Gesund und schön wohnen In jeder Lebenslage - Jäger Medienverlag
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<strong>und</strong> das lauteste Geräusch das Summen der<br />
<strong>In</strong>sekten ist, vom Geklapper der Störche<br />
einmal abgesehen?<br />
Und wenn man abends in seinem noch sonnenwarmen<br />
<strong>In</strong>nenhof zum Himmel blickt,<br />
erlebt man einen Sternenhimmel von ungewöhnlicher<br />
Fülle. Ein Vorzug der <strong>In</strong>dustrieferne<br />
<strong>und</strong> damit auch die ideale Gegend für<br />
einen Tourismus, der gerade solche Landschaften<br />
sucht<br />
Es gibt natürlich einen Bürgermeister <strong>und</strong><br />
einen Stadtrat in Werben, wie in <strong>jeder</strong><br />
Stadt. Doch diese Leute haben die seltsame<br />
Schönheit ihrer alten Stadt offenbar noch<br />
gar nicht wahrgenommen, schon gar nicht<br />
begriffen, was man damit beginnen könnte<br />
<strong>und</strong> <strong>wohnen</strong> oft nicht in der Altstadt. Das<br />
war in Lüneburg ja genauso, als ich vor<br />
vielen Jahren meine Rettungsarbeit dort<br />
begann. Die Ratsherren schwangen große<br />
Reden <strong>und</strong> hatten ein altes Haus kaum<br />
von innen gesehen. Die kulturellen Dimensionen,<br />
die mit einer solchen geschichtlich<br />
bedeutsamen Stadt berührt werden, hatten<br />
offenbar nur sehr Wenige in diesem<br />
Gremium verstanden.<br />
Während also in Lüneburg der Kommerz<br />
nach wie vor die kostbaren alten Gemäuer<br />
durch Veränderungen zerstört, ist dieser<br />
in Werben eine unbekannte Erscheinung.<br />
Hier fehlen vielfach die finanziellen Mittel<br />
<strong>und</strong> wenn sie vorhanden sind, das Gespür<br />
für Einfügung <strong>und</strong> die Notwendigkeit des<br />
Denkmalschutzes.<br />
Das liegt vor allem an der personellen<br />
Schwäche des Denkmalschutzes <strong>und</strong> wohl<br />
auch am fehlenden Engagement. Die Bauantragsformulare<br />
erheben Forderungen,<br />
die den Denkmalschützer regelrecht begeistern.<br />
Doch wenn man durch die Straßen<br />
geht, sieht man so viele Baumarktprodukte<br />
<strong>und</strong> so wenig Originalität, als ob diese kleine<br />
Stadt ständig an dem wichtigen Ast sägt,<br />
den sie eigentlich zu ihrer Rettung benötigt.<br />
Es gibt zwar eine Ortsatzung, doch niemand<br />
kümmert sich darum. Und es gibt einen<br />
Bürgermeister, der zwar ein fre<strong>und</strong>licher<br />
Zeitgenosse ist, aber, ebenso wie vorangegangene<br />
Bürgermeister <strong>und</strong> Stadträte, die<br />
Gestaltungsspielräume nicht ausreichend<br />
nutzt. Zudem fehlen Vorstellungen über die<br />
gestaltbare Zukunft von Werben, so dass<br />
man nach innen <strong>und</strong> außen schnell ins Jammern<br />
verfällt <strong>und</strong> mehr Negatives als Positives<br />
sieht – eine schlechte Basis, um dringend<br />
benötigte Neubürger zu gewinnen.<br />
Stattdessen erhofft man sich durch eine<br />
Brücke <strong>und</strong> eine bessere Straßenanbindung<br />
Arbeitsplätze in der <strong>In</strong>dustrie, die fraglich<br />
sein dürften. Der Preis wäre der Verlust<br />
der oben beschriebenen echten Besonderheiten<br />
<strong>und</strong> der Verlust an Lebensqualität.<br />
Was tut man in einer solchen kleinen Hansestadt,<br />
die aber vielmehr wie eine Biedermeierstadt<br />
aussieht <strong>und</strong> in der die Häuser<br />
soviel kosten wie in Lüneburgs westlicher<br />
