ETA Hoffmann (1776 – 1822): Querdenker im Staatsdienst - Manz
ETA Hoffmann (1776 – 1822): Querdenker im Staatsdienst - Manz
ETA Hoffmann (1776 – 1822): Querdenker im Staatsdienst - Manz
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<strong>Querdenker</strong> <strong>im</strong> <strong>Staatsdienst</strong><br />
keit zu vereinbaren war. Zuletzt <strong>im</strong> Zuge des Aufruhrs rund um<br />
Meister Floh, der in Märchenform verpackten Satire auf die Korruption<br />
des Staatsapparates, wurde <strong>Hoffmann</strong> selbst Zielscheibe der<br />
„Demagogenverfolgung“. Seiner Prinzipientreue wegen hatte er von<br />
der Seite des Anklägers auf die des Angeklagten zu wechseln.<br />
Seine Schaffensperiode fällt in eine Zeit des Wandels, der sich<br />
am augenscheinlichsten in der Französischen Revolution und dem<br />
damit in Verbindung stehenden Paradigmenwechsel von der Aufklärung<br />
zur Romantik vollzog. Während Napoleons militärische<br />
Expansionspolitik politisch-philosophische Ideen quer über den<br />
europäischen Kontinent aussäte, vollzog sich die Auflösung einer<br />
Sozialstruktur zugunsten einer anderen: Parallel zum allmählichen<br />
wirtschaftlichen Erstarken der neu entstandenen bürgerlichen<br />
Schicht brachte das einsetzende 19. Jahrhundert Veränderungen der<br />
literarischen Szene mit sich: Während die Literatur des Mittelalters<br />
in ihrer Repräsentanz der alleinig herrschenden Oberschicht die<br />
finanzielle Unterstützung ihrer Souveräne besaß, war der Autor des<br />
19. Jahrhunderts durch soziale Umbrüche obdachlos geworden. Als<br />
neue Grundlage des Schreibens diente dem Dichter die öffentlich<br />
relevant gewordene Privatsphäre der Gesellschaft. Aus der Obhut<br />
der adeligen Mäzene entlassen, fand der Künstler zu einer Autonomie,<br />
die neben dem finanziellen Risiko die Sorge um Anerkennung<br />
und Erfolg mit sich brachte. Die praktische Existenzsicherung über<br />
einen handfesten Nebenerwerb war also für viele Dichter der Ausweg<br />
aus der Geldnot. E. T. A. <strong>Hoffmann</strong>, seinerseits, hatte die Juristenlaufbahn<br />
eingeschlagen und verhielt sich dabei in Einklang mit<br />
seiner Künstlerseele, das Recht des Individuums gegen den Zugriff<br />
des Staates einfordernd.<br />
Die innere Zerrissenheit der Epoche, die dem Einzelnen durch<br />
politische und soziale Änderungsprozesse zuteil geworden war,<br />
sowie die Seelenqualen eines in eine neue Ära entlassenen Individuums<br />
prägten die literarischen Charaktere der Romantik. <strong>Hoffmann</strong><br />
fügte sich auf eine kritisch distanzierte Art und Weise in<br />
seinem schriftstellerischen Werk der Mode seiner Zeit und stellte sie<br />
gleichzeitig ironisch in Frage. So zahlreich die wundersamsten<br />
Gestalten seine Zeilen bevölkern mögen, so gemäßigt verhielt sich<br />
der Dichter jedoch selbst Zeit seines Lebens. Trotz seines überdurchschnittlichen<br />
literarischen und musikalischen Talents hütete er sich<br />
davor, sein Leben völlig der Kunst zu verschreiben <strong>–</strong> ein Exper<strong>im</strong>ent,<br />
das er aber sehr wohl an seinen literarischen Gestalten durchexerzierte.<br />
Das romantische Ideal künstlerischen Schöpfertums sah<br />
die Entgrenzung des Künstlers und somit die völlige Entfremdung<br />
aus dem Gesellschaftsverband vor. Das Auf- und gleichzeitige Ver-<br />
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