NFV _02_2010 - Rot Weiss Damme
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Portrait<br />
7<br />
Stefan Wessels. Foto: Schön<br />
den vorherigen Klubs passt der<br />
VfL Osnabrück sicher nicht in die<br />
Reihe. Der Wechsel war eine bewusste<br />
Entscheidung in Richtung<br />
Heimat. Wir wollten uns in Osnabrück<br />
etwas aufbauen“, beteuert<br />
Wessels, der ohne den eitlen<br />
Gestus so vieler Fußballprofis daherkommt.<br />
Schon als Jugendlicher sei er<br />
oft aus Schepsdorf zum VfL nach<br />
Osnabrück gefahren und habe die<br />
„tolle Atmosphäre an der Bremer<br />
Brücke“ genossen. Ab dem 24.<br />
Spieltag setzte Trainer Claus-Dieter<br />
Wollitz den Torwart jedoch auf<br />
die Bank. „Viele Beobachter<br />
konnten das wegen meiner guten<br />
Leistungen nicht nachvollziehen.<br />
Bis heute habe ich keinen plausiblen<br />
Grund für die Entscheidung<br />
von Wollitz gehört. Er sagte nur<br />
etwas von ‚einem Bauchgefühl’.“<br />
Nach dem Abstieg machte der<br />
Trainer einen Torwart zum Sündenbock,<br />
den er in den letzten<br />
drei Monaten gar nicht zum Einsatz<br />
kommen ließ.<br />
Anders als so mancher Leitwolf<br />
im Team hat Wessels nicht<br />
an den internen Pokerrunden teilgenommen.<br />
„Sie haben mich<br />
schon gefragt, ob ich mitmachen<br />
wolle. Ich spiele aber nicht um<br />
Geld.“ Im Mannschaftsbus drosch<br />
Wessels mit einigen Mannschaftskollegen<br />
brav Skat. Der Einsatz:<br />
Von AXEL ROTHKEHL<br />
Einladungen zum Frühstück und Putzen<br />
An die Ausdrucksweise der Schweizer<br />
Journalisten hat sich Stefan Wessels<br />
gewöhnt. Einen Eckball beschreiben<br />
von Fußballschuhen. Andere Mitspieler<br />
waren Stammkunden in Wettbüros. Ihnen<br />
wurde sogar vorgeworfen, Spiele gegen<br />
den VfL Osnabrück manipuliert zu haben.<br />
sie als „Corner“ und als Torwart ist er der „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie im<br />
„Goalie“. Im Oktober wechselte der Lin- Stadion absichtlich verloren haben“, sagt<br />
gener zum FC Basel. Seinen Einsatz in der Wessels. Einzelne hätten auf den Ausgang<br />
Europa League gegen den AS Rom kom- der Spiele keinen großen Einfluss. So ein<br />
mentierte die „Basler Zeitung“ eupho- Verhalten sei aber verantwortungslos.<br />
risch: „Wessels rettet mirakulös gegen „Gegenüber dem Verein, der Mannschaft<br />
Totti.“ Beinahe hätte er noch einen Elfme- und den treuen Fans des VfL“, betont der<br />
ter des Weltmeisters gehalten. „Ich war Ex-Torwart des Vereins.<br />
mit den Fingerspitzen dran.“ Die Fans<br />
Nicht nur aufgrund der Verbannung<br />
wählten ihn trotz der Niederlage zum auf die Ersatzbank durch Wollitz hatte<br />
„Spieler des Spiels“.<br />
Wessels Probleme, einen neuen Verein zu<br />
Der gute Einstand beim Schweizer finden. Auf dem Transfermarkt gab es im<br />
Klub sei das „versöhnliche Ende des Jah- Sommer für Torhüter kaum Angebote.<br />
res“ gewesen. Für Wessels, der seine Kar- Wessels hielt sich im Camp der „Vereiniriere<br />
als Kind bei Eintracht Schepsdorf in gung der Vertragsfußballer“ (VdV) und<br />
Lingen begann, wurde die letzte Station bei Hannover 96 fit. Unter Trainer An-<br />
beim VfL Osnabrück mit dem Abstieg aus dreas Bergmann hat Wessels einst in der<br />
der 2. Liga zur wohl größten Enttäu- Niedersachsenauswahl gespielt. So auch<br />
schung seiner Laufbahn. Dass Wessels, beim legendären Sichtungsturnier in Duis-<br />
