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- 20 -<br />
Morgens rasieren – abends amputieren<br />
Der Feldscher<br />
war ein<br />
Handwerksberuf<br />
Die mittelalterlichen Lager in der<br />
Werkhausgasse – etwas am<br />
Rande des Festgeschehens – liegen<br />
am Samstagnachmittag in<br />
entspannter Ruhe. Am Dreifuß köchelt<br />
eine Gemüsesuppe über offenem<br />
Feuer vor sich hin, einige<br />
Gewandete dösen in der Sonne,<br />
erholen sich von den Strapazen<br />
der vergangenen Nacht, <strong>Besuch</strong>er<br />
schlendern durch die Gassen und<br />
bestaunen die vielfältigen Details<br />
der Ausrüstung. Plötzlich bricht<br />
Hektik aus, Schmerzensgeschrei<br />
erfüllt die Luft, Menschen rennen<br />
durcheinander, rufen nach dem<br />
Feldscher. Vor dem Lager des<br />
Feldschers teilt sich die Menschenmenge<br />
und eine Trage mit einem<br />
Verwundeten wird herbeigeschleppt.<br />
Dieser hatte bei einer<br />
Auseinandersetzung offenbar einen<br />
Schuss in den Bauch bekommen.<br />
Eilig wird der Verwundete <strong>auf</strong><br />
Peter-und-Paul-Fest<br />
einen Tisch gebettet und die blutende<br />
Wunde freigelegt. Gehilfen<br />
halten den Wimmernden fest,<br />
schieben ihm einen Beißkeil zwischen<br />
die Zähne. Der Feldscher<br />
führt ein silbernes Rohr und einen<br />
Haken in den Einschusskanal in<br />
Richtung Kugel. Vorsichtig tastend<br />
arbeitet er sich vor, bis er endlich<br />
Rohr, Haken und Kugel wieder heraus<br />
zieht. Der Verwundete stöhnt<br />
verhalten bis er plötzlich animalisch<br />
losbrüllt und schließlich das<br />
Bewusstsein verliert. Ein Gehilfe<br />
hat mit einem glühenden Eisen die<br />
Wunde ausgebrannt. Dampf steigt<br />
<strong>auf</strong>, der Geruch verbrannten Fleisches<br />
liegt in der Luft. Heilkundige<br />
Kräuterweiber eilen herbei und behandeln<br />
die Wunde mit Salbe.<br />
Die Zuschauer, die, im Verl<strong>auf</strong><br />
der Vorstellung vom Spektakel<br />
angelockt, immer zahlreicher<br />
wurden, lösen sich endlich aus<br />
ihrer Schockstarre und beginnen<br />
zu applaudieren. Der Verwundete<br />
erhebt sich und verbeugt sich gemeinsam<br />
mit seinen Rettern.<br />
Wunden aller Art<br />
werden behandelt<br />
Die Gruppe „Der Feldscher“ hat<br />
es sich zur Aufgabe gemacht,<br />
beim Peter-und-Paul-Fest Wundbehandlungen<br />
aller Art zur Zeit<br />
des ausgehenden Mittelalters darzustellen.<br />
Zu ihrem Repertoire gehören<br />
die zu jener Zeit üblichen<br />
Verwundungen wie Schnittverletzungen<br />
von Messer oder Schwert,<br />
Pfeilwunden im Allerwertesten,<br />
Knochenbrüche oder Fußquetschungen<br />
nach einer Überfahrt mit<br />
dem eisenbeschlagenen Wagenrad.<br />
Besonderen Wert legen die<br />
Gruppenmitglieder <strong>auf</strong> eine mög-<br />
lichst realistische Darstellung und<br />
<strong>auf</strong> die Verwendung von Naturprodukten,<br />
wie Saublase, Schweinehaut<br />
oder K<strong>uns</strong>tblut aus eigener<br />
Herstellung beim Schminken („da<br />
diese beim Ausbrennen nicht so<br />
stinken“).<br />
19 Erwachsene und sieben Kinder,<br />
meist ganze Familien, haben<br />
sich ihr Wissen weitgehend autodidaktisch<br />
angeeignet und sind<br />
stets noch am Verfeinern. Während<br />
die Männer den Feldscher<br />
und seine Gehilfen geben, treten<br />
die Frauen als heilkundige Kräuterweiber<br />
