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SB_17.619NLP

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2015<br />

Abschlussbericht<br />

DVS-Forschung<br />

Berechnung von Eigenspannungen<br />

in Mehrlagenrohrschweißverbindungen<br />

und<br />

Quantifizierung des Einflusses<br />

auf die Lebensdauer<br />

bei Schwingbeanspruchung


Berechnung von<br />

Eigenspannungen in<br />

Mehrlagenrohrschweißverbindungen<br />

und Quantifizierung<br />

des Einflusses auf die<br />

Lebensdauer bei<br />

Schwingbeanspruchung<br />

Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben<br />

IGF-Nr.: 17.619 N<br />

DVS-Nr.: I2.010<br />

Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik<br />

IWM<br />

Technische Universität Braunschweig<br />

Institut für Füge- und Schweißtechnik<br />

Förderhinweis:<br />

Das IGF-Vorhaben Nr.: 17.619 N / DVS-Nr.: I2.010 der Forschungsvereinigung Schweißen und<br />

verwandte Verfahren e.V. des DVS, Aachener Str. 172, 40223 Düsseldorf, wurde über die AiF im<br />

Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF)<br />

vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen<br />

Bundestages gefördert.


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen<br />

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind online abrufbar<br />

unter: http://dnb.dnb.de<br />

© 2015 DVS Media GmbH, Düsseldorf<br />

DVS Forschung Band 290<br />

Bestell-Nr.: 170399<br />

I<strong>SB</strong>N: 978-3-96870-289-6<br />

Kontakt:<br />

Forschungsvereinigung Schweißen<br />

und verwandte Verfahren e.V. des DVS<br />

T +49 211 1591-0<br />

F +49 211 1591-200<br />

forschung@dvs-hg.de<br />

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung in andere Sprachen, bleiben<br />

vorbehalten. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlages sind Vervielfältigungen, Mikroverfilmungen und die<br />

Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen nicht gestattet.


Verzeichnisse<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1 Einleitung .......................................................................................................................... 1<br />

2 Stand von Wissenschaft und Technik ............................................................................... 3<br />

2.1<br />

2.2<br />

2.3<br />

2.4<br />

Werkstoffmechanisch basierte Modellbildung ............................................................. 3<br />

Numerische Schweißsimulation .................................................................................. 4<br />

Stand der Bewertung von Schweißeigenspannungen für das<br />

Schwingfestigkeitsverhalten ........................................................................................ 6<br />

Berücksichtigung des Eigenspannungsabbaus ........................................................... 8<br />

2.4.1 Abbau von Eigenspannungen infolge zügiger Beanspruchung ....................... 10<br />

2.4.2 Abbau von Eigenspannungen infolge zyklischer Beanspruchung ................... 11<br />

2.4.3 Das m-Konzept zur Berücksichtigung von Eigenspannungen in der<br />

Festigkeitsrechnung ....................................................................................... 12<br />

3 Schweißversuche............................................................................................................ 15<br />

3.1<br />

3.2<br />

3.3<br />

3.4<br />

3.5<br />

Grundlegende Charakterisierung der verwendeten Werkstoffe ................................. 15<br />

Probenvorbereitung .................................................................................................. 16<br />

Schweißarbeiten ....................................................................................................... 17<br />

Herstellung der Schwingproben ................................................................................ 19<br />

Charakterisierung der geschweißten Proben ............................................................ 20<br />

3.5.1 Charakterisierung der Proben aus S355J2H+N.............................................. 20<br />

3.5.2 Charakterisierung der Proben aus X6CrNiTi18-10 ......................................... 23<br />

4 Experimentelle Eigenspannungsanalyse ......................................................................... 24<br />

4.1<br />

4.2<br />

4.3<br />

Durchführung der Messungen ................................................................................... 24<br />

4.1.1 Röntgenographische Eigenspannungsanalysen ............................................. 24<br />

4.1.2 Neutronographische Eigenspannungsanalysen ............................................. 25<br />

Eigenspannungsanalyse an geschweißten Rohren aus S355J2H+N ........................ 25<br />

4.2.1 Schweißzustand ............................................................................................. 25<br />

