Life Channel Magazin November 2020
Glauben
Glauben
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gott<br />
ist…<br />
| SERIE<br />
Gott ist …<br />
… da – manchmal nah, manchmal fern<br />
VON ELSBETH ABEGG VORBURGER<br />
Das sind die Erfahrungen, die mein Glaubensleben<br />
begleiten: Gott ist nahe, wendet<br />
sich mir zu. Ich fühle mich getragen. Alles<br />
ist gut. – Gott ist fern, hört mein Klagen und<br />
Bitten nicht. Ich fühle mich verlassen. Es<br />
bleibt die ungestillte Sehnsucht nach Gott.<br />
Manchmal denke ich, dass Glauben nichts<br />
anderes ist als diese tiefe Sehnsucht nach<br />
Gottes Nähe, nach Heil und Heilung, nach<br />
Gewissheit, dass mein Leben Sinn macht,<br />
dass ich eine Aufgabe in dieser Welt zu<br />
erfüllen habe und Gutes zu tun vermag.<br />
Ebenso, dass Gott mich sieht und hört, mich<br />
ermutigt zum Aufbrechen, mich auch<br />
bremst, meine Fehler nicht anrechnet,<br />
sondern sie vergibt und ich spüren darf: So<br />
wie ich bin, darf ich vor ihm sein mit meinem<br />
kleinen Leben und meinen grossen<br />
Zweifeln, Ängsten und meiner Traurigkeit.<br />
Darüber hinaus denke ich, dass Glauben<br />
niemals nur eine Sache zwischen Gott und<br />
einem Menschen ist, sondern die ganze<br />
Lebenshaltung prägt, die sich darin manifestiert,<br />
wie ich meinen Mitmenschen<br />
begegne: Den Nahen und den Fernen,<br />
denen, die ich mag und denen, die mir das<br />
Leben schwermachen.<br />
Glauben hat für mich viel mit Verantwortung<br />
zu tun. Er ist eine tägliche Herausforderung.<br />
Gerade auch deshalb, weil die Welt,<br />
in der wir leben, nicht einfach die gute<br />
Schöpfung widerspiegelt und die gesellschaftliche<br />
Entwicklung in vielen Ländern<br />
nicht sehr ermutigend stimmt. Mitten in<br />
dieser Welt, in der auch ich oft genug so tue,<br />
als sei alles mehr oder weniger in Ordnung,<br />
bin ich gefordert, mich da, wo ich stehe, für<br />
Gerechtigkeit und Frieden, für Freiheit und<br />
Solidarität einzusetzen. Ich weiss, das sind<br />
grosse Worte, an denen ich mich im Alltag<br />
oft vergeblich abmühe. Und doch glaube ich,<br />
dass wir fähig sind, Dinge und Verhältnisse<br />
zu erkennen, die wir im Kleinen verändern<br />
können. Das kann schon dadurch geschehen,<br />
dass ich heute niemanden entmutige,<br />
der mir begegnet, auch wenn ich nicht alle<br />
Menschen gleich lieben kann.<br />
Ich glaube, Gott hat eine Vision vom Leben<br />
auf der Erde seit dem ersten Schöpfungstag.<br />
Die Vision heisst: «Menschen leben in<br />
Frieden. Menschen handeln gerecht. Menschen<br />
gehen achtsam miteinander und mit<br />
der ganzen Schöpfung um.» Soweit sind wir<br />
noch nicht. Noch sind wir auf dem Weg.<br />
Gottes Vision mag noch nicht unsere sein,<br />
aber die Sehnsucht nach ihr schenkt Kraft<br />
für den nächsten Schritt.<br />
damit viel, setzt sich den Menschen aus. Ich<br />
spreche nicht vom «Philosophengott»,<br />
sondern vom Gott Abrahams und Sarahs,<br />
der mit seinem Volk mitgeht, sich anrühren<br />
lässt vom Schicksal der Menschen und nicht<br />
losgelöst von seiner Schöpfung existieren<br />
will.<br />
Es liegt an uns, seinen Namen zu ehren,<br />
ihm Sorge zu tragen, damit er nicht aus<br />
dem Gedächtnis der Menschen verschwindet<br />
und wir das, was Gott gut geschaffen<br />
hat, auch heute schützen, erneuern und<br />
lieben.<br />
All das gehört zu meinem Glauben an Gott,<br />
der denen nahe ist, die Sehnsucht nach ihm<br />
haben und das Verlangen spüren, anzukommen<br />
bei ihm, ihren Mitmenschen, bei sich<br />
selbst. Nicht irgendwann, sondern jetzt.<br />
Nicht unversehrt, doch letztendlich gesegnet.<br />
SERIE «GOTT IST …»<br />
Wie oder wer ist Gott eigentlich? Diese Frage<br />
beschäftigt die Menschen schon lange. In<br />
der Bibel werden unterschiedliche Bilder<br />
gebraucht, um Gott zu beschreiben. In einer<br />
zwölfteiligen Serie teilen Theologinnen und<br />
Theologen aus unterschiedlichen Denominationen<br />
ihre Vorstellungen, wie Gott ist.<br />
Ich glaube, nicht nur Menschen vertrauen<br />
Gott, Gott vertraut auch den Menschen.<br />
Er traut uns zu, seine Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter zu sein, die hier und heute am<br />
Reich Gottes bauen. Gott ist langmütig,<br />
geduldig, beharrlich. Davon erzählt die Bibel<br />
in der Geschichte von Gott mit den Menschen<br />
von der ersten bis zur letzten Zeile.<br />
Gott hofft und wartet auf uns. Er möchte<br />
und braucht uns als Gegenüber und riskiert<br />
ZUR PERSON<br />
Elsbeth Abegg Vorburger, Jahrgang 1958,<br />
war Pfarrerin in Elgg von 2005 – <strong>2020</strong> und<br />
seit Ende Juni in Pension. Elgg war ihre<br />
erste und letzte Pfarrstelle. Vorher arbeitete<br />
sie im Gastgewerbe und in der Tourismusbranche.<br />
Ihr Herz schlägt für alles, was<br />
Menschen einander näherbringt und die<br />
Gemeinschaft stärkt.<br />
<strong>Life</strong> <strong>Channel</strong> <strong>Magazin</strong> | <strong>November</strong> <strong>2020</strong> | 15