteuer bei den Kommunen kaum auf dem<br />
Tisch, das sieht heute anders aus, Wettbewerb ist inzwischen ein<br />
wichtiger Faktor geworden. Jedenfalls hat die Besteuerung öffentlicher<br />
Einrichtungen nochmals immens an Bedeutung und Reichweite<br />
zugenommen.<br />
Vor wenigen Jahrzehnten war das Gebot der Stunde die Privatisierung<br />
fast aller Öffentlichkeitsbereiche wie Bahn, Post, Telekommunikation.<br />
Inzwischen gibt es in einigen Feldern die gegenläufige Tendenz.<br />
Völlig richtig. In der Abfallwirtschaft zum Beispiel wird zum Teil sehr
64 BWS<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Dr. Ralph Bartmuß im Teamgespräch.<br />
stark rekommunalisiert. Auch Stadtwerke versucht man zurückzugewinnen,<br />
einerseits wegen der laufenden Einnahmemöglichkeiten, andererseits<br />
auch, um wieder Einfluss auf die öffentliche Infrastruktur<br />
nehmen zu können.<br />
Von der Kommune zum Internationalen. Auch hier sind Sie aktiv …<br />
Ja, vor allem mit unserem grenzüberschreitenden Netzwerk IR Global.<br />
Möchte zum Beispiel ein Mandant eine Dependance in Hongkong<br />
gründen, können wir u. a. in Fragen des dortigen Steuerrechts auf diese<br />
Kooperation zurückgreifen. Nicht ganz unwichtig, wenn es darum<br />
geht, in welchem Land im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten die<br />
Steuern zu entrichten sind.<br />
Wieviel Auslegungs- und damit Verhandlungsspielraum zwischen<br />
Unternehmen, Ihnen und den Steuerbehörden ist die Regel?<br />
Nahezu jeder Fall ist ein besonderer. Schon deshalb ist auch bereits<br />
in der Planungsphase von Firmenkonstruktionen oder -umbauten<br />
unsere Beratung jenseits reiner Steuererklärungen so wichtig. Schablone<br />
funktioniert nicht. Erst recht nicht bei grenzüberschreitenden<br />
Konstellationen.<br />
Berühmt-berüchtigt sind die steuergünstigsten Unternehmenssitze<br />
der größten amerikanischen Digitalkonzerne, nehmen wir das Beispiel<br />
Irland. Gibt es auch für größere Mittelständler diesbezüglich<br />
Spielräume?<br />
Rein juristisch steht es natürlich jedem offen. Meine Erfahrung ist<br />
aber, dass beim <strong>Mittelstand</strong> doch eher die regionale Verankerung<br />
die Regel ist. Auch wenn kurzfristig vielleicht hin und wieder der Gewinn<br />
durch Verlagerung ins Ausland maximiert werden könnte, sind<br />
steuerliche Aspekte bei der strategischen Ausrichtung im <strong>Mittelstand</strong><br />
zum Glück nicht alleinentscheidend. Vielmehr ist die regionale Verwurzelung<br />
ja eine der Stärken des deutschen <strong>Mittelstand</strong>s und Basis<br />
für sein hohes Ansehen.<br />
Gibt es Länder, von denen sich die deutsche Steuergesetzgebung<br />
und die Exekutive eine Scheibe abschneiden könnten?<br />
Sorgen mache ich mir in Deutschland eher über manche politischen<br />
Pläne, bei denen eine Verschärfung der Vermögensteuer besonders<br />
unter Mittelständlern dazu führen würde, dass viel Substanz aus den<br />
Unternehmen gezogen wird.<br />
Wie sehen Sie die Rolle des BVMW im Verhältnis zwischen <strong>Mittelstand</strong><br />
und Politik?<br />
<strong>Der</strong> Verband ist ein absoluter Glücksfall für die mittelständische Wirtschaft.<br />
Einerseits nahe an der täglichen Firmenpraxis, andererseits<br />
eng verbunden mit den Spitzen der deutschen und internationalen<br />
Politik. <strong>Das</strong> funktioniert auch deshalb so gut, weil ein Mario Ohoven<br />
mit Leib und Leben seine Position ausfüllt und eben nicht nur ein vorübergehend<br />
aktiver Funktionär ist.<br />
VITA<br />
Dr. Ralph Bartmuß, Jahrgang 1966, studierte Rechtswissenschaften<br />
sowie Mittlere und Neuere Geschichte in Halle/Saale<br />
und Berlin. Nach einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
bei Prof. Dr. Donath, M.C.J. (Austin) an der Universität Halle<br />
war er ab 1998 in der Steuerabteilung von Arthur Andersen in<br />
Dresden tätig. 20<strong>02</strong> wechselte er zu Ernst & Young und spezialisierte<br />
sich auf die Beratung von Unternehmen der Öffentlichen<br />
Hand. Im Jahr 2000 promovierte er an der Humboldt-Universität<br />
zu Berlin zum Dr. iur., 2004 wurde er zum Steuerberater<br />
bestellt. Seit 2010 ist er Partner der eureos gmbh steuerberatungsgesellschaft<br />
rechtsanwaltsgesellschaft. Privat gehören<br />
für den Vater von vier Kindern neben Windsurfen und Alpinski<br />
vielfältigste Konzertbesuche zu seinen Vorlieben.<br />
Foto: © eureos GmbH
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0 BWS 65<br />
Zurück zu Ihrem Unternehmen. Woher stammt der Name Ihrer Firma,<br />
eureos?<br />
Zunächst nannten wir uns eos, nach der griechischen Göttin der Morgenröte.<br />
Etliche von uns kamen von Ernst & Young, und wir wollten zu<br />
neuen beruflichen Ufern aufbrechen, zugleich aber anders als einige<br />
Großen der Branche im Osten bleiben, da passte der Sonnenaufgang<br />
ganz gut.<br />
Welche Rolle spielt interne Ausbildung in Ihrem Unternehmen?<br />
Da wir einen überdurchschnittlich hohen Anteil an akademisch qualifizierten<br />
Kollegen und Partnern und vor allem Berufsträgern haben,<br />
obliegt die Bildung und Weiterbildung eher der individuellen Karriereplanung.<br />
Wir müssen von der jeweils höchsten Kompetenz- und Qualifikationsstufe<br />
schon von vornherein ausgehen. Selbstverständlich<br />
aber tauschen wir uns ständig über neueste Entwicklungen in Branchen,<br />
Praxis und Gesetzgebung aus.<br />
Wie wichtig ist die Digitalisierung, wie sie inzwischen schon seit<br />
Jahrzehnten für den öffentlichen Raum mit dem Stichwort e-Government<br />
beschworen, aber in Deutschland noch nicht konsequent<br />
realisiert wurde?<br />
Selbstverständlich sind Buchhaltung und alle steuerlich relevanten<br />
Erklärungen und Bescheide schon seit langer Zeit digitalisiert und<br />
online üblich. Individuelle Beratung und Strukturierung allerdings, wie<br />
sie bei uns die Regel sind und sein müssen, nutzen das ganze Spektrum<br />
der digitalen Welt, sind aber eben nicht dadurch ersetzbar. Wir<br />
investieren massiv in die Digitalsysteme. Endgültige Analysen und<br />
Empfehlungen können wir aber immer noch nur persönlich und individuell<br />
abgeben.<br />
Foto: © eureos GmbH<br />
Künstliche Intelligenz ist also noch nicht der neue, gar bessere Anwalt<br />
oder Steuerberater?<br />
Wir und erst recht etliche Großkanzleien experimentieren punktuell<br />
sehr wohl damit und loten Chancen und Grenzen aus. Ich gehe davon<br />
aus, dass KI oberhalb einer bestimmten Skalierbarkeit in unserem<br />
Metier eines Tages sehr wichtig sein wird oder auch bei kleinteiligen,<br />
standardisierten Abläufen. Grosso modo aber ist schon ab einer mittleren<br />
Komplexitätsstufe die individuelle Beratung zentral. Mandantenbeziehungen,<br />
aber auch die Gespräche mit den Behördenvertretern<br />
leben in nicht geringem Maße von Vertrauen, der sozialen Situation, ja<br />
selbst Stimmungen. Auch rechtliche und steuerliche Verhandlungen<br />
beziehungsweise Entscheidungen sind keine durch und durch harte<br />
Wissenschaft. <strong>Der</strong> menschliche Faktor spielt immer eine Rolle.<br />
Sie selbst sind in diesem Zusammenhang in der Mendelssohn-Stiftung<br />
in Leipzig aktiv …<br />
Es verbindet das Angenehme mit dem Ethischen und Nützlichen. Angenehm<br />
ist der Austausch mit inspirierenden Menschen aus der Region,<br />
ethisch ist es gut für die verschiedenen gesellschaftlichen und<br />
regionalen Akteure durch Förderung oder die Preisvergabe für herausragende<br />
Leistungen. Nützlich ist es auch, weil man auf Mandanten,<br />
Auftraggeber und Partner trifft.<br />
Haben Sie neben all dem noch Zeit für private Aktivitäten?<br />
Als Vater von vier Kindern gebührt ein Teil meiner Zeit natürlich der<br />
Familie. Ab und zu spiele ich noch Golf.<br />
Herzlichen Dank für das angenehme Gespräch.<br />
eureos-Standort in Leipzig im historischen Messehaus Specks Hof.<br />
<strong>Das</strong> Gespräch führte der Medienexperte<br />
Prof. Dr. Jo Groebel<br />
eureos gmbh steuerberatungsgesellschaft<br />
rechtsanwaltsgesellschaft<br />
Rechtsform: GmbH<br />
Gründung: 2009/2010<br />
Sitz: Dresden, Leipzig, Chemnitz, Magdeburg<br />
Geschäftsführer: Dr. Ralph Bartmuß, Arell Buchta, Sören Münch<br />
Mitarbeiter: 118, davon 38 Berufsträger<br />
Gruppenumsatz: circa 10 Millionen Euro<br />
Branche: Steuerberatung, Rechtsberatung, Wirtschaftsprüfung,<br />
Corporate Finance Beratung<br />
Webseite: www.eureos.de
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68 SERVICE<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Service<br />
UNTERNEHMERPREISE<br />
Es gibt viele Gründe, sich mit anderen Unternehmen in einem<br />
Wettbewerb zu messen: gute Presse, individuelle Förderung,<br />
Kontakte knüpfen und, nicht zu vergessen, das Preisgeld. Hier<br />
stellen wir Ihnen drei der aktuellen Unternehmerpreise vor.<br />
Deloitte zeichnet auch 2<strong>02</strong>0 wieder die 50 am schnellsten<br />
wachsenden Unternehmen im Technologiesektor aus. <strong>Der</strong><br />
Award prämiert neben wachsenden Technologieunternehmen,<br />
gemessen am Umsatzwachstum in den letzten vier Jahren,<br />
auch Start-ups und Scale-ups in der Kategorie Innovation<br />
und Herausforderung. Mitmachen können Unternehmen, die<br />
seit mindestens vier Jahren bestehen und ihren Hauptsitz in<br />
Deutschland haben.<br />
Die Bewerbungsfrist beginnt am 01. <strong>April</strong> 2<strong>02</strong>0.<br />
www.deloitte.com/de<br />
Technology Fast 50 Award<br />
Gut beraten in die Zukunft<br />
Demografischer Wandel, krankheitsbedingte Engpässe oder Nachwuchsmangel<br />
– die personellen Anforderungen an Unternehmen<br />
sind vielfältig. Es gilt, Neues zu wagen und Räume zu schaffen, in<br />
denen Unternehmen gemeinsam mit ihren Beschäftigten Innovations-<br />
und Lernprozesse anstoßen können. Für Unternehmen<br />
mit weniger als 250 Beschäftigten stehen über unternehmens-<br />
Wert:Mensch und unternehmensWert:Mensch plus bis zu<br />
80 Prozent Förderung – unter anderem in den Bereichen Führung,<br />
Chancengleichheit und Diversität, Digitalisierung der Arbeitswelt<br />
und Gesundheit – zur Verfügung.<br />
Unser Mitglied Ilona Vogel ist zertifizierte Beraterin für die genannten<br />
Förderprogramme. Nutzen Sie die Chance der Förderung, um<br />
Ihr Unternehmen für die Zukunft fit zu machen.<br />
Weitere Infos: info@ilona-vogel.de<br />
Bundespreis Ecodesign 2<strong>02</strong>0<br />
Digitalisierung beginnt im Kopf<br />
<strong>Der</strong> vom Bundesumweltministerium und dem Umweltbundesamt<br />
ausgelobte Bundespreis Ecodesign zeichnet nachhaltige<br />
und herausragend gestaltete Produkte, Dienstleistungen und<br />
Konzepte aus. Bewerben können sich Unternehmen aller Größen<br />
und Branchen, Designerinnen und Designer sowie Studierende,<br />
die durch innovative Ideen in den vier ausgeschriebenen Kategorien<br />
Produkt, Service, Konzept und Nachwuchs glänzen. Bei der<br />
Bewertung stehen Innovationsgehalt, Gestaltungsqualität und<br />
Umwelteigenschaften im Vordergrund.<br />
Die Bewerbungsfrist endet am 06. <strong>April</strong> 2<strong>02</strong>0.<br />
www.bundespreis-ecodesign.de<br />
<strong>Der</strong> Darboven IDEE-Förderpreis ist eine deutschlandweite<br />
Auszeichnung, an der nur Frauen teilnehmen können. <strong>Der</strong> Fokus<br />
liegt auf innovativen Ideen und Unternehmensgründungen von<br />
Frauen. Bewertet wird nach Business-Konzept, Innovationsgrad<br />
der Geschäftsidee und dem persönlichen Engagement.<br />
Teilnehmen können Gründerinnen mit erfolgversprechenden<br />
Business-Konzepten aus allen Wirtschaftsbereichen.<br />
Die Bewerbungsfrist endet im Juli 2<strong>02</strong>0.<br />
www.darboven.com<br />
Darboven IDEE-Förderpreis<br />
Wer die digitale Transformation lediglich zu einer Frage der<br />
Technik macht und an die IT-Abteilung delegiert, begeht einen<br />
Fehler. Denn beim digitalen Wandel spielt die Unternehmenskultur,<br />
das „Digital Mindset“ von Geschäftsleitung und Mitarbeitern,<br />
eine Schlüsselrolle. Die gute Nachricht: <strong>Das</strong> digitale<br />
Mindset kann gezielt entwickelt werden – mit dem Digital<br />
Competence Indicator (DCI) der Onestoptransformation AG.<br />
Bei einer Standortanalyse wird zunächst ermittelt, wo die Mitarbeiter<br />
in der Transformation zurzeit stehen. Auf dieser Basis<br />
erhalten die Mitarbeiter dann gezielte Entwicklungsangebote<br />
und werden über individuelle Lernpfade auf den Weg des Wandels<br />
mitgenommen.<br />
www.onestoptransformation.com<br />
Fotos: © FredFroese von www.istockphoto.com; © metamorworks von www.istockphoto.com
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
SERVICE<br />
69<br />
Kostenloser Check: Kompass für die<br />
Unternehmenszukunft<br />
Fotos: © Betonwerk Büscher GmbH & Co. KG; © NicoElNino von stock.adobe.com; © Graphic farm von www.shutterstock.com<br />
<strong>Das</strong> Audit Zukunftsfähige Unternehmenskultur der Initiative Neue<br />
Qualität der Arbeit (INQA) unterstützt mittelständische Unternehmen<br />
dabei, ihre Mitarbeiter lang- und mittelfristig zu binden. Am Anfang<br />
des Projekts steht eine Mitarbeiterbefragung, die den Ist-Stand im<br />
Unternehmen deutlich macht. Nach der Auswertung erarbeiten<br />
Mitarbeiter und Geschäftsführung gemeinsame Maßnahmen in den<br />
Feldern Führung, Gesundheit und Wissen und Kompetenz. Diese<br />
müssen binnen zwei Jahren umgesetzt werden – verbindlich und<br />
damit nachhaltig. Gefördert wird die Maßnahme vom<br />
Bundesministerium für Arbeit und Soziales.<br />
www.inqa-audit.de<br />
Wie nachhaltig ist<br />
Ihr Unternehmen?<br />
Mit dem Projekt „<strong>Mittelstand</strong>.Ressource“ bieten der BVMW und<br />
das Fraunhofer IPK kleinen und mittleren Unternehmen einen<br />
Einstieg ins strategische Nachhaltigkeitsmanagement. Durch<br />
einen auf die Bedürfnisse des <strong>Mittelstand</strong>s zugeschnittenen<br />
Fragenkatalog können Sie Ihre Stärken und Schwächen im<br />
Bereich der Nachhaltigkeit analysieren, sich branchenintern<br />
vergleichen und Handlungsmöglichkeiten identifizieren. Im<br />
Anschluss an die Erhebung erhalten Sie einen kostenlosen<br />
Benchmarking-Bericht. Durch die Förderung von der Deutschen<br />
Bundesstiftung entstehen teilnehmenden Unternehmen<br />
keine Kosten.<br />
www.mittelstand-nachhaltig.de<br />
An „Bürokratie-Therapie“ beteiligen<br />
Seit dem Jahr 2006 vergibt die Werner Bonhoff Stiftung aus Berlin<br />
den mit 50.000 Euro dotierten „Werner-Bonhoff-Preis-wider-den-<br />
§§-Dschungel“. Mit diesem werden unternehmerische Menschen<br />
gewürdigt, die mit ihren Bürokratie-Erfahrungen Missstände sichtbar<br />
machen und damit einen Wandel fordern. Die Praxisberichte sind<br />
das Fundament des Mitmach-Projekts „Bürokratie-Therapie“. <strong>Das</strong><br />
Stiftungsteam prüft die Berichte, bereitet sie fachgerecht auf und<br />
veröffentlicht sie nach erteilter Freigabe in der Online-Fallsammlung<br />
– dem Herzstück des Projektes.<br />
Interessenten können sich mit einem Praxisfall am Mitmachprojekt<br />
„Bürokratie-Therapie“ beteiligen.<br />
www.werner-bonhoff-stiftung.de<br />
Digitaler Arbeitsplatz leicht gemacht<br />
Digitalisierung bedeutet für den <strong>Mittelstand</strong> ein großes Effizienzversprechen.<br />
Unser Mitglied humbee solutions GmbH aus Meerbusch<br />
(NRW) unterstützt seine Klienten auf dem Weg zu New Work und<br />
bietet mit der Anwendungsplattform „humbee“ einen digitalen<br />
Arbeitsplatz an, der 2018 mit dem Mobility Summit Award sowie<br />
dem Innovationspreis IT ausgezeichnet wurde. <strong>Der</strong> integrative Ansatz<br />
für Zusammenarbeit und Prozessoptimierung richtet sich im<br />
Besonderen an kleine und mittlere Unternehmen und unterstützt<br />
Dank großer Benutzerfreundlichkeit die Digitalisierung<br />
im <strong>Mittelstand</strong>.<br />
www.humbee.de<br />
Ökologische Baumschule<br />
<strong>Das</strong>s sich Ökonomie und Ökologie miteinander versöhnen<br />
lassen, zeigt BVMW- Mitglied Betonwerk Büscher GmbH & Co.<br />
GmbH. Mit dem Marktauftritt der Wohnmodule von „Solid.box“<br />
stellt der Mittelständler aus Heek (NRW) dem konventionellen<br />
Bau eine hochinnovative Alternative zur Seite. Die einzelnen<br />
Gebäudemodule aus Smartbeton werden im eigenen Werk hergestellt,<br />
nach Kundenwunsch konfiguriert und vor Ort aufgestellt.<br />
Dieses Verfahren sorgt für eine enorme Verkürzung der<br />
Bauzeit. Zum anderen ist die ökologische Wiederverwertbarkeit<br />
des Smartbetons sichergestellt, der zu 100 Prozent recycelbar<br />
und absolut nachhaltig ist. Die Heeker setzen damit in<br />
Zeiten von Klimadebatte und grassierender Wohnungsknappheit<br />
ein Zeichen, wie man den urbanen<br />
Wandel ökologisch kompetent gestalten kann.<br />
www.solid-box.de<br />
Schnell und ökologisch gebaut mit Smartbeton.