4.2.2 Einfluss der Vorwärm- und Zwischenlagentemperatur ................................... 30<br />

4.2.3 Einfluss der Lage des Schweißnahtanfangs und der Schweißrichtung ........... 32<br />

4.2.4 Untersuchungen an spannungsarmgeglühten Proben .................................... 32<br />

Untersuchungen zum Eigenspannungsabbau unter quasistatischer Last .................. 34<br />

4.3.1 Eigenspannungsabbau unter Zugbeanspruchung .......................................... 35<br />

4.3.1.1 Eigenspannungsabbau an der Rohraußenseite ................................... 35<br />

4.3.1.2 Eigenspannungsabbau an der Rohrinnenseite .................................... 38<br />

4.3.1.3 Eigenspannungsabbau innerhalb der Rohrwand ................................. 41<br />

4.3.2 Eigenspannungsabbau unter Druckbeanspruchung ....................................... 44<br />

4.3.2.1 Eigenspannungsabbau an der Rohraußenseite ................................... 44<br />

I


Verzeichnisse<br />

4.3.2.2 Eigenspannungsabbau an der Rohrinnenseite ..................................... 46<br />

4.3.2.3 Eigenspannungsabbau innerhalb der Rohrwand .................................. 48<br />

4.4 Untersuchungen zum Eigenspannungsabbau unter zyklischer Last ......................... 51<br />

4.4.1 Eigenspannungsabbau unter Zugbeanspruchung ........................................... 52<br />

4.4.1.1 Eigenspannungsabbau an der Rohraußenseite ................................... 52<br />

4.4.1.2 Eigenspannungsabbau an der Rohrinnenseite ..................................... 54<br />

4.4.2 Eigenspannungsabbau unter Druckbeanspruchung ........................................ 56<br />

4.4.2.1 Eigenspannungsabbau an der Rohraußenseite ................................... 56<br />

4.4.2.2 Eigenspannungsabbau an der Rohrinnenseite ..................................... 57<br />

4.5 Untersuchung des Eigenspannungszustands in der Umgebung eines Schwingrisses59<br />

4.6 Eigenspannungsanalyse an geschweißten Rohren aus X6CrNiTi18-10 ................... 61<br />

4.6.1 Schweißzustand ............................................................................................. 61<br />

4.6.2 Eigenspannungsanalyse in oberflächennahen Schichten ............................... 66<br />

5 Numerische Eigenspannungsanalysen ........................................................................... 71<br />

5.1 Ergänzende Werkstoffcharakterisierung ................................................................... 71<br />

5.1.1 Statische Zugversuche an Grundwerkstoffen .................................................. 71<br />

5.1.2 Statische Zugversuche an Proben mit Schweißgefügen ................................. 73<br />

5.1.3 Zyklische Versuche an Grundwerkstoffen ....................................................... 74<br />

5.2 Schweißprozesssimulation und Eigenspannungsberechnungen ............................... 78<br />

5.2.1 Temperaturanalysen ....................................................................................... 79<br />

5.2.1.1 Modell der Wärmequelle ...................................................................... 79<br />

5.2.1.2 FE-Rohrmodelle ................................................................................... 81<br />

5.2.1.3 Berechnungsergebnisse ...................................................................... 82<br />

5.2.2 Werkstoffmodellierung .................................................................................... 84<br />

5.2.2.1 Modelle zur Beschreibung der Wechselplastizität ................................ 84<br />

5.2.2.2 Werkstoffmodelle in SYSWELD ........................................................... 85<br />

5.2.2.3 Werkstoffdaten in SYSWELD ............................................................... 86<br />

5.2.2.4 Chaboche-Modell ................................................................................. 88<br />

5.2.3 Implementierung des Chaboche-Modells in SYSWELD .................................. 89<br />

5.2.4 Modellparameter für X6CrNiTi18-10 ............................................................... 94<br />

5.3 Rechnerische Analysen von Schweißeigenspannungen ........................................... 95<br />

5.3.1 Berechnungsergebnisse ................................................................................. 95<br />

5.3.2 Einfluss des Verfestigungsmodells auf die Schweißeigenspannungen ......... 101<br />

5.3.3 Einfluss des Zusatzwerkstoffs ....................................................................... 102<br />

5.4 Analysen zur Umlagerung von Schweißeigenspannungen unter zyklischer<br />

Beanspruchung .......................................................................................................104<br />

