D E U T S C H L A N D N O R D CLARAS WELT Die Pianistin Ragna Schirmer ist tief eingetaucht in das Leben und Wirken von Clara Schumann. VON BARBARA SCHULZ FOTO: MAIKE HELBIG <strong>CRESCENDO</strong>: Es ist auch ein bisschen Ihr Jahr, das Clara-Schumann-Jahr? Ragna Schirmer: Ja, total! Und ich finde es spannend und beglückend, wie sich die Wahrnehmung gesteigert hat – ihr hundertster Todestag, <strong>19</strong>96, ist nahezu untergegangen. Aber ich habe auch das Gefühl, die Zeit ist reif für Frauengestalten wie sie: Welche Rolle die Frau an der Seite eines großen Mannes spielte, wie stark sie gewesen ist, was sie ausgehalten und ja, vielleicht auch mitbeeinflusst hat. Bei Clara geht das noch viel weiter, weil sie nicht nur Robert inspiriert hat, sondern sich aufgrund seines frühen Todes auch emanzipieren, ihr eigenes Leben gestalten musste, wofür ich sie zutiefst bewundere. Wann fing Ihre Begeisterung für Clara an? Sehr früh schon. Als Teenager habe ich Schumanns Kinderszenen gespielt, aus einer sehr alten Ausgabe, mit Fingersätzen von Clara. Mir fiel auf, dass sie sehr viel mit – auch stummen – Fingerwechseln gearbeitet hat. Selbst an Stellen, an denen kaum ein Effekt hörbar ist – eine fast demütige Verneigung vor dem Notentext. Sollte eine Mittelstimme gehalten werden, dann hat sie die auch gehalten. Und wenn es Mühe machte, dann machte es eben Mühe. Es hat mich menschlich fasziniert: dass jemand so genau mit Texten umgeht, sich so bemüht um jede Nuance. Sie sind über Briefe und Dokumente Clara sehr nah gekommen. Die Dirigentin Ariana Matiakh sagt, es fühle sich an wie eine zweite Clara am Flügel, wenn Sie spielen. Spüren Sie das auch? Man muss aufpassen, dass man da nicht hybrid wird und gewisse Dinge nicht vermengt; da ist mein Abstand voller Achtung. Gleichzeitig ist es natürlich so: Ich begebe mich über Monate ja wirklich in ihr Leben! Wann ist sie wohin gereist, mit wem hat sie was gespielt, gab es Programmänderungen und warum, welche Zugabe hat sie gespielt ...? Man steigt sehr tief in eine Biografie ein, wie ein Schauspieler, der sich wenigstens für einen kurzen Moment mit einer Person identifizieren muss, um sie verkörpern zu können. „DIE ZEIT IST REIF FÜR FRAUEN WIE CLARA.“ Erkennen Sie in Claras Musik ihre Vision von Idealität? Da muss man unterscheiden zwischen ihr als Komponistin und als Interpretin. Als Interpretin wird sie auf jeden Fall ganz herausragend gewesen sein mit ihrer Genauigkeit, ihrer Exaktheit. Sie hatte unglaubliche Fähigkeiten, aber sie hat auch wirklich viel gearbeitet. Ganz sicher hatte sie diese Hinwendung zum Ideal – wirklich nichts unversucht zu lassen, jedes Detail herauszuarbeiten, in der Stimmführung, im Klang. Sie war eine große Suchende, und diese Suche machte sie so herausragend. Sie suchen gern nach Verborgenem. Schenken Sie Claras Kompositionen da besondere Aufmerksamkeit? Ich bin ja in der luxuriösen Position, mich mit der Musik beschäftigen zu können, die mich persönlich reizt, bei der ich auch das Gefühl habe, ich erkenne etwas darin. Da hab ich auch Lust, mich auf die Suche zu begeben, in die Tiefe zu dringen. Wenn ich also merke, dass da sehr viel Clara vorkommt, dann hat das wahrscheinlich genau den Grund: dass ich etwas erkenne, was sich für mich lohnt zu entdecken und wo ich gern weitersuchen möchte. Ihr neues Album ist quasi eine Hommage an Clara – ein besonderes Programm zu ihrem Geburtstag? Ja, es sind zwei ihrer Originalprogramme: ein kammermusikalisches aus Berlin von 1847. Ich habe es ausgesucht, weil ihr Trio gespielt wird – wie schön, sie zum Geburtstag als Komponistin und Pianistin zu Wort kommen zu lassen. Die zweite CD ist einer ihrer reinen Soloklavierabende aus England. Sie hat das Programm dort drei Mal so gespielt – offenbar hat es gut funktioniert. Ragna Schirmer „Madame Schumann“ (Berlin Classics) Live-Termine: 30.4. Berlin | 10.5. Freiburg | 8.6. Halle 9.6. Zwickau | 12.6. Frankfurt | 20.6. Hamburg | 16.9. Leipzig | 13.10. bis 24.10. MS Europa | 10.11. Heilbronn 24.11. Eschborn | 28.12. Hildesheim (Termin auswahl) 10 <strong>Festspiel</strong>-<strong>Guide</strong> 20<strong>19</strong>/20 | www.festspielguide.de
»Ich liebe Dich« 55 € *