70 SERVICE<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Vorsicht: Phishing!<br />
Im Fadenkreuz von Cyberkriminellen stehen mittelständische Unternehmen. Die Angreifer<br />
werden immer perfider und richten immer größere Schäden an.<br />
Phishing kann auch dazu genutzt werden, um beim Nutzer ein bestimmtes<br />
Verhalten herbeizuführen, etwa die Überweisung einer<br />
Geldsumme unter einem falschen Vorwand, zum Beispiel mit einer<br />
vorgetäuschten Identität der Unternehmensleitung, wie bei CEO-<br />
Fraud/Fake-President-Angriffen. <strong>Das</strong> Tückische am CEO-Fraud ist,<br />
dass Vor- und Zuname in einer E-<strong>Mai</strong>l als erstes registriert werden,<br />
die kompletten Absenderdaten – einer der Hauptindikatoren für CEO-<br />
Frauds, jedoch erst nach Öffnen der Detailansicht zu sehen sind und<br />
meist ungelesen bleiben.<br />
Mitarbeiter schulen und auf moderne Technik setzen<br />
Wie bei einer Feuerschutzübung rufen regelmäßige Schulungs- und<br />
Aufklärungsmaßnahmen Cybergefahren in Erinnerung, helfen dabei,<br />
erlerntes Wissen präsent zu halten und richtiges Verhalten zu<br />
verankern. Aus der Produkt-Psychologie betrachtet, tragen gut gemachte<br />
Phishing-Test-<strong>Mai</strong>ls mehr zum Sicherheitsbewusstsein der<br />
Mitarbeiter bei als aufwendige traditionelle Mittel wie ganztägige Seminare<br />
oder Schulungen. Aber auch ausgeklügelte, auf Künstlicher<br />
Intelligenz basierende Antivirenprogramme helfen beim Schutz gegen<br />
Cyberkriminelle.<br />
Bei einem Phishing-Angriff versuchen Kriminelle, mit Hilfe von<br />
betrügerischen E-<strong>Mai</strong>ls, gefälschten Internetseiten und anderen<br />
Methoden an vertrauliche Unternehmensdaten zu gelangen.<br />
Es gibt verschiedene Formen, wie die Täter an die Daten kommen<br />
beziehungsweise welches Ziel sie haben.<br />
Während man früher einem Betrüger schnell auf die Schliche kommen<br />
konnte, gehen die Angreifer heute immer perfider vor. Professionelle<br />
und strategisch ausgelegte Attacken prägen das Bild. Teilweise<br />
passen sie sich der „Saison” an. Zur Vorweihnachtszeit gibt es gehäuft<br />
Phishing-<strong>Mai</strong>ls von eCommerce-Unternehmen, in der Ferienzeit<br />
von Reiseveranstaltern – im Namen von Banken sind sie hingegen<br />
über das gesamte Jahr hinweg aktiv. Aktuelle Ereignisse wie die<br />
Pleite von Thomas Cook oder das Inkrafttreten der PSD2-Richtlinie<br />
führten in der Vergangenheit zu Ad-Hoc-Kampagnen.<br />
Jeder Mitarbeiter ist Teil der Sicherheitsstrategie<br />
In der Verteidigungsstrategie gegen Cyberkriminalität spielt jeder<br />
einzelne Mitarbeiter eine essentielle und wichtige Rolle. Jedem im<br />
Unternehmen sollte permanent bewusst sein, dass ein falscher Klick<br />
reicht, um Cyberkriminellen Türen und Tore zu öffnen. Wie bei jeder<br />
Unternehmensstrategie müssen Führungskräfte mit gutem Vorbild<br />
vorangehen, die Kultur leben und ihre Mitarbeiter in diesem Vorhaben<br />
unterstützen.<br />
Gut zu wissen<br />
n Cyberattacken können jeden treffen<br />
n Die Schäden können verheerend sein<br />
n Software muss aufgerüstet und Mitarbeiter geschult werden<br />
Richard Renner<br />
Geschäftsführer Perseus Technologies GmbH<br />
BVMW-Mitglied<br />
www.perseus.de<br />
Foto: © Perseus; © Meriel Jane Waissman von www.istockphoto.com
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
SERVICE<br />
71<br />
Maschinelle Übersetzungen<br />
werden immer besser<br />
Im Zuge der Globalisierung, der damit verbundenen steigenden Nachfrage an Übersetzungen<br />
und der technischen Entwicklung hat die maschinelle Übersetzung in den letzten Jahren stark<br />
an Bedeutung und Interesse gewonnen.<br />
Neuronale maschinelle Übersetzung<br />
Die neuronale maschinelle Übersetzung (NMÜ) verarbeitet Informationen<br />
durch künstliche neuronale Netze, die aus Algorithmen<br />
bestehen. Dadurch wird die Qualität der Übersetzungsergebnisse<br />
unabhängig von der Sprachkombination flüssiger,<br />
genauer und im Allgemeinen besser als mit den bisherigen maschinellen<br />
Übersetzungs-Ansätzen (MÜ). Die NMÜ hat sich daher als<br />
gängiges MÜ-Verfahren etabliert, was die große Zahl an Anbietern<br />
belegt, die NMÜ für eine Vielzahl von Sprachkombinationen bereitstellen.<br />
Einige von ihnen bieten auch fach- und kundenspezifische<br />
Anpassungen an, das heißt mit spezifischen Sprachdaten werden<br />
generische Engines angepasst oder trainiert.<br />
Foto: © Cybrain von stock.adobe.com<br />
Maschinelle Übersetzung und Postedition (PEMT)<br />
Auch wenn die Fortschritte der Übersetzungsqualität der MÜ inzwischen<br />
enorm sind, reicht sie noch nicht an die Qualität einer Humanübersetzung<br />
heran. Wenn eine maschinelle Übersetzung nicht<br />
perfekt sein muss und zum Beispiel nur dem Verstehen des Ausgangstextes<br />
dienen soll, genügt sie. Soll die Übersetzung jedoch veröffentlicht<br />
werden, sollte ein Humanübersetzer durch Posteditieren<br />
(PE) die maschinelle Übersetzung überarbeiten und eine fehlerfreie<br />
Version herstellen. Auf diese Weise werden durch die PEMT Kosten<br />
gespart und die Bearbeitungszeiten verkürzt. Je nach gewünschter<br />
Qualität lässt sich zwischen vollständiger und leichter Postedition<br />
wählen. Bei der vollständigen Postedition wird eine humanähnliche<br />
Qualität erzielt, bei der leichten Postedition eine sogenannte „Gut-genug-Qualität“.<br />
Möglichkeiten und Grenzen<br />
Die Hauptvorteile von PEMT – Kosten- und Zeitersparnisse – klingen<br />
vielversprechend in einer globalisierten Welt, in der die Nachfrage an<br />
Übersetzungen stetig steigt. Maschinelle Übersetzungen eignen sich<br />
vor allem für informative, normative und deskriptive Texte mit einer<br />
geringen Sichtbarkeit. Produktkataloge oder Benutzerhandbücher<br />
mit einer mittleren Sichtbarkeit können sich gut für eine PEMT eignen.<br />
Texte mit einer hohen Sichtbarkeit oder kreative Texte wie Werbeslogans<br />
brauchen aber in der Regel eine Humanübersetzung, weil<br />
die Vorteile von MÜ mit Postedition diesen Anforderungen noch nicht<br />
genügen. Weitere Faktoren, die die Entscheidung zum Einsatz von<br />
NMÜ beeinflussen können, sind die gewünschte Sprachkombination,<br />
das Volumen der zu übersetzenden Inhalte, die erwartete Qualität sowie<br />
vorhandene Terminologie.<br />
Gut zu wissen<br />
n Richtig eingesetzt, spart maschinelles Übersetzen und Postedition<br />
Kosten und Zeit<br />
n Mit MÜ gewinnt kundenspezifische Terminologie an Relevanz<br />
n Sprachliche Feinheiten und kreative Texte schaffen maschinelle<br />
Übersetzungssysteme aber noch nicht<br />
Dr. Yamile Ramírez-Zielinski<br />
LEGINDA GmbH<br />
Vereidigte Dipl.-Übersetzerin<br />
(Spanisch, Englisch, Deutsch)<br />
Tammy Schwartz<br />
LEGINDA GmbH<br />
Marketing & Business Development Manager<br />
BVMW-Mitglied<br />
www.leginda.de
72 SERVICE<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
GRÜNDERGESCHICHTEN<br />
Berliner Koch-App in China erfolgreich<br />
Mehr als 16 Millionen Mal wurde die Koch-App des Berliner<br />
Start-ups Kitchen Stories nach Unternehmensangaben auf<br />
der ganzen Welt heruntergeladen. 35 Prozent der Downloads,<br />
etwa 5,5 Millionen, kamen aus China, mehr als aus jedem anderen<br />
Land. Geplant war das nicht, doch nun setzen die Gründerinnen<br />
Verena Hubertz und Mengting Gao alles daran, den Markt stärker<br />
auszubauen – und das Wachstum gelingt ihnen auch.<br />
In der kostenlosen App finden Nutzer nicht nur Rezeptideen, sondern<br />
die entsprechenden Videoanleitungen und Schritt-für-Schritt-<br />
Fotos gleich dazu. Die Sammlung umfasst ausgefallene Gerichte<br />
wie Rote-Bete-Risotto oder libanesischen Brotsalat. Die Clips werden<br />
mittlerweile in zwölf Sprachen übersetzt, eine der ersten nach<br />
dem Launch im September 2014 war chinesisch. Anfangs habe ihre<br />
Mutter, die in China geboren ist, die Rezepte eingesprochen, erzählt<br />
Gao im Gespräch mit Gründerszene. Auf chinesisch heißt die App<br />
„Chúfáng gùshì“.<br />
Design und Rezepte sind für alle Länder gleich. So können Chinesen<br />
beispielsweise auch deutsche oder spanische Menüs kochen und einen<br />
Einblick in die westliche Küche bekommen. Vor allem das europäische<br />
Konzept der Plattform habe dazu beigetragen, dass Kitchen<br />
Stories in Fernost so erfolgreich sei, sagen Gao und Hubertz. „Wir<br />
haben dort nie aktives Marketing betrieben.“ Die App sei schnell als<br />
beste App im Android- und iOS-Store ausgezeichnet worden und habe<br />
dadurch auch in China Aufmerksamkeit erhalten. Gao sagt, dass<br />
es für den Erfolg dort außerdem hilfreich sei, dass eine deutsche<br />
Marke und kein US-Entwickler hinter Kitchen Stories stehe.<br />
Marketing über Videoportale<br />
Jeder siebte chinesische Kitchen-Stories-Nutzer hat das Rezepte-<br />
Tool über den App Store heruntergeladen, verwendet es also mit<br />
Apples iOS-Betriebssystem. „<strong>Das</strong> iPhone ist in China ein großes Statussymbol,<br />
über die iOS-App begeistert man eine sehr affine Zielgruppe<br />
für das Thema westliches Essen“, sagt Gao.<br />
<strong>Das</strong> Berliner Start-up spricht neue Kunden vor allem über Social Media<br />
an. Anfangs wollte es die Funktion integrieren, dass sich User mit<br />
einem Wechat-Profil registrieren können – dem meistgenutzten sozialen<br />
Netzwerk in der Volksrepublik. Dafür hätte das Unternehmen<br />
Setzten beim Markteintritt in China auch auf die Videoplattform Meipai:<br />
die Kitchen-Stories-Gründerinnen Verena Hubertz (li.) und Mengting Gao.<br />
aber einen Server in China haben und dazu wiederum eine chinesische<br />
Tochtergesellschaft gründen müssen. „Wir haben dann die Entscheidung<br />
getroffen, dass es sich nicht lohnt“, sagt Gao.<br />
Stattdessen fingen die Gründerinnen an, kurze Videoclips auf kleineren<br />
Plattformen wie Meipai hochzuladen und die Beiträge mit der<br />
App zu verlinken. So werden Interessenten auf das Koch-Tool weitergeleitet.<br />
„Wir erzielen monatlich etwa zwei Millionen Aufrufe über<br />
diese Videoplattformen.“<br />
Lisa Ksienrzyk<br />
Gründerszene<br />
www.gruenderszene.de
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
SERVICE<br />
73<br />
E-Fahrzeuge nach Kundenwünschen<br />
In der Regel ist eher der Süden Deutschlands<br />
dafür bekannt, Hardware und Fahrzeuge<br />
zu entwickeln. <strong>Das</strong>s auch Berlin ein<br />
attraktiver Standort für Fahrzeugentwickler<br />
ist, dürfte spätestens seit der Bekanntgabe<br />
von Teslas Gigafactory-Plänen feststehen.<br />
Abseits der großen Schlagzeilen<br />
baut das Berliner Start-up Levcon bereits<br />
im kleinen Maßstab erfolgreich E-Fahrzeuge<br />
– allerdings nur halb. Vorproduziert wird in<br />
China, der letzte Schliff wird in Berlin vorgenommen.<br />
Produziert und entwickelt werden<br />
elektrische Fahrzeuge vom E-Roller bis zum<br />
Sattelschlepper.<br />
<strong>Das</strong> von Markus Wozniak-Mauersberger<br />
und Gennadij Vaisman 2017 gegründete Unternehmen<br />
Levcon produziert seine Fahrzeuge<br />
ausschließlich auf Grundlage von<br />
Kundenaufträgen. Von Berlin aus wird nach<br />
passenden Partnern und Zulieferern gesucht,<br />
das jeweilige Modell extern produziert<br />
und in Deutschland den speziellen Anforderungen<br />
entsprechend modifiziert. „Einige Prozesse sind zu Partnern<br />
ausgelagert. Es ist wie eine Eigenherstellung, aber auf Basis eines<br />
Lizenzprodukts“, sagt Wozniak-Mauersberger. Am Ende würden je<br />
nach Fahrzeugtyp noch etwa 60 Stunden Aufwand investiert.<br />
<strong>Das</strong> bekannteste Modell aus der Levcon-Reihe ist das Lastenfahrzeug<br />
Tectrike, das zum Beispiel in Lagerhallen zum Einsatz kommt.<br />
60 Stück seien davon schon produziert worden, so der Gründer. <strong>Das</strong><br />
Vorgängermodell, noch unter dem Namen Kicktrike, wurde 2016 vorgestellt<br />
und komplett in Deutschland gefertigt. Wozniak-Mauersberger<br />
habe allerdings feststellen müssen, dass man hierzulande nicht<br />
die gesamte Herstellung leisten könne, um am Ende ein erschwingliches<br />
Produkt anbieten zu können. Deshalb sei er dazu übergegangen,<br />
das Basisprodukt in China zu entwickeln.<br />
Gennadij Vaisman (li.) und Markus Wozniak-Mauersberger haben 2017 Levcon gegründet.<br />
Andere Fahrzeuge wie der Kleintransporter Maxus werden komplett<br />
in China gefertigt und nur noch hierzulande vertrieben. Daneben bietet<br />
das Start-up auch Sattelschlepper oder dreirädrige E-Quads. Rund<br />
200 Fahrzeuge seien laut Unternehmen bislang verkauft worden.<br />
„Wir verdienen nur am Verkauf der Fahrzeuge“, sagt der Gründer. Externes<br />
Geld brauche er dafür nicht. „Wir wirtschaften von Anfang an<br />
leicht positiv und sind ganz froh, dass wir bisher kein fremdes Kapital<br />
aufnehmen mussten und somit keine Schulden haben.“<br />
Marco Weimer<br />
Gründerszene<br />
www.gruenderszene.de
74 SERVICE<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
KLARTEXT: PRIORITÄTEN SETZEN<br />
<strong>Das</strong> Prioritätensystem der Elemente<br />
<strong>Das</strong> Leben außen, sagte mein brasilianischer Freund Lucio einmal,<br />
ist schon kompliziert genug. Deswegen soll das Leben<br />
innen ganz einfach sein. Hiermit möchte ich dazu einen Beitrag<br />
leisten. Denn wenn wir wissen, was wir wollen, ist das Leben<br />
recht einfach. <strong>Das</strong> klingt leichter als es ist, deswegen der Vorschlag,<br />
mit Prioritäten zu arbeiten. Je klarer dieses Prioritätensystem, desto<br />
besser.<br />
Einfaches Beispiel: Wenn mir die Gesundheit meines Partners wichtiger<br />
ist als mein Auto, und mein Partner mich anruft und von einem<br />
Autounfall berichtet, muss die erste Frage lauten: „Wie geht es dir?<br />
Bist du verletzt?“ und nicht: „Um Gottes Willen, was ist mit dem Auto?“<br />
Nach diesem „Was ist mir wichtig(er)“-Prinzip kann ich mein ganzes<br />
Leben sortieren: Familie vor Kundentermin, Wochenenderholung vor<br />
Erreichbarkeit, Mitarbeiterzufriedenheit vor Überstunden, Moral vor<br />
Fressen und so weiter. Wenn mir Person A wichtiger ist als Person B,<br />
komme ich nie in Gewissenskonflikte, wenn beide mich zur gleichen<br />
Zeit einladen. Wenn mir meine Frau wichtiger ist als alles andere (ist<br />
sie!), kann ich reinen Herzens alle anderen Verpflichtungen absagen,<br />
wenn sie mich braucht. Also wirklich braucht. Gleiches gilt für meine<br />
Kinder. Nicht aber für den Hund.<br />
wollte — zu jener Zeit, in der eine Stammzellenspende mit zwei Tagen<br />
Aufenthalt im Krankenhaus verbunden war. Seine Begründung:<br />
Wenn ich einen wichtigen Geschäftstermin habe und dann zu einer<br />
Stammzellenspende gerufen werde, will ich mich für meine Firma<br />
entscheiden und nicht in Konflikte geraten. Zum Glück ist das heute<br />
eine einfache, schnelle und sichere Sache.<br />
Ehrlicherweise muss ich eingestehen, dass das mit dem Prioritätensystem<br />
bei weitem nicht immer klappt. Zum Beispiel, wenn wir mit einem<br />
Kuchen in der Hand (Wert: 30 Euro) stolpern und den Kuchenteller<br />
krampfhaft festhalten, anstatt unseren Unterkiefer zu schützen<br />
