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Geistiges Eigentum und die Entwicklung der ... - Florian Felix Weyh

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104 <strong>Florian</strong> <strong>Felix</strong> <strong>Weyh</strong><br />

Sprengsatz: Niemand käme nach den langwierigen Findungsprozessen des 16. bis<br />

19. Jahrh<strong>und</strong>erts auf <strong>die</strong> Idee, Buchstaben <strong>und</strong> Worten rechtliche Zügel anzulegen;<br />

je<strong>der</strong>mann darf <strong>die</strong>se Art von Collage betreiben. In einer dichter gewordenen<br />

Informationswelt sind <strong>die</strong>se gemeinfreien Bausteine größer geworden. Nicht mehr<br />

Buchstaben o<strong>der</strong> einzelne Worte, son<strong>der</strong>n Zitate bilden <strong>die</strong> kleinste Einheit <strong>der</strong><br />

Informationsgesellschaft; sonst müßte jede Generation immer wie<strong>der</strong> von vorne<br />

anfangen, mühsam mit Buchstaben <strong>und</strong> Worten aufbauen, was in den Informationsspeichern<br />

schon tausendmal gruppiert vorhanden ist.<br />

Die Juristen entwickelten dazu ein Bewertungssystem, das im wesentlichen<br />

zwischen „freier Benutzung" <strong>und</strong> „zustimmungspflichtiger Bearbeitung'" unterscheidet.<br />

In <strong>der</strong> Praxis haben <strong>die</strong>se Sortierungskategorien längst ihren Nutzen<br />

eingebüßt, <strong>und</strong> <strong>die</strong> wenigen Prozesse im neuen Me<strong>die</strong>nzusammenhang zeigen<br />

drastisch <strong>die</strong> Absurdität <strong>der</strong> alten Begrifflichkeit. So tat sich ein amerikanisches<br />

Gericht redlich schwer, beim Photocomposing einzelne Bestandteile <strong>der</strong> klagenden<br />

<strong>und</strong> beklagten Fotografen auseinan<strong>der</strong>zudivi<strong>die</strong>ren <strong>und</strong> prozentuale Besitzansprüchen<br />

zuzuweisen. Nach welchem Maßstab soll man <strong>die</strong> Bearbeitung anerkennen,<br />

wenn <strong>die</strong> Bestandteile <strong>der</strong> verschiedenen Fotos ungefähr gleich groß sind?<br />

Letztlich for<strong>der</strong>t das ein ästhetisches Bekenntnis - etwa, daß man als Basis den<br />

Palmenstrand wählt, <strong>und</strong> nicht das Meer o<strong>der</strong> eine Menschengruppe -, aber das<br />

- 17 " —<br />

öffnete <strong>der</strong> Willkür Tür <strong>und</strong> Tor. Eine normative Ästhetik, <strong>die</strong> in solchen Zweifelsfällen<br />

weiterhilft, existiert nicht mehr, <strong>und</strong> wer, wie <strong>die</strong> postmo<strong>der</strong>nen Denkschulen,<br />

künstlerische Arbeit als Patchworkmuster ansieht, kann hinter den Begriff<br />

<strong>der</strong> Collage gar nicht mehr zurück. Es spielt, postmo<strong>der</strong>n gesehen, keine Rolle,<br />

ob eine Bearbeitung o<strong>der</strong> eine freie Benutzung vorliegt, weil <strong>die</strong> Trennungslinien<br />

im Zitatenspiel nicht mehr erkennbar sind. Daß ein alleinstehen<strong>der</strong> Buchstabe<br />

o<strong>der</strong> ein singuläres Wort wenig Eigenwert besitzen, während sich ein Zitat durch<br />

seine Aussage unterscheidet, ist nur auf den ersten Blick relevant. Niemand vermag<br />

zu sagen, ob <strong>die</strong>ser o<strong>der</strong> jener Baustein, <strong>der</strong> uns heute noch bedeutsam vorkommt,<br />

nicht in <strong>der</strong> nächsten Generation zum leeren Füllsel verkommen sein wird. Ihn<br />

prophylaktisch als Eigenrum zu schützen, weil er nach altem Verständnis eine<br />

Schöpfung darstellt, mag rechtstheoretisch Sinn machen, löst das Dilemma aber<br />

nicht. Den rasant steigenden Umsätzen <strong>der</strong> Informationsindustrie steht <strong>der</strong> gravierende<br />

Verlust an Habhaftigkeit entgegen, sek<strong>und</strong>iert von <strong>der</strong> Bildung neuen<br />

<strong>Eigentum</strong>s in den Köpfen <strong>der</strong> Menschen. Je nach Position ist alles frei o<strong>der</strong> im<br />

Besitz omnipotenter Rechte-Inhaber. Der Stärkere gewinnt, <strong>und</strong> stark ist <strong>der</strong>, <strong>der</strong><br />

seine Areale bis zur Unendlichkeit vergrößert.<br />

16 „Der allgemeine Zitiertrieb ist <strong>der</strong>maßen heftig geworden, daß <strong>der</strong> Vorrat des ewigen<br />

Füllhorns nicht nachkommt <strong>und</strong> mittlerweile <strong>die</strong> ungeflügeltesten Worte ungeniert<br />

ähnlich flügellose zitieren..." Holbein, S. 25.<br />

17 Auch technisch läßt sich das Dilemma nicht lösen: Zwar kann <strong>der</strong> Computer <strong>die</strong><br />

prozentualen Bildanteile <strong>der</strong> einzelnen Fotografen ausrechnen, aber wann stimmt <strong>der</strong><br />

Prozentwert schon mit <strong>der</strong> Bedeutung des Motivs überein?

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