FINE Das Weinmagazin - 02/2020
Themenschwerpunkte der 49. Ausgabe sind unter anderem: Der Rothenberg - Trockene Kultrieslinge TASTING Der Geisenheimer Rothenberg Weitere Themen sind: PORTRÄT Hugh Johnson: Der große Erzähler RHEINGAU Rheingauer mit Schweizer Akzent – Urban Kaufmann ZEITGESCHEHEN Der Wein und der Virus: Corona und die Folgen RHEINHESSEN Wo die Seele im Ursprung liegt – Alexander Gysler PFALZ Prickelnde Familiengeschichte – Weingut Winterling AKTUELL Alles oder Nichts – Die Reformation des Weingesetzes WÜRTTEMBERG Eigensinn im Glas – Weingut J. Ellwanger RHEINHESSEN Eine Partitur großer Rieslinge – Friedrich Groebe WEIN UND SPEISEN Jürgen Dollase zu Besuch im Einstein in Berlin DIE PIGOTT KOLUMNE Die Wiederentdeckung des verlorenen Terroir-Schatzes RHEINHESSEN Der Weinberg als Lebensnerv – Weingut Neef-Emmich RHEINGAU Wenig Show, viel Eleganz – Fred Prinz DAS GROSSE DUTZEND Château Haut-Bailly VINOTHEK Der Weinlade in Karlsruhe WORTWECHSEL Warum haben deutsche Winzer so viel Angst vorm Internet? RHEINHESSEN Die Kunst der Reduktion – Weingut Bäder WEIN UND ZEIT Weinbaugeschichte als Krisengeschichte WÜRTTEMBERG Mann der Gegensätze – Christian Hirsch GENIESSEN Traminer? Aber ja!
Themenschwerpunkte der 49. Ausgabe sind unter anderem:
Der Rothenberg - Trockene Kultrieslinge
TASTING Der Geisenheimer Rothenberg
Weitere Themen sind:
PORTRÄT Hugh Johnson: Der große Erzähler
RHEINGAU Rheingauer mit Schweizer Akzent – Urban Kaufmann
ZEITGESCHEHEN Der Wein und der Virus: Corona und die Folgen
RHEINHESSEN Wo die Seele im Ursprung liegt – Alexander Gysler
PFALZ Prickelnde Familiengeschichte – Weingut Winterling
AKTUELL Alles oder Nichts – Die Reformation des Weingesetzes
WÜRTTEMBERG Eigensinn im Glas – Weingut J. Ellwanger
RHEINHESSEN Eine Partitur großer Rieslinge – Friedrich Groebe
WEIN UND SPEISEN Jürgen Dollase zu Besuch im Einstein in Berlin
DIE PIGOTT KOLUMNE Die Wiederentdeckung des verlorenen Terroir-Schatzes
RHEINHESSEN Der Weinberg als Lebensnerv – Weingut Neef-Emmich
RHEINGAU Wenig Show, viel Eleganz – Fred Prinz
DAS GROSSE DUTZEND Château Haut-Bailly
VINOTHEK Der Weinlade in Karlsruhe
WORTWECHSEL Warum haben deutsche Winzer so viel Angst vorm Internet?
RHEINHESSEN Die Kunst der Reduktion – Weingut Bäder
WEIN UND ZEIT Weinbaugeschichte als Krisengeschichte
WÜRTTEMBERG Mann der Gegensätze – Christian Hirsch
GENIESSEN Traminer? Aber ja!
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DER GEISENHEIMER ROTHENBERG<br />
WIEDERGEBURT EINES KULTWEINS<br />
Von KRISTINE BÄDER<br />
Fotos JOHANNES GRAU und GUIDO BITTNER<br />
Es war eine kleine Sensation in der Weinszene, als der Tre Torri Verlag im März 2011 seine<br />
Entdeckung präsentierte: <strong>FINE</strong>-Autor Daniel Deckers hatte im Magazin der Hessischen<br />
Landesbibliothek in Wiesbaden die älteste Lagenkarte der Welt entdeckt. Die »Weinbau-<br />
Karte des Nassauischen Rheingaus« datiert aus dem Jahr 1867 und unterteilt die besten<br />
Lagen des Rheingaus in zwei Klassen. Der Hintergrund liegt auf der Hand: Je besser die<br />
Qualität der Weine, die aus den jeweiligen Weinbergen kamen, desto höher die erzielten<br />
Erträge und deren entsprechende Besteuerung.<br />
Die Karte hielt einige Überraschungen bereit.<br />
Eine der größten dürfte die Zuordnung der<br />
Steillagen des Geisenheimer Rothenbergs in<br />
die höchste Klasse der Lagen sein. Damit bewegte<br />
er sich schon vor mehr als 150 Jahren auf Augenhöhe<br />
mit Lagen wie Schloss Johannisberg, Steinberg,<br />
Marcobrunn und Gräfenberg. »Vielleicht hatten<br />
wir dieses Potenzial erahnt«, schreiben die Weingüter<br />
Wegeler auf ihrer Internetseite. Schon in den<br />
1980er Jahren hatte das Weingut gut fünf der heute<br />
etwa sechs als VDP.Große Lage klassifizierten Hektar<br />
im Kernstück des Rothenbergs gepachtet. Damals<br />
nutzte man die Trauben vor allem als Grundlage<br />
des berühmten »Geheimrat J« und schöpfte auch<br />
die große Stärke der Lage aus, Rieslingtrauben mit<br />
extrem hohen Mostgewichten für die edelsüßen<br />
Spezialitäten des Weinguts hervorzubringen.<br />
»Bis zum zweiten Weltkrieg war der Rothenberg<br />
eine berühmte Lage. Dann geriet er in Vergessenheit«,<br />
so Tom Drieseberg. Der Weingutsdirektor musste<br />
