23.06.2020 Aufrufe

syndicom magazin Nr. 17

Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.

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14<br />

Dossier<br />

Allein in Deutschland werden laut einer Studie fast<br />

100 000 Lehrstellen verloren gehen<br />

Nun explodiert diese Not. Aktuelle Zahlen stehen noch<br />

aus, aber die ersten Indikatoren lassen den Schluss zu,<br />

dass auf die Pandemie eine weit schlimmere Seuche folgt:<br />

eine Epidemie der Jugendarbeitslosigkeit.<br />

Weil sie wissen, wie gefährlich das ist, wenn man den<br />

Jungen die Zukunft stiehlt, haben zahlreiche Regierungen<br />

im vergangenen Jahrzehnt versucht, ihre Berufsbildungssysteme<br />

zu reformieren. Jedes Land hat seine eigenen<br />

Praktiken, oft sogar für jede Branche ein eigenes System,<br />

und wer in diesem Wildwuchs den Durchblick sucht,<br />

scheitert schnell.<br />

In der Mehrzahl der EU-Länder lernen die jungen Menschen<br />

ihren Beruf, auch die handwerklichen Berufe, an einer<br />

Schule. In Frankreich kommen 77 Prozent jener, die<br />

ihre Ausbildung schaffen, mit einer Matura aus der Schule,<br />

einer «allgemeinen Matura» oder einer berufsorientierten.<br />

Schwedens Junge lernen ihre Metiers in «berufsbildenden<br />

Programmen» ebenfalls in der Schule. Dasselbe<br />

in Italien. Dort konnte man seine Fertigkeiten auch in einer<br />

Lehre im Betrieb erwerben, aber das «apprendistato»<br />

brachte bis vor kurzem keine offiziell anerkannten Qualifizierungen<br />

und Abschlüsse hervor. Deshalb bleibt diese<br />

Form der Ausbildung bis heute minoritär. Und das italienische<br />

Berufsbildungssystem ist, wie fast in allen europäischen<br />

Ländern, im Dauerumbau.<br />

Dieser Umbau segelt unter dem Namen «Kopenhagen-<br />

Prozess». 2002 hatte die EU begonnen, nach einem besseren<br />

Berufsbildungssystem zu suchen. Fündig wurde sie in<br />

der Schweiz. Duale Ausbildung mit Lehre im Betrieb und<br />

in der Schule gilt seither als bestes Modell.<br />

Mass dafür war die hohe Vermittelbarkeit der Jugendlichen<br />

auf dem Arbeitsmarkt, wie sie Länder mit dualen<br />

Ausbildungssystemen wie die Schweiz oder Deutschland<br />

ausweisen. Zwar sorgen sie dafür, dass die Berufseinsteiger<br />

sofort produktiv sind und schon während der Lehre<br />

billige Arbeitskräfte abgeben. Ihr Problem bleiben aber<br />

Mängel in der breiteren Bildung. Das ist in Zeiten wie der<br />

Digitalen Revolution ein Handicap.<br />

Auf das duale Modell bauend, jagen sich seither von<br />

Portugal bis ans Nordkap die Berufsbildungsreformen.<br />

Nun hat die Weltwirtschaftskrise diesen Trend scharf beschleunigt.<br />

Mit Milliarden-Aufwand wird in eiligst gezimmerten<br />

Programmen die Lehre forciert. Und die Schulund<br />

Ausbildungsabschlüsse werden auf Rabatt und in<br />

Fernprüfungen vergeben. In Italien fordern Eltern und<br />

Lehrer in Grossdemonstrationen zwar, die höheren Schulen<br />

noch vor den Sommerferien zu öffnen. Doch wie in<br />

Frankreich hat ihnen die Regierung bisher nur eine kurze<br />

mündliche Prüfung zugesagt.<br />

Reformeifer in der EU:<br />

die duale Lehre<br />

schafft schnell<br />

billige Arbeitskräfte,<br />

also her damit<br />

So verschieden diese Rettungspakete auch ausfallen,<br />

gemeinsam ist ihnen eine doppelte Last. Die schweren<br />

Trends der Krise, Digitalisierung, Bankrott vieler KMU<br />

und Abbau sozialer Errungenschaften durch die Arbeitgeber<br />

machen die Anstrengungen zunichte. Und Lehrstellen<br />

werden rarer: Allein in Deutschland sollen gemäss einer<br />

Studie des Bundesinstitutes für Berufsbildung fast<br />

100 000 Lehrstellen verloren gehen.<br />

Fotoreportage<br />

Für diese Reportage hat der Luganeser Fotograf Sandro<br />

Mahler drei Lernende an ihrem Arbeitsplatz (unter anderem<br />

im PostLogistics-Zentrum Cadenazzo) und an ihrem Lernort<br />

– im Lockdown war das meist ihr Zuhause – begleitet.<br />

«Die Jungen haben diese Situation erlebt und sich über die<br />

Zeit gut an das Homeoffice gewöhnt. Sie litten aber auch<br />

unter den fehlenden sozialen Kontakten: Kolleginnen und<br />

Kollegen treffen, zur Schule gehen, am Morgen aufstehen<br />

und aus dem Haus gehen und am Abend wieder zurückkehren<br />

– das war alles nicht möglich. Einige konnten an ihren Projekten<br />

weiterarbeiten oder neue beginnen. Alle aber blieben<br />

aktiv. Ich hoffe, dass ihre Bemühungen und ihre Anpassungsfähigkeit<br />

künftig Anerkennung erhalten.»<br />

Neben seiner Tätigkeit als Berufsfotograf, die er seit 1994<br />

ausübt, unterrichtet Sandro Mahler in Lugano lernende Fotografinnen<br />

und Fotografen. Den Fernunterricht hat er mit<br />

seinen Schülerinnen und Schülern also selbst erlebt.<br />

Sandros Webseite: fotomiller.ch

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