(Wert: 10.000 Euro). Oder wenn der eigene ethische Anspruch mit<br />
schwacher Liquidität korreliert.<br />
Aber ich will es, ganz im Sinne meines Freundes Lucio, nicht zu kompliziert<br />
machen. Ist auch nicht nötig. Denn es ist mir viel wichtiger, einen<br />
klaren Denkanstoß zu geben als alle Eventualitäten bis ins Detail<br />
auszudiskutieren.<br />
Wenn ich meine Unternehmensziele sauber sortiert habe, kann ich<br />
Optionen ganz leicht daran messen und entspannt entscheiden.<br />
Dabei gibt es kein Richtig, kein Falsch, weil ein jeder diese Fragen für<br />
sich selbst beantworten und damit leben muss. So habe ich einen<br />
Unternehmerfreund nie verstanden, der sich nicht typisieren lassen<br />
Guido Augustin<br />
Geschäftsführer Cornelia Augustin Home Staging<br />
www.cornelia-augustin.de
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
ADVERTORIAL<br />
75<br />
5 Beispiele für den Einsatz von Broschüren<br />
Broschüren sind wahre Verwandlungskünstler – es gibt nicht die eine Verwendungsform. Im Gegenteil: Sie passt sich<br />
immer den Bedürfnissen der Gestalter an – und die können vielfältig sein. Wie vielfältig, zeigt die Onlinedruckerei<br />
CEWE-PRINT.de – und die hat sich aus den 100 Möglichkeiten 5 Beispiele für den Einsatz von Broschüren herausgesucht.<br />
1. <strong>Der</strong> Klassiker – die Imagebroschüre<br />
Die Imagebroschüre ist der Klassiker und meist das erste, woran<br />
Unternehmen denken, wenn es um das Thema Marketingmaterialien<br />
geht. In ihr wird kurz und bündig das Unternehmen vorgestellt,<br />
werden Produkte hervorgehoben oder Dienstleistungen angerissen.<br />
Es geht weniger um einen Gesamtüberblick, sondern vielmehr darum,<br />
einen positiven ersten Eindruck zu hinterlassen. Imagebroschüren<br />
sind für die Außenwirkung eines Unternehmens von entscheidender<br />
Bedeutung und vielfältig einsetzbar: auf Messen, bei Vorträgen,<br />
Kundengesprächen oder beim Werben um neue Mitarbeiter.<br />
2. Für gelungene Messeauftritte – als Prospekt<br />
4. Regelmäßige News – als Magazin<br />
Auf Messen können Sie viele potenzielle Kunden ansprechen.<br />
Jedoch bleibt meist nur Zeit für ein kurzes Gespräch und eine<br />
knappe Darstellung der Produkte und Dienstleistungen. Es können<br />
keine ausführlichen Informationen ausgetauscht werden. Dafür gibt<br />
es den Prospekt, in dem Interessierte sich nach der Messe in Ruhe<br />
informieren können. Prospekte sind aus dem Firmenalltag nicht<br />
mehr wegzudenken und bieten eine gute Möglichkeit, einen ersten<br />
Eindruck des Unternehmens und seines Portfolios zu geben.<br />
Um Kunden und Partner regelmäßig zu erreichen und über neueste<br />
Produkte, Dienstleistungen oder Neuigkeiten aus dem Unternehmen<br />
zu informieren, bieten sich Broschüren ebenfalls an. Als Magazin mit<br />
spannenden Inhalten sprechen Sie Ihre Zielgruppe an und sorgen für<br />
eine stärkere Kundenbindung. Dafür sollte das Magazin aber nicht<br />
nur aus Marketingmaterialien bestehen, sondern auch Mehrwerte<br />
liefern, z.B. Lösungsvorschläge für branchenbekannte Probleme<br />
oder Kundenbeispiele von gelungenen Projekten.<br />
3. Produktübersicht – als Katalog<br />
5. Für Erinnerungen – als Buch<br />
Ganz klassisch eignet sich die Broschüre natürlich auch, um die<br />
eigenen Produkte im bestmöglichen Licht zu präsentieren und<br />
Kunden und Interessierte mit relevanten Informationen zu versorgen.<br />
Bei einer großen Produktpalette ist es übrigens sinnvoll, nicht einen<br />
riesigen, allumfassenden Katalog zu erstellen. Stattdessen lohnt es<br />
sich, verschiedene Produkte in Kategorien zusammenzufassen und<br />
für jede Kategorie einen eigenen kleinen Katalog zu erstellen. So<br />
können Kunden sich gezielt über die Produkte informieren, die sie<br />
interessieren, ohne sich durch das gesamte Sortiment „kämpfen“<br />
zu müssen.<br />
Es gibt ein besonderes Firmenjubiläum zu feiern? <strong>Der</strong> Umzug in neue<br />
Räumlichkeiten steht an, oder das Unternehmen eröffnet einen neuen<br />
Standort? All diese Ereignisse sind Anlass, einen kurzen Rückblick zu<br />
wagen und in einem Buch festzuhalten, was bisher erreicht wurde<br />
und was noch ansteht. Dieses eignet sich gleich mehrfach: Mitarbeiter<br />
freuen sich, mehr über die Geschichte ihres Unternehmens zu<br />
erfahren, und auch als kleines Mitbringsel für Businessmeetings<br />
eignen sich Bücher über die Firmengeschichte bestens – so können<br />
Sie bestehenden und potentiellen Kunden Ihr Unternehmen näher<br />
bringen und das Eis beim ersten Kennenlernen brechen.
76 SERVICE<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Was der <strong>Mittelstand</strong><br />
von Piloten lernen kann<br />
Kein Flug gleicht dem anderen: Wetterumschwung, ein neuer Flugplan, jeden Tag ein anderer<br />
Flughafen, ständig wechselnde Crews. Auch Führungskräfte und Unternehmer können sich nicht<br />
auf ihren Autopiloten verlassen, während sich die Welt um sie herum immer schneller dreht. Für<br />
turbulente Zeiten gibt es jedoch drei Erfolgsstrategien.<br />
1. Blick fürs Wesentliche<br />
Manchmal sind es nur Sekunden zwischen einer richtigen und einer<br />
falschen Entscheidung. So auch, als vor rund zehn Jahren eine<br />
vollbesetzte Boeing 737 direkt nach dem Start in Ägypten von einer<br />
Windscherung erfasst wurde, und sämtliche Warnlampen und Notsirenen<br />
im Cockpit losgingen. Als Pilot bekommt man vom ersten Tag<br />
an eingebläut: Fly the aircraft! Nur das zählt. Im Flugsimulator oft<br />
trainiert, konnte das Notmanöver abgerufen und so der Absturz verhindert<br />
werden. Wenn auch nicht ganz so dramatisch, so steht diese<br />
chaotische Situation im Cockpit doch sinnbildlich für den Arbeitsalltag<br />
vieler Führungskräfte. Von allen Seiten Input, ein allgegenwärtiger<br />
Zeitdruck und die enorme Verantwortung erschweren die Entscheidungsfindung.<br />
Auch hier gilt: Entscheidungen sollten auf das<br />
Wesentliche reduziert werden.<br />
weil Verantwortlichkeiten schlichtweg unsauber geklärt wurden, und<br />
sich niemand wirklich „zuständig“ fühlt. Auch in Flugzeugcockpits<br />
war das lange Zeit ein Problem. Gefährliche Zwischenfälle bis hin zu<br />
Abstürzen sind auf Schweigen oder Missverständnisse zurückzuführen.<br />
Gerade unter Stress geht vieles unter. Dies lässt sich auch im<br />
Management-Cockpit vermeiden, indem etwa am Ende eines längeren<br />
Gesprächs nochmal ein Fazit mit den Kernbotschaften formuliert<br />
wird oder eine offene Frage gestellt wird, die der Gegenüber nicht mit<br />
„Ja“ oder „Nein“ beantworten kann. Aus der Antwort erkennt man, ob<br />
die eigene Botschaft ankam. Außerdem gilt: Je wichtiger und komplexer<br />
der Inhalt, desto kürzer und klarer sollten die Sätze sein. <strong>Das</strong><br />
hat auch den positiven Effekt, dass man den Blickwinkel des Gegenübers<br />
kennenlernt.<br />
2. Fehlerkultur ist Firmenkultur<br />
Und trotzdem kommt es immer wieder zu Fehlern. Fliegen ist heute<br />
nicht etwa deshalb so unfassbar sicher, weil keine Fehler passieren.<br />
Laut einer Studie passiert alle vier Minuten im Cockpit ein Fehler. <strong>Das</strong><br />
möchte wohl kein Passagier gerne hören. Aber es verdeutlicht, worauf<br />
es auch bei Unternehmen ankommt, möchte man sein Ziel sicher<br />
erreichen: Es geht um eine Kultur, in der Fehler offen angesprochen<br />
werden. Von jedem. Um erstens aus ihnen zu lernen und zweitens<br />
schnell reagieren zu können. Denn weder Unternehmen noch Flugzeuge<br />
stürzen ab, weil der Einzelne einen Fehler macht. Sondern weil<br />
niemand im Team den Fehler sieht. Oder sehen will. Oder weil sich<br />
niemand traut, den Fehler offen anzusprechen. Positive Fehlerkultur<br />
funktioniert in der Praxis nur mit Vertrauen. Und wie überall gilt auch<br />
hier: Wie der Kapitän es vorlebt, so verhält sich die gesamte Crew.<br />
3. Klarheit in der Kommunikation<br />
Allein durch verbindliche Kommunikation könnten in vielen Unternehmen<br />
hohe Reibungsverluste vermieden werden. Sie entstehen,<br />
Gut zu wissen<br />
Drei Erfolgsstrategien, die Unternehmen in wirtschaftlich turbulenten<br />
Zeiten beachten sollten:<br />
1. Entscheidungen sollten auf das Wesentliche reduziert werden<br />
2. Unternehmenskultur schaffen, in der Fehler offen<br />
angesprochen werden<br />
3. Klare und verbindliche Kommunikation etablieren<br />
Philip Keil<br />
Pilot, Autor und Redner<br />
BVMW-Mitglied<br />
www.philipkeil.com<br />
Foto: © southerlycourse von www.istockphoto.com
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
SERVICE<br />
77<br />
RECHTSHOTLINE<br />
<strong>Der</strong> gute Wille zählt, aber nicht immer<br />
Missbrauch von Kundendaten stellt einen wichtigen Grund<br />
zur außenordentlichen Kündigung dar. Ein IT-Mitarbeiter<br />
ist verpflichtet, sensible Kundendaten zu schützen und darf<br />
diese nicht zu anderen Zwecken missbrauchen, so das Arbeitsgericht<br />
Siegburg, Urteil vom 15. Januar 2<strong>02</strong>0.<br />
Datenmissbrauch ist kein Gag<br />
<strong>Das</strong> Arbeitsgericht Siegburg hat einen Fall entschieden, in dem ein<br />
Arbeitgeber, Anbieter von IT-Sicherheitskonzepten, einem bei ihm<br />
als IT-Spezialisten beschäftigten Arbeitnehmer außerordentlich und<br />
fristlos gekündigt hatte. <strong>Der</strong> Arbeitnehmer hatte Kopfschmerztabletten<br />
für zwei Vorstandsmitglieder einer Kundin seines Arbeitgebers<br />
vom Rechner eines Spielcasinos aus bestellt. Zum Zwecke der Zahlung<br />
per Lastschrift hatte er zuvor von einem verschlüsselten Rechner<br />
der Kundin Namen, Anschriften und Bankverbindungsdaten von<br />
Vertragspartnern der Kundin auf einen privaten Memory-Stick heruntergeladen.<br />
Im Rahmen der Bestellung hatte der Arbeitnehmer<br />
dem Vorstand dieser Kundin den Hinweis zukommen lassen, dass<br />
sie aufgrund der Bestellung sehen könne, wie einfach Datenmissbrauch<br />
sei, was bei ihnen zu Kopfschmerzen führen müsse, wobei<br />
die bestellten Kopfschmerztabletten helfen könnten. <strong>Der</strong> Kläger hatte<br />
es unterlassen, seinen Arbeitgeber zuvor über die bestehenden Sicherheitslücken<br />
bei der Kundin zu informieren.<br />
Verstoß gegen die Interessen des Arbeitgebers<br />
<strong>Das</strong> Arbeitsgericht Siegburg wies die Kündigungsschutzklage<br />
ab und entschied, dass die außerordentliche und fristlose Kündigung<br />
zu Recht erfolgt war. Durch sein Verhalten habe der Arbeitnehmer<br />
gegen seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen<br />
seines Arbeitgebers eklatant verstoßen. Es habe sich um sensible<br />
und damit schützenswerte Kundendaten gehandelt. <strong>Der</strong> Arbeitnehmer<br />
habe seine Zugriffsmöglichkeit missbraucht und eine Sicherheitslücke<br />
beim Kunden ausgenutzt. <strong>Der</strong> Umstand, dass es dem<br />
Arbeitnehmer vermeintlich darum ging, Sicherheitslücken bei der<br />
Kundin aufzudecken, sei unerheblich. Dies deshalb, da der Arbeitnehmer<br />
das Vertrauen der Kundin in seinen Arbeitgeber und dessen<br />
Personal nachhaltig gestört und damit die Kundenbeziehung<br />
massiv gefährdet habe. Dies rechtfertige eine außerordentliche und<br />
fristlose Kündigung.<br />
Im Rahmen der Interessenabwägung, die bei einer (außer-)ordentlichen<br />
Kündigung stets anzustellen ist, ist unter anderem das Maß<br />
des beschädigten Vertrauens zu berücksichtigen. Stellt die Verletzung<br />
der arbeitsvertraglichen (Neben-)Pflichten einen derart schweren<br />
Vertrauensbruch dar, dass dem Arbeitgeber eine Fortsetzung<br />
des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen<br />
Kündigungsfrist unzumutbar ist, spricht dies in erheblichem Maße<br />
für das Überwiegen des Beendigungsinteresses des Arbeitgebers.<br />
Gut zu wissen<br />
n Mitarbeiter sind verpflichtet, sensible Kundendaten zu schützen<br />
n Fristlose Kündigung bei Datenmissbrauch ist rechtens<br />
n Die Entscheidung kann in der Rechtsprechungsdatenbank NRW<br />
unter www.nrwe.de unter Eingabe des Aktenzeichens (3 Ca 1793/19)<br />
aufgerufen werden<br />
Prof. Dr. Benjamin Weiler<br />
Rechtsanwalt<br />
ZIRNGIBL Rechtsanwälte Partnerschaft mbB<br />
BVMW-Mitglied<br />
www.zl-legal.de<br />
BVMW Rechtshotline<br />
Die BVMW-Rechtshotline erreichen Sie:<br />
Mo bis Fr 10.00 – 17.00 Uhr<br />
Tel.: 030 / 53 32 06-963 | Fax: 030 / 53 32 06-50<br />
Katharina Schlonsak<br />
Rechtsanwältin<br />
ZIRNGIBL Rechtsanwälte Partnerschaft mbB<br />
www.zl-legal.de<br />
rechtshotline@bvmw.de
78 SERVICE<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Industrie 4.0 will<br />
Finanzierung 4.0<br />
Immer mehr industrielle Mittelständler sind<br />
bereit, Kreditgebern Echtzeit-Daten aus dem<br />
Betrieb neu angeschaffter Maschinenanlagen<br />
zur Verfügung zu stellen. Dadurch erhoffen<br />
sie sich flexiblere Laufzeiten und niedrigere<br />
Zinssätze. Moderne Fintech-Unternehmen<br />
haben sich darauf eingestellt, die klassischen<br />
Hausbanken geraten unter Innovationsdruck.<br />
Bei der Vergabe von Krediten für Investitionen werden Hausbanken<br />
zunehmend zurückhaltender. Immer mehr Unternehmen<br />
haben Probleme, klassische Kreditinstitute von der<br />
Finanzierung ihrer Vorhaben zu überzeugen. Während im vergangenen<br />
Jahr noch gut jeder dritte Betrieb auf Widerstand stieß, beißt inzwischen<br />
schon jeder zweite Mittelständler bei seiner Hausbank auf<br />
Granit. <strong>Das</strong> ist das Ergebniss einer Mitte letzten Jahres vom digitalen<br />
<strong>Mittelstand</strong>sfinanzierer creditshelf durchgeführten Befragung, an<br />
der insgesamt 259 Entscheider aus mittelständischen Industrieunternehmen<br />
teilnahmen.<br />
Digitale Kreditmarktplätze<br />
überzeugen mit einer schnellen<br />
Bearbeitung, günstigen Konditionen<br />
und flexiblen Anpassungsoptionen.<br />
Prof. Dr. Dirk Schiereck, Leiter Fachgebiet Unternehmensfinanzierung<br />
an der TU Darmstadt<br />
Auch alternative Finanzierungsquellen prüfen<br />
Auf den stotternden Konjunkturmotor reagieren die Banken offenbar<br />
sehr sensibel. „Niemand möchte jetzt Problem-Kredite in sein<br />
Portfolio aufnehmen“, weiß Dr. Daniel Bartsch, Vorstand und Gründungspartner<br />
des BVMW-Mitglieds creditshelf, „entsprechend vorsichtig<br />
finanzieren die Institute neue Vorhaben der Unternehmen.“ In<br />
der bereits im dritten Jahr in Folge präsentierten Studie „Industrieller<br />
<strong>Mittelstand</strong> und Finanzierung 4.0“ gaben nur noch 51 Prozent der<br />
Befragten an, keine Probleme mit ihren Hausbanken bei der Finanzierung<br />
notwendiger Investitionen zu haben – 2018 waren es noch<br />
63 Prozent. Prof. Dr. Dirk Schiereck, Leiter des Fachgebiets Unternehmensfinanzierung<br />
an der TU Darmstadt, der die Studie wissenschaftlich<br />
begleitet hat, rät bei defensiver Kreditvergabe der Banken<br />
deshalb, sich nicht allein auf die Hausbank zu verlassen, sondern auf<br />
alternative Finanzierungsquellen zu setzen. „Digitale Kreditmarkt-<br />
plätze überzeugen mit einer schnellen Bearbeitung, günstigen Konditionen<br />
und flexiblen Anpassungsoptionen.“<br />
