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RA 09/2020 - Entscheidung des Monats

Die Fälligkeit des Anspruchs auf Werklohn hängt von der Abnahme oder eines ihrer Surrogate ab. Der BGH befasst sich in dieser Entscheidung mit der Frage, ob die Fälligkeit auch dann eintritt, wenn der Anspruch des Bestellers auf Herstellung des Werkes verjährt ist.

Die Fälligkeit des Anspruchs auf Werklohn hängt von der Abnahme oder eines ihrer Surrogate ab. Der BGH befasst sich in dieser Entscheidung mit der Frage, ob die Fälligkeit auch dann eintritt, wenn der Anspruch des Bestellers auf Herstellung des Werkes verjährt ist.

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454 Zivilrecht <strong>RA</strong> <strong>09</strong>/<strong>2020</strong><br />

Problem: Keine Fälligkeit <strong>des</strong> Werklohns mit Verjährung<br />

<strong>des</strong> Erfüllungsanspruchs<br />

Einordnung: Werkvertragsrecht<br />

BGH, Urteil vom 28.05.<strong>2020</strong><br />

VII ZR 108/19<br />

LEITSATZ<br />

Die Verjährung <strong>des</strong> Anspruchs <strong>des</strong><br />

Bestellers auf Herstellung <strong>des</strong> versprochenen<br />

Werks führt nicht zur<br />

Fälligkeit <strong>des</strong> Werklohnanspruchs<br />

<strong>des</strong> Unternehmers.<br />

EINLEITUNG<br />

Die Fälligkeit <strong>des</strong> Anspruchs auf Werklohn hängt von der Abnahme oder<br />

eines ihrer Surrogate ab. Der BGH befasst sich in dieser <strong>Entscheidung</strong> mit der<br />

Frage, ob die Fälligkeit auch dann eintritt, wenn der Anspruch <strong>des</strong> Bestellers<br />

auf Herstellung <strong>des</strong> Werkes verjährt ist.<br />

SACHVERHALT<br />

B beauftragte K mit schriftlichem Vertrag vom <strong>09</strong>.07.2010 mit Umbaumaßnahmen<br />

zu einem Pauschalfestpreis von 315.126,05 € netto. Einbezogen waren<br />

die damals gültigen Vorschriften der VOB/B. Vereinbart wurde eine förmliche<br />

Abnahme. Nachdem K Arbeiten ausgeführt hatte, verlangte sie deren Abnahme.<br />

Dies lehnte B schriftlich ab und behauptete erhebliche offene Restarbeiten<br />

sowie zahlreiche Mängel. Am 22.05.2012 forderte B die K unter Vorlage eines<br />

Mängelprotokolls zur Mängelbeseitigung auf. Nach einem gemeinsamen<br />

Ortstermin beseitigte K einige Mängel. Am 23.05.2013 übersandte sie der B die<br />

Schlussrechnung mit der Auflistung, welche Mängel beseitigt worden seien.<br />

Nach Abzug geleisteter Abschlagszahlungen forderte K einen Restwerklohn<br />

von 117.248,53 € brutto. Diese Forderung weist B aufgrund einer eigenen,<br />

am 19.08.2013 übersandten, überprüften und gekürzten Schlussrechnung<br />

mit einem Mängelprotokoll ihres Privatgutachters vom 28.04.2013 zurück.<br />

Ihrerseits fordert sie von K Schadensersatz für von ihr durchgeführte Ersatzvornahmen<br />

und erklärt hilfsweise die Aufrechnung. K ihrerseits erhebt bezüglich<br />

dieser Ansprüche der B die Einrede der Verjährung und besteht auf Zahlung<br />

<strong>des</strong> restlichen Werklohns von 117.248,53 €. Zu Recht?<br />

LÖSUNG<br />

A. Anspruch K gegen B auf Zahlung <strong>des</strong> restlichen Werklohnes gem.<br />

§§ 631, 641 I BGB<br />

K könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung <strong>des</strong> restlichen Werklohnes aus<br />

einem Werkvertrag gem. §§ 631, 641 I BGB haben.<br />

I. Abschluss eines Werkvertrages<br />

Der hierfür erforderliche Werkvertrag wurde zwischen den Parteien unstreitig<br />

geschlossen.<br />

II. Fälligkeit <strong>des</strong> Werklohnanspruchs gem. § 641 I BGB<br />

Definition der Abnahme gem. § 640<br />

BGB<br />

1. Abnahme gem. § 640 BGB<br />

Fraglich ist aber, ob der Anspruch auch fällig ist. Gem. § 641 I BGB hängt die<br />