5.5 Bewertung der Schwingfestigkeit .............................................................................108<br />

II


Verzeichnisse<br />

5.5.1 Schädigungsparameter ................................................................................ 108<br />

5.5.2 Spannungsbasierte Schädigungsparameter ................................................. 109<br />

5.5.3 Dehnungsbasierte Schädigungsparameter .................................................. 110<br />

5.5.4 Auswertung der Schädigungsparameter für Rohrproben aus S355J2H+N ... 111<br />

6 Schwingfestigkeitsuntersuchungen ............................................................................... 112<br />

6.1<br />

6.2<br />

6.3<br />

Versuchsaufbau und –durchführung ....................................................................... 112<br />

6.1.1 Versuchsaufbau ........................................................................................... 112<br />

6.1.2 Durchführung der Schwingversuche............................................................. 113<br />

6.1.3 Untersuchungen nach Erreichen der Versagenslastspielzahl ....................... 115<br />

Ergebnisse der Schwingfestigkeitsuntersuchungen ................................................ 116<br />

6.2.1 Wöhlerdiagramm .......................................................................................... 116<br />

6.2.2 Untersuchung der Bruchflächen ................................................................... 116<br />

6.2.3 Rissfortschrittsbetrachtungen ....................................................................... 117<br />

6.2.4 Einfluss der Kerbwirkung .............................................................................. 122<br />

Diskussion der Ergebnisse ...................................................................................... 122<br />

7 Diskussion der Ergebnisse .......................................... Fehler! Textmarke nicht definiert.<br />

7.1<br />

7.2<br />

Abgleich numerischer und experimenteller ErgebnisseFehler! Textmarke nicht definiert.<br />

Schwingfestigkeitsuntersuchungen ....................... Fehler! Textmarke nicht definiert.<br />

8 Zusammenfassung und Ausblick .................................................................................. 125<br />

Literaturverzeichnis .............................................................................................................. 127<br />

Darstellung des wissenschaftlich-technischen und wirtschaftlichen Nutzens der erzielten<br />

Ergebnisse insbesondere für KMU sowie ihres innovativen Beitrags und ihrer industriellen<br />

Anwendungsmöglichkeiten .................................................................................................. 133<br />

Ergebnistransfer in die Wirtschaft ........................................................................................ 134<br />

Schlussbemerkungen .......................................................................................................... 138<br />

III


Einleitung<br />

1 Einleitung<br />

Der Einfluss der durch das Schweißen entstehenden Eigenspannungen auf die<br />

Schwingfestigkeitseigenschaften ist trotz vielfältiger Bemühungen bisher nicht ausreichend<br />

quantifiziert. Dies liegt vor allem daran, dass die für die Beurteilung notwendigen Kenntnisse<br />

der vorhandenen und für die Schwingfestigkeit verantwortlichen Eigenspannungen fehlen.<br />

Die Gründe hierfür sind unterschiedlich. Einerseits ist man bemüht, die<br />

Schweißeigenspannungen durch numerische Simulation des Schweißprozesses zu<br />

berechnen. Solche Berechnungen sind für geschweißte Bauteile jedoch äußerst kompliziert<br />

und bisher nicht ausreichend validiert. Bereits die Simulationen für Schweißungen an<br />

einfachen Versuchskörpern mit streng festgelegten Randbedingungen zeigen für<br />

unterschiedliche Werkstoffmodelle und Berechnungsansätze unterschiedliche<br />

Eigenspannungsergebnisse und Diskrepanzen zu Messungen. Von einer Annäherung an die<br />

Erfordernisse der Praxis mit komplexen Schweißkonstruktionen, die eine Vielzahl<br />

unterschiedlich angeordneter Schweißnähte enthalten können, ist man noch weit entfernt.<br />

Eine weitere Schwierigkeit in der Bewertung von Eigenspannungen besteht darin, dass diese<br />

während der Beanspruchung Veränderungen unterliegen können, so dass selbst eine präzise<br />

Berechnung der Ausgangseigenspannungen nur den ersten Schritt darstellen kann.<br />

