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Wirf dann noch einmal einen Blick auf den Mechaniker im Hintergrund, der mit seinen öligen Fingern und hochwertigem, speziellen Werkzeug versucht, die fast zu Tode getretenen Drahtesel in ein neues Leben zu versetzen. So oder so ähnlich schaut dein Laden aus, in dem du mit Einsetzen des Fahrradbooms Mitte der achtziger Jahre dein erstes, be - scheidenes Rad gekauft hast. Hier hast du vielleicht auch deine ersten Radhosen mit so komischem Leder drin ausprobiert. Viel - leicht hast du hier auch gelernt, deinen ersten Platten zu reparieren und wo die bes - ten Plätze zum Radeln sind (heute heißt es nur noch „Biken“) oder welche Radsport - vereine es in deiner Stadt gibt, in denen du dich engagieren kannst. Natürlich kommst du heute nicht mehr so oft hierhin wie du es früher tatest. Inzwischen Fahrradladen Der Fahrradladen im Wandel Willkommen in deinem örtlichen Fahrradladen, so es den noch gibt. Mach die Tür auf, tritt eine und schaue dich um. Hmmm, rieche diesen Fahrradduft, einen Geruch von abgelagerten Fahrradreifen, geölten Ketten, neuen Teilen und aufregenden technischen Neuerungen. Presse deine Nase an die Ausstellungsvitrinen und lasse den Glanz der hochpolierten Aluteile auf dich wirken. 29 gibt es ja die riesigen Postversender, in deren Katalogen du fast alles viel günstiger findest. Dann gibt es da den ultracoolen BikeShop in der Einkaufsmeile und zuletzt noch den riesigen Sportshop auf der grünen Wiese mit den wahnsinnigen Sonderan - geboten der Hausmarke. Ach ja, da ist noch der Ultradiscounter, in dem du doch das Kinderrad für ganz kleines Geld erhalten hast und an der Kasse stand dann da noch das geile Neonbike mit 24Gang-Shimanoschaltung für 249,– DM, welches du gleich noch für deine Liebste mitgenommmen hast, damit die auch mal mit dir radelt. Ist doch egal, das Kinderrad braucht eh´ nur zwei Jahre zu halten und dein Pumuckel radelt doch nur hinterher. All dieses mußt du nicht deinem Fach - händler an der Ecke erklären, er hat es längst gemerkt. Seine Chance ist, daß er ein sym- frei atmen! 1/95
30 pathischer Typ und ein harter Arbeiter ist. Er sorgt sich noch wirklich um die Räder, die er verkauft. Er nimmt sich wirklich Zeit, das neue Rad zu montieren, den schiefen, vorderen Umwerfer zu richten und das lose Tretlager festzuziehen. Alles an der neuen Maschine muß tip-top sein, wenn du damit den Laden verläßt. Das Problem ist heutzutage nur, daß erst gar nicht genug Leute in den Laden hineinkommen. Eine Menge Fahrradhändler kratzen sich am Kopf und wundern sich, warum es so ruhig geworden ist, wo doch das Fahrrad immer noch boomt. Teilweise scheint es so, als ob der Kunde nur etwas kaufen will, wenn es im Angebot ist, doch kann kein seri öser Händler nur Sonderangebote anpreisen. Hierzu kommt der Freizeitmensch, der dieses Jahr das Rafting ausprobiert, dann das Paragliding und Abenteuerurlaub, irgendwann ist dann das Biken dran und für jedes Vergnügen die spezielle Ausrüstung. Wel - cher Spinner gibt da schon mehr als 1000,– DM für ein HighTech-Gerät aus? Auch in Bochum und Umgebung greift die Hilfs losigkeit des Handels um sich. So ha - ben doch in den letzten Jahren zahlreiche, neue Händler ihre Laden eröffnet und schon jetzt setzt das Sterben ein. Der eine setzte sich aus Altersgründen zur Ruhe, der nächste hob drei Finger und schlitterte am Kon - kurs vorbei und selbst das Abschrei bungs - objekt eines Kinofürsten ver ab schiedete sich zum Jahresende. frei atmen! 1/95 Fahrradladen Ich sehe weitere auf der Abstiegsschiene, entweder weil ihnen der Ruf der Unfreund - lichkeit und Arroganz vorauseilt oder weil sie es nicht schaffen, mit ihrer bescheidenen Auswahl sich gegenüber der Konkurrenz am Ort zu behaupten. Mit Interesse verfolge ich die Entwicklung, einen BikeLaden mit Edel - teilen zu betreiben, vom schnöden Stahl - rahmen zu 1795,– DM bis zum Schalt werk von Meister Paul persönlich für 645,– DM. Gut dastehen werden weiterhin die, die ihr Stammpublikum pflegen und durch solide, seriöse Handwerkskunst überzeugen, denn die Schrotti-Discounter werden eines Tages vom Kunden durchschaut, denn nicht über - all, wo Bike draufsteht, ist auch ein brauchbares drin. Tip des Jahres zum Fahrradkauf: „Es ist unklug, zu viel zu bezahlen, aber es ist noch schlechter, zu wenig zu bezahlen. Wenn Sie zuviel bezahlen, verlieren Sie etwas Geld, das ist alles. Wenn Sie dagegen zu wenig bezahlen, verlieren Sie manchmal alles, da der gekaufte Gegenstand die zugedachte Aufgabe nicht erfüllen kann.“ (John Ruskin, englischer Sozialreformer, 1819 – 1900) EZ
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