Fälligkeit von der Abnahme <strong>des</strong> Werkes gem. § 640 BGB, bzw. vom Eintritt der<br />

Voraussetzungen eines der Abnahmesurrogate in den §§ 640 II, 641 II, 646<br />

BGB ab. Unter Abnahme versteht man grundsätzlich die körperliche Entgegennahme<br />

<strong>des</strong> Werkes zuzüglich der Billigungserklärung <strong>des</strong> Bestellers, dass<br />

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<strong>RA</strong> <strong>09</strong>/<strong>2020</strong><br />

Zivilrecht<br />

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dieser das Werk als in der Hauptsache vertragsgemäß hergestellt anerkennt.<br />

An einer solchen Erklärung fehlt es hier aber.<br />

2. Abnahmesurrogat § 640 II BGB<br />

Der Abnahme steht es gleich, wenn der Besteller das Werk nicht fristgemäß<br />

gem. § 640 II BGB abnimmt. Hier hat K dem B keine solche Frist gesetzt.<br />

§ 640 II BGB<br />

3. Ausnahme vom Abnahmeerfordernis: Umwandlung in ein Abrechnungsverhätnis<br />

Schließlich kann die Abnahme auch entbehrlich sein, wenn sich der Vertrag in<br />

ein Abrechnungsverhältnis umgewandelt hat.<br />

[19] Nach der Rechtsprechung <strong>des</strong> BGH wird ein Werklohnanspruch unter<br />

bestimmten Voraussetzungen auch unabhängig von den gesetzlich ausdrücklich<br />

geregelten Fällen, insbesondere ohne Abnahme und trotz fehlender<br />

Abnahmepflicht fällig. Das ist etwa der Fall, wenn der Besteller nicht mehr Erfüllung<br />

<strong>des</strong> Vertrags, sondern Minderung oder Schadensersatz verlangt oder<br />

die Abnahme <strong>des</strong> Werks oder weitere Arbeiten <strong>des</strong> Unternehmers ernsthaft und<br />

endgültig ablehnt (…). In diesen Fällen besteht ein Abrechnungsverhältnis, was<br />

dadurch gekennzeichnet ist, dass der Unternehmer einen Vergütungsanspruch<br />

hat und dem Besteller allein auf Geldzahlung gerichtete Ansprüche wegen der<br />

unvollständigen oder mangelhaften Fertigstellung <strong>des</strong> Werks zustehen.<br />

Vorliegend hat B nie endgültig auf eine mangelfreie Fertigstellung <strong>des</strong> Werks<br />

verzichtet. Folglich liegen diese Ausnahmen nicht vor.<br />

4. Ausnahme vom Abnahmeerfordernis: Verjährung <strong>des</strong> Anspruchs auf<br />

Herstellung<br />

Fraglich ist, ob es neben den gesetzlichen Abnahmesurrogaten der §§ 640 II, 641 II<br />

BGB eine weitere Ausnahme geben soll, die darin besteht, dass der Vergütungsanspruch<br />

auch fällig wird, wenn der Anspruch auf Werkherstellung verjährt ist.<br />

[21] Zu Unrecht meint die Revision, diesen Fällen, in denen der Erfüllungsanspruch<br />

<strong>des</strong> Bestellers vor Herstellung <strong>des</strong> Werks entfalle, stehe bei verständiger<br />

