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prima! Magazin - Ausgabe Juni 2020

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TIPPS VOM UNTERNEHMENSBERATER<br />

IM GESPRÄCH<br />

Foto © zVg<br />

Brandbeschleuniger und Turbo<br />

Zwei Seiten einer Krise<br />

Unternehmensberater Dominik Lindner<br />

Jeder Unternehmer hat eine sehr individuelle Geschichte zu erzählen, und so individuell<br />

sind auch die Maßnahmen, die er oder sie braucht, um wirtschaftlich zu<br />

überleben. Dominik Lindner ist Partner in einer Unternehmensberatung, die maßgeschneiderte<br />

Geschäftsmodelle entwickelt. Sein Credo lautet: Kundenzentriertheit.<br />

„Das Potenzial eines Unternehmens hängt vor allem von den Kundenbedürfnissen<br />

ab. Die muss man abholen. Auch in der Krise“, erklärt der gebürtige Steirer immer<br />

wieder. Es gibt natürlich keinen pauschalen Rat für alle Branchen. Krise ist nicht<br />

gleich Krise, aber mit wirtschaftlichen Auswirkungen haben fast alle zu kämpfen. Die Frage<br />

ist, wie Unternehmer mit den neuen Rahmenbedingungen umgehen. Nora Schleich<br />

Eine saubere Lagebeurteilung ist in der momentanen Situation<br />

immer das Um und Auf, so Dominik Lindner. „Gerade jetzt muss jeder<br />

Unternehmer zuerst seine Liquidität beurteilen, bedacht einen<br />

Plan fassen und dann schnell handeln. Ob mir ein Überbrückungskredit<br />

hilft, hängt zum Beispiel davon ab, wann ich mein Produkt<br />

verkaufen darf und ob meine Kunden das Produkt kaufen oder die<br />

Dienstleistung in Anspruch nehmen können. Schicke ich Mitarbeiter<br />

in Kurzarbeit? Geht es darum, den Schaden zu minimieren oder<br />

geht es darum, den Umsatz zu optimieren? Diese Fragen müssen<br />

individuell behandelt werden. In der Hektik der Krise werden oft<br />

Fakten und Möglichkeiten übersehen. Wir Unternehmensberater<br />

helfen, Emotionen rauszulassen. Nur dann kann man überlegt,<br />

aber effektiv arbeiten.“ Dominik Lindner zitiert in diesem Zusammenhang<br />

Konfuzius: „Wenn du es eilig hast, geh langsam.“ Die<br />

Krise wird nicht schnell vorbei gehen, die Sanierung wird Zeit in<br />

Anspruch nehmen. Daher ist Geduld eine notwendige Charaktereigenschaft,<br />

um die Krise zu bewältigen.<br />

Neue Rahmenbedingungen, neue Chancen<br />

Corona hat vieles verändert. Unternehmen müssen plötzlich<br />

notgedrungen mit einem Digitalisierungsschub umgehen. Digitalisierungsprojekte<br />

und Ideen, die schon lange in der Schublade<br />

gelegen sind, wurden nun in einer Art „Rosskur“ umgesetzt, und<br />

nun trennt sich die Spreu vom Weizen. „Unternehmen, die vor der<br />

Krise schon flexibel waren, sind nun die großen Gewinner. Die, die<br />

schnell reagieren konnten, werden wie mit einem Turbo in die Zukunft<br />

katapultiert. Unternehmen, die mit ihrem Geschäftsmodell<br />

schon vor Corona gekämpft haben, werden in den nächsten ein bis<br />

zwei Jahren noch größere Probleme haben. Hier wirkt die Krise wie<br />

ein Brandbeschleuniger. Und all jene, die neue Medien gar nicht<br />

bespielen, sind völlig weg. Die Krise verstärkt meiner Meinung nach<br />

in beide Richtungen“, prophezeit der Experte.<br />

Lindner führt weiter aus, dass Homeoffice als Möglichkeit von vielen<br />

Firmen nun auch in Zukunft in Betracht gezogen werden wird.<br />

Online-Konferenzen ebenso. Auch hier muss man aus der „Rosskur“<br />

lernen, Ausfallssicherheit testen und individualisieren. Nicht<br />

für jede Branche, jede Firma und jeden Mitarbeiter ist die neue Art<br />

zu arbeiten lukrativ. „Durch die Krise ist ein Echtbetrieb entstanden,<br />

der nie simuliert geworden wäre, wenn es nicht notwendig gewesen<br />

wäre. Nun müssen Unternehmen die vergangenen Wochen<br />

auswerten. Homeoffice kann Zeit sparen, aber Homeoffice mit<br />

schlechter Internetverbindung und mit drei Kindern im Haus wird<br />

auf Dauer nicht funktionieren.“ Aus der Krise individuell lernen, das<br />

ist es, was es braucht.<br />

„Die Kunden sind die Quelle der Innovation“<br />

Immer wieder kommt Dominik Lindner zum Fokus auf die Kunden<br />

zurück. „Regionalität zum Beispiel ist lobenswert, aber schaut man<br />

sich die Bedürfnisse, Wünsche und Ängste der jeweiligen Kunden<br />

an, muss man den Nutzen der Regionalität für den Kunden hinterfragen.<br />

So kann Regionalität wesentlich sein, wie etwa bei Bioprodukten<br />

oder in der Gastronomie, aber in anderen Branchen ist<br />

dieser Faktor weniger Kaufargument, weit abgeschlagen nach Preis<br />

und Qualität des Produkts zum Beispiel. Dann kann Regionalität<br />

nur ein Nebenargument sein, das vielleicht mit Vertrauen zusammenspielt.<br />

Und genau so muss der Unternehmer das Produkt auch<br />

bewerben.“<br />

Gerade jetzt ist ein Zeitpunkt, seine Marketingstrategie zu überdenken.<br />

Aus der Vergangenheit kann man für die Zukunft momentan<br />

nicht viel mitnehmen, denn die Rahmenbedingungen haben<br />

sich geändert. „Brauche ich das Büro? Brauche ich den Schauraum?<br />

Läuft mein kleines Lokal wirtschaftlich lukrativer, wenn ich<br />

nur ausliefere? Hier muss man mit der feinen Klinge agieren, neu<br />

fokussieren und flexibel sein“, rät Dominik Lindner zu mehr Mut.<br />

Dabei können Außenstehende, die methodisch abgesichert und<br />

pragmatisch vorgehen, helfen. Das können Unternehmensberater<br />

sein, aber auch Steuerberater und Stammkunden seien wichtige<br />

Partner für Veränderung, so Lindner.<br />

JUNI <strong>2020</strong><br />

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