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ETA Hoffmann (1776 – 1822): Querdenker im Staatsdienst - Manz

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<strong>Querdenker</strong> <strong>im</strong> <strong>Staatsdienst</strong><br />

die beginnende Industrialisierung fragmentierten Welt nicht mehr<br />

zu entsprechen. Die Paradoxie des Alltags in einer so gearteten Welt<br />

spiegelte sich in der Heterogenität der Persönlichkeit, die ihre Einheit<br />

über eine notwendigerweise bruchstückhafte Vielheit zu<br />

begründen suchte. Novalis umriss die Identitätsproblematik der<br />

Romantik wie folgt: „Das ächte Dividuum ist auch das ächte Individuum.“<br />

11<br />

<strong>Hoffmann</strong>s erzählerische Gestaltungsmerkmale der Dissonanz,<br />

Montage und Ironie sind Vorboten einer Moderne, die aus den<br />

Umbrüchen der wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Gegebenheiten<br />

heraus entstand. Zu Beginn des Märchens Meister Floh<br />

steht nach gewohnter Erzähltradition die Anfangsformel „Es war einmal“,<br />

sogleich jedoch bricht <strong>Hoffmann</strong> mit der Erwartungshaltung<br />

des Lesers und verwirft sie als veraltet: „Langweilig! <strong>–</strong> so ruft der<br />

geneigte oder vielmehr ungeneigte Leser, der nach des alten römischen<br />

Dichters weisen Rat gleich media in res versetzt sein will.“ 12<br />

<strong>Hoffmann</strong> exper<strong>im</strong>entierte mit formalen Innovationen und griff dabei<br />

indirekt erstarrte Erwartungshaltungen seiner Leserschaft an.<br />

Ebenso überschreitet E. T. A. <strong>Hoffmann</strong> in seinem Werk Genreund<br />

Metiergrenzen, kombiniert triviale mit anspruchsvoller Literatur,<br />

vermischt Alltag mit Kunst, schuf also Stilsynkretismen, die prägend<br />

für das Schaffen des 20. Jahrhunderts wurden.<br />

Komik bedeutet für <strong>Hoffmann</strong>, über gewisse Grenzen hinauszublicken,<br />

um unter anderem das Genre auszuweiten, so wie er <strong>im</strong><br />

Fall des Meister Floh die Formelhaftigkeit des Märchens unterwandert.<br />

Das „Komische“ entsteht für <strong>Hoffmann</strong> aus der Polarität<br />

zwischen innerer Gemütsst<strong>im</strong>mung und äußerer Erlebniswelt, wie<br />

er es in seiner Verteidigungsschrift zum Meister Floh formuliert:<br />

Der Held des Stücks Peregrinus Tyß genannt, ist ein beinahe kindischer<br />

welt- und vorzüglich weiberscheuer Mensch, und der Zufall will es,<br />

daß gerade er den Verdacht einer Entführung auf sich ladet. Der<br />

Contrast einer inneren Gemüthsst<strong>im</strong>mung mit den Situationen des<br />

Lebens ist eine Grundbasis des Komischen, welches in dem Märchen<br />

vorherrschen sollte, und so glaubte ich die Erfindung nach bewährten<br />

Theorien für glücklich halten zu dürfen. [Siehe Flögel, Geschichte des<br />

Grotesk-Komischen (1788)] 13<br />

E. T. A. <strong>Hoffmann</strong> übern<strong>im</strong>mt die Tradition des Grotesken in<br />

Anklang an das Mittelalter, verleiht ihr aber eine bedeutende sozialkritische<br />

Funktion. Oft gelten seine Satiren den Philistern, jenem<br />

kleinbürgerlichen Milieu, dem er selbst entstammte und das überwiegend<br />

die mittlere bis gehobene Beamtenschicht (Justiz-, Gehe<strong>im</strong>-,<br />

Medizinal-, Legationsräte, Professoren) stellte.<br />

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