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Die Mittelstandsanleihe
Eine neue Liebe erwacht. Hat sie aber auch langfristig Bestand?
Text: Dr. Konrad Bösl
Immer mehr mittelständische Unternehmen
sehen in der Emission einer Anleihe
eine neue, interessante Alternative zum klassischen
Bankkredit. Gemessen an der Anzahl
an Erstemissionen, dem öffentlichen
Interesse und den erstmals an einer Börse
speziell für Mittelstandsanleihen geschaffenen
Rahmenbedingungen kann das Jahr
2010 als Zeitenwende für die Emission von
Anleihen mittelständischer Unternehmen
bezeichnet werden. Die Finanzierung mittelständischer
Unternehmen wird damit um
eine interessante Alternative bereichert. Entscheidend
ist nun, dass die Rahmenbedingungen
attraktiv gestaltet werden und das
„zarte Pflänzchen“ Mittelstandsanleihe nicht
durch schwarze Schafe unter den Anleiheemittenten
zertreten wird.
Wesentliches Merkmal einer Mittelstandsanleihe
ist, dass es sich um kleinvolumige
Anleihen zwischen 35 Mio. Euro und
150 Mio. Euro handelt, die über den organisierten
Kapitalmarkt emittiert werden.
Dem war nicht immer so. Bis 2009 wurden
in Deutschland Unternehmensanleihen nahezu
ausschließlich von Großunternehmen
begeben. Das Emissionsvolumen lag in der
Regel deutlich über 200 Mio. Euro. Hinzu
kam, dass seitens der Banken kein Interesse
bestand, kleinvolumigere Anleihen zu platzieren.
Dies führte dazu, dass mittelständische
Unternehmen bei der Begebung einer
Anleihe an den Graumarkt gedrängt wurden.
Letzteres bedeutete ein hohes Platzierungsrisiko
bei gleichzeitig überdurchschnittlich
hohen Emissionskosten.
Aufgrund des extremen Rückgangs des
Zinsniveaus hat sich 2010 die Marktsituation
grundsätzlich verändert. Neben Privatanlegern
engagieren sich immer mehr institutionelle
Investoren in Mittelstandsanleihen.
Hinsichtlich der institutionellen Investoren
fällt auf, dass sie immer weniger Wert
auf das Rating einer großen Ratingagentur
(zum Beispiel Standard & Poor’s oder Moody’s)
legen. Darin spiegelt sich ein spürbarer
Vertrauensverlust in die Qualität der großen
Ratingagenturen wider, der sich während der
Finanz- und Wirtschaftskrise in den Jahren
2008 und 2009 aufgebaut hat.
Während in der ersten Jahreshälfte 2010
Mittelstandsanleihen vornehmlich von größeren,
mittelständischen Unternehmen mit
einem höheren Emissionsvolumen begeben
wurden, hat sich dies in der zweiten Jahres-
hälfte deutlich geändert. Nicht nur die Emissionsvolumina
sind in der Untergrenze auf
25 Mio. Euro bis 35 Mio. Euro gefallen, sondern
es sind vornehmlich nicht börsennotierte
Unternehmen, die Mittelstandsanleihen
begeben. Die deutschen Regionalbörsen
und die Börse in Frankfurt haben den
Trend zur Mittelstandsanleihe erkannt und
bereiten spezielle Marktsegmente vor. Pionier
ist die Stuttgarter Börse. Im Mai dieses
Jahres hat sie mit Bondm ein spezielles Handelssegment
für Mittelstandsanleihen im
Freiverkehr eingerichtet. Bondm ist zugleich
eine Plattform, die auf die Eigenemission
von Anleihen mittelständischer Unternehmen,
insbesondere an Privatanleger, gerichtet
ist. Neben der Platzierung über die
Bondm-Plattform empfiehlt die Stuttgarter
Börse den mittelständischen Unternehmen
die Eigenemission über die eigene Website
sowie über die Ansprache institutioneller Investoren
zu betreiben. Die Unternehmen
sind verpflichtet, sich bei der Emission durch
einen sogenannten Bondm-Coach begleiten
zu lassen, das heißt ein von der Stuttgarter
Börse zugelassenes Beratungsunternehmen,
das die Kapitalmarktfähigkeit des Unternehmens
prüft und das Unternehmen bei
der Erfüllung der mit dem Handel auf
Bondm verbundenen Folgepflichten (zum
Beispiel Veröffentlichung eines Halbjahresabschlusses,
eines aktuellen Finanzkalenders
oder eines Emittenten-Factsheets auf der
Website) unterstützt.