Altstadt in den 60ger Jahren? Man kauft<br />
ein Haus wegen der alten originalen Fenster,<br />
auch wenn der Dachstuhl einzustürzen<br />
droht, <strong>und</strong> gründet alsbald, eine Bürgerinitiative.<br />
Dann bekämpft man die grüne Hölle<br />
im Hof, denn der ewige Leerstand <strong>und</strong> der<br />
fruchtbare Boden haben einen Hol<strong>und</strong>erdschungel<br />
entstehen lassen. Dann entwickelt<br />
man gemeinsam mit der gleichfalls fachk<strong>und</strong>igen<br />
Partnerin ein Entwicklungsgutachten<br />
für die Stadt (natürlich kostenlos)<br />
<strong>und</strong> beginnt mit der Planung eines ambitionierten<br />
Biedermeiermarktes, der Touristen<br />
herholen soll.<br />
Während man den Nachbarn erklärt, dass<br />
die alten Fenster keineswegs ersetzt werden,<br />
weil sie noch mit uraltem Glas versehen<br />
<strong>und</strong> viel <strong>schön</strong>er als alle neuen sind, meint<br />
ein anderer, dass ihnen ja keiner gesagt hat,<br />
dass das <strong>schön</strong> ist. Und sie hätten ja auch so<br />
eine olle Tür wie ich gehabt, doch dann hätten<br />
sie die Kunststofftür bekommen <strong>und</strong><br />
die alte in den Garten gestellt, dort wäre sie<br />
aber zerfallen.<br />
Eine andere Familie, natürlich nicht nur sie,<br />
hat ihr <strong>schön</strong>es Fachwerkhaus von einer<br />
„Fachfirma“ aus dem Westen dämmen lassen.<br />
Fenster, Schlagläden <strong>und</strong> ein <strong>schön</strong>es<br />
altes Tor wurden beseitigt <strong>und</strong> Styroporplatten<br />
an die Fassade geklebt. Das Ganze<br />
wurde mit schmalen Brettchen <strong>und</strong> Kunststoffriemchen<br />
als Pseudofachwerk dargestellt,<br />
ein entsprechendes Brettchentor<br />
<strong>und</strong> scheußliche Fenster eingebaut <strong>und</strong><br />
schon waren 44.000 DM fällig. Dabei waren<br />
drei Seiten ungedämmt. Natürlich flossen<br />
staatliche Zuschüsse in solche Gaunerstückchen,<br />
<strong>und</strong> die armen Opfer dachten immer<br />
sie hätten einen Vollwärmeschutz.<br />
<strong>In</strong>zwischen hat eine ganze Reihe von Biedermeier-Märkten<br />
stattgef<strong>und</strong>en, die Besucherzahlen<br />
haben sich vervielfacht. Die<br />
Gäste kommen von weither, denn so etwas<br />
findet man im übrigen Deutschland ja kaum.<br />
Als <strong>In</strong>itiator der Alten Handwerkerstraße<br />
<strong>und</strong> des Christmarktes in Lüneburg hatte<br />
ich viel Erfahrung gesammelt. Selbst die<br />
Stadt Lüneburg hat für ihre Sülfmeistertage<br />
beim ALA (Arbeitskreis Lüneburger<br />
Altstadt e.V.) heftig abgekupfert, bis auf<br />
die Authentizität, die hat sie durch ein albernes<br />
Sportfest verloren, da helfen die<br />
feierlichen Ratsherren in ihren ALA-Roben<br />
auch nicht mehr.<br />
<strong>In</strong> Werben ist unser Haus inzwischen das<br />
Schönste der Straße. Es ist zwar noch nicht<br />
ganz fertig, aber schon sehr gut bewohnbar.<br />
Weitere Häuser sind schon in Arbeit,<br />
<strong>und</strong> wenn ich sie betreue, werden sie sicher<br />
auch sehr <strong>schön</strong>, sagt man. Und nun sollten<br />
Sie, liebe Leser, dringend Werben besuchen,<br />
nach Möglichkeit ein altes, sehr preiswertes<br />
Haus kaufen, sich dort wohlfühlen, nach der<br />
Restaurierung natürlich jung bleiben <strong>und</strong><br />
sich an der heilen Elblandschaft erfreuen.<br />
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