Echtzeit-Daten statt dingliche Sicherheiten<br />
Anders als klassische Banken, die für die Finanzierung neuer Anlagen<br />
oder Maschinen bei rund der Hälfte der Kredite immer noch auf
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
SERVICE<br />
79<br />
Betrieb der Investition darstellen und überprüfbar machen. „Gerade<br />
die mittelständische Industrie profitiert dabei von immer stärker vernetzten<br />
Produktionsanlagen, die in Echtzeit genaue Daten zur Auslastung<br />
und Rentabilität liefern“, sagt creditshelf-Vorstand Bartsch.<br />
Die meisten befragten Entscheider sind laut Studie bereit, diese Industrie-4.0-Echtzeit-Daten<br />
Kreditgebern zur Verfügung zu stellen,<br />
um zum Beispiel flexiblere Laufzeiten oder niedrigere Zinssätze zu<br />
erhalten. Vor zwei Jahren sprachen sich noch 15 Prozent der Befragten<br />
gegen eine Offenlegung dieser Daten aus, jetzt sind es nur noch<br />
neun Prozent.<br />
Weil es vielen Unternehmen noch an technischem Know-how oder<br />
an technischem Equipment mangelt, bieten spezialisierte Wirtschaftsberatungen<br />
Unterstützung an, um Finanz- und Produktionsprozesse<br />
in Betrieben auf die Anforderungen der Finanzierung 4.0<br />
einzurichten und Echtzeit-Daten aus der Produktion für Kreditgeber<br />
entsprechend aufzubereiten. „Die Digitalisierung schreitet unaufhaltsam<br />
voran, dieser Realität müssen sich auch Kreditgeber stellen“, so<br />
Prof. Schiereck. Die traditionellen Berechnungsmethoden und Kennzahlen-Analysen<br />
seien in vielen Fällen nicht mehr zeitgemäß, im<br />
Kreditgeschäft müsse man sich vom starren Regelwerk lösen und<br />
flexiblere Modelle einführen. Denn mit solchen beweglichen Kreditmodellen<br />
kann schneller auf Marktsituationen reagiert werden, wenn<br />
sich zum Beispiel kurzfristig die Auftragslage ändert.<br />
Klassische Banken unter Innovationsdruck<br />
Durch die Ansprüche der industriellen Mittelständler an eine Finanzierung<br />
4.0 geraten nun die klassischen Banken unter Innovationsdruck.<br />
<strong>Das</strong> hat auch creditshelf-Vorstand Bartsch erkannt: „Während<br />
Smart Data in allen Unternehmensbereichen langsam, aber stetig<br />
zum Standard wird, soll ausgerechnet die traditionell datenaffine<br />
Kreditwirtschaft nicht mitziehen? Auf lange Sicht wird sich dieses<br />
Technologiegefälle nicht halten lassen, wollen die Banken ihre<br />
Industriekunden nicht verlieren.“ Sein Fazit: „Mittelständler werden<br />
künftig in der Lage sein, die Absatzfinanzierung selbst zu offerieren,<br />
indem sie ein Fintech als Abwicklungsplattform nutzen.“ <strong>Das</strong> klassische<br />
Kreditinstitut könne also Partner einer Finanzierung 4.0 sein,<br />
müsse es aber nicht zwangsläufig sein.<br />
Gut zu wissen<br />
Foto: © alvarez von www.istockphoto.com<br />
n Laut creditshelf-Studie „Industrieller <strong>Mittelstand</strong> und Finanzierung<br />
4.0“ gaben 2018 noch 63 Prozent der befragten Unternehmen an,<br />
ihre Hausbanken von erforderlichen Investitionen leicht überzeugen<br />
zu können – aktuell waren es nur noch 51 Prozent.<br />
n 93 Prozent der befragten Mittelständler favorisieren ein<br />
Kreditmodell, mit dem Konditionen durch Überlassung von Echtzeit-<br />
Daten bestimmt werden<br />
dinglichen Sicherheiten und der Analyse von Finanzkennzahlen bestehen,<br />
prüfen digitale Finanzierer flexibler – zum Beispiel über Echtzeit-Daten<br />
wie Verbrauchswerte und Betriebsstunden. Laut creditshelf-Studie<br />
finden 93 Prozent der industriellen Mittelständler ein Finanzierungsmodell<br />
attraktiv beziehungsweise eher attrakiv, bei dem<br />
Kreditkonditionen von Daten bestimmt werden, die den laufenden<br />
Almut Friederike Kaspar<br />
Journalistin<br />
mittelstand@bvmw.de
80 SERVICE<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
FINANZTIPP<br />
Was Bankanalysen taugen<br />
Wenn Sie nicht zu den gut zehn Prozent der Bundesbürger<br />
zählen, die Aktien kaufen und besitzen, haben Sie in den<br />
vergangenen zehn Jahren leider viele Gewinnchancen verpasst.<br />
Wer auf den behäbigen Dow-Jones-Index gesetzt hat, hätte<br />
aus 10.000 Dollar tatsächlich 30.000 Dollar machen können – und<br />
noch Dividenden kassieren können. Wohlgemerkt: in den vergangenen<br />
zehn Jahren.<br />
Wer allerdings in der Heimat geblieben ist und stur in den DAX-Index<br />
der dreißig größten börsennotierten deutschen Aktiengesellschaften<br />
investiert hat, hätte im Laufe der letzten zwanzig (!) Jahre unterm<br />
Strich keine Kursgewinne erzielt. Zwei verlorene Jahrzehnte? Nicht<br />
ganz. Denn es gab ja laufend Dividenden, die nach Steuern wenigstens<br />
die Teuerung kompensierten.<br />
Es kommt also darauf an, seine Anlageschwerpunkte auf die „richtigen“<br />
Länder zu setzen. Und dabei, wenn man keinen Länderfonds<br />
oder ETF wählt, sich für die „richtigen“ Aktien zu entscheiden. Wie<br />
soll das gehen?<br />
In den Banken, von denen man glauben könnte, sie wären näher am<br />
Börsengeschehen, arbeiten viele Volks- und Betriebswirte, die offenbar<br />
die Zahlen mehr als ihre Partner lieben und seitenlange Analysen<br />
veröffentlichen, um aus Vergangenheit und Gegenwart Anlagetipps<br />
für die Zukunft zu geben: Kaufen, Halten, Verkaufen. Doch was<br />
taugen diese Analysen? Kurzfristig kommt es oft vor, dass die Kurse<br />
der positiv besprochenen Aktien steigen. Klar, die Anlageberater der<br />
Banken geben die Analysen an die Kundschaft weiter. Und wenn die<br />
Kunden diese Aktien kaufen, steigen die Aktien tendenziell. Dieser Effekt<br />
ist meist nur kurzfristig. Aus der Fortschreibung von Zahlen aus<br />
der Bilanz und aus den Gewinnschätzungen der Zukunft sind keine<br />
nachhaltigen Kursgewinne garantiert.<br />
Natürlich, wenn in einer Hausse die Kurse aller Aktien steigen, steigen<br />
im Gleichschritt auch die Aktien der Bankempfehlungen. Aber<br />
wie ist es in einer Baisse? Gibt es Kursgewinne gegen den Trend?<br />
Oder fallen die Kurse wie die der übrigen Aktien?<br />
Einer meiner redaktionellen Mitarbeiter hat sich einmal der Mühe unterzogen,<br />
die Anlageempfehlungen der Banken zu analysieren. Unterm<br />
Strich: Viel Lärm um nichts. Die Ergebnisse sind unterdurchschnittlich:<br />
„Nicht das Papier wert. Bankanalysen gehören in den<br />
Papierkorb.“<br />
Ich gehe die Sache praktisch an. Jedes Mal, wenn ich einen Bankanalysten,<br />
einen Professor der Volkswirtschaftslehre oder den Schreiber<br />
eines Börsendienstes treffe, frage ich nach seinen eigenen Depotauszügen.<br />
Kaum jemand ist dazu bereit, die Karten auf den Tisch zu<br />
legen. Auch Kostolany hat mir seinerzeit seine Kontoauszüge nicht<br />
gezeigt. Und ein Mitglied des Sachverständigenrats antwortete auf<br />
meine Frage „Wie legen Sie Ihr Geld an?“: „Leider auch nicht gut.“<br />
Er kannte mich offenbar nicht. Denn ich veröffentliche im Geldbrief<br />
meine drei eigenen Musterdepots: TOP-TEN-Depot, Spezialempfehlungen<br />
sowie ETF-Depot – mit allen Gewinnen und auch den (wenigen)<br />
kleinen Verlusten. Nur die Praxis zählt. Wenn Sie also von irgendwem<br />
einen Anlagetipp erhalten, sollten sie ihn nach seinen<br />
eigenen Depotauszügen fragen und dann beurteilen, wie gut oder<br />
schlecht Ihr Berater wirklich ist.<br />
In einer meiner kommenden Kolumnen werden Sie mein „Geheimnis“<br />
lesen können, wieso ich allein von meinen Börsengewinnen gut leben<br />
kann. Vorab nur: Fundamentalanalyse, technische Analyse, Chartanalyse<br />
und Glück allein genügen nicht.<br />
Hans-Peter Holbach<br />
Herausgeber des Informationsdienstes Geld<br />
(erscheint im 47. Jahrgang)<br />
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Chefredakteur beim Vertraulichen<br />
Schweizer Brief<br />
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82 BVMW<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
BVMW<br />
V. li.: <strong>Mittelstand</strong>spräsident Mario Ohoven, ntv Moderatorin Carola Ferstl<br />
und Preisträger Dr. Helmut Baur.<br />
Deutscher Servicepreis für<br />
Binder Optik<br />
Verliehen von ntv und dem Deutschen Institut für Servicequalität,<br />
ging der Deutsche Servicepreis im Bereich Gesundheit in diesem<br />
Jahr an Binder Optik. <strong>Das</strong> Unternehmen hat mit seiner Servicequalität<br />
ein Zeichen in der Augenoptikbranche gesetzt. Im Rahmen einer<br />
großen Gala wurde Binder Optik in Berlin durch die ntv Moderatoren<br />
Torsten Knippertz und Carola Ferstl mit dem ersten Platz des<br />
Deutschen Servicepreises ausgezeichnet. Inhaber Dr. Helmut Baur<br />
(Vorstand BVMW) nahm die Auszeichnung entgegen.<br />
<strong>Der</strong> Hühnerhof von Fabian Häde im hessischen Alheim.<br />
Nachhaltig mit Ei und Henne<br />
BVMW-Mitglied Fabian Häde hat den Preis „Landwirt des Jahres“<br />
gewonnen. <strong>Der</strong> Preisträger will künftig das nachhaltigste Ei in<br />
Deutschland mit einem Fußabdruck von null Gramm CO 2<br />
vermarkten.<br />
Energie für die Legehennen erzeugt er bereits jetzt mit einer<br />
Photovoltaikanlage. Ins Leben gerufen wurde der CeresAward vom<br />
dlv Deutscher Landwirtschaftsverlag, um das Ansehen der Landwirte<br />
und damit auch der Branche insgesamt zu stärken. Schirmherr<br />
des Preises ist Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes.<br />
Sitz der O. Thimm GmbH in Bochum.<br />
Traditionshaus feiert<br />
60-jähriges Jubiläum<br />
Vor 60 Jahren gründete Otfried Thimm eines der ersten Unternehmen<br />
für elektrische Begleitheizungsanlagen in Deutschland. Seither entwickelte<br />
sich das Traditionshaus O. Thimm GmbH (BVMW-Mitglied)<br />
zu einem Spezialanbieter für schlüsselfertige Industrieanlagen. Seit<br />
1981 hält Henryk Kubacz das Familienunternehmen mit Erfolg auf<br />
Kurs. In beinahe 60 Ländern wird ein Portfolio von industriellen Begleitheizungen<br />
über Schalt- und Steueranlagen bis hin zu Automatisierungssystemen<br />
offeriert. Auch in Zukunft bleibt das Unternehmen<br />
in Familienhand. Die Übergabe an die dritte Generation ist für dieses<br />
Jahr geplant.<br />
www.thimmtherm.de<br />
Preisübergabe durch NRW-Wirtschaftsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart<br />
(li.) und Kammerpräsident Hans Hundt an Thilo Krumm (Mitte).<br />
Innovationspreis Handwerk<br />
Erstmalig verlieh das Wirtschaftsministerium NRW den Innovationspreis<br />
an Handwerksbetriebe. In der Kategorie „Unternehmen<br />
mit weniger als zehn Mitarbeiter/innen“ gewann BVMW-Mitglied<br />
Formotion GmbH aus dem nordrhein-westfälischen Wilnsdorf.<br />
<strong>Der</strong> Preis war mit einem Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro ausgeschrieben.<br />
Geschäftsführer Thilo Krumm nahm die Auszeichnung<br />
von NRW-Wirtschaftsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart<br />
und Handwerkskammerpräsident Hans Hundt entgegen.<br />
Foto: © Roberto Pfeil; © Timo Jaworr für agrarheute
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
BVMW<br />
83<br />
25 Jahre GO! Express & Logistics<br />
Hamburg AG<br />
100 Jahre Michael Renner<br />
Bauunternehmung<br />
GO! Express & Logistics ist Qualitätsführer im Markt für Kurier-,<br />
Express- und Paketdienstleistungen. Als größter mittelständischer<br />
Kurier- und Expressdienstleister in Deutschland bietet GO! vom<br />
Overnight-Service bis hin zu maßgeschneiderten Logistiklösungen<br />
ein umfangreiches Leistungsspektrum an. <strong>Der</strong> Standort GO! Hamburg<br />
öffnete Ende 1994 seine Pforten und wuchs seitdem ohne<br />
Unterbrechung. 2.000 m² Bürofläche und 2.000 m² Umschlagslager<br />
mit Hochverfügbarkeitslogistik bieten dem Logistikdienstleister<br />
am zentralen Standort im Hamburger Hafen viel Platz und kurze<br />
Wege zu seinen Kunden.<br />
Mario Ohoven als neuer<br />
TOP JOB Juror<br />
Ein besonderes Firmenjubiläum konnte BVMW-Mitglied Michael<br />
Renner Bauunternehmung GmbH aus München feiern. 100 Jahre<br />
sind seit der offiziellen Eintragung in die Handwerksrolle 1919<br />
vergangen. <strong>Das</strong> Familienunternehmen wird inzwischen in der<br />
fünften Generation von Ulrike Renner gelenkt, die 2011 die Nachfolge<br />
und kaufmännische Geschäftsführung übernommen hat.<br />
Wenn man nach den Gründen fragt, wie ein Bauunternehmen<br />
als Familienbetrieb eine so lange Zeit erfolgreich ist, wird<br />
schnell klar, dass die Philosophie des Unternehmens wirkliches<br />
mittelständisches Denken beschreibt. Handwerkliche Qualität,<br />
Zuverlässigkeit, Termintreue und die Grundsätze des ehrbaren<br />
Kaufmanns werden im Betrieb seit Generationen gelebt.<br />
Mario Ohoven gehört ab sofort der Jury des<br />
Arbeitgeberwettbewerbs TOP JOB an. Die<br />
Vergabe des Arbeitgebersiegels TOP JOB wird<br />
vom Konstanzer Zentrum für Arbeitgeberattraktivität<br />
(zeag GmbH) organisiert. Ohoven<br />
verstärkt die Jury namhafter Vertreter aus<br />
Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die aus den Siegelträgern jährlich<br />
die besten Arbeitgeber im deutschen <strong>Mittelstand</strong> wählt. Mit dem<br />
TOP JOB-Siegel werden Unternehmen mit herausragenden Arbeitgeberqualitäten<br />
gekürt. Schirmherr ist der ehemalige Vizekanzler,<br />
Außenminister und SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel.<br />
Erfolgreiches Familienunternehmen: Elisabeth, Ulrike und Michael Renner<br />
(v. li.).<br />
Fotos: © Pilotfisch; Oliver Bodmer<br />
Kontaktlinsen aus dem Drucker<br />
<strong>Der</strong> Student Eduard Kelber hat von Dr. Helmut Baur den Binder<br />
Optik-Preis erhalten. <strong>Der</strong> mit 2.000 Euro dotierte Preis soll den<br />
Absolventen des Studiengangs Augenoptik in seiner weiteren<br />
Ausbildung fördern. Kelber hatte im Rahmen seiner Bachelorarbeit<br />
an einer ganz besonderen Innovation gearbeitet. Sie<br />
lautet „Entwicklung eines geeigneten Verfahrens zur additiven<br />
Herstellung formstabiler Kontaktlinsen“. Dabei geht es um die<br />
Herstellung von Sehhilfen aus dem 3-D-Drucker.<br />
V. li.: Prof. Dr. Andreas Holschbach, Rektor Prof. Dr. Gerhard Schneider,<br />
Dr. Helmut Baur (Binder-Optik, Vorstand BVMW), Preisträger Eduard Kelber<br />
und der Physiker Prof. Dr. Dr. Ekbert Hering.<br />
Emotion als Erfolgsrezept<br />
Immer mehr Unternehmen verlagern große Teile ihres Marketingbudgets<br />
in digitale Medien. Dabei gilt: Je besser der Werber, desto größer<br />
ist der Erfolg des Unternehmens. Solch einen Erfolg konnte die Kreativagentur<br />
Pilotfisch,<br />
BVMW-Mitglied aus<br />
Warendorf (NRW),<br />
für das Modehaus<br />
ebbers verzeichnen.<br />
Die Kampagne „Candy<br />
Days by ebbers“<br />
war gleich dreifach<br />
erfolgreich: beim<br />
Endkunden, in der<br />
Bilanz des Modehauses,<br />
und sie wurde<br />
mit zwei internationalen Awards gekrönt: dem „EK-Passion Star“ und<br />
dem „German Design Award 2<strong>02</strong>0“. Die Kampagne lebt von Emotionen,<br />
Erfahrung, Geschichten und Leidenschaft – ein Erfolgsrezept<br />
gerade für Mittelständler.<br />
www.pilotfisch.net<br />
V. re.: Die kreativen „Pilotfische“ Cornelia Köster und<br />
Irina Klass mit dem Kunden Christoph Berger (Inhaber<br />
Modehaus ebbers).
