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prima! Magazin - Ausgabe Mai 2020

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STEPHAN SCHULMEISTER<br />

IM GESPRÄCH<br />

Stephan Schulmeister<br />

...wurde 1947 geboren und hat an der Universität Wien das Studium der Rechtswissenschaften<br />

(Dr. jur.) und Wirtschaftswissenschaften (Mag. rer.soc.oec.) absolviert. Er ist<br />

einer der bedeutendsten Wirtschaftsforscher Österreichs.<br />

Von 1972 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2012 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

beim österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO). Er hatte Gastprofessuren an<br />

mehreren Unis inne, etwa an der Uni Wien, in Berlin, Bologna, New York und New Hampshire.<br />

Im Fokus seiner Forschungen stehen die Finanzstabilität und ihre realwirtschaftlichen<br />

Konsequenzen, das Zinsniveau und Wirtschaftswachstum sowie die längerfristige<br />

Entwicklung der Weltwirtschaft.<br />

Stephan Schulmeister gilt als der Rebell unter den österreichischen Wirtschaftsforschern.<br />

Bekannt ist er überdies durch seine Zeitungskommentare (u.a. im Falter) und durch seine<br />

Vorträge. Er ist Autor zahlreicher, auch populärwissenschaftlicher Fachbücher.<br />

Schulmeister übt dezidierte Kritik am Neoliberalismus, den er als „Marktreligiosität“<br />

bezeichnet und fordert Alternativvorschläge wie einen gesamteuropäischen New Deal. In<br />

seinem zuletzt (2018) erschienenen Buch „Der Weg zur Prosperität“ rechnet er mit dem<br />

Neoliberalismus ab und skizziert außerdem eine Navigationskarte für den Weg aus der<br />

Finanzkrise. So sieht er den sogenannten „New Deal für Europa“ als Erneuerung der Wirtschaft<br />

in Richtung einer Kreislaufwirtschaft – unter anderem auch als Maßnahme gegen<br />

den Klimawandel.<br />

schaftseinbruch<br />

triekapitalismus“<br />

führen als das Coronavirus. Wenn Erdöl<br />

längerfristig billig bleibt, dann fehlt es<br />

an Anreizen, das Verbrennen von Erdöl,<br />

aber auch von Kohle und Erdgas schrittweise<br />

zu reduzieren. Das würde bedeuten,<br />

dass alle Ziele der Klimapolitik verfehlt<br />

würden. Das Grundproblem ist ganz<br />

einfach: Die Europäische Union versucht<br />

derzeit den Klimawandel mit zwei Hauptinstrumenten<br />

zu bekämpfen. Zum einen<br />

mit einer CO2-Steuer, also die Besteuerung<br />

des Verbrennens fossiler Energie.<br />

Und andererseits mit dem sogenannten<br />

Emissionshandel, wo sich Industriebetriebe<br />

für jede Tonne CO2, die sie emittieren,<br />

Rechte kaufen müssen. Die Preise<br />

solcher Zertifikate gehen in den Keller<br />

gemeinsam mit dem Ölpreis. Das heißt, es<br />

macht dann für die Akteure keinen Sinn,<br />

konsequent fossile Energie einzusparen,<br />

weil diese ohnehin nichts kostet. Daher<br />

müsste man hier einen ganz anderen Weg<br />

beschreiten.<br />

Welchen sehen Sie da als sinnvoll?<br />

Stephan Schulmeister: Meiner Ansicht<br />

nach sagt einem das der Hausverstand.<br />

Wenn jemand im Burgenland ein Einfamilienhaus<br />

hat, das noch nicht thermisch<br />

saniert ist, dann wird er das dann tun,<br />

wenn er weiß, dass sich das auszahlt. Es<br />

zahlt sich aber nur aus, wenn er gleichzeitig<br />

weiß, dass Heizöl immer teurer wird.<br />

Gefragt ist also eine europäische Lösung...<br />

Stephan Schulmeister: Wenn alle Leute<br />

wissen, dass der Preis für Erdöl, Erdgas<br />

und Kohle innerhalb der europäischen<br />

Union von Jahr zu Jahr immer teurer<br />

wird – sagen wir um fünf Prozent pro Jahr<br />

– wissen die Leute, dass es sich über 20<br />

Jahre dann doch lohnt, das Haus thermisch<br />

zu sanieren. Oder dass es sich doch<br />

heute schon lohnt, auf ein Elektro-Auto<br />

umzusteigen. Oder dass es sich beispielsweise<br />

auch für die VOEST heute schon<br />

lohnt, ganz massiv in andere Technologien<br />

in der Stahlproduktion – hier geht<br />

es um die Wasserstofftechnologien – zu<br />

investieren. Das heißt, meine Idee lautet:<br />

Die Europäische Union gibt einen Preispfad<br />

für Erdöl, Erdgas und Kohle für die<br />

nächsten Jahrzehnte vor, der stetig steigt.<br />

Die Differenz zwischen unserem Zielpreis<br />

und dem Weltmarktpreis wird durch eine<br />

flexible CO2-Steuer abgeschöpft. Das<br />

heißt, wenn der Weltmarktpreis etwa bei<br />

20 Dollar liegt bzw. bei 18 Euro und der<br />

Richtpreis wäre 70 Euro, dann würde eine<br />

Steuer in Höhe von 52 Euro eingehoben.<br />

Wenn das Bewusstsein da ist, dass es sich<br />

lohnt, in eine thermische Sanierung zu<br />

investieren, weil der Preis für alle fossilen<br />

Energieträger stetig steigen wird, dann<br />

werden dies mehr Menschen auch tun.<br />

Nun soll nach dem Lockdown die Wirtschaft<br />

langsam wieder hochgefahren<br />

werden. Die Finanzlage in den Haushalten<br />

hat sich aber durch Corona massiv<br />

verschlechtert. Die <strong>Ausgabe</strong>n müssen<br />

zum Teil stark reduziert werden. Was<br />

glauben Sie, wie lange wird es dauern,<br />

bis sich die Situation wieder verbessert?<br />

Stephan Schulmeister: Das ist im Moment<br />

nicht einzuschätzen, weil viele Unsicherheitsfaktoren<br />

bestehen. Was ziemlich<br />

klar scheint, ist, dass schon in den nächsten<br />

Wochen bestimmte Beschränkungen<br />

reduziert werden. Man wird die Erfahrung<br />

anderer Länder ausarbeiten. Das faszinierendste<br />

Beispiel ist nach wie vor Schweden.<br />

Weil in Schweden bis heute keine<br />

Ausgangsbeschränkungen, keine Verbote<br />

von Einkäufen oder von Restaurantbesuchen<br />

bestehen und die Infektionszahlen<br />

in Schweden nicht höher sind als in<br />

Österreich. Die Sterbefälle sind allerdings<br />

häufiger. Nur hat das offensichtlich nichts<br />

mit den Ausgangsbeschränkungen zu tun,<br />

denn wenn das der Fall wäre, dann müssen<br />

ja auch die Infektionen steigen. Viel mehr<br />

ist es so, dass in den Altenheimen leider<br />

zu wenig Isolationsmaßnahmen rechtzeitig<br />

ergriffen wurden. Also das alles ist jetzt<br />

noch in Bewegung.<br />

Was für Auswirkungen sind wirtschaftlich<br />

zu befürchten?<br />

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MAI <strong>2020</strong><br />

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