Geistiges Eigentum und die Entwicklung der ... - Florian Felix Weyh
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524 <strong>Florian</strong> <strong>Felix</strong> <strong>Weyh</strong><br />
sammen. Kempowskis Vergehen, obwohl unzweideutig nachgewiesen, wurde vom<br />
Gros <strong>der</strong> Literaturwissenschaftler gedeckt, <strong>und</strong> <strong>der</strong> Ankläger Wieser sah sich<br />
gezwungen, ins wankende Gefüge <strong>der</strong> literarischen Bewertungen auszuweichen:<br />
Ob man, was Bert Brecht <strong>und</strong> Thomas Mann ohne Schaden für ihren Rang praktizierten,<br />
dem „kleinen Hochstapler" Kempowski wirklich zugestehen dürfe? Solche<br />
Vorwürfe sind zweischneidig. Als bekannt wurde, daß Wieser schon Jahre<br />
zuvor versucht hatte, <strong>die</strong> Story im „Spiegel" zu lancieren, dort aber <strong>die</strong> Brisanz<br />
des Falles richtiger eingeschätzt worden war, schrumpfte <strong>der</strong> Skandal zur kleinen<br />
Me<strong>die</strong>nfarce. Ein Irrtum wäre es freilich, dem Hamburger Nachrichtenmagazin<br />
<strong>die</strong> abgewogene Zurückhaltung stets zugute zu halten. Ein paar Jahre zuvor hatte<br />
das nämliche Magazin, ebenfalls unter Mitwirkung Wiesers, schwere Geschütze<br />
gegen Peter Schnei<strong>der</strong> aufgefahren, <strong>der</strong> in seiner Erzählung „Vati" unautorisierte<br />
Zitate einer Illustriertenserie verwendet hatte. Auch hier war es nicht schwer, den<br />
Sachverhalt im Textvergleich zu belegen, allein überzogen <strong>die</strong> Ankläger ihre Vorwürfe<br />
in Unkenntnis <strong>der</strong> Rechtslage: Schnei<strong>der</strong> hatte sich aus einer gemeinfreien<br />
Quelle be<strong>die</strong>nt.<br />
Mit Vorliebe suchen <strong>die</strong> Beteiligten eine öffentliche Plattform. So konnte <strong>die</strong><br />
interessierte Leserschaft kurz nach Weihnachten 1991 in <strong>der</strong> „Frankfurter R<strong>und</strong>schau"<br />
lesen:<br />
„Herr Konzelmann ist wirklich ein hoher Freudenspen<strong>der</strong>, denn da, wo er nicht abschreibt,<br />
schreibt er Stuß." 7<br />
Deutliche Worte aus dem M<strong>und</strong>e des Hamburger Orientalistikprofessors Gernot<br />
Rotter, <strong>der</strong> Gerhard Konzelmann - bis dato eine Ikone des öffentlich-rechtlichen<br />
Fernsehens - geistigen Diebstahl im gewaltigen Ausmaß vorwarf. Die Beweise<br />
hatten es in sich. Ganze Passagen, bis zu dreißig Prozent vom Gesamtumfang <strong>der</strong><br />
Konzelmann-Bücher, waren bei Rotter abgeschrieben, da es dem selbsternannten<br />
„Islam-Experten" <strong>der</strong> ARD offensichtlich an den nötigen Fremdsprachen- <strong>und</strong><br />
Sachkenntnissen mangelte. Kein Einzelfall im hartgesottenen News-Gewerbe. Immer<br />
seltener ist <strong>die</strong> eigene Recherche Gr<strong>und</strong>lage eines Artikels, immer häufiger<br />
ziehen Journalisten Datenbanken <strong>und</strong> Archive, Bibliotheken <strong>und</strong> Fachpublikationen<br />
als Quellen heran. Das „Übersetzen" von bereits vorhandener Fachinformation<br />
in konsumierbare Einheiten ist vor allem auf dem Sachbuchmarkt Usus geworden.<br />
Diese Autoren - Generalisten mit Talent zur Anschaulichkeit - bringen selten<br />
spezifisches Wissen mit, <strong>und</strong> da in populären Sachbüchern Quellenangaben nicht<br />
gerne gesehen sind, wan<strong>der</strong>n sie auf dem schmalen Grat zwischen erlaubtem<br />
Zitat, genehmigungspflichtiger Bearbeitung <strong>und</strong> verbotenem Abschreiben. Der<br />
Leser wird <strong>die</strong>s - außer bei süperben Fachkenntnissen - nicht feststellen können,<br />
denn er greift ja gerade zum sek<strong>und</strong>ären Material, um den sperrigen Quellenautor<br />
zu umgehen.<br />
7 FR vom 27.12.1991.