84 BVMW<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Kampf gegen Steuerverschwendung<br />
Schwabacher <strong>Mittelstand</strong> goes digital<br />
V. li.: NRW-BdSt-Vor sitzender Rik Steinheuer, Rainer Holznagel (BdSt), RSM-Geschäftsführer<br />
Oliver Schmitz und Herbert Schulte (BVMW).<br />
Wenn Rainer Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler<br />
(BdSt), einmal im Jahr sein Schwarzbuch der Steuersünden<br />
präsentiert, schwanken die Leser zwischen Belustigung und Empörung.<br />
Immerhin sammelt der Bund in seinem Jahrbuch fiskalische<br />
Fehlgriffe und Dokumente der Steuergeldverschwendung<br />
– ein Kuriositätenkabinett, das die Politik für einen sorgsameren<br />
Umgang mit unserem Geld sensibilisieren soll. Während der Veranstaltung<br />
bei RSM GmbH in Düsseldorf schilderte Holznagel in<br />
einem offenen Diskurs mit den NRW-Wirtschaftssenatoren seine<br />
politische Arbeit für den deutschen Steuerzahler.<br />
Wintersportliches<br />
Business-Frühstück<br />
V. li.: Patrick Eberlein (Nasdo AG), Andreas Schaffer (Vorsitzender MU Schwabach),<br />
Paul Söhnlein (BVMW), Michael Fraas, Michael Pluschke (Gründer und<br />
Vorsitzender CodeCamp:N), Joachim Löhr (MU Schwabach).<br />
Mittelständische Unternehmen sind zunehmend gefordert, Digitalisierungsmaßnahmen<br />
zu implementieren. Bei einem Unternehmerfrühstück<br />
vom BVMW in Kooperation mit der Schwabacher <strong>Mittelstand</strong>s-Union<br />
(MU) im Hause der Nasdo AG wurde intensiv auf das<br />
Thema eingegangen. <strong>Der</strong> Einladung von Paul Söhnlein (BVMW Nürnberg)<br />
und Andreas Schaffer (MU Schwabach) waren unter anderem<br />
Martin Pluschke, Gründer von CodeCamp:N, und auch OB-Kandidat<br />
Dr. Michael Fraas gefolgt. Pluschke betonte in einem Vortrag vor 50<br />
Unternehmerinnen und Unternehmern die Bedeutung von digitalen<br />
Arbeitsabläufen. Bei der Umsetzung von solchen Möglichkeiten sieht<br />
er aber noch deutliches Steigerungspotenzial im <strong>Mittelstand</strong>.<br />
Unternehmer des Jahres 2<strong>02</strong>0<br />
Testlauf in der Loipe für die BVMW-Mitglieder nach dem Business-Frühstück.<br />
Zum Start ins neue Jahr hatte sich das Team der BVMW Wirtschaftsregion<br />
Dresden um Hans-Josef Helf etwas Besonderes ausgedacht:<br />
Die Mittelständler des Verbandes trafen sich in der VIP-Lounge des<br />
Skiweltcups am Königsufer vor eindrucksvoller Kulisse der Dresdner<br />
Altstadt. Beim winterlichen Frühstück erfuhren die Gäste vom<br />
mehrfachen Olympia-Medaillen-Gewinner im Ski-Langlauf, Tobias<br />
Angerer, was Sport und Business miteinander verbindet.<br />
Unternehmer und Nachfolge des Jahres wurden bei der Ballnacht in Gotha ausgezeichnet.<br />
Bereits zum elften Mal lud der Kreisverband Gotha des BVMW zur<br />
Gothaer Ballnacht. Dessen Leiter Otto Eismann hatte ein rauschendes<br />
Fest organisiert, zu dem traditionell Ehrungen für erfolgreiche<br />
Mittelständler gehören. „Unternehmer des Jahres 2<strong>02</strong>0“ wurde Jens<br />
Holzapfel (Galvanotechnik Holzapfel GmbH). Mit dem Preis „Unternehmensnachfolge<br />
2<strong>02</strong>0“ wurde Steffen Meininger geehrt, der die<br />
Bäckerei Meininger Gotha in fünfter Generation führt.<br />
Fotos: © O. Thimm GmbH; BVMW Kreisverband Gotha
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
BVMW<br />
85<br />
Jahres- und Neujahrsempfänge:<br />
Zu Beginn des Wirtschaftsjahres 2<strong>02</strong>0 hatte der BVMW in vielen Regionen zu Jahres- und<br />
Neujahrsempfängen eingeladen. Unter den Gästen waren Unternehmer, Partner aus der<br />
Wirtschaft, Politiker und Kulturschaffende. Hier eine Auswahl:<br />
Beim BVMW-Jahresauftakt in Magdeburg lag das<br />
Augenmerk auf dem erfolgreichen Rückgang der<br />
Arbeitslosenquote. „Dieses Ergebnis hätten wir<br />
ohne das Engagement der Mittelständler nicht<br />
hinbekommen“, sagte Wirtschaftsminister Armin<br />
Willingmann vor mehr als 200 Unternehmern.<br />
Beim ersten Neujahrsempfang des BVMW in Südthüringen<br />
nahmen in Suhl auf Anhieb rund 200 Gäste<br />
teil. BVMW-Gastgeber Dr. Jens Barthel (re.) begrüßte<br />
unter anderem Bürgermeister André Knapp, Sandra<br />
Thorwarth von derTelesystems Thorwarth GmbH und<br />
Landrätin Peggy Greiser (v. li.).<br />
Zum dritten Mal hatten die regionalen Kreisverbände<br />
des BVMW zum Jahresempfang nach Halle<br />
eingeladen. Rund 650 Unternehmerinnen und<br />
Unternehmer waren der Einladung von Organisator<br />
Gerd Woldmann gefolgt.<br />
Rund 180 mittelständische Unternehmerinnen und<br />
Unternehmer begrüßte Edgar Jehnes (BVMW Metropolregion<br />
Nürnberg) zu seinem Jahresauftakt 2<strong>02</strong>0<br />
in der Jugendherberge in Nürnberg. Gastredner war<br />
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (li.).<br />
Zahlreiche Gäste waren der Einladung der BVMW<br />
Wirtschaftsregion Dresden gefolgt und lauschten im<br />
Wallpavillon des Zwingers den Klängen des Dresdner<br />
Residenz Orchesters. Die Organisatorin des Konzerts,<br />
Britta Kick (li.), begrüßte u. a. Annett Hofmann, die<br />
Lebensgefährtin des sächsischen Ministerpräsidenten<br />
Michael Kretschmer.<br />
Knapp 400 Unternehmer und Partner der Wirtschaft<br />
starteten in Mühlhausen mit dem Neujahrsempfang<br />
der BVMW-Wirtschaftsregion Westthüringen<br />
ins neue Jahr. Unter dem Beifall der Gäste nahm<br />
Jan Kratochwil (Firmen-Verbund JK AG, li.) den<br />
Unternehmerpreis aus den Händen von Andreas<br />
Schneider (BVMW) entgegen.<br />
BVMW berät mit Experten<br />
über Klimaschutz<br />
Auf Einladung von Hannover Messe und energiespektrum kamen<br />
Experten in München zusammen, um über wirtschaftlichen<br />
Klimaschutz zu sprechen. Als Vertreter des BVMW diskutierte<br />
Achim von Michel mit Dr. Christian Pacher von Future Camp,<br />
Heinrich Gärtner von GP Joule sowie Prof. Alexander Sauer vom<br />
Fraunhofer IPA. „<strong>Der</strong> <strong>Mittelstand</strong> nimmt den Klimaschutz sehr<br />
ernst. Aus wirtschaftlicher Sicht darf man jedoch niemals die<br />
Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit unserer zukünftigen<br />
Stromversorgung außer Acht lassen“, betonte von Michel. Bereits<br />
heute würden viele Unternehmen und Kunden das Thema<br />
CO 2<br />
Vermeidung und Klimaschutz aktiv angehen.<br />
V. li.: Prof. Alexander Sauer, Dr. Christian Pacher, Achim von Michel,<br />
Heinrich Gärtner und Moderator Holger Dirks.
86 BVMW<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Revolution im Rohr<br />
Irgendwann erwischt es jeden, und die Instandsetzung von Abwasserrohren oder Grundleitungen<br />
steht an. Herkömmliche Sanierungsarbeiten sind dabei umständlich und teuer. Abhilfe verspricht<br />
die Tubus System GmbH, die ein Verfahren entwickelt hat, das mit der klassischen Rohrsanierung<br />
nichts mehr gemein hat.<br />
Rund 50 Jahre hält ein traditionelles Abwasserrohr. Doch mit<br />
zunehmendem Alter werden diese immer anfälliger für Verstopfungen<br />
oder gar Brüche. Bislang hieß es dann: Bäder und<br />
Küchen abbauen, Wände aufstemmen, die alten Rohre sanieren und<br />
die Wände wieder verschließen. Ein Verfahren, dass nicht nur kostspielig<br />
ist, sondern auch äußerst zeitintensiv. Zwischen vier und<br />
sechs Wochen dauert die herkömmliche Sanierung – Wochen, in denen<br />
Wohnhäuser oder Betriebe stark eingeschränkt sind.<br />
Rohrsanierung 4.0<br />
<strong>Das</strong> hinter diesem Prozedere stehende Verbesserungspotenzial hat<br />
die Tubus System GmbH erkannt. <strong>Das</strong> ursprünglich 1998 in Schweden<br />
gegründete Unternehmen ist seit 2007 auch in Deutschland als<br />
Lizenznehmer am Markt und steht für eine vollkommen neue Art der<br />
Rohrinnensanierung: Bereits bestehende Öffnungen des Rohrs werden<br />
genutzt, um dieses von innen mit einem styrolfreien Polyesterharz<br />
zu besprühen. So entsteht ein neues, selbsttragendes Rohr im<br />
alten Rohr. Die Vorteile des patentierten Verfahrens liegen auf der<br />
Hand: Die Sanierungsarbeiten kommen mit minimalen Eingriffen in<br />
die Bausubstanz aus, Unmengen an Bauschutt bleiben erspart, und<br />
die Sanierung kann im laufenden Betrieb stattfinden. Die Dauer der<br />
Sanierungsarbeiten mit dem Tubus System beläuft sich gerade einmal<br />
auf eine Woche pro Wohneinheit.<br />
„Mit unserer Verfügbarkeit und Qualität sind wir am Markt einzigartig“,<br />
sagt Alexander Eysert, der 2014 die Geschäftsführung der Tubus<br />
System GmbH übernahm. Gemeinsam mit seinen 75 Mitarbeitern in<br />
bundesweit fünf Niederlassungen bietet er das Komplettpaket rund<br />
um Rohrinnensanierungen aus einer Hand.<br />
Zu diesem ganzheitlichen Ansatz zählt auch, dass die Mitarbeiter im<br />
eigenen Unternehmen ausgebildet werden. Quereinsteiger wie auch<br />
praxiserfahrene Fachkräfte durchlaufen ein sechsmonatiges Ausbildungsprogramm,<br />
um das Tubus System zu erlernen.<br />
Tubus System GmbH<br />
Gründung: 2007<br />
Firmensitz: Berlin<br />
Geschäftsführer: Alexander Eysert<br />
Mitarbeiter: 75<br />
BVMW-Mitglied<br />
www.tubussystem.de<br />
Tubus System nutzt bestehende Öffnungen, um anschließend ein Rohr<br />
im Rohr herzustellen.<br />
Auf Wachstumskurs<br />
Gut ausgebildetes Personal ist dabei unabdingbar, um der Auftragslage<br />
gerecht werden zu können. Denn immer mehr Wohnungsgesellschaften,<br />
Hotels und andere Unternehmen entscheiden sich für das<br />
nachhaltigere und günstigere Rohrsanierungsverfahren. „Ich würde<br />
mir Wettbewerber wünschen, alleine können wir den gesamten<br />
Markt nämlich nicht erschließen“, sagt Eysert.<br />
An das Wachstum der letzten Jahre soll auch künftig angeknüpft<br />
werden. In den kommenden Jahren ist geplant, die Anzahl der Niederlassungen<br />
deutschlandweit auf zwölf zu steigern und weitere Mitarbeiter<br />
einzustellen. <strong>Das</strong> Prinzip, das der Zukunftsstrategie zugrunde<br />
liegt, fasst der Geschäftsführer mit „Wachstum bedeutet Wandel“<br />
zusammen. Für Wachstum braucht es Disziplin, Ehrgeiz und ein klares<br />
Ziel vor Augen – Eigenschaften, mit denen der passionierte Marathonläufer<br />
Alexander Eysert bestens vertraut ist.<br />
Tim Schöllmann<br />
BVMW Referent Presse- und<br />
Öffentlichkeitsarbeit<br />
mittelstand@bvmw.de
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
BVMW<br />
87<br />
„Unsere Sicherheitslösungen<br />
haben Schule gemacht“<br />
Seit 2017 ist Sylke Mokrus Geschäftsführerin von Protection One. <strong>Das</strong> Unternehmen aus Meerbusch<br />
bei Düsseldorf hat in den 1990er Jahren den Einbruchschutz in Deutschland revolutioniert<br />
– eine Erfolgsstory aus dem <strong>Mittelstand</strong>.<br />
DER <strong>Mittelstand</strong>.: Wie kam es zur<br />
Gründung des Unternehmens?<br />
Sylke Mokrus: Mein Vorgänger Martell<br />
Schilling hatte sich in Frankreich von neuartigen<br />
Methoden des Einbruchschutzes inspirieren<br />
lassen. Er kam eigentlich aus der<br />
Konsumgüterbranche, sprang aber 1997 ins<br />
kalte Wasser und gründete Protection One.<br />
Wir waren der erste Anbieter von 24h-Fernüberwachung<br />
mit Live-Täteransprache in<br />
Deutschland. Die Gründung war tatsächlich<br />
ein Wagnis – niemand konnte erahnen, wie<br />
der deutsche Markt die Dienstleistung annehmen<br />
würde.<br />
Foto: © Protection One GmbH<br />
Wie haben sich Ihr Geschäftsmodell und<br />
die Branche seither verändert?<br />
<strong>Das</strong>s es mittlerweile mehrere Wettbewerber in unserer Branche gibt,<br />
zeigt, dass unser Geschäftsmodell Schule gemacht hat und wir damals<br />
den richtigen Weg eingeschlagen haben. Durch permanente<br />
technische Innovationen, individuelle Lösungen und ganzheitliche<br />
Sicherheitskonzepte möchten wir uns im wachsenden Sicherheitsmarkt<br />
vom Wettbewerb abheben. Uns ist nach wie vor wichtig, nicht<br />
erst im Nachgang die Schäden eines Einbruchs aufzunehmen, sondern<br />
die Tat aktiv zu verhindern. Im Grundsatz konnten wir uns immer<br />
treu bleiben: Langfristige, beratungsintensive Kundenbeziehungen<br />
sind das A und O – damals wie heute, denn jedes Objekt<br />
ist individuell.<br />
Sylke Mokrus, Geschäftsführerin Protection One.<br />
Ist die Sicherheitsbranche ein wachsendes Marktsegment?<br />
Absolut. <strong>Das</strong> Thema Sicherheit spielt in Deutschland eine immer<br />
größere Rolle. Wach- und Sicherheitsunternehmen verzeichnen in<br />
Deutschland einen jährlichen Umsatz von acht Milliarden Euro und<br />
einen deutlichen Anstieg der Beschäftigten in den letzten Jahren. Die<br />
Herausforderungen ändern sich aber ständig. Rohstoffdiebe sind<br />
zum Beispiel gerade sehr aktiv, also müssen wir vermehrt Baustellen<br />
und Recyclinghöfe mit innovativen Sicherheitstechnologien sichern.<br />
Woran erkennt ein Unternehmen gute Sicherheitsdienstleister?<br />
Qualität lässt sich in unserem Segment gut messen: Immer, wenn es<br />
uns gelingt, einen Täter zu stoppen, bevor er nennenswerte Schäden<br />
anrichten kann, ist dies ein Erfolg. In 96,7 Prozent aller Fälle gelingt<br />
uns das. Wichtig ist ebenfalls: Möchte der Anbieter nur „seine“ Lösung<br />
verkaufen oder geht er ganzheitlich auf die Sicherheitsbedürfnisse<br />
meines Unternehmens ein? Darüber hinaus ist die Zufriedenheit<br />
von Kunden und Mitarbeitern ein zentrales Kriterium.<br />
Was sollte in Deutschland verändert werden, damit es der <strong>Mittelstand</strong><br />
insgesamt leichter hat?<br />
Es macht mich betroffen, wenn ich sehe, wie wenig der <strong>Mittelstand</strong><br />
wertgeschätzt wird – dabei sind die mittelständischen Unternehmen<br />
die Leistungsträger unseres Landes. <strong>Der</strong> <strong>Mittelstand</strong> bildet die Fachkräfte<br />
der Zukunft aus und sorgt für ein hohes Steueraufkommen.<br />