dennoch zwei Jahre mit dem Besitzer verhandeln, um<br />
ihm die Fläche endlich abkaufen zu können. Ende<br />
2010 war es dann soweit und der Großteil der Steillage<br />
ging in den Besitz der Weingüter Wegeler über.<br />
Nur vier Monate später erlangte die Lage mit der Veröffentlichung<br />
der alten Lagenkarte neuen Ruhm. »Vor<br />
dem Fund der Karte hatte niemand den Rothenberg<br />
auf dem Schirm, danach aber hätten wir die Fläche<br />
mit Sicherheit nicht mehr kaufen können.«<br />
Der Hausberg der Geisenheimer ist mit etwas<br />
mehr als 152 Metern nicht gerade hoch. Seine erste<br />
Erwähnung fand er schon im Jahr 1145 durch einen<br />
Adeligen namens Ruthard de Rothenberch. Taunusquarzit<br />
und roter Tonschiefer prägen den Boden<br />
und färben ihn in der charakteristischen rötlichen<br />
Farbe. Ob von dieser Färbung auch der Name des<br />
Rothenbergs abgeleitet wurde, ist nicht ganz eindeutig,<br />
möglich wäre auch die Herkunft vom Wort<br />
»roden« im Sinne von »urbar machen«. Schon seit<br />
dem späten 19. Jahrhundert wird in einer Kaolingrube<br />
der so genannte Porzellanton im Tagebau<br />
gewonnen. Interessanterweise gilt die weiße Tonerde<br />
im Weinbau inzwischen als probates Mittel gegen<br />
die Kirschessigfliege. »Der obere Teil des Rothen-<br />
bergs ist nicht besonders steil und auch qualitativ<br />
nicht so gut. Unsere Reben stehen in dem steileren<br />
Teil. Dort wachsen sehr mineralische Rieslinge, die<br />
eine knackige Säure haben. Und die Bedingungen<br />
für wunderbare Trockenbeerenauslesen sind dort<br />
perfekt«, erklärt Tom Drieseberg die Unterschiede<br />
im Rothenberg.<br />
Mit dem Jahr 2000 haben die Weingüter<br />
Wegeler »eine Offensive im Bereich edelsüßer<br />
Weine« gestartet, so Drieseberg.<br />
Eine Offensive, die schnell mit Superlativen aufwarten<br />
konnte: Unglaubliche 340 Grad Oechsle<br />
wurden im Jahr 2011 bei einer Trockenbeerenauslese<br />
gemessen und auch in den Jahren 2003, 2005<br />
und 2007 knackte der gemessene Zuckergehalt die<br />
300 Grad-Grenze. Die hochkonzentrierten, edelsüßen<br />
Rieslinge aus dem Rothenberg sorgten auch<br />
international für Furore: Im Jahr 2003 präsentierte<br />
das Weingut einen edelsüßen Rothenberg am Time<br />
Square vor 1500 begeisterten Besuchern der New<br />
York Wine Experience.<br />
Taunusquarzit und roter Tonschiefer geben dem<br />
Boden Farbe und der Lage vermutlich ihren Namen.<br />
Den ersten trockenen Riesling aus dieser Lage<br />
füllten Tom Drieseberg und seine Frau Anja Wegeler-<br />
Drieseberg mit dem Jahrgang 2009 auf die Flasche.<br />
Der Ertrag der in den 70er Jahren gepflanzten Weinberge<br />
wurde stark reduziert, die Trauben während<br />
der Ernte streng selektioniert. Beides bildete die<br />
Grundlage für einen Wein, der mit »Fülle und<br />
Wucht« den Gegenentwurf zum mineralisch<br />
geprägten »Geheimrat J« sein sollte. Die Resonanz<br />
der Weinliebhaber ließ wenig Raum für Zweifel an<br />
der Größe des Weins: Der Jahrgang war innerhalb<br />
weniger Monate ausverkauft.<br />
Mit dem Jahrgang 2018 kam nun der zehnte<br />
Jahrgang des trockenen Rothenberg-Rieslings auf<br />
den Markt. Man sagt den Weinen vom Rothenberg<br />
nicht nur die Fähigkeit zu langer Reife nach,<br />
sondern sogar einen gewissen Zeitbedarf, um sich<br />
zu entfalten. Nach einer ersten Dekade war also<br />
Zeit für eine Bestandsaufnahme aller Jahrgänge<br />
trockenen Rieslings aus der wiederauferstandenen<br />
Rheingauer Kultlage. Die Probe spiegelte eine<br />
typische Charakteristik der Weine in allen Jahrgängen<br />
wider. Die mineralische Eleganz, die man<br />
auch dem »Geheimrat J« nachsagt, findet sich<br />
ebenso in den Lagenweine aus dem Rothenberg,<br />
gepaart mit einer geradlinigen Struktur. Nur in<br />
warmen Jahrgängen kommen auch reife Fruchtaromen<br />
zur Geltung. Zugleich wird die mineralische<br />
Art von einer voluminösen Fülle begleitet. Eine<br />
meist präsente, aber selbst in jungen Jahren nie harte<br />
Säure verhindert, dass die Weine in ihrer ganzen<br />
kraftvollen Art zu reinen Muskelpaketen werden,<br />
sondern sich immer eine geschmeidige Eleganz<br />
bewahren.<br />
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