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Geistiges Eigentum und die Entwicklung der ... - Florian Felix Weyh

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96 <strong>Florian</strong> <strong>Felix</strong> <strong>Weyh</strong><br />

sie benannt wurden, längst nicht mehr erkennbar - verschw<strong>und</strong>en in <strong>der</strong> Millionenzahl<br />

eines Siliziumplättchens. Es gibt Bereiche mit höherem <strong>und</strong> niedrigerem<br />

Digitalisierungsgrad, mit größeren <strong>und</strong> kleineren Wi<strong>der</strong>ständen gegen <strong>die</strong> Vereinheitlichung,<br />

aber das Angriffsziel ist klar: Auslöschung aller gewohnten Verarbeitungsformen.<br />

Denn digitale Reize kommen in <strong>der</strong> Natur nicht vor. Was auf unsere<br />

Sinnesorgane einwirkt - Licht, Töne, Düfte <strong>und</strong> Berührungen - erfolgt stets stufenlos,<br />

nicht schrittweise; es ist nie rein, son<strong>der</strong>n mit tausend Ober- <strong>und</strong> Untertönen,<br />

Schattierungen <strong>und</strong> Undeutlichkeiten durchsetzt. Rufen wir uns einen zentralen<br />

erkenntnistheoretischen Sachverhalt ins Gedächtnis:<br />

„Alle unsere Wirklichkeiten sind wahrgenommen. Wir überprüfen sie an an<strong>der</strong>en Wahrnehmungen.<br />

Ein Zugriff auf eine nicht wahrgenommene Wirklichkeit ist unmöglich." 3<br />

Im Zuge <strong>der</strong> Digitalisierung verringern sich <strong>die</strong> Unterschiede einzelner Wahrnehmungsformen.<br />

Eine Referenzwirklichkeit, anhand <strong>der</strong>er wir sie überprüfen können,<br />

wird es innerhalb <strong>der</strong> Me<strong>die</strong>n nicht mehr lange geben, <strong>und</strong> außerhalb entgleitet<br />

uns <strong>die</strong> Welt in wachsendem Maße. Zwischen einer Lithographie, einem Gemälde<br />

<strong>und</strong> einer Fotografie desselben Gegenstands liegen noch Welten. Digitalisiert man<br />

<strong>die</strong> drei Originalvorlagen <strong>und</strong> bietet sie auf einem Bildschirm dar, rücken <strong>die</strong><br />

divergierenden Eindrücke näher zusammen. Das Tageslicht, das <strong>die</strong> Bildwahrnehmung<br />

im Gehirn erzeugte, aber von ganz unterschiedlichen Oberflächen reflektiert<br />

wurde, ist jetzt dem einheitlichen Kathodenstrahl gewichen. Wo Farbtöne changierten,<br />

Schärfe <strong>und</strong> Unscharfe durch unregelmäßige Farbpartikel ineinan<strong>der</strong> übergingen,<br />

herrscht nun <strong>die</strong> exakte Grenze zwischen 0 <strong>und</strong> 1, Sein <strong>und</strong> Nichtsein.<br />

Daß sich <strong>der</strong> Wandel nicht konfliktfrei vollzieht, zeigt <strong>die</strong> andauernde Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

um digitalisierte Musik. Nach Einführung <strong>der</strong> CD vor zehn Jahren<br />

erhob sich rasch <strong>der</strong> Protest empfindsamer Musikliebhaber. Sie beklagten den<br />

„sterilen Klang" <strong>und</strong> wurden von den Enthusiasten des technischen Fortschritts<br />

verlacht. Die Unmutsäußerungen hielten jedoch an, bis sich <strong>die</strong> Wissenschaft <strong>der</strong><br />

Sache widmete. Je nach Fakultät - objektive Physik vs. subjektorientierter Psychoakustik<br />

- gab man beiden Seiten recht, den Puristen wie den Technikfre<strong>und</strong>en.<br />

Mittlerweile weiß man, daß das neue System nicht nur Informationen unterschlägt,<br />

son<strong>der</strong>n auch welche hinzufügt. Wie jede Technik besitzt <strong>die</strong> digitale eine eigene<br />

Struktur, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Musik mit fremden Mustern außerhalb unseres Wahrnehmungsbereichs<br />

überlagert <strong>und</strong> das ganzheitliche Hörerlebnis beeinflußt. Je<strong>der</strong> Konzertbesucher<br />

kennt <strong>die</strong> Differenz zwischen Erlebnis <strong>und</strong> Konserve; eine Aufnahme<br />

enthält nur den Bruchteil <strong>der</strong> Ausdruckswelt eines Konzerts. Je stärker <strong>die</strong> technische<br />

Seite <strong>der</strong> Aufnahme in den Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> rückt - <strong>der</strong> glasklare Klang <strong>der</strong><br />

CD -, desto spürbarer <strong>der</strong> Mangel an Ausdruck. Vielleicht hat Rainer Patzlaff<br />

3 HejLS. 222.<br />

4 Der Streit ist auch ein Methodenstreit: Wenn man heute, nach zehn Jahren Hörgewohnheit<br />

mit <strong>der</strong> neuen Technik, einen Vergleichstest macht, fällt er zwangsläufig an<strong>der</strong>s<br />

aus als zu Beginn <strong>der</strong> Ära. Wo soll <strong>die</strong> neutrale, nicht CD-gewohnte Kontrollgruppe<br />

noch herkommen?

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