Gerade vor dem Hintergrund des steigenden Fachkräftemangels<br />
wünsche ich mir hier deutlich mehr Vertrauen und Unterstützung für<br />
den <strong>Mittelstand</strong> als Treiber der deutschen Wirtschaft.<br />
Sind Sie gerne Unternehmerin?<br />
Natürlich, ich bin mit Leib und Seele dabei. Die Leitung eines Unternehmens<br />
ist nicht nur ein spannender Job, der keine Routinen kennt.<br />
Er bedeutet vor allem auch, dass man vielen Menschen einen Lebensunterhalt<br />
ermöglicht und dazu beitragen kann, dass sich Mitarbeiter<br />
an ihrem Arbeitsplatz wohl fühlen.<br />
<strong>Das</strong> Interview führte Achim von Michel, BVMW Pressesprecher Bayern.<br />
Gut zu wissen<br />
n Protection One ist Vorreiter und Marktführer in der<br />
24h-Fernüberwachung mit Live-Täteransprache<br />
n <strong>Das</strong> BVMW-Mitglied mit Sitz im nordrhein-westfälischen Meerbusch<br />
bietet maßgeschneiderten Lösungen gegen Einbruch, Diebstahl und<br />
Vandalismus<br />
www.protectionone.de
88 BVMW<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Hightech für saubere Häfen und Meere<br />
Vermüllte Ozeane und die dramatischen Umweltprobleme, die die Schifffahrt offshore und in den<br />
Häfen verursacht – dafür bietet die Port Energy Logistic konkrete Lösungen an.<br />
Hamburger Hafen<br />
Bei ihrer Gründung 2008 hatte die Port Energy Logistic das<br />
Ziel, Dienstleistungen für den maritimen Umweltschutz anzubieten.<br />
Schnell stellte sich jedoch heraus, dass ohne Forschung<br />
und Entwicklung die hohen Ansprüche des Unternehmens<br />
nicht zu erreichen waren. <strong>Das</strong> junge Unternehmen nahm sich darum<br />
auch dieser Aufgabe an und zählt heute mit seinen Produkten zu<br />
den Marktführern.<br />
Für die See- und Binnenschifffahrt ist die Port Energy Logistic GmbH<br />
eine der ersten Adressen für saubere Entsorgungslösungen in deutschen<br />
Häfen. Dabei arbeitet sie mit Partnern zusammen, die mit speziellen<br />
Entsorgungstankschiffen Ölverschmutzungen auf dem Wasser<br />
bekämpfen können.<br />
Umweltfreundliche Energie für Schiffe<br />
<strong>Das</strong> Unternehmen befasst sich aber auch mit Forschung und Entwicklung<br />
für den maritimen Umweltschutz. „Unsere Vision ist es, die<br />
Ozeane vom Müll zu befreien, gegen die Übersäuerung der Ozeane<br />
anzukämpfen und die Herausforderungen des Klimawandels sehr<br />
ernst zu nehmen“, erklärt dazu der CEO Port Energy Logistics, Georg<br />
Dieter Fehner, Leiter der technischen Abteilung und Projektentwicklung.<br />
Ein Beispiel, wie erfolgreich das Unternehmen diese selbstge-<br />
Port Energy Logistic<br />
Gründung: 2008<br />
Firmensitz: Hamburg<br />
Geschäftsführer: Bianca Sander<br />
Mitarbeiter: 9<br />
BVMW-Mitglied<br />
www.port-energy-logistic.com<br />
stellten Aufgaben meistert, ist die Entwicklung und Umsetzung von<br />
mobilen Port Power Bargen für die umweltfreundliche Versorgung<br />
von Seeschiffen mit elektrischer und thermischer Energie im Hafen<br />
und auf Seereeden. Zum Einsatz kommen dabei nur umweltfreundliche<br />
Treibstoffe wie schwefelarmer Diesel, Flüssigerdgas und Wasserstoff.<br />
Meeresmüll-Recycling<br />
Ebenfalls bahnbrechend sind die Zukunftspläne des mittelständischen<br />
Unternehmens: Für die Befreiung der Ozeane von Plastikmüll<br />
hat Georg Dieter Fehner eine eigene Lösung entwickelt – das Ocean<br />
Waste Recycling Ship OWRS, ein Meeresmüll-Recyclingschiff. Im<br />
Vorschiff dieses Spezialschiffs wird eine gigantische Auffanganlage<br />
für Plastikmüll installiert. <strong>Der</strong> Bug öffnet sich für die mechanische<br />
Aufnahme und das gleichzeitige Einsaugen des Mülls. Dieser wird<br />
anschließend bis in den Mikrobereich über spezielle Filteranlagen<br />
separiert. Mittels Umkehrosmose wird dabei gleichzeitig das eingesaugte<br />
Meerwasser entsalzt und zu Trinkwasser verwandelt. „Mit<br />
dem Verkauf des Trinkwassers ließe sich die Müllentsorgung finanzieren“,<br />
erläutert Fehner seinen Plan. „<strong>Der</strong> Bau des Schiffes kostet<br />
etwa 1,2 Millionen Euro, wobei 15 bis 50 Prozent Eigenkapital aufgebracht<br />
werden müssen. Für den Rest hat die EU bereits Zuschüsse<br />
von 50 bis 85 Prozent in Aussicht gestellt.“ Ein weiteres Zukunftsprojekt<br />
der Port Energy Logistic ist die Gründung eines Kompetenzzentrums<br />
für den maritimen Umweltschutz.<br />
Ingrid Hausemann<br />
BVMW Pressesprecherin Bremen, Hamburg,<br />
Niedersachsen, Schleswig-Holstein<br />
ingrid.hausemann@bvmw.de<br />
Fotos: © Georg Dieter Fehner; © Daniel Fröhlich von stock.adobe.com
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
BVMW<br />
89<br />
DEIN ZUGANG ZUR SZENE<br />
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90 BVMW<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Starke Frauen,<br />
starker <strong>Mittelstand</strong><br />
In der Wirtschaft sind überdurchschnittlich viele Männer in Führungspositionen vertreten –<br />
die Branche wandelt sich aber. Wir stellen erfolgreiche Unternehmerinnen vor.<br />
Welche Entscheidung würden Sie für sich als<br />
wegweisend bezeichnen? Aus welcher haben<br />
sie am meisten gelernt?<br />
Mein früherer Arbeitgeber wollte mich aufgrund<br />
meiner sehr speziellen Ausbildung und trotz<br />
Kenntnis der familiären Situation nach Asien<br />
versetzen. Mich gegen eine jahrelange Reisetätigkeit<br />
und für eine stationäre Tätigkeit zu entscheiden,<br />
hat mir sehr viel Kopfzerbrechen bereitet.<br />
Ich musste lernen, dass auch in einem<br />
kleineren regionalen Umfeld viele interessante<br />
Persönlichkeiten zu finden sind. Man muss sie<br />
nur suchen.<br />
Sue van Bömmel mit Ehemann Michael.<br />
Sue van Bömmel ist die Inhaberin der Jakob Burck Uhren &<br />
Schmuck GmbH. Die Mutter von drei Kindern denkt selbst<br />
auch mal gern quer und versucht stets, Erfolge aus anderen<br />
Branchen zu übertragen.<br />
DER <strong>Mittelstand</strong>.: Frau van Bömmel, wie sind Sie dazu gekommen,<br />
Unternehmerin zu werden?<br />
Sue van Bömmel: Ich habe in das Unternehmen eingeheiratet. Aufgrund<br />
unserer familiären Situation – mein Mann selbstständig, ich<br />
in einer Führungsposition mit viel Reisetätigkeit in einer Bank und<br />
zwei kleinen Kindern – mussten wir uns entscheiden, welchen Weg<br />
wir weiter beschreiten wollen. Ich habe mich für die Familie und eine<br />
anspruchsvolle, abwechslungsreiche Tätigkeit in der Selbstständigkeit<br />
entschieden.<br />
Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten, würden Sie denselben<br />
Weg nochmal gehen? Oder würden Sie etwas anders machen?<br />
Nein, ich würde den Weg genauso gehen, wie ich ihn gegangen bin.<br />
Sie wurden vom BVMW in der Region Wetterau<br />
als Unternehmerin des Jahres nominiert.<br />
Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?<br />
Ich verhalte mich gegenüber meinen Kunden<br />
und Mitarbeitern respektvoll. Ich versuche, das<br />
mir entgegengebrachte Vertrauen nicht zu enttäuschen<br />
und für mein Umfeld die bestmöglichen<br />
Ergebnisse zu erreichen. Besonders motiviert es mich, wenn<br />
Kunden glücklich unser Geschäft verlassen.<br />
Welche Botschaft möchten Sie anderen Unternehmerinnen mitgeben?<br />
Lassen Sie sich nicht von starren Regulierungsvorschriften von Ihren<br />
Ideen abbringen. Wenn Sie etwas erreichen wollen, tun Sie es! Ein<br />
Anderer wird es nicht für sie tun.<br />
Jakob Burck Uhren & Schmuck GmbH<br />
<strong>Das</strong> Unternehmen im hessischen Friedberg wurde 1894 gegründet<br />
und wird in der vierten Generation geführt. Die Schwerpunkte<br />
liegen im Bereich Uhren- und Schmuckeinzelhandel sowie der<br />
Reparatur von Uhren und Schmuck. Bereits seit 15 Jahren ist<br />
das Unternehmen auch im Onlinehandel tätig.<br />
BVMW-Mitglied<br />
www.juwelier-burck.de<br />
Foto: © Jakob Burck Uhren & Schmuck GmbH
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
BVMW<br />
91<br />
Ina Richter ist Inhaberin und Geschäftsführerin<br />
der suprima GmbH. Als Textilbetriebswirtin<br />
und Mutter von zwei Kindern<br />
führt sie das Unternehmen in dritter<br />
Generation.<br />
Foto: © suprima GmbH<br />
DER <strong>Mittelstand</strong>.: Frau Richter, wie sind Sie<br />
dazu gekommen, Unternehmerin zu werden?<br />
Ina Richter: suprima ist ein echtes Familienunternehmen<br />
– und übrigens von Beginn an<br />
frauengeführt. Vor mir waren meine Oma und<br />
meine Mutter Geschäftsführerin von suprima.<br />
Schon früh entdeckte ich meine Freude<br />
an textiler Verarbeitung, und mit der Zeit entwickelte<br />
ich auch ein großes Interesse an Themen rund um das Unternehmerinnentum.<br />
Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten, würden Sie denselben<br />
Weg nochmal gehen? Oder würden Sie etwas anders machen?<br />
Grundsätzlich würde ich den Weg jederzeit wieder gehen, allerdings<br />
mit ein paar Ergänzungen. So würde ich vor allem noch mehr Zeit<br />
in meine Weiterbildung und das Kennenlernen anderer Unternehmen<br />
investieren. Leider habe ich erst relativ spät erkannt, welch großen<br />
Wert Unternehmernetzwerke haben, und wie viel Know-how man allein<br />
durch den Austausch für sich mitnehmen kann.<br />
Welche Entscheidung würden Sie für sich als wegweisend bezeichnen?<br />
<strong>Das</strong> war wohl der Kauf von 50 Prozent Geschäftsanteilen von (ehemaligen)<br />
Gesellschafterinnen aus der Familie. So ist das Unternehmen<br />
mittlerweile in einer Hand. <strong>Das</strong> hat viel Mut und Risikobereitschaft<br />
erfordert.<br />
Sie wurden vom BVMW in der Region Oberfranken als Unternehmerin<br />
des Jahres ausgezeichnet. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?<br />
Ich denke, dass vor allem drei Faktoren eine große Rolle spielen:<br />
nachhaltiges Wirtschaften, kombiniert mit der Konzentration auf die<br />
Stärken des Unternehmens und eine gute Führung, die den einzelnen<br />
Menschen berücksichtigt. Vor allem der letzte Punkt spielt eine tragende<br />
Rolle, denn ohne die Mitarbeiter ist langfristig kein Unternehmenserfolg<br />
möglich.<br />
Ina Richter wurde 2019 für ihre erfolgreiche Unternehmensführung vom BVMW in der<br />
Region Oberfranken als Unternehmerin des Jahres ausgezeichnet.<br />
Welche Botschaft möchten Sie anderen Unternehmerinnen mitgeben?<br />
1. Beginnen Sie frühzeitig damit, sich ein Netzwerk aus guten<br />
Wegbegleitern und Beratern aufzubauen. <strong>Der</strong> regelmäßige Austausch<br />
mit anderen Unternehmerinnen wird Ihnen in vielen Bereichen<br />
weiterhelfen<br />
2. Seien Sie mutig! <strong>Das</strong> wird anfangs ein mulmiges Gefühl auslösen,<br />
macht sich aber langfristig bezahlt.<br />
3. Definieren Sie Ihre eigenen Wünsche und Ziele in klaren Worten.<br />
Sie helfen Ihnen, nicht die Orientierung zu verlieren.<br />
Die Interviews führe Diana Scholl, BVMW, Leiterin politische Netzwerke<br />
und Strategie, stellvertretende Leiterin Volkswirtschaft.<br />
suprima GmbH<br />
Seit 1935 entwickelt und produziert suprima nun schon in dritter<br />
Generation am Standort Bad Berneck in Nordbayern textile Produkte<br />
für Pflege, Hüftschutz und Inkontinenz. Damit schafft das<br />
Unternehmen wichtige Hilfen für alltägliche Belange, die den Betroffenen<br />
sowie Pflegenden möglichst große Entlastung im Leben<br />
bieten.<br />
BVMW-Mitglied<br />
www.suprima-gmbh.de
92 BVMW<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Die Denkfabriken<br />
des <strong>Mittelstand</strong>s<br />
Um die Anliegen des <strong>Mittelstand</strong>s gegenüber der Politik, den Medien und der Öffentlichkeit mit Nachdruck<br />
formulieren und erfolgreich vertreten zu können, ist vor allem eins entscheidend – Expertise. Im<br />
BVMW wird das nötige Wissen zusammen mit den Mitgliedsunternehmen durch ehrenamtliche Facharbeit<br />
in unseren Kom missionen gewonnen. Wir stellen diesmal vor: die Kommission Steuern und<br />
Finanzen und den Experten kreis Förderprogramme.<br />
Steuern und Finanzen<br />
Unsere Kommission Steuern und Finanzen zählt zu den erfolgreichsten<br />
Bundeskommissionen des BVMW. Ziel der Kommissionsarbeit<br />
ist es, die Interessen des deutschen <strong>Mittelstand</strong>s<br />
in der Steuer- und Finanzpolitik nachhaltig und ausdrucksstark zu<br />
vertreten. Im Vordergrund stehen dabei Fragen der Steuervereinfachungen<br />
und -entlastungen sowie die Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten<br />
für Gründer und gestandene Mittelständler.<br />
Ein zunehmender internationaler Wettbewerb und hohe Steueraufkommen<br />
beeinflussen den Erfolg der kleinen und mittleren Unternehmen.<br />
Ein Mittelständler muss in Deutschland pro Jahr durchschnittlich<br />
218 Stunden für Steuerbürokratie aufwenden – das sind<br />
ganze 79 Stunden mehr als die Konkurrenz in Frankreich. Nicht nur<br />
ein unbürokratisches, schlankes Steuersystem, sondern auch ein<br />
stabiler Finanzsektor ist für das Wirtschaftswachstum in Deutschland<br />
unverzichtbar. Dafür setzt sich die Kommission Steuern und Finanzen<br />
tatkräftig ein.<br />
Durch die breitgefächerte Expertise von Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern,<br />
Geschäftsführern und Risiko-Managern ist die Kommission<br />
im politischen Berlin erfolgreich. Kommissionsmitglieder haben<br />
so die Möglichkeit, mit ihrem Fachwissen die Positionen des <strong>Mittelstand</strong>s<br />
als Sachverständige im Deutschen Bundestag zu vertreten.<br />
Die Kommission hat sich erfolgreich für den Erhalt der 44-Euro-Freigrenze<br />
und die Erleichterung der steuerlichen Forschungsförderung<br />
eingesetzt.<br />
Expertenkreis Förderprogramme<br />
<strong>Der</strong> kürzlich gegründete Expertenkreis Förderprogramme, Subventionen<br />