Je mehr Börsen spezifische Handelssegmente
für Mittelstandsanleihen einrichten,
umso größer wird der Wettbewerb der Börsen,
mittelständische Unternehmen für ihr
Handelssegment zu gewinnen. Langfristig
werden nur jene Börsen Erfolg haben, denen
es gelingt, möglichst viele Mittelstandsanleihen
in ihrem Handelssegment gelistet
zu haben. Allein deshalb ist die Gefahr groß,
dass die Qualität der anleiheemittierenden,
mittelständischen Unternehmen abnimmt,
das heißt die Anleihefähigkeit nicht oder in
nicht ausreichendem Maße gegeben ist. Anleihefähig
ist ein mittelständisches Unternehmen
nur dann, wenn es über nachhaltig
stabile Cashflows verfügt, die die Zinszahlung
und die endfällige Rückzahlung des Anleihebetrags
sicherstellen. Um dies beurteilen
zu können, müssen die wesentlichen Einflussgrößen
auf Umsatz- und Kostenstruktur
der Unternehmensplanung des mittelständischen
Unternehmens einem Stresstest
EINWURF
Dr. Konrad Bösl ist Vorstand der
Blättchen & Partner AG.
www.blaettchen.de.
unterzogen werden. Um dies tun zu können,
ist nicht nur ein tiefes Verständnis des Geschäftsmodels
erforderlich, sondern gleichzeitig
eine langjährige Erfahrung in der Analyse
und Beurteilung von Unternehmensplanungen.
An Bondm soll dies der vom
Unternehmen zu verpflichtende Bondm-
Coach übernehmen. Ob dies jeder Bondm-
Coach fachlich kann und sich seiner Verantwortung
für die Etablierung der Mittelstandsanleihe
in Deutschland bewusst ist,
darf im Grunde in Frage gestellt werden, da
Kapitalmarkterfahrung und die Entrichtung
der Jahresgebühr ausreichen, um Bondm-
Coach zu werden.
Es geht hier nicht darum, Bondm oder
ein zukünftig an einer anderen Börse entstehendes
Handelssegment für Mittelstandsanleihen
schlecht zu machen. Vielmehr
ist es wichtig, alle Kapitalmarktteilnehmer
daraufhin zu sensibilisieren, dass der
Markt für Mittelstandsanleihen sich nur
dann dauerhaft etablieren und erfolgreich
sein kann, wenn verhindert wird, dass nicht
anleihefähige mittelständische Unternehmen
den Weg an den Kapitalmarkt finden. Hierfür
ist eine Rückbesinnung an den steilen
Aufstieg und tiefen Fall des Neuen Marktes
sinnvoll. Es liegt primär in der Verantwortung
jeder ein Handelssegment für Mittelstandsanleihen
betreibenden Börse sicherzustellen,
dass nur anleihefähige Unternehmen
aufgenommen werden. Es werden die
falschen Anreize gesetzt, wenn ein Windhundrennen
zwischen den Börsen um Mittelstandsanleihen
einsetzt, eine das schnelle
Geschäft witternde Beraterklasse entsteht,
die die Emission begleitenden Banken ein
attraktives Provisionsgeschäft und ihre Mitarbeiter
hohe Bonuszahlen vor Augen haben.
Der Markt für Mittelstandsanleihen wird
schnell sein Ende finden – und hier sind
durchaus Parallelen zum Hype bei der Mezzanine-Finanzierung
zulässig –, wenn in der
näheren Zukunft bei ersten Mittelstandsanleihen
die Zinszahlungen nicht oder nicht
vollständig bedient werden können. Der
größte Verlierer steht dann schon heute fest:
der deutsche Mittelstand!
BOND MAGAZINE | Ausgabe 01 | Dez. 2010 - Jan. 2011 | www.fixed-income.org 33