Geistiges Eigentum und die Entwicklung der ... - Florian Felix Weyh
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106 <strong>Florian</strong> <strong>Felix</strong> <strong>Weyh</strong><br />
1985 versucht <strong>der</strong> amerikanische Chemiekonzern DuPont daher, ein europäisches<br />
Patent zu erhalten; das amerikanische besitzt er bereits.<br />
In <strong>der</strong> Abfolge von Genehmigungen, Wi<strong>der</strong>rufen, Beschwerden <strong>und</strong> Protesten<br />
spiegeln sich <strong>die</strong> Grenzen juristischer Gegenstandsbildung wi<strong>der</strong>. Zunächst lehnte<br />
das zuständige Europäische Patentamt in München <strong>die</strong> Patentierung ab, da <strong>die</strong><br />
gültigen Abkommen Tiere vom Genehmigungsverfahren ausschlössen. Dagegen<br />
legte DuPont Beschwerde ein, wobei in zweiter Instanz das Problem <strong>der</strong> Sittenwidrigkeit<br />
in den Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> rückte. Die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Prüfungskammer kamen<br />
zu dem Schluß, menschliche Krebserkrankungen zu bekämpfen, sei ein gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
höheres Ziel als <strong>die</strong> Unversehrtheit von Mäusen. Den Patentgegnern hielten<br />
sie folgende Äußerung entgegen:<br />
„Ein Patent gibt kein positives Recht zur Benutzung <strong>der</strong> Erfindung, son<strong>der</strong>n lediglich <strong>die</strong><br />
Berechtigung, an<strong>der</strong>e für einen begrenzten Zeitraum von <strong>der</strong>en Benutzung auszuschließen.<br />
Es ist Sache des Gesetzgebers festzulegen, unter welchen Bedingungen ein bestimmtes<br />
technisches Wissen eingesetzt werden darf, das den Umgang mit gefährlichen Materialien<br />
einschließt." 20<br />
Ein bemerkenswertes Dokument <strong>der</strong> Exkulpation, das nach diversen technischen<br />
Großkatastrophen des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts wenig Hoffnung auf eine eigenständige<br />
Folgenabschätzung naturwissenschaftlicher Forschung aufkommen läßt. Nur folgerichtig<br />
hielt <strong>der</strong> gesellschaftliche Wi<strong>der</strong>stand an. Während <strong>die</strong> EG-Kommission<br />
<strong>die</strong> Patentierung befürwortete, verabschiedete das Europäische Parlament eine<br />
Resolution dagegen. Im Herbst 1992 erteilte das Patentamt das begehrte Siegel,<br />
doch bis zum Stichtag <strong>der</strong> Einspruchsfrist waren in München genügend Beschwerden<br />
eingegangen, um das Verfahren fortzusetzen. Das damit wie<strong>der</strong> ausgesetzte<br />
Patent geht allerdings über den Einzelfall weit hinaus. Es schützt nicht nur trartsgene<br />
Mäuse, son<strong>der</strong>n alle Tierarten, bei denen solche Manipulationen mit dem<br />
DuPont-Verfahren vorgenommen werden <strong>und</strong> bildet somit ein offenes Tor, durch<br />
das <strong>die</strong> neue Schöpfungslehre ins Patentrecht einmarschieren kann. 21<br />
2. Der Fall ist gravierend. Wie so häufig vollzieht sich <strong>die</strong> juristische Diskussion<br />
in einer kalten, zynischen, dem Konflikt abgewandten Sprache, <strong>die</strong> nach einer<br />
technischen Lösung sucht. So <strong>die</strong>nten Übersetzungsprobleme des mehrsprachigen<br />
Patentabkommens als Schlupfloch für <strong>die</strong> Befürworter. Zwischen den unscharf<br />
formulierten Begriffen „Tier", „Tierart" <strong>und</strong> „Tierrasse" fand sich genügend Spielraum,<br />
<strong>die</strong> transgene Maus als Erfindung durchzubringen. Abgesehen von <strong>der</strong><br />
gr<strong>und</strong>sätzlichen Fragwürdigkeit eines solchen Fortschritts, zeugt allein <strong>der</strong><br />
Wunsch nach dem Gen-Patent von <strong>der</strong> Monstrosität menschlichen Besitzdenkens.<br />
Es schadet nichts, <strong>die</strong> Schöpfungsanalogie an <strong>die</strong>ser Stelle weiterzuspinnen. Streng-<br />
20 Entscheidung <strong>der</strong> Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts vom 3. April 1992.<br />
21 Inzwischen zeichnet sich eine gigantische Fehlinvestition ab. Dem britischen Wissenschaftsblatt<br />
„New Scientist" zufolge hat DuPont kein einzige Krebsmaus-Lizenz verkauft<br />
<strong>und</strong> will in Zukunft ganz auf <strong>die</strong> Vermarktung transgener Tiere verzichten.