<strong>auf</strong>, die sich in der Tradition<br />
der Hildegard von Bingen <strong>auf</strong><br />
die <strong>Wir</strong>kung von Heilkräutern und<br />
Edelsteinen verstehen. Im Hintergrund<br />
fungieren die Schminkmeister,<br />
die die Verwundeten effektvoll<br />
präparieren und natürlich die Darsteller<br />
der Verletzten, die über einiges<br />
schauspielerisches Talent<br />
Der Stand von Volker Thieme ist beliebt<br />
Nach dem Ausbrennen der Wunde<br />
reicht eines der Kräuterweiber<br />
eine heilende Salbe für den Wundverband.<br />
Foto: fz<br />
verfügen sollten. Die Feldscher<br />
des Mittelalters waren Teil der<br />
Landsknechtfähnlein und erhielten<br />
regulären Sold. Sie entwickelten<br />
sich aus dem Beruf des Barbiers<br />
und waren deshalb auch zum Rasieren<br />
der Offi ziere verpfl ichtet.<br />
Die Lehrzeit dauerte drei Jahre –<br />
Lesen und Schreiben war nicht<br />
unbedingt gefordert.<br />
Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts<br />
wurde planmäßig versucht,<br />
die Feldscher vom Barbierstand<br />
zu trennen und ihre Ausbildung<br />
zu verbessern. Bis dahin hing<br />
das Leben der Verwundeten oftmals<br />
von Zufällen ab und meist am<br />
sprichwörtlich seidenen Faden. fz<br />
Laternen und Sonnenuhren<br />
Wer <strong>auf</strong> dem Peter-und-Paul-<br />
Fest eine neue Uhr sucht, der<br />
wird am Stand von Volker Thieme<br />
sicherlich fündig. Denn er verk<strong>auf</strong>t<br />
neben handgefertigten Laternen<br />
und der Rose von Jericho auch<br />
tragbare Sonnenuhren. Es ist ganz<br />
einfach: „Den Schiebering drehen,<br />
bis das Loch den l<strong>auf</strong>enden Monat<br />
anzeigt, dann die Uhrseite mit dem<br />
kleinen Loch in die Sonnenrichtung<br />
hängen. Nun erscheint ein scharfer<br />
Lichtpunkt <strong>auf</strong> der Zeitskala im<br />
Inneren des Ringes, der die wahre<br />
Ortszeit anzeigt. Die Morgenstunden<br />
links, die Nachmittagsstunden<br />
rechts“, erklärt Volker Thieme den<br />
K<strong>auf</strong>i nteressenten.<br />
Auch seine Laternen er<strong>freuen</strong><br />
sich stets großer Beliebtheit. Aus<br />
Fichten- und Tannenholz gefertigt,<br />
sind sie mit schmiedeeisernem<br />
Blech versehen und als Scharniere<br />
dienen maßgeschnittene Lederstücke.<br />
Und auch hier hat er einen<br />
guten Tipp: „Bemesset die Höhe<br />
des Kerzenstumpfen nit höher als<br />
die hälftige Laternenhöhe. Und betreibet<br />
das Laternlein nit längere<br />
Zeit ohne Aufsicht“, rät er seinen<br />
Kunden.<br />
Ein weiterer Blickfang an seinem<br />
Stand gegenüber des Schäferlagers<br />
am Rathaus ist die Rose<br />
von Jericho. Mit Wasser übergossen<br />
entfaltet sich das vertrocknete<br />
Grün zu einem <strong>auf</strong>geblühten, grünen<br />
Gewächs voller Geheimnisse.<br />
Höchstens eine Woche darf die<br />
Christrose nass liegen, dann muss<br />
sie mindestens zwei Tage trocken<br />
liegen, bevor sie sich wieder neu<br />
entfalten kann. „Vor allem als Geschenkhülle<br />
für Schmuckstücke ist<br />
die Pfl anze begehrt“, erklärt der<br />
K<strong>auf</strong>mann. Volker Thieme jedoch<br />
verk<strong>auf</strong>t nicht nur so allerlei Nützliches,<br />
er demonstriert an seinem<br />
Volker Thiemes Laternen sind sehr<br />
begehrt. Foto: wen<br />
Stand auch, wie die hölzernen Laternen<br />
nach Mittelaltermanier gefertigt<br />
werden. wen