Ein und derselbe Futterautomat, im Winter ist er leer und im Sommer ist er voll - natürlich nur mit bestem Kraftfutter. Von dieser Methode halte ich nichts, denn wie „alle” wissen, muß es umgekehrt sein; das Wild muß vielseitig und mit der entsprechenden Anzahl an Futterstellen während der Notzeit (Spätherbst bis Frühjahr) versorgt werden. Wovon ich (und auch das Jagdgesetz) überhaupt nichts halte, ist eine ganzjährige Fütterung. „Sie soll es in Tirol angeblich auch geben!” Dieser Hochstand fiel Ende März der Motorsäge zum Opfer, obwohl er fast neu war. Am 1. April war ein neuer Jagdpächter gekommen. Passiert in einem Jagdrevier im vorderen Zillertal. 1/99 JAGD IN TIROL 22 ➜
Das Fuchspassen Das Fuchspassen im Winter, um Mitternacht, bei 20 Grad Kälte, ist ein Vergnügen, das nur selten von einem Jäger gepriesen wird. Einer aber lebt, dem das Fuchspassen über jedes andere Weidwerk geht. Dafür hat er seine guten Gründe. Mit Vornamen heißt er Wastl. Und wer dazu erfährt, daß er auch noch „Eibl” heißt, wird nicht vermuten, daß Italien sein Vaterland war. Und damals, vor etwa dreißig Jahren, als die Geschichte passierte, war er noch ein junger Forstgehilf mit ein paar Jahren über die Zwanzig, ein musterhafter Jäger, der nur den einen Fehler hatte, daß er bis über die Ohren in die hübsche Tochter seines Försters verliebt war. Nun soll zwar Liebe kein Verbrechen sein, aber für einen Jäger ist sie ein böses Ding. Liebe macht blind, und wer mit blinden Augen zielt, schießt manch eine Kugel daneben. Auch pflegt man nach schlummerlosen Sehnsuchtsnächten gerne die Morgenpirsch zu verschlafen. Da fand denn der gestrenge Förster Ursach über Ursach, ein Donnerwetter um das andre auf den geduldig verliebten Sünder niederzuschmettern. Der Grimm des Alten machte den armen Burschen völlig verzagt. Dazu quälte ihn noch der Zweifel seines Herzens! Hätte er nur wenigstens sicher gewußt, wie es um Nannerls Herz bestellt war! Wohl war sie freundlich gegen ihn. Aber freundlich war sie auch gegen die andern Gehilfen, gegen alle Leute! Freilich, auch in Nannerls Laune war nicht immer Sonnenschein - sie wäre sonst nicht die Tochter ihres Vaters gewesen - und wenn er’s genau erwog, so schien es ihm fast, als geriete sie über seine schüchternen Anspielungen viel mehr in Ärger und Schmollen, als über die derbsten Scherze seiner Kameraden. Und da war’s nun in einem Winter, grimmig und kalt. Ein rechter Unglückswinter für den Sebastian Eibl. Denn während die anderen Gehilfen schon ein Dutzend der schönsten Bälge geliefert hatten, war der Wastl noch immer auf der völlig aussichtslosen Jagd nach seinem ersten Fuchs. Dazu gesellte sich eine wahrhaft niederträchtige Katastrophe: Einer der Füchse, die bei dem strengen Winter ihre Raubzüge bis in das Dorf ausdehnten, trug aus dem Hühnerhof des Försters in einer Nacht den Hahn mitsamt drei Hennen davon. Am Morgen, als das Unheil vom Nannerl mit hellem Jammer entdeckt wurde, bekam Wastl, der gerade den Dienst im „Herzbezirk” des Reviers zu versehen hatte, vom Förster eine Predigt zu hören, daß ihm der Kopf brummte. An diese Predigt schloß sich die Drohung, wenn binnen drei Tagen der Fuchs nicht geliefert wäre, dann . . . und diese Drohung wirkte doppelt, weil sie dunkel blieb. Zerknirscht taumelte Wastl zur Türe hinaus und erhaschte draußen im Flur noch einen Blick aus Nannerls Augen. Was wohl darin so feucht und seltsam schimmerte? War es Mitleid mit seinem Unglück? Oder war’s nur der Kummer um den Hahn und die drei schönen Hennen? Wastl kam darüber nicht ins klare. Nur eines wußte er: Der Fuchs mußte her, um jeden Preis. In seiner Verzweiflung griff er zur „höheren Magie”, stahl dem Nachbar eine Katze, schmorte sie über gelindem Kohlenfeuer schön knusprig und benützte den Leckerbraten als Lockspeise für den Hennenmörder. Vor der Tür des Hühnerhofes, auf einer Bank, die im schwarzen Mondschatten des vorspringenden Hausdaches stand, setzte er sich auf die Lauer. Er paßte von sieben Uhr abends bis zum Morgengrauen. Aber der Fuchs erschien nicht. Natürlich: Der Gauner war satt; ein Hahn und drei Hennen füllen auch einen Fuchsmagen. Am nächsten Abend wiederholte Wastl die kalte Sache und paßte aber- mals die ganze Nacht hindurch - mit dem gleichen, trübseligen Erfolg. Blau geschwollene Ohren und halb erfrorene Finger, das war sein ganzer Gewinn; dazu eine Kälte im Leib, die er den ganzen Tag nicht aus den Gliedern brachte. Als er sich am dritten Abend wieder „zur Paß” auf das schattenschwarze Bankl setzte, war er nach der ersten Stunde schon so krumm gefroren, daß er am ganzen Körper zitterte und mit allen Zähnen klapperte. Nur noch im Herzen war’s ihm heiß - heißer, als ihm lieb war - und daran trug diese Bank die Schuld. Denn sie stand dicht unter einem kleinen Fenster, und drinnen in der Stube schlummert das runde, schmucke Nannerl behaglich im warmen Nest. Da war es nun freilich kein Wunder, daß Wastl, während er mit den Augen an der mondbeschienenen Zaunlücke hing, durch die der Fuchs erscheinen mußte, mit Herz und Ohren immer wieder hinauflauschte gegen das kleine Fenster. Und da schien es ihm, als hätte das Nannerl in dieser Nacht keinen sonderlich ruhigen Schlaf. Deutlich konnte er vernehmen, wie sich die Schlummernde schwer von einer Seite auf die and’re warf. Und manchmal hörte er einen brunnentiefen Seufzer. Stunde um Stunde verging, noch immer wollte der Fuchs nicht kommen, und grimmiger wurde die Kälte. Wastl konnte vor Erstarrung kaum mehr einen Finger rühren. Nun hatte die Kirchturmglocke die erste Morgenstunde geschlagen. Da rührte sich etwas im Stübchen. Und ehe er sich dieses merkwürdige Geräusch noch deuten konnte, klirrte ganz leis das kleine Fenster. „Wastl?” „Maria und Josef -” stammelte der Ausgefrorene heiß erschrocken und richtete sich mühsam auf. Kaum eine Armeslänge über ihm befand sich das Fenster. „Nannerl? Du?” Erst ein tiefer Seufzer und dann die 23 JAGD IN TIROL ➜ 1/99