Auslegung der §§ 215, 641 BGB Absatz 1 BGB der Fall gleich, dass der Erfüllungsanspruch<br />

verjährt sei und der Unternehmer den Verjährungseinwand<br />

erhoben habe; nach § 215 Absatz 1 BGB könne der Besteller diesen Anspruch<br />

dann nur noch einredeweise (§ 320 BGB) geltend machen, was aber voraussetze,<br />

dass der Werklohnanspruch auch ohne Abnahme fällig sei. Das trifft<br />

nicht zu. Der entscheidende Grund, der in den genannten Ausnahmen<br />

die Annahme der Fälligkeit <strong>des</strong> Werklohnanspruchs gebietet, liegt in<br />

einem solchen Fall nicht vor. Im Gegensatz zu den anerkannten Fällen<br />

eines Abrechnungsverhältnisses ist es dem Unternehmer hier rechtlich<br />

und tatsächlich möglich, den Anspruch <strong>des</strong> Bestellers (im Wesentlichen<br />

mangelfrei) zu erfüllen und damit selbst die Voraussetzungen für eine<br />

Pflicht <strong>des</strong> Bestellers zur Abnahme und damit letztlich die Fälligkeit<br />

seines Werklohnanspruchs herbeizuführen. Die begründete Erhebung<br />

der Einrede der Verjährung lässt einen Anspruch nicht untergehen, sondern<br />

hindert nur <strong>des</strong>sen Durchsetzung, § 214 Absatz 1 BGB. Der Anspruch bleibt<br />

erfüllbar. Eine Leistung kann abgenommen werden. Sie erfolgt mit Rechtsgrund<br />

und kann nicht zurückgefordert werden, § 214 Absatz II 1 BGB.<br />

[22] § 215 Absatz 1 BGB kann die Revision für ihre Ansicht nichts herleiten. Die<br />

Vorschrift, die auch auf die Einrede <strong>des</strong> nicht erfüllten Vertrags anwendbar ist<br />

Minderungserklärung § 638 BGB<br />

Verlangen von Schadensersatz statt<br />

der Leistung gem. § 281 IV BGB<br />

Zur endgültigen Abnahmeverweigerung:<br />

BGH, Urteil vom 08.11.2007,<br />

VII ZR 183/05 (Rn 29); zum Übergang<br />

in das Abrechnungsverhältnis: BGH,<br />

Urteil vom 19.01.2017, VII ZR 235/15<br />

(Rn 44 ff.)<br />

Ausnahme vom Abnahmeerfordernis<br />

bei Verjährung <strong>des</strong> Erfüllungsanspruchs<br />

und Erhebung der Einrede<br />

durch den Besteller?<br />

Unterschied <strong>des</strong> vorliegenden Falles<br />

zu den Fällen <strong>des</strong> Abrechnungsverhältnisses:<br />

Der Unternehmer kann<br />

den Anspruch <strong>des</strong> Bestellers erfüllen,<br />

der Besteller die Abnahme erklären.<br />

Aus § 215 BGB lässt sich keine Auswirkung<br />

der Verjährung <strong>des</strong> Herstellungsanspruchs<br />

auf den Vergütungsanspruch<br />

herleiten.<br />

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456 Zivilrecht <strong>RA</strong> <strong>09</strong>/<strong>2020</strong><br />

§ 215 BGB setzt ein Zurückbehaltungsrecht<br />

voraus. Die Norm<br />

begründet keins.<br />

Auf § 320 BGB kommt es wegen<br />

der Vorleistungspflicht <strong>des</strong> Unternehmers<br />

nicht an.<br />

Entscheidend: Der Unternehmer<br />

kann die Mängel beseitigen und<br />

damit die Fälligkeit herbeiführen.<br />

Weil die Verjährung die Abnahme<br />

nicht ersetzt, muss der Besteller<br />

keine Maßnahmen zur Verjährungshemmung<br />

ergreifen.<br />

(…), begründet kein Zurückbehaltungsrecht, sondern setzt ein solches voraus<br />

und regelt <strong>des</strong>sen Fortbestand bei Verjährung <strong>des</strong> Gegenanspruchs (…).<br />

Da der Unternehmer vorleistungspflichtig ist, bedarf es eines Leistungsverweigerungsrechts<br />

<strong>des</strong> Bestellers jedoch von vornherein nicht, um eine<br />

Vergütungsklage abzuwehren. Der Unternehmer kann seinen Werklohnanspruch<br />

nur bei Annahmeverzug <strong>des</strong> Bestellers und nur mit der Folge einer<br />