der mit dem FC Bayern die Champions burg, als er im <strong>NFV</strong>-Trikot für die Natio-<br />
League gewonnen hatte und drei Mal nalmannschaft entdeckt wurde.<br />
Deutscher Meister wurde, zur Saison<br />
Wessels Berater Jörg Neblung, der<br />
2008/2009 nach Osnabrück wechselte, auch Robert Enke betreute, stellte im<br />
war überraschend. Hatte er keine Angst, Herbst den Kontakt zum FC Basel her.<br />
hinter einer schwachen Abwehr seinen Nach der Hinrunde lag der Schweizer Erst-<br />
guten Ruf zu verlieren? „Im Vergleich zu ligist auf dem zweiten Platz. „Unser Ziel<br />
Februar <strong>2010</strong><br />
Stefan Wessels ist jetzt<br />
„Goalie“ beim FC Basel<br />
Ehemaliger Torwart des VfL Osnabrück seit Herbst 2009 in der Schweiz<br />
ist die Qualifikation für die Champions<br />
League.“ Stars im Team sind die Stürmer<br />
Alexander Frei und Marco Streller. Trainer<br />
ist Thorsten Fink, den Wessels noch aus<br />
München kannte.<br />
Im Spitzenspiel gegen die Young Boys<br />
Bern musste Wessels auf Kunstrasen ran<br />
und hielt einen Elfmeter. Drei Spiele durfte<br />
der als Vertreter für den verletzten<br />
Stammtorhüter geholte Wessels zuletzt<br />
absolvieren. „Basel war die richtige Entscheidung<br />
und hat den sportlichen Reiz<br />
früherer Klubs“, so der 30-Jährige.<br />
Privat fühle er sich in Osnabrück<br />
weiterhin sehr wohl. Das Haus bewohnt<br />
Wessels mit Frau und Kind noch immer.<br />
Bruder Martin, der zuletzt für den ehemaligen<br />
Präsidenten des Europaparlaments,<br />
Hans-Gert Pöttering, in Brüssel<br />
arbeitete, ist für die Homepage<br />
www.stefanwessels.com verantwortlich.<br />
Martin Wessels reiste dem prominenten<br />
Bruder zuletzt per Nachtzug bis Rom<br />
hinterher. Für das Bruderpaar war das<br />
ein bisschen wie damals bei den zehn<br />
Einsätzen für den FC Bayern in der<br />
Champions League.<br />
Am 12. Januar traf Stefan Wessels<br />
beim Freundschaftsspiel im St. Jakobs<br />
Park alte Bekannte. Gegen den FC Bayern<br />
hielt er bis zur Schlussviertelstunde den<br />
Kasten sauber und hatte im Anschluss mit<br />
Bastian Schweinsteiger viel zu lachen.<br />
Nicht nur die Abkürzung „FCB“ haben<br />
die Baseler mit den Münchenern gemeinsam.<br />
Der FC Basel ist zuweilen auch ein<br />
bisschen „FC Hollywood“. Dafür sorgt die<br />
mondäne Präsidentin Gigi Oeri, die nach<br />
großen Siegen schon mal kostümiert zu<br />
ihren Fußballern in den Whirlpool springt.<br />
Zur Person<br />
S tefan Wessels wird am 28. Februar<br />
1979 in Rahden (NRW) geboren. Er<br />
wächst im Emsland auf und tritt dem<br />
SV Eintracht Schepsdorf bei. Später<br />
wechselt er zum TuS Lingen und wird<br />
vom FC Bayern München entdeckt. In<br />
München bewährt sich Wessels von<br />
1999 bis 2003 in Bundesliga und Europapokal<br />
als Stellvertreter von Oliver<br />
Kahn. Er gewinnt je ein Mal Weltpokal<br />
und Champions League, wird drei<br />
Mal Deutscher Meister, holt zwei Mal<br />
den DFB-Pokal. In dieser Zeit nimmt<br />
Stefan Wessels auch an der U 20-WM<br />
in Nigeria teil. 2003 wechselt er zum<br />
1. FC Köln. Nach vier Spielzeiten tritt<br />
er in der Premier League für den FC<br />
Everton an. Von 2008 bis 2009<br />
schloss er sich dem VfL Osnabrück an.<br />
Im Herbst unterschrieb er einen Vertrag<br />
beim FC Basel. Stefan Wessels ist<br />
mit der Volljuristin Ivka verheiratet.<br />
Sohn Felix ist zwei Jahre alt.