und Liquidität ist das neueste Mitglied innerhalb der BVMW<br />
Kommissions- und Expertenkreisfamilie. Vor allem zwei übergeordnete<br />
und langfristig orientierte Ziele prägen die Arbeitsweise des<br />
Expertenkreises. Zum einen möchte der BVMW als wirtschaftspolitischer<br />
Verband dafür Sorge tragen, den Bekanntheitsgrad von<br />
Förderprogrammen innerhalb des deutschen <strong>Mittelstand</strong>s zu vergrößern<br />
und gleichzeitig dadurch sicherstellen, dass vorhandene<br />
Fördermittel auch wirklich abgerufen werden. Gerade kleine und mittelständische<br />
Betriebe schrecken nach wie vor zurück, wenn sie sich<br />
durch den Förderdschungel kämpfen müssen. Zum anderen hat sich<br />
der Expertenkreis als zweites großes Ziel vorgenommen, Förderprogramme<br />
gemeinsam mit der Politik zu optimieren und bürokratische<br />
Hürden abzubauen. Hierfür haben wir sechs thematisch unterschiedliche<br />
Arbeitskreise gegründet, in denen die Förderprogramme<br />
analysiert und sukzessiv verbessert werden.<br />
Katharina Golland<br />
BVMW Referentin für Steuern und Finanzen<br />
katharina.golland@bvmw.de<br />
Matthias Schenk<br />
BVMW Referent Public Affairs<br />
matthias.schenk@bvmw.de<br />
Gut zu wissen<br />
Bei Fragen unserer Mitglieder rund um das Thema der finanziellen<br />
Förderung steht der Expertenkreis Förderprogramme den BVMW-<br />
Mitgliedern mit seiner Expertise zur Seite. Unsere Mitglieder sind eingeladen,<br />
teilzunehmen und ihre Expertise einzubringen.<br />
Kontakt: Matthias Schenk: matthias.schenk@bvmw.de<br />
Weitere Infos unter: www.bvmw.de/ueber-uns/gremien/kommissionen/<br />
Foto: © filmfoto von www.istockphoto.com
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
93<br />
„Wettbewerbsfähigkeit<br />
der<br />
Unter nehmen<br />
zu stärken ist<br />
mein tägliches<br />
Geschäft.<br />
Daniela Bessen<br />
<strong>Mittelstand</strong>snetzwerkerin des BVMW<br />
ICH BIN DER BVMW.<br />
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MITTELSTAND.<br />
www.mittelstandsjob.de
94 BVMW<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Tag der Politiknetzwerker<br />
in Berlin<br />
Mit einer Einladung in der Bundeshauptstadt hat der BVMW 14 Kolleginnen und Kollegen<br />
ausgezeichnet, die sich in besonderer Weise für den Verband engagieren. In einem spannenden<br />
Programm erhielten sie Einblick hinter die politischen Kulissen Berlins.<br />
Im Auswärtigen Amt trafen sich die Kolleginnen und Kollegen zu<br />
einem offenen Austausch mit dem Referatsleiter für Außenwirtschaftsförderung<br />
Dr. Stephan Grabherr. Dabei ging es um Möglichkeiten<br />
der Beratung und Unterstützung für deutsche Unternehmen<br />
im Ausland. Zudem wurden aktuelle internationale Herausforderungen<br />
für den <strong>Mittelstand</strong>, wie beispielsweise die konsularische Betreuung<br />
deutscher Staatsbürger, diskutiert. <strong>Das</strong> Auswärtige Amt bietet<br />
hierbei vielfältige Vernetzungsangebote für deutsche Unternehmer<br />
im Ausland an. Im Anschluss daran trafen sie sich zu einem Gespräch<br />
mit Dr. Marco Melle von der Stabstelle <strong>Mittelstand</strong>sstrategie<br />
im Bundeswirtschaftsministerium. Er stellte die Strategie vor und beantwortete<br />
offene Fragen. Er lobte den BVMW für seine „Lautstärke”<br />
gegenüber der Politik.<br />
Zum Abschluss des Tages ging es in den Deutschen Bundestag zu<br />
einem gemeinsamen Essen mit Claudia Müller, <strong>Mittelstand</strong>sbeauftragte<br />
von BÜNDNIS 90/Die Grünen.<br />
Kolleginnen und Kollegen des BVMW trafen sich zum Gespräch im Auswärtigen Amt mit dem Referatsleiter für Außenwirtschaftsförderung Dr. Stephan Grabherr.<br />
Impressum<br />
DER <strong>Mittelstand</strong>.<br />
<strong>Unternehmermagazin</strong> des BVMW<br />
Herausgeber<br />
BVMW – Bundesverband<br />
mittelständische Wirtschaft,<br />
Unternehmerverband<br />
Deutschlands e. V.<br />
Mario Ohoven<br />
Potsdamer Straße 7 / Potsdamer Platz<br />
10785 Berlin<br />
www.bvmw.de<br />
Titelbild:<br />
© Monatge: stock.adobe.com /<br />
Alfredo, sunt<br />
Redaktion<br />
Tel.: 030 / 53 32 06-16<br />
Fax: 030 / 53 32 06-50<br />
mittelstand@bvmw.de<br />
Eberhard Vogt (Chefredakteur)<br />
Melanie Müller (Head of Content)<br />
Chiara Ohoven (Art Director)<br />
Felicia Fullbrecht<br />
Charlina Goldhoorn<br />
Anna Lorenz<br />
Friederike Pfann<br />
Tim Schöllmann<br />
Rotger H. Kindermann (Korrespondent)<br />
Verlag<br />
mattheis. werbeagentur gmbh<br />
Kastanienallee 4<br />
10435 Berlin<br />
Tel.: 030 / 34 80 633-0<br />
Fax: 030 / 34 80 633-33<br />
info@mattheis-berlin.de<br />
www.mattheis-berlin.de<br />
Layout und Gestaltung, Mediadaten,<br />
Vermarktung v. Anzeigen & Beilagen<br />
mattheis. werbeagentur gmbh<br />
Tel.: 030 / 34 80 633-0<br />
Fax: 030 / 34 80 633-33<br />
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Rechnungsstelle<br />
BVMW Servicegesellschaft mbH<br />
Potsdamer Straße 7<br />
10785 Berlin<br />
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Druckerei<br />
Möller Druck und Verlag GmbH<br />
Zeppelinstr. 6, 16356 Ahrensfelde<br />
<strong>Das</strong> Magazin „DER <strong>Mittelstand</strong>.“ ist das<br />
offizielle Organ des BVMW. Mitglieder<br />
des Verbandes erhalten das Magazin<br />
im Rahmen ihrer Mitgliedschaft. Die<br />
Redaktion übernimmt keine Haftung für<br />
unverlangt eingesandte Manuskripte,<br />
Fotos und Illustrationen. Namentlich<br />
gekennzeichnete Beiträge sowie Selbstdarstellungen<br />
von Unternehmen müssen<br />
nicht der Meinung der Redaktion<br />
entsprechen.<br />
ISSN: 2510-425X<br />
Druckauflage: 33.000<br />
4/2019<br />
Einem Teil unserer Ausgabe<br />
(Nielsengebiet II/NRW) liegt eine<br />
Sonderausgabe des FOCUS für<br />
die Mitglieder des BVMW bei.
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
BVMW<br />
95<br />
Zukunft geht auch ohne Abi<br />
Gut ausgebildeten Fachkräften stehen im <strong>Mittelstand</strong> alle Türen offen. Als erstes muss sich aber die<br />
Bildungspolitik grundlegend ändern. Wir brauchen eine neue Wertschätzung für Haupt- und Realschulabschlüsse<br />
und für die berufliche Bildung. Dafür plädiert Patrick Meinhardt, Generalsekretär der<br />
Bildungsallianz des <strong>Mittelstand</strong>s, in einem Elternbrief.<br />
Foto: © industrieblick von stock.adobe.com<br />
Liebe Eltern, lasst Eure Kinder das machen, was ihren Talenten<br />
entspricht. Nicht jeder muss Abitur machen, nicht jeder muss<br />
studieren. <strong>Das</strong> ist das Schöne: Wir brauchen in Deutschland<br />
gute Master und gute Meister.<br />
Wir brauchen nicht 2,7 Millionen Studierende und gleichzeitig nur<br />
knapp eine Millionen Auszubildende. Hunderttausende junger Menschen<br />
machen Abitur, fangen an zu studieren und brechen innerhalb<br />
der ersten drei Semester ihr Studium ab, um dann mit fünf Jahren<br />
Verspätung in eine duale Ausbildung zu gehen. Wer heutzutage<br />
noch glaubt, dass das Studium die Bildung mit der besten Perspektive<br />
ist, hat wohl allzu lange nicht mehr versucht, einen Handwerker<br />
nach Hause zu bekommen. Handwerk hat goldenen Boden – das gilt<br />
heute noch viel mehr als früher.<br />
In Deutschland gibt es mindestens 60.000 unbesetzte Ausbildungsstellen,<br />
und das sind nur die gemeldeten Zahlen. <strong>Das</strong> war nicht immer<br />
so: Noch vor einigen Jahren hatten es Schulabgänger deutlich<br />
schwerer, eine Lehrstelle zu finden. Dieser Trend hat sich umgekehrt<br />
– mit weitreichenden Folgen für die Nachfolge, für die Selbstständigkeit<br />
und für die Wachstumschancen der gesamten Volkswirtschaft.<br />
Gut zu wissen<br />
n Die Bildungsallianz des <strong>Mittelstand</strong>s plant für 2<strong>02</strong>0 die Gründung<br />
von bis zu 30 regionalen Bildungsallianzen<br />
n Die Bildungsallianz setzt 2<strong>02</strong>0 ihre Bildungstour fort und trifft sich<br />
mit den Kultusministern aller Bundesländer<br />
Dabei bietet gerade eine duale Ausbildung gute Jobaussichten. <strong>Das</strong><br />
oft anspruchsvolle Zusammenspiel aus praktischer Arbeit in den Unternehmen<br />
und Berufsschule ist ein deutsches Erfolgsmodell, das<br />
junge Leute leichter in den ersten Arbeitsmarkt integriert als junge<br />
Menschen in anderen Ländern. Doch dieses Modell braucht Kandidaten,<br />
die über die nötigen Voraussetzungen verfügen.<br />
Zwar ist auch in der Berufsausbildung ein Scheitern möglich, aber<br />
Betriebe haben es oft leichter als Hochschulen, die Leistungsbereitschaft<br />
junger Menschen zum Leben zu erwecken. Trotzdem verlieren<br />
mittlere Bildungsabschlüsse und klassische Berufsausbildungen<br />
immer weiter an Akzeptanz, was zur Folge hat, dass die Theorie in<br />
der Bildung immer stärker gewichtet wird als die Praxis, und der Eintritt<br />
ins Berufsleben immer später erfolgt.<br />
<strong>Das</strong> duale System ist eine tragende Säule für die Abdeckung des<br />
Fachkräftebedarfs in Deutschland. Solange wir in Deutschland, in<br />
dem Land, in dem der <strong>Mittelstand</strong> das Rückgrat der Wirtschaft ist, einen<br />
Auszubildenden für einen Bil dungsabsteiger halten, solange ticken<br />
wir nicht richtig!<br />
Patrick Meinhardt<br />
BVMW Generalsekretär der Bildungsallianz<br />
des <strong>Mittelstand</strong>s<br />
patrick.meinhardt@bvmw.de
96 KULTUR<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
Kultur<br />
Serientipp:<br />
Die verlorene Tochter<br />
Um gegen die großen globalen Streamingdienste zu konkurrieren, muss man mit einer guten<br />
Idee daherkommen. Die sechsteilige Mini-Serie „Die verlorene Tochter“, geschrieben von Christian<br />
Jeltsch und inszeniert von Kai Wessel, überzeugt nicht nur mit krimierfahrenen Akteuren des<br />
deutschen Fernsehfilms, sondern erzählt auch das altbekannte Motiv eines Vermisstenfalls neu.<br />
Fotos: © ZDF/Mathias Bothor; ZDF/Alexander Fischerkoesen<br />
In den rund 270 Sendeminuten wird der Zuschauer<br />
Zeuge eines sich zuspitzenden<br />
Familiendramas, das es durchaus versteht,<br />
den Zuschauer in seinen Bann zu ziehen.<br />
Zehn Jahre ist es her, dass Isa (Henriette<br />
Confurius), die Tochter der Brauerei-Familie<br />
von Gems, in der Nacht des Schulfestes<br />
in Lotheim spurlos verschwunden ist. All die<br />
Jahre nur Gerüchte und offene Fragen, keine<br />
Hinweise, keine Zeugen – nichts. Bis zu<br />
dem Tag, an dem Isa wieder auftaucht. Jahre<br />
später, allerdings ohne Antworten. Durch eine<br />
Amnesie kann sie sich nicht erinnern und<br />
nimmt damit den Menschen aus ihrer Vergangenheit<br />
alle Hoffnung auf die erlösende<br />
Wahrheit. <strong>Der</strong> ganze Ort scheint mit Isas<br />
Rückkehr aus seinem Dornröschenschlaf zu<br />
erwachen. Isas Eltern (Christian Berkel und<br />
Claudia Michelsen), ihre Großmutter (Hildegard<br />
Schmahl), ihr Bruder (Rick Okon), sie alle<br />
müssen lernen, sich mit Isas Rückkehr zu<br />
arrangieren und der psychisch kranken jungen<br />
Frau Freiraum zu geben. <strong>Der</strong> unermüdliche<br />
Kommissar Peter Wolff (Götz Schubert)<br />
hingegen hofft, nun endlich die Wahrheit herausfinden<br />
zu können, nachdem er damals<br />
mit seinen Ermittlungen scheiterte. Isa selbst<br />
begibt sich derweil mit Unterstützung ihrer<br />
Jugendliebe Robert (Max von der Groeben)<br />
auf die Suche nach ihrer verlorenen Identität.<br />
Geheimnisvolles Familiendrama<br />
Rückblenden zu Beginn jeder Folge, wie sie<br />
aus der US-Krimiserie „How to Get Away<br />
with Murder“ bekannt sind, lassen den Zuschauer<br />
immer mehr über die Nacht erfahren,<br />
in der Isa verschwand. Die Geschehnisse<br />
des Abends setzten sich so Folge für Folge<br />
wie ein Puzzle zusammen. Langsam kommt<br />
zum Vorschein, dass die junge Brauerei-Erbin<br />
vor ihrem Verschwinden mutwillig angefahren<br />
wurde und getötet werden sollte. Warum<br />
es jemand auf die damals 16-Jährige<br />
abgesehen hatte, bleibt jedoch bis zur letzten<br />
Folge das ungelöste Rätsel. Christian Jeltsch<br />
und Kai Wessel schaffen es, den Spannungsbogen<br />
durchgehend hoch zu halten. Dafür<br />
sorgen unter anderem Cliffhanger am Ende<br />
jeder Folge, die das Publikum an den Bildschirm<br />
fesseln.<br />
Entscheidend für die Dynamik der Erzählung<br />
sind vor allem die sehr überzeugenden Darstellerinnen<br />
Henriette Confurius und Claudia<br />
Michelsen. Confurius verkörpert die Rolle einer<br />
jungen Frau mit angeknackster Psyche,<br />
die ihre traumatische Vergangenheit verdrängt<br />
hat, sehr authentisch. Doch auch Michelsen,<br />
als Mutter der Vermissten, zeigt,<br />
wie sehr der Verlust eines Kindes selbst die<br />
stärkste Familie brechen kann. Mit der Besetzung<br />
von Max von Groeben, bekannt aus<br />
der „Fack ju Göthe“-Reihe, als Isas Jugendliebe<br />
Robert scheinen die Produzenten auch<br />
junges Publikum begeistern zu wollen. <strong>Der</strong><br />
28-Jährige besticht durch überzeugende<br />
Schauspielkunst und zeigt, dass er sich seit<br />
seinem Durchbruch 2013 zu einem ernst zu<br />
nehmenden Schauspieler entwickelt hat.<br />
International und doch ganz ländlich<br />
Die sechsmal 45 Minuten erfüllen ganz klar<br />
das Genre eines Dramas, das allerdings mit<br />
einer packenden kriminalistischen Handlung<br />
daherkommt. Auch die Absicht, der Mini-Serie<br />
einen internationalen Charakter durch die<br />
teilweise französisch sprechende Protagonistin<br />
und deren amerikanische Schwägerin<br />
einzuhauchen, verleiht der Serie ein Alleinstellungsmerkmal<br />
und grenzt sie von anderen<br />
deutschen Produktionen ab. Vor allem<br />
Jugendfreund Robert (Max von der Groeben) unterstützt<br />
Isa nach ihrer Rückkehr.