Experimentelle Untersuchungen, in denen die Eigenspannungen mit geeigneten<br />

Messverfahren bestimmt und zur Beurteilung herangezogen werden, scheut man in der<br />

Praxis bisher immer noch, obwohl Erfahrungen aus dem Automobil- und Flugzeugbau gezeigt<br />

haben, dass mit geeigneten Messstrategien fertigungsbedingte Eigenspannungen beherrscht<br />

werden können. Andererseits können durch Messungen nur punktuelle Informationen<br />

gewonnen werden, während für eine Gesamtbewertung eines Bauteils die Kenntnis des<br />

gesamten Eigenspannungsfelds erforderlich ist.<br />

Die beschriebenen Umstände haben mit dazu geführt, dass bei schwingbeanspruchten<br />

Schweißkonstruktionen das Potential hochfester schweißbarer Stähle nicht zum Tragen<br />

kommt. Das aktuelle Regelwerk (Eurocode 3, IIW-Recommendations for Fatigue Design, etc.)<br />

erlaubt eine Unterscheidung von Stählen nach Festigkeitsklassen überhaupt nicht, wofür die<br />

vermuteten Eigenspannungen ganz wesentlich verantwortlich gemacht werden. Daraus folgt,<br />

dass ohne eine prinzipielle Verbesserung der Bewertungspraxis von Eigenspannungen keine<br />

Aussichten bestehen, seit langem verfügbare moderne hochfeste Stähle für solche<br />

Anwendungen einsetzen und dabei das wirtschaftliche sowie das Festigkeitspotential voll<br />

ausschöpfen zu können.<br />

Das Forschungsvorhaben „Berechnung von Eigenspannungen in<br />

Mehrlagenrohrschweißverbindungen und Quantifizierung des Einflusses auf die Lebensdauer<br />

bei Schwingbeanspruchung“ wendet sich den beschriebenen Fragestellungen gezielt zu,<br />

wobei sowohl die Berechnung der entstehenden Eigenspannungen und deren<br />

Veränderungen im Betrieb betrachtet, als auch systematische Messungen von<br />

Eigenspannungen durchgeführt werden sollen. Diese dienen einerseits zur Absicherung der<br />

Berechnungsergebnisse und sollen gleichzeitig eine Grundlage bilden, wie in der<br />

Anwendungspraxis eine kontinuierliche Qualitätskontrolle etabliert werden kann. Die<br />

Verwendung von Rohrschweißverbindungen als Probekörper erscheint aus zwei<br />

Gesichtspunkten als besonders erfolgversprechend. Zum einen erlauben die geometrischen<br />

Verhältnisse bei diesen Verbindungen Berechnungen, deren Aufwand sich auf dem Niveau<br />

1


Einleitung<br />

einfacher Stumpfnahtverbindungen bewegt. Gleichzeitig stellen die Verbindungen aber<br />

selbsteinspannend wirkende Geometrien dar, die den Bauteilcharakter wesentlich besser<br />

abbilden, weil die Einspannbedingungen durch ausgeprägte Längs- (tangential) und<br />

Querschrumpfungsbehinderungen (axial) die Entstehung eines Eigenspannungszustands<br />

bewirken, der an ebenen Blechen so nicht vorhanden ist. Zum anderen stellen<br />

Rohrverbindungen ein typisches Praxisbeispiel dar, bei dem der Einsatz hochfester<br />

schweißbarer Stähle Stand der Technik ist, beispielsweise in der Offshoreindustrie und dem<br />

Mobilkranbau. Die systematische Untersuchung des Eigenspannungszustands nach dem<br />

Schweißen sowie unter Beanspruchung erlaubt Einblicke in die Mechanismen der<br />

Eigenspannungsentstehung sowie des Eigenspannungsabbaus im Zusammenhang mit<br />

diesen in der Praxis so häufig vorkommenden Schweißverbindungen.<br />

2


Stand von Wissenschaft und Technik<br />

2 Stand von Wissenschaft und Technik<br />

Eigenspannungen in Schweißverbindungen entstehen durch den Wärmeeintrag während des<br />

Schweißprozesses mit instationärem Temperaturfeld und lokalen Umwandlungen des<br />

