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INFO Mai-Juni 06-2020

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Lernwelten

Das Spiel als Lernmethode

Die Dinosaurier und ich

Risikobereitschaft, sich mit dem Unheimlichen auseinandersetzen – das sind wichtige Erfahrungen

für Kinder im Kindergarten, weiß Evelyn Haller Kuhn zu berichten.

Aus der Beobachtung konnte ich das

Interesse einiger Kinder an Dinosauriern

wahrnehmen. Ich stellte verschiedene

Bücher bereit und gemeinsam richteten

wir einen Dinosaurierpark ein. Es war nicht

einfach, jeden Dinosaurier seiner Art zuzuordnen,

doch dank Recherche und mithilfe

der Eltern gelang es schließlich. Ich musste

mir bald eingestehen, dass einige Kinder

schneller Dinosaurier-Expertinnen und

-Experten waren als ich. Doch außer diesem

Interesse war da noch etwas anderes, das

ich beim Beobachten des Spiels einiger

Kinder bemerkte: Das Fürchten vor dem

Unheimlichen, dem Wilden. Der Reiz, sich

mit dem Starken auseinanderzusetzen, und

die Risikobereitschaft, sich ihm entgegenzustellen.

Die Frage nach der eigenen Position

in der Kindergruppe und die Lust, das

eigene Ich als selbstwirksam zu erleben.

Nun lag es in meiner Verantwortung, den

Lernthemen der Kinder Raum zu geben und

mit dem richtigen Impuls ein Lernfeld zu

schaffen, in dem Selbsterfahrungsprozesse

entstehen konnten.

Wilde Kerle

Da die meisten Kinder unserer Gruppe im

Freispiel ein sehr intensives Rollenspiel

entwickeln, wählte ich dieses als Zugangsbereich.

Ich entschied mich für das Buch

von Maurice Sendak „Wo die wilden Kerle

wohnen“ und wollte diese Geschichte mit

den Kindern in ein Rollenspiel umsetzen.

Nach der ersten Bilderbucherzählung

informierte ich die Kinder, dass ich diese

Geschichte beim nächsten Treffen mit ihnen

spielen würde. Als wir uns zum zweiten

Mal zusammenfanden, vereinbarten wir die

Rollenverteilung. Für die Figur des Max in

der Geschichte meldeten sich gleich zwei

Kinder. So suchten wir gemeinsam nach

einer Lösung, die von beiden Kindern angenommen

wurde.

Edwin spielte die Hauptrolle im ersten Teil

der Geschichte. Er suchte sich einen Platz

im Raum aus, sein Zimmer. Anders als von

mir erwartet schob er dafür eine Matte

unter den Tisch und legte sich darauf. Adele

übernahm den abenteuerlichen Teil und fuhr

ins Land, wo die wilden Kerle wohnen. Alle

Kinder fanden so ihren Platz. Einige legten

sich in die Höhle der wilden Kerle. Ein Junge,

der nicht mitspielen wollte, begeisterte

sich für die Triangel, die den Beginn und

das Ende des Spiels kennzeichnete. Zwei

Kinder waren Zuschauerin und Zuschauer.

Ich übernahm die Rolle der Erzählerin. Das

Spiel begann. Ohne die Schauspielerinnen

und Schauspieler zu drängen, nahm ich ihre

Interpretation wertschätzend wahr. Edwin

verweilte von Beginn an in seinem Bett und

genoss den sicheren Ort zur Beobachtung –

was keinen störte, denn Adele übernahm die

Rolle, wie vereinbart, im zweiten Teil. Die

wilden Kerle traten mit Begeisterung aus

ihrer Höhle hervor. Und das Mädchen, das

die Rolle der Mutter übernommen hatte, half

mir, das Segelboot mit Max wieder sicher

nach Hause zu bringen.

Diese Erfahrung hat mir gezeigt, wie wertvoll

es ist, beim scheinbar Kleinen, für

uns Erwachsene oft Unbedeutsamen, die

Entscheidungen der Kinder, die sie selbst

betreffen, ernst zu nehmen. Sich auf die

Anliegen der Kinder einzulassen, stellt uns

vielleicht manchmal vor einen unbekannten

Ausgang. Doch ich weiß, dass wir – die

Erwachsenen und die Kinder – im Prozess

gestärkt werden und Selbsterfahrungen

gewinnen.

Evelyn Haller Kuhn

Zusatzkindergärtnerin für die sprachliche Bildung

im Bozner Kindergarten Venedigerstraße und Projektbegleiterin

im Kindergartensprengel Bozen

Dinosaurier – ein beliebtes Thema, mit

dem sich Kinder im Kindergarten gerne

beschäftigen.

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