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Fotos © Nico Mühl<br />
Wenn es um Luigi geht, passt Erik sofort Mimik und Gestik der Figur an. Sobald er von der Arbeit nach Hause kommt, begrüßt er sein Huhn, das er Corona nennt<br />
erzählt, hört Erik aufmerksam<br />
zu. Sein Blick ist gesenkt und<br />
seine Hände mit den schmalen<br />
langen Fingern hat er unter<br />
seine Oberschenkel geschoben.<br />
Je mehr Zeit vergeht, umso<br />
ruhiger wird er und umso mehr<br />
nimmt er am Gespräch teil. Bei<br />
seinem Lieblingsthema strahlt<br />
er: Super Mario.<br />
Die Identifizierung mit dem<br />
dünnen, beweglichen Bruder<br />
von Mario, der bekanntesten<br />
Videospiel-Figur von Nintendo,<br />
hat vor einigen Jahren begonnen.<br />
Erik taucht gern in die<br />
Figur des Luigi ein. Für ihn ist<br />
das mehr als ein Faible.<br />
Rituale geben Sicherheit<br />
Wenn Erik von der Arbeit nach<br />
Hause kommt, beginnt die<br />
optische Verwandlung. Blaue<br />
Hose, Hosenträger, grüne<br />
Kappe mit einem großen „L“<br />
darauf. Das ist die Kleidung,<br />
in der er sich wohlfühlt. Doch<br />
alles läuft nach einem strikten<br />
Ritual ab. „Zuerst begrüße ich<br />
meinen Hund, dann meine<br />
Henne. Danach muss ich<br />
sofort duschen“, erzählt Erik.<br />
Ohne diese Abfolge kann er<br />
sich nicht an den Tisch zum<br />
Essen setzen. „Weil sonst der<br />
Sessel verseucht ist“, sagt er.<br />
Sie arbeiten gerne<br />
mit alten Menschen?<br />
-lich willkommen im<br />
Diakoniezentrum<br />
Oberwart<br />
Erik weiß, dass er „anders“ ist.<br />
Er fühle sich auch so. Verspielt<br />
sei er, sagt er von sich. „Ich<br />
habe gemerkt, dass ich meine<br />
Persönlichkeit nicht geändert<br />
habe, seit ich ein Kind bin“,<br />
fügt er nach einer kurzen Pause<br />
hinzu. Aber seine Freunde<br />
akzeptieren das, sagt er. Wenn<br />
er versehentlich mit dem<br />
Namen seiner Lieblings-Comic-Figur<br />
angesprochen wird,<br />
strahlt er. „Du kannst mich<br />
weiterhin ruhig Luigi nennen“,<br />
sagt er dann.<br />
Laut Diagnoserichtlinien zeigen<br />
Asperger Autisten deutlich<br />
weniger Gestik und Mimik als<br />
andere Menschen. Nicht Erik.<br />
Wenn er von seinem Alter Ego<br />
redet, richtet er sich auf und<br />
hält dem Blick seines Gegenübers<br />
stand. Er lächelt dabei.<br />
Mehr als das. Eriks Körpersprache<br />
und sein Gesichtsausdruck<br />
sind enorm ausgeprägt.<br />
Sein Humor ist staubtrocken.<br />
Über sich selbst lacht er viel<br />
und gerne. Und über seine<br />
Mutter. Eriks trockene Kommentare,<br />
über die beide dann<br />
schmunzeln, zeigt, wie nah und<br />
eingespielt ihre Beziehung ist.<br />
Dass Asperger Autisten Ironie<br />
und Sarkasmus nicht verstehen,<br />
trifft auf Erik nicht zu.<br />
Im Gegenteil. Humor schätzt<br />
er auch an der Figur des Luigi.<br />
„Er ist witzig – und er hat<br />
einen tollen Bart“, sagt Erik.<br />
Dass sein eigener gut sitzt, ist<br />
ihm wichtig. Dafür inverstiert<br />
er am Tag etwa eine Stunde.<br />
Stärken nutzen<br />
Wie empathisch Erik ist und<br />
wie sehr er die Gestik anderer<br />
Menschen interpretieren kann,<br />
zeigt Erik in seinen Zeichnungen.<br />
„Comic-Strips“, sagt<br />
Gabriele Nachtmann, und<br />
blickt dabei mit einem Lächeln<br />
auf ihren Sohn. „Für mich ist<br />
es immer wieder erstaunlich,<br />
wie sehr er hier die Gestik der<br />
Figuren zum Ausdruck bringt,<br />
wo Menschen mit Asperger<br />
ja angeblich die Gestik und<br />
Mimik anderer nicht deuten<br />
können“, sagt sie. Nicht einmal<br />
Sprechblasen seien notwendig,<br />
um die Geschichten, die er<br />
zeichnet, zu verstehen. Ein Beweis<br />
dafür, dass man nicht alle<br />
Menschen mit Asperger über<br />
einen Kamm scheren könne,<br />
betont sie. Jeder Mensch sei<br />
eben einzigartig und besonders.<br />
Glücklich wäre Sie sie, arbeiten wenn gerne diese<br />
Begabung weiterhin mit alten Menschen? forciert<br />
werden könnte. -lich Doch willkommen dabei im<br />
Diakoniezentrum<br />
stehe sich Erik selbst Oberwart im Weg.<br />
„Er zeichnet nur wann er will<br />
und was er will“, sagt sie. Alles<br />
andere ist für ihn wieder zu<br />
viel Druck.<br />
Bei Vamos ist er gerne. Vamos<br />
gehört zu seiner Routine.<br />
Den Wunsch, dass er jemals<br />
einen Beruf erlernen und<br />
einer Arbeit nachgehen kann,<br />
30 OKTOBER <strong>2020</strong><br />
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