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PORTRÄT<br />
turns fühlt er sich wohl, aber glücklich<br />
ist er vier Kilometer weiter weg<br />
in Plaus. Den Bauernhof hier mit den<br />
sechs Hektar führt inzwischen sein<br />
älterer Bruder, er selbst hat gebaut,<br />
nicht weit weg davon. Auf einem<br />
Grundstück, auf dem früher seine<br />
Großmutter gelebt hat. Daneben<br />
wohnt sein Onkel, auf der anderen<br />
Seite ein Bruder. „Bodenständig“, ist<br />
das Wort, das bei ihm am häufigsten<br />
fällt. Er ist „bodenständig“ aufgewachsen,<br />
seine Kinder will er „bodenständig“<br />
erziehen. Ja. Ein Südtiroler<br />
sei nun mal „bodenständig“.<br />
Andi Pircher sagt, er sei ein typischer<br />
Südtiroler. Einer, der die Heimat<br />
liebt, die Natur, die Menschen hier.<br />
Der ehrlich ist. Und am liebsten nur<br />
das isst, was um ihn herum wächst<br />
und gedeiht. „Was der Bauer nicht<br />
kennt, frisst er nicht“, sagt der 43-Jährige.<br />
Selbst er, der heute zu den kreativsten<br />
Spitzenköchen in Südtirol<br />
zählt, hat bis zu seinem 16. Lebensjahr<br />
keinen Fisch gegessen, so gut wie<br />
kein Fleisch. „Bei uns gab es nur einfache<br />
Gerichte. Kartoffeln und Gemüse,<br />
alles, was wir selbst geerntet<br />
haben. Und ich wollte auch nichts<br />
anderes probieren.“ Raphael, 10,<br />
Josef, 9, und Michael, 4, geht es heute<br />
ähnlich wie dem Vater früher. Nur<br />
mit einem Unterschied: „Schnitzel<br />
und Pommes darf es bei ihnen schon<br />
sein…“<br />
Also kocht einer der besten Köche<br />
Südtirols sonntags zu Hause Schnitzel<br />
mit Pommes. Oder Knödel mit<br />
Gemüse. Denn auch an seinem freien<br />
Tag steht er in der Küche. „Aus zwei<br />
Gründen“, sagt er und lacht. „Erstens<br />
geht es bei mir schneller. Und zweitens<br />
möchte ich auch meine Frau Sylvia<br />
entlasten.“ Als Vollzeitmama in<br />
Plaus und Teilzeitlehrerin in Naturns<br />
ist sie genügend gestresst. „Wenn ich<br />
DAS LINDENHOF MAGAZIN <strong>2020</strong> SEITE 22<br />
ANDI PIRCHER EMPFIEHLT:<br />
SPINATRISOTTO MIT TARTAR<br />
VOM SAIBLING<br />
Den Spinat blanchieren, im<br />
Eiswasser schocken und<br />
ausdrücken. Mit dem Stabmixer<br />
pürieren. Zwiebel in Olivenöl<br />
andünsten, Reis dazugeben,<br />
anziehen lassen. Mit Gemüsebrühe<br />
aufgießen (bis der Reis<br />
bedeckt ist), 15 Minuten kochen,<br />
immer wieder mit Gemüsebrühe<br />
aufgießen. Kurz vor Ende der<br />
Kochzeit Spinat, Butter und<br />
Parmesan dazu geben, kurz<br />
aufkochen lassen.<br />
WEISSER BALSAMICOESSIG<br />
um elf von der Arbeit nach Hause<br />
komme, steht sie oft noch am Bügelbrett.“<br />
Und lieber hilft der Ehemann<br />
beim Kochen. Als beim Bügeln.<br />
Das Saiblingsfilet entgräten,<br />
die Haut abziehen und in kleine<br />
Würfel schneiden. Mit Salz,<br />
Pfeffer, Olivenöl und Zitrone<br />
marinieren - genauso wie den<br />
gehobelten Fenchel. Bei ihm<br />
kommt noch Balsamicoessig<br />
dazu. Die Radieschen in feine<br />
Scheiben schneiden - und<br />
Tartar, Fenchel und Radieschen<br />
auf dem Risotto anrichten.<br />
ZITRONENABRIEB<br />
Kochen hat Andi Pircher im Rössl in<br />
Rabland gelernt. Die einfachen Dinge.<br />
Schnitzel mit Pommes zum Beispiel.<br />
„Ich wusste mit 14 überhaupt<br />
nicht, was ich werden will. Also hat<br />
mich mein Onkel in die Küche seines<br />
Restaurants geholt.“ Dass Lehrjahre<br />
damals keine Herrenjahre waren, erzählen<br />
die Alten heute noch gerne<br />
den Jungen, aber: Lehrjahre in einer<br />
Küche hatten einen besonderen Horror.<br />
„Wahrscheinlich wurde nirgends<br />
so viel gebrüllt wie in einer Küche<br />
während der Essenszeiten. Und am<br />
meisten hat man halt den Lehrling<br />
angebrüllt“, erinnert sich Andi Pircher,<br />
der heute eher ein ruhiges Regiment<br />
bei seinen 14 Köchen führt.<br />
Aber sich trotzdem manchmal aufregt,<br />
weil die Jungen es doch in dem<br />
Moment zu langsam angehen lassen,<br />
wenn ein Handgriff zum anderen<br />
und das Essen auf den Tisch kommen<br />
muss. „Ich habe mal einen meiner ersten<br />
Chefs gefragt, ob ich denn damals<br />
auch so langsam gewesen bin“,<br />
erzählt er – und sagt. „Er hat die Antwort<br />
verweigert. Da wusste ich Bescheid.“<br />
Andi Pircher setzt dieses spitzbübische<br />
Lächeln auf, an dem man auch<br />
heute noch sieht, dass er in diesem<br />
Moment mit sich und der Welt im<br />
Reinen ist. Der Junge vom Bauernhof,<br />
der Koch werden musste, brennt<br />
inzwischen leidenschaftlich für seinen<br />
Job. „Anders würde es nicht gehen“,<br />
sagt er – und erinnert sich an