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
KULTUR 97<br />
„DIE VERLORENE TOCHTER“<br />
Serie Krimidrama (D 2<strong>02</strong>0)<br />
Regie Kai Wessel<br />
Mit Henriette Confurius, Christian Berkel,<br />
Claudia Michelsen, Götz Schubert, Max<br />
von der Groeben, Hildegard Schmahl,<br />
Rick Okon<br />
Brauerei-Familie von Gems versucht, die Vergangenheit hinter sich zu lassen.<br />
In der ZDF Mediathek verfügbar<br />
bis 19. Juli 2<strong>02</strong>0<br />
aber filmisch erfüllt „Die verlorene Tochter“<br />
allerhöchste Ansprüche. Szenenbilder<br />
und Locations besitzen eine große narrative<br />
Kraft, die den fiktiven Ort der Erzählung<br />
als eine alteingesessene Gemeinde im hessischen<br />
Land zum Leben erwachen lassen.<br />
Besonders authentisch sind die Aufnahmen<br />
der Brauerei „Gemsbräu“, für die das Filmteam<br />
extra ins Gießener Umland nach Lich<br />
reiste.<br />
Unterm Strich beweist die deutsche Krimiproduktion<br />
im Serienformat, dass sie<br />
den zahlreichen Werken der internationalen<br />
Streamingdienste ein würdiger Gegner<br />
ist. Wer deutsche Krimi-Serien schätzt, bekommt<br />
ein Unterhaltungsprogramm mit immer<br />
wieder überraschenden Handlungssträngen<br />
geboten.<br />
Felicia Fullbrecht<br />
BVMW Presse- und<br />
Öffentlichkeitsarbeit<br />
Großmutter Lore (Hildegard Schmahl) stellt Nachforschungen über ihre Enkelin an.<br />
felicia.fullbrecht@<br />
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98 KULTUR<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
„Frauen müssen häufig<br />
die besseren Männer sein“<br />
Mariette Rissenbeek ist seit 2<strong>02</strong>0 Geschäftsführerin der Internationalen Filmfestspiele Berlin und<br />
damit die erste Frau an der Berlinale-Spitze. Im Interview mit DER <strong>Mittelstand</strong>. spricht sie unter<br />
anderem über Sponsoring, Unternehmensnachfolge und Frauen in Führungspositionen.<br />
DER <strong>Mittelstand</strong>.: Frau Rissenbeek, wie<br />
waren Sie bei Ihrer ersten Berlinale bei der<br />
Auswahl der Filme mit eingebunden?<br />
Mariette Rissenbeek: Bei einigen wichtigen<br />
Filmen wollte Carlo Chatrian als künstlerischer<br />
Leiter noch mal meine Meinung<br />
hören, und wir haben gemeinsam überlegt:<br />
Ist das eventuell ein Eröffnungsfilm, ja oder<br />
nein? Nehme ich diesen Film in den Wettbewerb<br />
oder in die Berlinale Special Gala? Aber<br />
grundsätzlich haben wir die Aufgabenbereiche<br />
getrennt, das war auch deutlich die Absicht.<br />
Carlo Chatrian sollte Zeit haben, um die<br />
Filme auszusuchen und ein künstlerisches<br />
Konzept für das Festival zu entwickeln.<br />
Im Rahmen der Berlinale findet jedes Jahr<br />
auch die Messe EFM, der European Film<br />
Market statt. Welche Bedeutung hat dieser<br />
Filmmarkt?<br />
Seitdem die Berlinale am Potsdamer Platz<br />
stattfindet, und der Filmmarkt in den nahegelegenen<br />
Martin-Gropius-Bau verlegt worden<br />
ist, hat sich der Markt sehr stark entwickelt.<br />
<strong>Der</strong> EFM hat sich nicht nur in puncto<br />
Markteilnehmer gesteigert, sondern auch<br />
seine Aktivitäten und Veranstaltungsformate<br />
enorm erweitert; wo es natürlich einen Zusammenhang<br />
gibt. Interessant am EFM der<br />
Berlinale ist eben diese Wechselwirkung zwischen<br />
Markt und Festival. Zudem ist der<br />
Zeitpunkt dieses Branchentreffens filmwirtschaftlich<br />
gut gelegen. Berlin ist auch eine<br />
Stadt, in der noch bezahlbare Hotelzimmer<br />
zu bekommen sind. Die Berlinale ist immer<br />
ein Festival gewesen ist, das für einen breiteren<br />
Interessenkreis gedacht ist. Also diese<br />
Sogwirkung von einem sehr gut funktionierenden<br />
Markt und gleichzeitig auch sehr<br />
aktiven und attraktiven Festival sowie der<br />
Stadt Berlin, diese einzigartige Kombination<br />
hat dazu geführt, dass heute die internationale<br />
Filmbranche in Berlin mit dabei sein will.<br />
Hier werden richtig Filme eingekauft?<br />
Ja. Es werden Filme eingekauft, aber natürlich<br />
auch Projekte für die Zukunft angestoßen.<br />
Man lernt sich kennen, redet über die<br />
Finanzierung eines nächsten Projektes, Auswertungsmöglichkeiten<br />
oder aber auch, wo<br />
geht‘s hin mit dem Kino? Die digitale Entwicklung<br />
ist ein großes Thema, über das man sich<br />
in der Branche viele Gedanken macht. Sich<br />
mit Menschen auszutauschen, das ist ein<br />
wichtiger Aspekt des Filmmarktes hier.<br />
Die Berlinale zählt zu den bedeutendsten<br />
Filmfestivals der Welt. Wie stark profitiert<br />
die Stadt Berlin von der Veranstaltung?<br />
Wir hatten in diesem Jahr um die 22.000 akkreditierte<br />
Gäste. Sie buchen Hotels, organisieren<br />
Empfänge und Partys, gehen mit<br />
Kunden essen … Hotel-, Gastronomie- und<br />
Taxibranche, sie alle profitieren sehr stark<br />
von der Berlinale. <strong>Das</strong> Festival lädt immer<br />
nur den oder die Regisseur*in oder ein, zwei<br />
Schauspieler pro Film ein. Übernommen<br />
werden nur die Hotelkosten. Alle weiteren<br />
Kosten müssen die Produzenten und die Unternehmen<br />
selber tragen. Und die investieren<br />
richtig viel, um dann hier vor Ort ihr Filmteam<br />
gut präsentieren zu können. Und nicht zu<br />
vergessen die internationale Presse, die nach<br />
Berlin anreist und in ihren eigenen Ländern<br />
entweder konkret übers Festival und damit<br />
über die Stadt Berlin berichtet. So wird Berlin<br />
als attraktives Reiseziel vermittelt wird oder<br />
„the Place to be“.<br />
Die Berlinale erhält Gelder vom Bund und<br />
vom Land Berlin. Wie hoch ist der Anteil der<br />
Sponsoren aus der Wirtschaft?<br />
Insgesamt wird ein nicht unwesentlicher Teil<br />
über die Sponsoren finanziert. Neben der finanziellen<br />
Unterstützung und den Produktbeistellungen<br />
schaffen sie auch Orte für die<br />
Festivalbesucher und tragen zu Services bei.<br />
Es sind natürlich einige große Unternehmen,<br />
aber auch letztendlich mittelständische Unternehmen,<br />
die das Festival unterstützen. Zu<br />
denen zählt beispielsweise die Firma Akkumat<br />
die uns Handyladestationen zur Verfügung<br />
stellt. Aber auch größere Unternehmen<br />
wie Colt, deren Glasfaserleitungen für die<br />
Anbindung der Kinos sehr wichtig ist, leisten<br />
einen wichtigen Beitrag, um die Innovations-<br />
und Zukunftsfähigkeit der Berlinale sicherzustellen<br />
...<br />
<strong>Das</strong> Thema Nachfolge zählt im <strong>Mittelstand</strong><br />
zu den wichtigsten. Was geben Sie Unternehmerinnen<br />
und Unternehmern auf den Weg?<br />
Als ich 2011 als Geschäftsführerin bei German<br />
Films begann, habe ich von Anfang an<br />
versucht, meine Verantwortung und mein<br />
Wissen mit anderen zu teilen. Für mich ist<br />
es wichtig, Menschen zu haben, die in ihren<br />
Bereichen genau wissen, was zu tun ist. Und<br />
das möchte ich gerne auch hier versuchen.<br />
Zwei, drei Menschen haben, die über relativ<br />
viel Wissen verfügen, damit eine spätere<br />
Nachfolge glattlaufen kann. Und die Berlinale<br />
ist noch mal ein besonderes Unternehmen:<br />
Wir hatten beispielsweise im letzten Sommer<br />
60 Mitarbeiter, im Februar 2<strong>02</strong>0 waren es um<br />
die 1.600. Aber um auf die Nachfolge zurückzukommen:<br />
Ich glaube, alles, was dem Unternehmen<br />
guttut, ist bei der Nachfolge wichtig.
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
KULTUR<br />
99<br />
Man sollte früh genug loslassen können und<br />
Strukturen etablieren, die dann eine Nachfolge<br />
sichern, sodass der Nachfolger oder die<br />
Nachfolgerin nicht bei Null anfangen muss.<br />
Ansonsten verzögert sich nur die Weiterentwicklung<br />
des Unternehmens.<br />
Gute Startchancen für eine neue Führung<br />
sind enorm wichtig. Darum sollte man versuchen,<br />
von seinen eigenen Interessen abzurücken.<br />
Aber das ist sicher nicht immer leicht.<br />
Foto: © Alexander Janetzko / Berlinale 2019<br />
Gut zu wissen<br />
n Mariette Rissenbeek wurde 1956 in den Niederlanden geboren und studierte Deutsche Sprache<br />
und Literatur, Theaterwissenschaften und Soziologie an der Rijksuniversiteit Utrecht und der<br />
Freien Universität Berlin. 2003 übernahm Mariette Rissenbeek die Zuständigkeit für internationale<br />
Fes tivalbeziehungen und Öffentlichkeitsarbeit bei German Films und wurde 2011<br />
Geschäftsführerin. Seit 2<strong>02</strong>0 ist Mariette Rissenbeek Geschäftsführerin der Internationalen<br />
Filmfestspiele Berlin.<br />
n Die Internationalen Berliner Filmfestspiele wurden 1951, zu Beginn des Kalten Krieges, als<br />
„Schaufenster der freien Welt“ für das Berliner Publikum ins Leben gerufen. Mit der Berlinale<br />
2<strong>02</strong>0 feierten die Internationalen Filmfestspiele Berlin ihren 70. Geburtstag. <strong>Das</strong> Jubiläumsfestival<br />
war die erste Edition, die unter der gemeinsamen Leitung von Geschäftsführerin Mariette<br />
Rissenbeek und dem Künstlerischen Leiter Carlo Chatrian stattfand.<br />
Frauen in der Wirtschaft in Führungsposition<br />
sind nach wie vor unterrepräsentiert. Die Leiter<br />
der Berlinale der vergangenen Jahre waren<br />
Männer. Muss die Filmwirtschaft noch<br />
weiblicher werden?<br />
Ja, unbedingt. Es gibt in der Filmbranche einige<br />
Institutionen wie zum Beispiel Pro Quote<br />
Film, da geht es dann eben um eine 50 zu<br />
50 Frauenquote. Bei der Regie liegt die Quote<br />
derzeit bei 32 Prozent Frauen. Es gibt sehr<br />
wenige Produktionsunternehmen, die von<br />
Frauen geführt werden. Egal ob Sony, UIP, Fox<br />
oder Constantin – an der Spitze stehen Männer.<br />
Ich denke, es wird noch eine Weile dauern,<br />
bis man es als normal empfindet, dass<br />
eine Frau eine führende Position und einen<br />
verantwortungsvollen Posten übernimmt.<br />
Frauen müssen häufig heute noch die besseren<br />
Männer sein und deren Führungsstil<br />
übernehmen, um anerkannt zu werden. Die<br />
Frage ist doch: Ist es für eine Frau möglich,<br />
auf eine andere Art zu führen, ohne dass sie<br />
belächelt wird? Ohne zu manipulieren und<br />
Macht auszuüben? Zum Glück gibt es Frauen,<br />
die zeigen, dass es auch anders geht.<br />
Über dieses Thema könnte man noch viele<br />
interessante Filme drehen …<br />
Ja, auf jeden Fall.<br />
Vielen herzlichen Dank für das Gespräch.<br />
<strong>Das</strong> Interview führten Anna Lorenz und<br />
Friederike Pfann.
100 KULTUR<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
BuchTipps<br />
<strong>Der</strong> Wettlauf um die Digitalisierung,<br />
Potenziale und Hürden in Industrie, Gesellschaft<br />
und Verwaltung<br />
Persönliche Empfehlung<br />
von Mario Ohoven!<br />
Prof. Dr.-Ing. Kai Lucks erarbeitet in<br />
seinem Buch die aktuellen Herausforderungen<br />
unseres Landes systematisch<br />
und stellt die Frage, ob das „Modell<br />
Deutschland“, das als Sozialstaat für attraktive<br />
Arbeitsplätze, für Wissenschaft, für freiheitliches<br />
Denken und Umweltschutz steht,<br />
überhaupt gegen die radikalen Digital-Ansätze<br />
in den USA und Chinas erfolgreichen Widerstand<br />
leisten kann. <strong>Der</strong> Autor behandelt<br />
mit der digitalen Transformation den größten<br />
Wandel, dem Deutschland in der jüngeren<br />
Geschichte ausgesetzt ist. Dabei handelt<br />
es sich um ein gesamtgesellschaftliches<br />
Phänomen.<br />
Lucks widmet sich in einem umfassenden<br />
Spannungsbogen sowohl den historischen<br />
Entwicklungen technologischer, wirtschaft-<br />
licher und gesellschaftlicher Natur als auch<br />
unseren derzeitigen Infrastrukturen und Managementverfahren.<br />
Auch der Bereich Cyber<br />
Security wird von ihm betrachtet und herausragend<br />
wichtige Gebiete, deren weitergehende<br />
Digitalisierung wettbewerbsentscheidend<br />
ist, analysiert.<br />
<strong>Der</strong> Autor ist Vorsitzender des Bundesverbandes<br />
Mergers & Acquisitions e. V., einem<br />
Partner der <strong>Mittelstand</strong>sallianz des BVMW,<br />
sowie Leiter des MMI Merger Management<br />
Instituts. Er war zudem langjährig in führenden<br />
Positionen für die Siemens AG tätig.<br />
<strong>Der</strong> Wettlauf um die<br />
Digitalisierung<br />
Potenziale und Hürden in Industrie,<br />
Gesellschaft und Verwaltung<br />
Kai Lucks<br />
Schäffer-Poeschel<br />
670 Seiten<br />
89,95 €<br />
Deutschland wird abgehängt<br />
Ein Lagebericht<br />
Rainer Wendt<br />
Riva<br />
187 Seiten<br />
Souverän investieren<br />
für Einsteiger<br />
Wie Sie mit ETFs ein Vermögen bilden<br />
Gerd Kommer<br />
Campus Verlag<br />
240 Seiten<br />
Bargeldverbot<br />
Alles, was Sie über die kommende<br />
Bargeldabschaffung wissen müssen<br />
Dr. Ulrich Horstmann,<br />
Prof. Dr. Gerald Mann<br />
FBV<br />
192 Seiten<br />
19,99 €<br />
19,95 €<br />
8,99 €<br />
Gleichgewicht der Macht<br />
<strong>Der</strong> ewige Kampf zwischen Staat<br />
und Gesellschaft<br />
Daron Acemoglu, James A. Robinson<br />
S. Fischer<br />
784 Seiten<br />
28,00 €<br />
<strong>Der</strong> globale Green New Deal:<br />
Warum die fossil befeuerte Zivilisation<br />
um 2<strong>02</strong>8 kollabiert – und ein kühner<br />
ökonomischer Plan das Leben auf der<br />
Erde retten kann<br />
Jeremy Rifkin<br />
Campus Verlag<br />
319 Seiten<br />
26,95 €<br />
Feuer und Flamme für<br />
den Vertrieb<br />
So entwickeln Sie Ziele,<br />
für die Ihr Team brennt<br />
Stephan Kober<br />
SpringerGabler<br />
211 Seiten<br />
29,98 €<br />
Bitte richten Sie Ihre Bestellungen an: BVMW-Servicegesellschaft mbH, Berlin; servicegesellschaft@bvmw.de; Tel. 030 / 53 32 06-572<br />
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DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
KULTUR<br />
101<br />
AppTipps<br />
Twist:<br />
Ganz einfach interkulturelle<br />
Kompetenz fördern mit der<br />
Twist-App<br />
Odoo:<br />
Die Open-Source Management-Software<br />
für die<br />
Unternehmensleitung<br />
Todoist:<br />
To-Do List & Aufgaben<br />
Im Zuge der Globalisierung werden interkulturelle<br />
Kompetenzen der Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter für Unternehmen immer<br />
wichtiger. Verständnis von kulturellen Verhaltensmustern<br />
sind im internationalen<br />
Rahmen unentbehrlich.<br />
Die aus der Kooperation von LANEO und<br />
der Twist Consulting Group entstandene<br />
App sensibilisiert auf interaktive wie auch<br />
multimediale Weise für interkulturelle Kompetenz<br />
im Berufsalltag. So werden etwa die<br />
Grundlagen der sechs Kulturdimensionen<br />
nach Hofstede gelehrt und das Gespür für<br />
interkulturelle Kompetenz gefördert. Mit der<br />
Twist-App können Sie auf fünf Kontinenten<br />
Ihre Projekte weltweit mit kompetenten<br />
Experten unterstützen. Die App ist kostenlos<br />
im Apple App Store und im Google Play Store<br />
verfügbar.<br />
Mit der ERP-App (Enterprise-Resource-<br />
Planning) Odoo können Geschäftsprozesse<br />
in kleinen und mittleren Unternehmen einfach<br />
organisiert werden.<br />
Die App beinhaltet in den Kategorien Web,<br />
Verkauf und Betrieb Module wie etwa CRM,<br />
Marketing Automation oder Lager sowie<br />
Buchhaltung.<br />
Durch den modularen Aufbau der App kann<br />
das System ganz individuell zusammengestellt<br />
und nach Belieben vergrößert oder<br />
verkleinert werden. <strong>Das</strong> ERP-System ist frei<br />
skalierbar und wächst mit Ihrem Unternehmen<br />
– ob in Unternehmenszahlen oder<br />
Unternehmensbereichen.<br />
Die App ist in der Community-Version mit<br />
allen Features kostenlos im Google Play<br />
Store und im Apple App Store verfügbar.<br />
Laut The Verge „die derzeit beste To-Do List<br />
App“. Mit der App Todoist werden Aufgaben<br />
erfasst und organisiert sowie an Fälligkeitstermine<br />
erinnert. Durch das Tool der Aufgabenzuweisung<br />
ermöglicht die App zudem<br />
die Zusammenarbeit an Projekten im Team.<br />
Die Produktivitätsapp ist auf jedem Gerät<br />
verfügbar und wird in Verbindung mit bereits<br />
genutzten Apps ganz einfach Dreh- und<br />
Angelpunkt für die Organisation des Arbeitsund<br />
Lebensalltags. Durch die Setzung von<br />
Tages- und Wochenzielen können auch große<br />
Erfolge Schritt für Schritt erreicht werden,<br />
dabei visualisiert die App den persönlichen<br />
Produktivitätsverlauf.<br />
Todoist gibt die Gewissheit, dass alles<br />
organisiert und dokumentiert ist, damit in<br />
den Bereichen Fortschritte gemacht werden<br />
können, die wichtig sind.<br />
Die Basisversion der App ist kostenlos im<br />
Google Play Store sowie im Apple App Store<br />
verfügbar.<br />
https://bvmw.info/twist-app<br />
https://odoo.koeln<br />
https://todoist.com/de
1<strong>02</strong> KULTUR<br />
Geistesblitze<br />
DER MITTELSTAND. 2 | 2<strong>02</strong>0<br />
„Die einzige Möglichkeit,<br />
etwas vom Leben zu<br />
haben, ist, sich mit aller<br />
Macht hineinzustürzen.“<br />
Angelina Jolie<br />
„Die digitale Revolution ist eine<br />
soziale Revolution. Wir müssen alle<br />
Bürger mitnehmen. Über die Technik<br />
mache ich mir weniger Sorgen.“<br />
Dorothee Bär<br />
„Misserfolg ist lediglich eine<br />
Gelegenheit, mit neuen Ansichten<br />
noch einmal anzufangen.“<br />
Henry Ford<br />
„Die größte Ehre,<br />
die man einem<br />
Menschen antun<br />
kann, ist die,<br />
dass man zu ihm<br />
Vertrauen hat.“<br />
Matthias Claudius<br />
„Nichts ist absolut. Alles verändert<br />
sich, alles bewegt sich, alles dreht sich,<br />
alles fliegt und verschwindet.“<br />
Frida Kahlo<br />
„Folge nie der Menge, nur<br />
weil du Angst hast, anders<br />
zu sein.“<br />
Margaret Thatcher<br />
„Innovation unterscheidet zwischen<br />
einem Leader und einem Follower.“<br />
Steve Jobs<br />
„Man muss mehrere Vorbilder haben,<br />
um nicht eine Parodie eines einzelnen<br />
zu werden.“<br />
Erich Kästner<br />
Fotos: © wikipedia.org; Christian_Weber; Thatcher Estate
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