Werkstoffs während der Abkühlphase [Woh86]. Der Werkstoff erfährt dabei eine lokale<br />

Wechselplastizierung, die mit den gängigen Werkstoffmodellen in Rechenprogrammen zur<br />

Schweißsimulation bisher nur unzureichend beschrieben werden kann. Mit neueren<br />

Werkstoffmodellen des Chaboche-Typs, die entsprechende Formulierungen der Vorgänge<br />

der Plastizität und der Zeitabhängigkeit enthalten, lassen sich Ermüdungsvorgänge mit<br />

plastischen Wechselverformungen beschreiben [Cha93, Jia00, Sch02, Ses97]. Solche<br />

Modelle werden bisher überwiegend in Festigkeits- und Lebensdaueranalysen eingesetzt und<br />

finden in der numerischen Schweißsimulation bisher kaum Verwendung bzw. sind nicht durch<br />

Versuchsergebnisse validiert.<br />

Neuere Ergebnisse zur Berechnung von Schweißeigenspannungen deuten darauf hin, dass<br />

die in der Wärmeeinflusszone erzeugten Verfestigungen durch die erwärmungsbedingten<br />

Plastizierungen für die Eigenspannungsentstehung eine wichtigere Rolle spielen als bislang<br />

angenommen [Woh09]. Dadurch sind nicht nur genauere Berechnungen der<br />

Eigenspannungen möglich, die erreichten Verfestigungen sind auch im Hinblick auf die<br />

Eigenspannungsstabilität bei Beanspruchung im Betrieb zu beachten, so dass dies auch<br />

Konsequenzen für das Schwingfestigkeitsverhalten und damit für Auslegungskriterien haben<br />

könnte. Bei erfolgreichem Einsatz von fortgeschrittenen Werkstoffmodellen in der<br />

Schweißsimulation könnten die Eigenspannungen in Schweißverbindungen jedoch genauer<br />

berechnet und damit die Prognosefähigkeit von rechnerischen Lebensdauervorhersagen<br />

erheblich verbessert werden. Eine experimentelle Validierung der rechnerischen Modelle ist<br />

dabei unverzichtbar.<br />

2.1<br />

Werkstoffmechanisch basierte Modellbildung<br />

Für eine genauere Beschreibung des Werkstoffverhaltens unter komplexer<br />

Ermüdungsbeanspruchung wurde in den letzten Jahrzehnten eine Vielzahl von Modellen<br />

entwickelt, die die Beschreibung der Interaktion zwischen den Verformungs- und<br />

Schädigungsprozessen ermöglichen [Rob78, Cha77, Har76, Bod75, Kre86, Mil76]. Im<br />

Gegensatz zu den Ansätzen der Plastizitäts- und Kriechtheorie, die die Vorgänge und<br />

Kriech-, Plastizitäts- und Ermüdungsbedingungen getrennt voreinander betrachten,<br />

beschreiben diese sogenannten "unified models" das elastisch-viskoplastische<br />

Werkstoffverhalten durch übergeordnete Formulierungen.<br />

Modelle des Chaboche-Typs, die entsprechende Formulierungen der Vorgänge der Plastizität<br />

und der Zeitabhängigkeit enthalten, haben sich in verschiedenen Anwendungen bereits für<br />

die Beschreibung des Werkstoffverhaltens unter Ermüdungs- und Kriechermüdungsbedingungen<br />

bewährt. Dabei wird ein Schädigungsparameter aus der Spannungs-Dehnungs-<br />

Hysterese als Funktion der Spannung und der plastischen Dehnung abgeleitet und über<br />

Messungen mit der Anrisslastwechselzahl korreliert. Solche Modelle sind in der Lage, die<br />

Umlagerung von Spannungen durch Wechselbelastung zu beschreiben, allerdings muss das<br />

Werkstoffverhalten durch die den Modellen zugrunde liegenden inneren Variablen möglichst<br />

3


Stand von Wissenschaft und Technik<br />

genau beschrieben werden, um auch den Spannungsabbau realitätsnah vorherzusagen<br />