Verurteilung nach Empfang der Gegenleistung durchsetzen, § 322 Absatz 2<br />

BGB, § 215 Absatz 1 BGB kann nicht entnommen werden, dass eine Verjährung<br />

<strong>des</strong> Gegenanspruchs hieran zulasten <strong>des</strong> Bestellers etwas ändern würde.<br />

[23] Entgegen der von der Kl. in der Berufungsinstanz vertretenen<br />

Ansicht führt eine Verjährung <strong>des</strong> Erfüllungsanspruchs <strong>des</strong> Bestellers<br />

nicht dazu, dass dieser sich nicht auf wesentliche Mängel berufen kann<br />

und der Werklohnanspruch fällig wird. Anders als die Revision meint, muss<br />

der Besteller auch nicht, um diese Folge zu verhindern, seinen Erfüllungsanspruch<br />

mit der Erhebung einer Einrede nach § 320 BGB verfolgen (§ 242 BGB).<br />

[24] Es verstößt nicht gegen Treu und Glauben, wenn der Werklohnanspruch<br />

<strong>des</strong> Unternehmers in einer solchen Situation nicht fällig wird. Aus den<br />

unter II 2 bereits genannten Gründen kann der Unternehmer jederzeit<br />

die Fälligkeit herbeiführen, indem er die vorhandenen wesentlichen<br />

Mängel beseitigt. Es besteht keine Veranlassung, ihm dies nicht mehr zuzumuten,<br />

wenn er es über einen längeren Zeitraum unberechtigt unterlassen<br />

hat (…). Aus der Tatsache, dass der Besteller seinen Erfüllungsanspruch<br />

in dieser Zeit hat verjähren lassen, kann der Unternehmer im Hinblick<br />

auf seine Vergütung nichts zu seinen Gunsten ableiten. Der Besteller,<br />

der den Werklohn noch nicht (vollständig) gezahlt hat und der berechtigt<br />

eine Abnahme verweigert, ist nicht nach Treu und Glauben gehalten,<br />

Maßnahmen zur Verjährungshemmung zu ergreifen. Dies zeigt auch der<br />

Rechtsgedanke <strong>des</strong> § 215 Absatz 1 BGB; diese Vorschrift betrifft beiderseits<br />

fällige Ansprüche. Ihr liegt die Überlegung zugrunde, dass ein Schuldner,<br />

dem ein Gegenanspruch zusteht, kraft <strong>des</strong>sen er die Inanspruchnahme durch<br />

den Gläubiger erfolgreich abwehren kann, sich als hinreichend gesichert<br />

ansehen darf und durch die Verjährungsregeln nicht zur frühzeitigen<br />

Durchsetzung seiner Forderung im Wege der Aufrechnung oder Klageerhebung<br />

gedrängt werden soll (…). Das gilt ebenso und erst recht, wenn der<br />

Schuldner berechtigt die Abnahme verweigert und <strong>des</strong>halb zu Recht davon<br />

ausgehen kann, dass ein Werklohnanspruch nicht fällig werden kann.<br />

[25] Hierfür bedarf es keiner Einrede <strong>des</strong> Bestellers gem. § 320 BGB; er muss<br />

sich grundsätzlich nicht auf wesentliche Mängel „berufen“. Da es sich wie<br />

dargestellt nicht um einen Fall <strong>des</strong> § 215 Absatz 1 BGB handelt, reicht es<br />

aus, dass der Besteller die vom Unternehmer darzulegende und zu beweisende<br />

im Wesentlichen mangelfreie Herstellung <strong>des</strong> Werks in der gebotenen<br />

Weise bestreitet. Dies hat die Bekl. durchweg getan.<br />

Damit steht fest, dass der Anspruch der K noch nicht fällig ist.<br />

B. Ergebnis<br />

K hat gegen B keinen Anspruch auf Zahlung <strong>des</strong> Restlohnanspruchs aus<br />

§§ 631, 640 BGB.<br />

FAZIT<br />

Hat der Besteller eines Bauwerks die mangelfreie Herstellung zu Recht<br />

bestritten und die Abnahme verweigert, muss er auch nach Verjährung <strong>des</strong><br />

Herstellungsanspruchs den Werklohn nicht bezahlen.<br />

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