CONNECT Magazin 20-02
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Trotz den zahlreichen gemeisterten Herausforderungen<br />
zu Corona-Zeiten, sind die Einschränkungen<br />
der letzten Monate nicht spurlos<br />
an Jens Hildebrandt vorbeigegangen. Als besonders<br />
herausfordernd beschreibt er die Situation,<br />
dass „wir in einem ständigen Status der<br />
Unsicherheit gelebt haben und eigentlich von<br />
Woche zu Woche unsere Planung und unser Verhalten<br />
anpassen mussten, also was zum Beispiel<br />
die Rückkehr ins Büro anbelangt. Das war ziemlich<br />
belastend.“ Auch die Tatsache, seit nun<br />
schon fünf Monaten nicht aus Beijing rauszukommen,<br />
habe an ihm gezehrt, berichtet Hildebrandt.<br />
Commitment für den chinesischen Markt<br />
Seit mehreren Wochen befindet sich China in der<br />
Phase der Erholung, die Jens Hildebrandt wie<br />
folgt beschreibt: „Im Moment stehen die Zeichen<br />
hier in China so, dass die Erholung der Wirtschaft<br />
nicht mehr auf Treibsand steht, sondern schon<br />
auf festerem Boden.” Eine Prognose zum gesamten<br />
restlichen Jahr sei zwar schwierig, da „noch<br />
nicht absehbar ist, ob es eine zweite Welle des<br />
Corona-Ausbruches gibt”. Im Moment seien die<br />
Signale jedoch „gar nicht mal so schlecht” und<br />
insbesondere in einigen Branchen wie der Automobilbranche<br />
und der Chemieindustrie laufe es<br />
bereits ganz gut.<br />
Was die Zukunft der deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen<br />
angeht, ist sich Jens Hildebrandt<br />
sicher, dass diese „weiterhin auf einem<br />
ganz wichtigen Level spielen“ werden. Die in<br />
China aktiven deutschen Unternehmen „haben<br />
ein Commitment zum chinesischen Markt und<br />
sehen auch weiterhin, dass hier der Zukunftsmarkt<br />
in ganz vielen Branchen liegt.“ Hildebrandt<br />
fügt hinzu: „Wir wissen durch unsere Umfragen,<br />
dass es da auch keine Anstalten gibt, China zu<br />
verlassen. Das wird für einzelne vielleicht zutreffen,<br />
aber für die Masse der deutschen Wirtschaft<br />
nicht.“<br />
Schon jetzt ist zu sehen, dass das Thema Digitalisierung<br />
für die Zeit nach der Krise noch weiter<br />
an Bedeutung gewinnt. „Wir sehen von chinesischer<br />
Seite, dass da jetzt nochmal ein<br />
Schwerpunkt gesetzt wird. Und wir hoffen<br />
natürlich, dass ausländische, deutsche Unternehmen<br />
partizipieren können, genauso wie chinesische<br />
Unternehmen. Das wäre für uns wichtig.”,<br />
sagt Jens Hildebrandt, und betont hinsichtlich<br />
der weiteren Zusammenarbeit: „Wir sind in<br />
einer Phase der großen Unsicherheit und Unsicherheit<br />
ist immer ganz schlecht für Unternehmen.<br />
Je mehr China dazu beitragen kann, die<br />
Unsicherheit zu reduzieren, umso besser. Dazu<br />
gehört auch, die Negativliste weiter zu reduzieren<br />
und ein hochwertiges EU-China-Investitionsabkommen<br />
wirklich über die Bühne zu kriegen.<br />
Das wäre ein sehr gutes Signal.”<br />
Seine Freizeit verbringt Jens Hildebrandt am liebsten<br />
mit Ausflügen an die Große Mauer und dabei<br />
„mit Blick auf die Mauer die Beine baumeln lassen“.<br />
China-Anfängern empfiehlt er eine Reise in<br />
Background<br />
Aus pragmatischer Entscheidung<br />
wird enge Beziehung<br />
Jens Hildebrandt und Kolleginnen bei der Planung<br />
des Charterflug-Projekts.<br />
die Stadt Suzhou, mit ihrer „umwerfenden Ästhetik“<br />
oder als kulinarisches Highlight die Kanton-<br />
Küche mit seinen „Dim Sum und leichten Speisen,<br />
bei denen man alle Zutaten schmeckt”. China hat<br />
viel zu bieten. Doch dafür ist wohl erst wieder<br />
Zeit, wenn keine Krisensitzungen bis spät abends<br />
mehr nötig sind. Denn trotz der positiven Entwicklungen<br />
der letzten Wochen sagt Jens Hildebrandt<br />
auch: „Das Ganze ist noch nicht vorbei.“<br />
Jens Hildebrandt, der Beijing noch kennt, als auf dem gerade eröffneten fünften Ring Bauern<br />
mit Pferdekutschen Obst und Gemüse in die Stadt fuhren, ist ein China-Kenner. Im Jahr <strong>20</strong>00<br />
ging er zum ersten Mal nach China im Rahmen seines Studiums der Politikwissenschaften<br />
und Sinologie. In Beijing lernte er ein Jahr lang die chinesische Sprache, in Hongkong lebte<br />
er ebenfalls für ein Jahr, um Politik zu studieren. Den Unterschied von damals zu heute sehe<br />
man „an allen Ecken und Enden“, so Hildebrandt. „Pferdekutschen sieht man natürlich schon<br />
längst nicht mehr.“ Vielmehr sehe man mittlerweile auch die Wirtschaftsentwicklung in den<br />
Provinzen, auch den ärmeren, die „massiv nachgezogen“ haben.<br />
Einen besonderen Moment, der ausschlaggebend für seine Entscheidung für ein Studium mit<br />
Chinabezug war, gab es nicht. Eher war es eine „realistische Abschätzung. Ich habe geschaut,<br />
welche Länder besonderes Potenzial und einen Entwicklungspfad aufweisen, da ist mir China<br />
aufgefallen, was Wirtschaft und Stellung und Position in der Welt anbelangt und dann habe<br />
ich mich rein pragmatisch für China entschieden“, berichtet Hildebrandt und fügt hinzu „es<br />
scheint, ich hatte den richtigen Riecher.“<br />
Seit <strong>20</strong>07 ist Jens Hildebrandt in verschiedenen leitenden Positionen im Netzwerk der deutschen<br />
Auslandshandelskammern (AHK) und dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag<br />
e.V. (DIHK) tätig, u.a. als Leiter des Ostasien-Referats in Berlin und später als Delegierter<br />
der Deutschen Wirtschaft in Guangzhou. Hatte Hildebrandt zu Beginn „kein Interesse an der<br />
Kultur oder Verbindung dazu“, hat sich durch seine mittlerweile <strong>20</strong> Jahre China-Erfahrung<br />
aus dem Pragmatismus eine enge Beziehung zur Volksrepublik entwickelt. Dafür steht sein<br />
Verständnis der chinesischen Kultur und des deutsch-chinesischen Wirtschaftsumfeldes,<br />
genauso wie sein Privatleben. Jens Hildebrandt ist mit einer Chinesin verheiratet, gemeinsam<br />
haben sie einen Sohn und leben in Beijing.<br />
Abb.: German Chamber of Commerce in China<br />
www.chk-de.org