[Cha98].<br />

In der Vergangenheit wurden solche Modelle bereits erfolgreich für die<br />

Lebensdauervorhersage von Komponenten unter zyklischer und wechselnder thermischer<br />

Belastung, wie z.B. Abgaskomponenten, eingesetzt [Rie87, Sch02]. In der erweiterten<br />

Version des Chaboche-Modells werden die Spannungen σ ij in der Form<br />

∂C<br />

th vp ijkl −1<br />

σ<br />

ij<br />

= C ( <br />

ijkl<br />

ε<br />

kl<br />

− ε<br />

kl<br />

− ε<br />

kl<br />

) + Cklmnσ<br />

T<br />

mn<br />

∂T<br />

(2.1)<br />

berechnet, wobei C ijkl der Elastizitätstensor, ε die Gesamtdehnung, ε th die thermische,<br />

ε vp die viskoplastische Dehnung und T die Temperatur sind. Die viskoplastische Dehnung<br />

β<br />

eq<br />

−σ<br />

Y<br />

p<br />

=<br />

K<br />

, (2.2)<br />

beinhaltet mit β ij = σ’ ij -α ij die Rückspannung α ij (σ’ ij Spannungsdeviator, β eq V.Mises<br />

Vergleichsspannung, σ y Streckgrenze, K und n Viskositätsparameter), die über die<br />

Entwicklungsgleichungen<br />

und<br />

ε<br />

α<br />

ϕ<br />

vp<br />

ij<br />

3<br />

=<br />

2<br />

β<br />

ij<br />

p<br />

β<br />

eq<br />

( k )<br />

( k ) ( k ) vp ( k ) ( k ) ( k ) ( k ) ( k ) 1 ( k )<br />

ij<br />

= C ε<br />

ij<br />

− γ ϕ p<br />

α<br />

ij<br />

− R α<br />

ij<br />

+ T<br />

α<br />

( k ) ij<br />

(1)<br />

n<br />

k = 1,2<br />

, (2.3)<br />

(2)<br />

−ω<br />

ϕ = ϕ<br />

sowie<br />

ss<br />

+ 1−ϕss<br />

e<br />

(2.4)<br />

beschrieben werden kann.<br />

Mit den Werkstoffparametern σ Y , C (k) , γ (k) , R (k) , φ (k) ss und ω (k ) ist das Modell in der Lage, die<br />

zyklische Ver- und Entfestigung eines Werkstoffs zu beschreiben.<br />

Die temperaturabhängigen Variablen des Modells werden dabei an komplexe<br />

Messergebnisse aus kombinierten LCF- und Kriechversuchen mit einem Computerprogramm<br />

angepasst. Das Modell ist damit in der Lage, die Entwicklung der plastischen Dehnung und<br />

der Schädigung in einem zyklisch beanspruchten Bauteil lokal zu erfassen [Moh05, Moh06].<br />

Mit Hilfe der beschriebenen Werkstoffmodelle ist zwar prinzipiell die Beschreibung von<br />

Wechselplastizierungen und Spannungsumlagerungen als Funktion möglich, die im<br />

Ausgangszustand vorliegenden Eigenspannungen müssen jedoch zunächst bekannt sein.<br />

Hierfür sind entweder auf Messergebnisse gestützte Annahmen oder numerische Analysen<br />

des Schweißprozesses erforderlich.<br />

∂C<br />

∂T<br />

(1) vp<br />

(1)<br />

(1) −ω<br />

ε eq<br />

(2)<br />

(2) ( 2)<br />

p<br />

= ϕ + ( 1−ϕ<br />

) e<br />

( )<br />

ss<br />

ss<br />

C<br />

2.2<br />

Numerische Schweißsimulation<br />

Die numerische Schweißsimulation ist prinzipiell geeignet, Gefüge, Verzug und<br />

Eigenspannungen infolge des Wärmeeintrags durch den Schweißprozess rechnerisch zu<br />

ermitteln [Rad88, Rad99, Ven06]. Abhängig vom angewandten Schweißverfahren kann die<br />

Wärmeeinbringung sehr unterschiedlich sein. Die Berechnung von Gefüge, Verzug und<br />

Eigenspannungen in einer Schweißverbindung erfolgt meist mit einer entkoppelten<br />

4

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